Der grosse Kuhhandel der CVP und SP

sit. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hat einen überraschenden Coup platziert: Die Steuerreform bei den Unternehmen und die Reform der Altersvorsorge sollen verkuppelt werden. Es geht dabei um zwei Milliarden Franken, bei denen 600 Millionen direkt von den ArbeiterInnen berappt werden sollen. Die PdAS lehnt den Kuhhandel ab.

In der Wirtschaft wäre es eine gigantische Elefantenhochzeit, in der Politik ist es ein grossangelegter Kuhhandel, den die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) vorschlägt: Die Steuerreform 17, sprich die Nachfolge der Unternehmensreform III, und die Reform der Altersvorsorge sollen faktisch «fusionieren». Jene Vorlagen also, die in den letzten Jahren die politische Bühne der Eidgenossenschaft stark prägten, von links bis rechts für erhitzte Gemüter mit hochroten Köpfe sorgten und – besonders zu unterstreichen – von der Regierung auf Biegen und Brechen gewollt waren, aber vom Stimmvolk an der Urne versenkt wurden!

Ein winziges Zückerchen
Um den doch überraschenden Coup der WAK—- S besser einordnen zu können, ist ein kurzer Blick in die Vergangenheit sinnvoll. 2017 war für die VolksvertreterInnen in Bern kein so erfolgreiches Jahr: Am 27. September lehnten die Stimmberichtigten die Reform der Altersvorsorge, die so genannte AV2020, ab. Sie beinhaltete unter anderem die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und die Senkung des Umwandlungssatzes bei den Pensionskassen. Die Abbaupläne bei der Altersvorsorge wurden dank einem Referendum der radikalen Linken gebodigt, die SP und die Gewerkschaften traten mit voller Kraft für die Reform ein. Bereits im Februar 2017 war die USRIII, die Steuergeschenke in Milliardenhöhe für die Unternehmen vorsah, schlichtweg chancenlos an der Urne.
Da zweifellos der Druck vom Ausland gross ist, die Steuerprivilegien für die Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften zu eliminieren, musste sich der Bundesrat rasch mit einer Nachfolgevorlage befassen. So wurde aus der USRIII die Steuervorlage SV17, die im März 2018 von der Regierung vorgestellt wurde. Wie es zu erwarten war, kam es dabei beim Bundesrat nicht zu einem Sinneswandel. Auch die SV17 verteilt Geschenke an die Unternehmen im Umfang von mehreren Milliarden Franken. Im Wesentlichen hat der Bundesrat die wichtigsten Elemente wie etwa die Patentbox der USRIII in die SV17 übernommen. Neu war jedoch ein winziges Zückerchen in Form der Erhöhung der Kinderzulagen um mickrige 30 Franken.

«Nur» zwei Milliarden?
Mitte Mai befasste sich nun die WAK-S mit der SV17. Für sie scheint klar zu sein, dass das Zückerchen der Kinderzulage mit Blick auf eine erneute Abstimmung über die Vorlage bei Weitem nicht reicht. So schlägt die WAK-S vor, die SV17 nicht mit den Kinderzulagen, sondern mit der Altersvorsorge zu verbinden. Das von der CVP dabei ins Spiel gebrachte und forcierte Motto lautet: «Ein gesparter Steuerfranken = ein zusätzlicher AHV-Franken». Die WAK-S geht davon aus, dass durch die SV17 zwei Milliarden Franken an Steuereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden verloren gehen, sprich an die Unternehmen verschenkt werden. Somit will sie zwei Milliarden Franken für die AHV-Kasse generieren.
Zwei Milliarden? Hier muss ein erstes grosses Fragezeichen gesetzt werden, denn es ist völlig unklar, wie die WAK-S auf diese Summe kommt. Bei der USRIII waren es noch gut vier Milliarden Franken Steuergeschenke. Die kleinen Kosmetikkorrekturen bei der SV17 machen nie zwei Milliarden aus. Wie schon die USRIII ist auch die SV17 eine «Werkzeugkiste» für die Kantone und jeder Kanton kann dann das «Werkzeug» benutzen, das er für nötig hält. Und, besonders wichtig: So wie bei der USRIII soll auch im Zuge der SV17 die kantonal geregelte Gewinnsteuer für Unternehmen massiv gesenkt werden. Es ist diese Massnahme, die zwar nicht in der «Werkzeugkiste» zu finden ist, die aber zu den erheblichen Steuerausfällen in den Kantonen und Gemeinden führen wird. Die Senkung der Gewinnsteuer ist nach wie vor das Ziel Nummer 1 der ganzen Reform. Welche finanziellen Löcher sie in den kantonalen Kassen reissen wird, hängt natürlich von der entsprechenden Senkung ab.

Wer bezahlt?
Eine der Kernfragen dieses Kuhhandels ist natürlich, woher die zwei Milliarden für die AHV kommen sollen. Vorgesehen sind die Erhöhung der Lohnbeiträge um je 0,15 Prozentpunkte für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen (1,2 Milliarden Franken pro Jahr), die Zuweisung des gesamten Demografieprozents der Mehrwertsteuer (heute 83 Prozent) an die AHV (520 Millionen) und die Erhöhung des Bundesbeitrags an die AHV von 300 bis 400 Millionen.
Die ArbeiterInnen sollen somit mit 600 Millionen Franken zur Finanzierung beitragen. Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) schreibt in ihrer Stellungnahme: «Wir lehnen es kategorisch ab, dass die ArbeiterInnen auch nur teilweise die Steuergeschenke in Milliardenhöhe an die Unternehmen berappen sollen.» Und die Juso rechnet vor: Von den 2,1 Milliarden für die erste Säule bezahlt die Bevölkerung 1,5 Milliarden selber. Die JungsoszialistInnen beziehen sich dabei auf die 900 Millionen Franken aus der Bundeskasse (Demografieprozent plus Erhöhung Bundesbeitrags) und die 600 Millionen ArbeitnehmerInnenbeiträge, die zusammen mit den 600 Millionen von den ArbeitgeberInnen die 2,1 Milliarden Franken ergeben. Die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer, die im linken Flügel der SP zu Hause ist, machte ihrem Ärger auf Twitter Luft: Was als «sozialer Ausgleich» und «Gegenfinanzierung» verkauft werde, sei «absoluter Bschiss». Komplett anders ist jedoch die Gemütslage an der Spitze ihrer Partei: Der Präsident Christian Levrat frohlockt und spricht gar von «einem Wunder». Und Nationalrat Corrado Pardini, der auch in der Geschäftsleitung der Unia sitzt, ist überzeugt, dass die neue Vorlage eine Mehrheit in der SP-Fraktion finden wird.

Welche Auswirkungen für die Altersvorsorge?
Völlig offen ist auch die wichtige Frage, wie sich dieser Kuhhandel auf die AHV-Reform niederschlägt. Die von der WAK-S beauftragten Expert-Innen gehen davon aus, dass der Deal etwa vier bis fünf Jahre Luft für die Kassen der AHV bringen wird. Konkret: Die geplanten Mehreinnahmen decken angeblich rund 40 Prozent des Finanzbedarfs der AHV bis Ende 2032.
Vor den Sommerferien will der zuständige Bundesrat Alain Berset die neue Reform der Altersvorsorge vorstellen. Es scheint klar zu sein, dass dabei das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre und die Mehrwertsteuer um mindestens ein Prozent erhöht werden soll. Nicht auszuschliessen ist auch eine weitere Erhöhung der Lohnabgaben sowie die Senkung des Umwandlungssatzes bei den Pensionskassen. Unabhängig vom Vorschlag der Regierung ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die Bürgerlichen die Erhöhung des Frauenrentenalters sowie weitere Verschlechterungen bei der Altersvorsorge vehement einfordern werden. Sie wären (klassen-)politisch dumm, täten sie es nicht! Ob sie gar die generelle Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre in Spiel bringen werden, ist zumindest bei der FDP noch offen, wie ihr Hausblatt, die Neue Zürcher Zeitung, zu berichten weiss.

Wichtige Zugeständnisse an FDP und SVP
Zurück zur SV17: Die Verbindung zur Altersvorsorge anstatt zu den Kinderzulagen ist sicher die wichtigste Änderung der WAK-S im Vergleich zum Vorschlag der Regierung. Es gibt jedoch zwei weitere, die von Bedeutung sind: Erstens soll durch die Hintertür die zinsbereinigte Kapitalgewinnsteuer wieder in die Vorlage eingeführt werden. Sie war von der USRIII gekippt worden, um der Vorlage so bessere Chancen bei der Abstimmung zu verschaffen. Die WAK-S schlägt nun vor, dass Kantone, bei denen die Gesamtbesteuerung der Unternehmen unter einem gewissen Prozentsatz liegt, die zinsbereinigte Kapitalgewinnsteuer einführen können. Die genauen Details und somit auch die Höhe des Prozentsatzes sind noch nicht klar, jedoch ist 18 Prozent die meistgenannte Grenze in diesem Fall.
Zweitens soll, um ein Referendum von rechts zu verhindern, die Teilbesteuerung der Dividenden aus qualifizierten Beteiligungen (mindestens 10 Prozent des Kapitals) auf Stufe Bund 50 Prozent betragen, auf Ebene der Kantone und Gemeinden mindestens 50 Prozent. Die Regierung hat 70 Prozent vorgeschlagen.
Es sind dies wichtige Zugeständnisse der CVP/SP-Mehrheit in der WAK-S an FDP und SVP. CVP und SP haben im Ständerat eine Mehrheit (25 der 46 Sitze) und somit auch in der WAK. Diese Mehrheit hat den Kuhhandel eingefädelt. Anders sieht es aber im Nationalrat aus und somit auch in der WAK dieses Rates, in der die FDP und die SVP auf eine knappe Mehrheit kommen (13 der 25 Sitze). Die Zugeständnisse der CVP und SP sind somit auch ein klarer Wink an den Nationalrat, das Fuder bei der SV17 nicht wieder wie bei der USRIII zu überladen. Was FDP und SVP tun werden, steht noch in den Sternen. Ihre Ausgangslage hat die NZZ bestens auf den Punkt gebracht: «Die Vertreter von FDP und SVP in der WAK haben sich gesagt: Versuchen wir bei der Steuerreform das Maximum herauszuholen, und schlucken wir im Gegenzug bei der AHV einige Kröten. Und im Abstimmungskampf wird die im Volk populäre AHV ihren Glanz auf die sperrige Steuervorlage werfen.»
Die Stossrichtung ist somit klar und sie ist alles andere als verlockend für die radikale Linke. Wir dürfen gespannt auf die Fortsetzung warten. Tatenlos sollten wir es aber nicht tun!

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