Milliarden an Steuergeschenke

Der Nationalrat hat in der Herbstsession die Abschaffung der Stempelsteuer für Sach- und Vermögensversicherungen beschlossen. Damit macht er ein Geschenk von mindestens 250 Millionen Franken an die Grossunternehmen. Doch dies ist immer noch eine Kleinigkeit gemessen an dem, was durch die geplante Unternehmenssteuerreform III an Steuergeschenken von Seiten der Bevölkerung folgen soll.

Aus der vorwärts-Printausgabe vom 11.Oktober. Unterstütze uns mit einem Abo.

Wenn in Bern unter der Bundeskuppel die so genannten VolksvertreterInnen tagen, kommt oft und gerne der wahre Charakter, Sinn und Zweck des bürgerlichen Parlaments zum Vorschein: das Durchsetzen der Interessen der Mächtigen in diesem Lande auf Kosten der Arbeiterklasse, der breiten Bevölkerung. Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) schreibt dazu in ihrer Stellungnahme vom 22. September: «Jenen nehmen, die wenig haben, um denen zu geben, die bereits viel zu viel haben; die laufende Herbstsession der Räte ist einmal mehr exemplarisch für die neoliberale, ausschliesslich den Partikularinteressen des Kapitals verpflichtete Politik der bürgerlichen Parteien». Linke, gar kommunistische, abgedroschene, ewig gestrige Rhetorik? Schauen wir mal genauer hin.

Von der Vorspeise mit Lachs .?.?.

Der Zürcher SVP-Mann Hans Kaufmann forderte in seiner Motion die Abschaffung der Stempelabgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen. In der Begründung ist unter anderem zu lesen: «Die Massnahmen sind so auszugestalten, dass eine Entlastungswirkung von etwa 250 Millionen Franken eintritt.» Selbst dem Bundesrat ging dieser Vorschlag zu weit, unter anderem weil «eine Gegenfinanzierung, die zugleich ökonomisch sinnvoll und politisch realisierbar ist, als nicht realistisch erscheint», wie er in seiner Stellungnahme festhält.

Eine Position, die in der Ratsdebatte von Bundesrätin Widmer-Schlumpf wiederholt wurde. So sagte sie, dass man sich bei einer Annahme der Mo-tion auch über die Ausfälle Gedanken machen müssen, über die Frage der Gegenfinanzierung solcher Massnahmen. Gleichzeitig müsse man auch die geplante «Unternehmenssteuerreform III gegenfinanzieren». Mit Schützenhilfe der FDP und der BDP wurde die SVP-Motion trotzdem überwiesen und nun muss der Ständerat darüber befinden. Kennt man die Mehrheitsverhältnisse in der kleinen Kammer, steht dem Millionengeschenk an die Grosskonzerne nichts mehr im Weg. Die Klein- und Mittelbetriebe sind von dieser Art Stempelsteuer bereits befreit, so kommen nur noch die ganz grossen Konzerne als Empfänger des Millionengeschenks in Frage.

.?.?. zum Hauptgang mit Hummer und Kaviar

Aber noch nicht genug Weihnachtsmann gespielt: Diese 250 Millionen sind ein Trinkgeld im Vergleich zu dem, was den Grosskonzernen durch die Unternehmenssteuerreform III (USR III) – sorry – in den Allerwertesten geschoben werden soll. Mitte September stellten Bundesrätin Widmer-Schlumpf und Peter Hegglin, Zuger Finanzdirektor und Vorsteher der Finanzdirektorenkonferenz, den Zwischenbericht des «Steuerungsorgans» zur USR III der Presse vor. Widmer-Schlumpf sagte dazu: «Es handelt sich nicht um eine Steuersenkungsvorlage.» Wirklich nicht? «Es geht darum, die internationale Akzeptanz der schweizerischen Steuerpolitik zu sichern oder wieder herzustellen», erklärte die Bundesrätin. Die Reform sei nötig, weil «die EU die gesonderten Steuerregimes für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften künftig nicht mehr duldet. Wenn nicht gehandelt wird, besteht die Gefahr, dass die Unternehmen ins Ausland abwandern».

Die Erklärung wird sofort zur Drohung: Ohne USR III kommt es zum Verlust von Arbeitsplätzen! So scheinen dem Bundesrat 3,9 Milliarden Franken in Form einer Senkung der Gewinnsteuer eine angemessene Summe zu sein, um die Grosskonzerne bei Laune zu behalten. 3,9 Milliarden (!), die dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden fehlen werden und daher von irgendwoher wieder einkassiert werden müssen. Von wo genau, steht im Zwischenbericht ab Seite 41. Da es in den Kantonen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Steuererhöhungen kommen wird, empfiehlt die Steuerungsgruppe dem Bund die «Verlagerung von der (direkten) Unternehmensbesteuerung hin zur indirekten Besteuerung (?…?) namentlich auf die Mehrwertsteuer».

Da dies noch nicht reicht, soll die Bevölkerung zusätzlich mit der «Abschaffung oder Reduktion von Steuervergünstigungen (z.B. Abzug für auswärtige Verpflegung)» die Steuergeschenke an die Grosskonzerne berappen. Zynisch wird hinzugefügt: «Damit würde jedoch die Steuerlast von den Unternehmungen zu den natürlichen Personen verschoben. Ein Vorteil solcher einnahmenseitiger Massnahmen wäre, dass sie auch den Kantonen zusätzliches Einnahmenpotenzial erschliessen würden, das sie zur Entlastung ihrer Haushalte einsetzen können.»

Auf zum Kampf

Was von dieser Steuerreform zu halten ist, lässt sich am besten mit den Worten der Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen wiedergeben. Sie sagte gegenüber der WOZ: «Die Schweiz soll endlich aufhören, sich steuerpolitisch für die globalen Konzerne zu prostituieren». Wir fügen uns dem an und rufen jetzt schon zum Kampf gegen die USR III auf. Um die Kampfmoral zu steigern, sei an folgendes erinnert: Die Steuerausfälle, sprich die bereits gemachten Steuergeschenke durch die Steuerreform II aus dem Jahr 2008, schätzt der Bundesrat auf jährlich 480 bis 600 Millionen Franken ein. Etwas mehr als 600 Millionen Franken betrugen auch die Einsparungen durch Streichung von Leistungen bei Erwerbslosen bei der letzten Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV) im Jahr 2011.

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