Kapital gegen Kapital

MinderIn der «Abzockerinitiative» geht es vor allem um die Umverteilung von Geld innerhalb des Kapitals. Die hoch moralische Debatte legt einige Befindlichkeiten der gutschweizerischen Seele offen. Dass es für die ArbeiterInnen dabei um gar nichts geht, tut der weit verbreiteten Empörung keinen Abbruch.

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Derzeit füllt die «Abzockerinitiative» die Zeitungsspalten der Schweizer Medien und sorgt mancherorts für hitzige Diskussionen. Nach aktuellen Umfragen würde die Initiative am 3. März von rund 54 Prozent der Schweizer WählerInnen angenommen. Managerschelte und Abzockerkritik sind Disziplinen, die sich seit Jahren von weit links bis nach ganz rechts grosser Beliebtheit erfreuen. Entsprechend wird die Intiative von einem breiten Bündnis getragen, das von den Grünen über die Sozialdemokratie bis zu Teilen der Schweizerischen Volkspartei reicht und auch Kleinparteien am linken und rechten Rand umfasst.

Die Initiative verbietet goldene Fallschirme für ManagerInnen. Zudem sollen «zum Schutz der Volkswirtschaft, des Privateigentums und der Aktionärinnen und Aktionäre» die FirmeneigentümerInnen von kotierten Schweizer Aktiengesellschaften über die Gesamtsumme aller Entschädigungen abstimmen können. Sie legen nicht die Gehälter der ManagerInnen fest, aber sie können die zu verteilende Gesamthöhe der Vergütungen bestimmen. Das ist der Pudel Kern. Vor allem die grossen AktionärInnen werden auf Kosten der ManagerInnen gestärkt. KapitalbesitzerInnen auf Kosten jener, die über das Kapital Verfügungsgewalt haben (auch wenn es da Überschneidungen gibt). Kapital gegen Kapital. Es wäre albern, wenn man den vor allem rechts zu verortenden IntiantInnen vorwerfen würde, sie würden damit am Kapitalverhältnis gar nichts ändern. Das haben sie nie vorgehabt. Den Linken kann man das vorwerfen, auch wenn die Revolution für die meisten nur noch ein Schreckgespenst ist. Die «Abzockerinitiative» ist für sie eine von rechts aufgegleiste Ersatzhandlung für eine tatsächliche radikale Veränderung der gesellschaftlichen Umstände.

Guter Patron gegen Abzocker

Der Vater der Initiative ist der Saubermann Thomas Minder. Minder leitet die Trybol AG in Schaffhausen, die mit der Produktion von kosmetischen Produkten einen Umsatz von rund 5 Millionen Franken im Jahr macht. Der Kleinunternehmer vertritt gutbürgerliche Werte: schlanker Staat, mehr Polizeipräsenz zum Schutze der BürgerInnen und des Privateigentums, resolutes Vorgehen gegen Sozialmissbrauch und rasche Ausschaffung sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge. Keine Wunder, dass der Parteilose im Parlament in der SVP-Fraktion politisiert. Minder stellt für die aufgebrachte Öffentlichkeit geradezu das schweizerische Gegenstück zum wurzellosen und gierigen Manager dar. Ein Mann, der Gewicht auf die Marke «Schweiz» legt und in seinem KMU Werte und Waren produziert. Da passt es ganz gut, dass das Initiativkomitee den ManagerInnen vorwirft, dass ihre «Vergütungen in keinem Verhältnis zur individuellen Leistung» stehe und dass sie durch eine «persönliche Gier (…) nach noch mehr Geld und Macht» getrieben würden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – wie etwa an die antisemitisch konnotierte Gegenüberstellung von «raffendem» und «schaffendem» Kapital. Man muss allerdings nicht gleich mit Nazivergleichen hantieren, um die Initiative zu kritisieren, dazu reicht ein Blick auf Zustand und Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft.

Leistung und Verzicht

Leistung als Grundlage für eine entsprechende Vergütung ist ein Basisideologem der bürgerlichen Gesellschaft. Bloss wer etwas leistet, soll dafür auch gerecht entlohnt werden. Dass es dabei immer VerliererInnen geben muss und Menschen, die sich noch so anstrengen können, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen, ist dem bürgerlichen Bewusstsein weitgehend egal. Das Leistungsmass abstrahiert von der Verschiedenheit der Menschen, die in der bürgerlichen Gesellschaft vor Gesetz und Markt alle abstrakt gleich gemacht werden. Zudem verschwindet hinter einem ideologischen Schleier, dass die ArbeiterInnen den gesamten Wert schaffen, der an die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen verteilt wird. Die Gier nach noch mehr Geld spiegelt im Endeffekt nichts weiter als den Zwang des Kapitals, aus Geld mehr Geld zu machen. Das ist es, was ManagerInnen, AktionärInnen und Kleinunternehmer Minder teilen: Sie sind als Personifikationen des Kapitals interessiert, aber auch durch die  Konkurrenz gezwungen, ihre Unternehmen Profitabel zu führen und aus Geld mehr Geld zu machen. Dass sich der Unternehmer als Profit, der Aktionär als Dividende und Wertsteigerung und der Manager als Boni einen Teil dieser Geldvermehrung aneignen, gehört zum Geschäft, es widerspricht aber tendenziell dem Heisshunger des Kapitals nach mehr Kapital ohne welches die Wirtschaft nicht funktioniert. Deshalb steht es auch unter Verdacht und ist bei guten BürgerInnen und ihren VordenkerInnen verrufen. Verzicht für alle im Namen des nationalen Standorts.

 

Alles beim Alten

Aus Sicht der Proletarisierten lässt sich sagen: Alles bleibt beim Alten. Oben wird ein wenig hin und hergeschoben. Aber letztlich gilt immer noch der unumstössliche Imperativ des Kapitals: Geldvermehren bei Strafe des Untergangs. Firmenpleiten, Fusionen und Massenentlassungen wird es mit oder ohne die Initiative in Zeiten der Krise ohnehin geben. Und die Ausbeutung der ArbeiterInnen – der Zwang einen Mehrwert über die ihnen als Lohn ausbezahlte Summe zu produzieren – bleibt nach wie vor die Grundlage des Geschäfts, ob sich nun die AktienbesitzerInnen oder ihre ManagerInnen mehr bereichern. Deshalb eine Wahlempfehlung: Bleibt zu Hause und geniesst euren freien Tag.

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