Der grosse Kuhhandel der CVP und SP

sit. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hat einen überraschenden Coup platziert: Die Steuerreform bei den Unternehmen und die Reform der Altersvorsorge sollen verkuppelt werden. Es geht dabei um zwei Milliarden Franken, bei denen 600 Millionen direkt von den ArbeiterInnen berappt werden sollen. Die PdAS lehnt den Kuhhandel ab.

In der Wirtschaft wäre es eine gigantische Elefantenhochzeit, in der Politik ist es ein grossangelegter Kuhhandel, den die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) vorschlägt: Die Steuerreform 17, sprich die Nachfolge der Unternehmensreform III, und die Reform der Altersvorsorge sollen faktisch «fusionieren». » Weiterlesen

Weisser Schnee in der Karibik

Andreas Boueke. Die Karibikinsel Hispaniola vereint zwei Staaten, Haiti und die Dominikanische Republik. Zudem verbindet sie zwei Kontinente, Amerika und Europa, denn die Dominikanische Republik ist ein Brückenstaat des Drogenhandels. Eine Drogenspur von Hispaniola nach Europa.

Auf dem Index der menschlichen Entwicklung aller amerikanischer Staaten liegt Haiti weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Im Nachbarland Dominikanische Republik ist sich der Staatsanwalt Eluterio Cuevas bewusst, dass die haitianischen Behörden dringendere Probleme haben, als den Drogentransit zu unterbinden: «Unsere Insel liegt mitten in einem Korridor der Karibik, den die Kartelle in Venezuela und Kolumbien nutzen. Sie machen hier Station, weil die Strände in Haiti gross sind und die lange Grenze zu uns die Kontrollen schwierig macht.» » Weiterlesen

Gegendarstellung der ÖKK

Sehr geehrte Damen und Herren
In Ihrer Ausgabe «Vorwärts» vom 17. Mai 2018 bezeichnen Sie ÖKK als Mörderin eines verstorbenen Aidspatienten. Wir weisen diese Bezeichnung entschieden zurück, denn sie ist falsch. ÖKK lässt Menschen nicht sterben. Keine ÖKK-Versicherte und kein ÖKK-Versicherter verstarb jemals, weil ÖKK nicht bezahlte. ÖKK kommt ihren Verpflichtungen nach. » Weiterlesen

Die Antwort des vorwärts

Die oben veröffentliche Gegendarstellung haben wir am Donnerstag, 17. Mai um 17.00 Uhr bekommen. Am Freitag, 18. Mai, um 11.28 Uhr haben wir ein weiteres Mail der ÖKK bekommen, indem unter anderem zu lesen ist: «Ohne Ihre Rückmeldung müssen wir davon ausgehen, dass Sie sich der geforderten Veröffentlichung und Löschung widersetzen und sehen wir uns veranlasst, die (aufsichts-)rechtlichen Schritte zu erheben; sowohl bezüglich Veröffentlichung Gegendarstellung als auch infolge Ehrverletzung gegenüber ÖKK.» Wir bekamen von der ÖKK bis 15.00 Uhr Zeit, die Antwort zu liefern. » Weiterlesen

Doo wohn y – doo möcht y blyybe!

Seyhan Karakuyu. In Basel stehen vier Vorlagen zur Abstimmung, die die Rechte der MieterInnen stärken würden: Unter anderem das Recht auf Wohnung und die Pflicht, dass VermieterInnen Bewilligungen für Abriss und Totalsanierung einholen müssen. Es gilt: 4x Ja!

Frühstens bei der Suche nach der ersten Wohnung wird uns klar, dass das gar nicht so einfach ist, an eine Wohnung heranzukommen. Die, die wohltätige Eltern haben, die bürgen können, haben noch Glück, die Benachteiligten aber müssen sich durch all die Enttäuschungen der Absagen quälen.

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Präsidiales Autobahn-Witzchen

dab. Der Regierungsrat des Kantons Bern lehnte den Alternativvorschlag zur vierspurigen Stadtautobahn Westast Biel/Nidau ab, vom Grossrat ist kaum etwas anderes zu erwarten. 600 Westast-GegnerInnen wurden laut vor dem Bieler Stadtparlament, bevor dieses über den Vorschlag debattierte.

Gegen 100 Häuser und 750 Bäume sollen für das Jahrhundertprojekt der Neoliberalen und Dorfkönige beseitigt werden, 600 Einsprachen sind hängig. Der Regierungsrat hält an seinem A5-Westastprojekt fest und will keine Diskussion, auch wenn in der Region der Widerstand gegen das Projekt gross ist. Unter dem Motto «Bäume und Häuser statt Autobahn» fanden im vergangenen Sommer drei Plakataktionen statt, an denen jeweils die zum Fällen vorgesehenen Bäume markiert wurden, die letzte vor der 1. Augustfeier am betroffenen Strandboden.

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Wer hat, dem wird gegeben

Ulrike Minkner. Die Direktzahlungen an BäuerInnen in der Schweiz sind ein System mit Schwachstellen. BäuerInnen werden zum Mittelding zwischen Sozialhilfe-EmpfängerInnen auf hohem Niveau und UnternehmerInnen. Interview mit der Agrarjournalistin Eveline Dudda.

Direktzahlungen sind nicht das gleiche wie Subventionen, wo genau liegt der Unterschied?
Eveline Dudda: Früher hat man die Produktion direkt, also mit festgesetzten Preisen subventioniert. Mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation 1995 verpflichtete sich die Schweiz, diese Subventionen abzubauen. Am teureren Kostenumfeld in der Schweiz hat das nichts geändert. Darum hat die Politik den BäuerInnen versprochen, das Geld nun einfach in Form der Direktzahlungen auszuzahlen. Später hat man diese an Leistungen gekoppelt, die mit der Produktion so wenig wie möglich zu tun haben.

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Gewerkschaften bleiben am Ball

Georg Polikeit. Am 22. Mai fand in Frankreich ein dritter landesweiter Streik- und Aktionstag der 5,4 Millionen Staatsangestellten und Beschäftigten der verschiedenen öffentlichen Dienste seit Macrons Amtsantritt statt. Die Gewerkschaften konnten eine in dieser Breite seit zehn Jahren nicht mehr dagewesene gemeinsame Front mobilisieren.

Im Mittelpunkt der Demonstrationen und Kundgebungen vom 22. Mai stand der Widerstand gegen die geplante Streichung von 120 000 Stellen in den öffentlichen Diensten im Namen der von Macron gewollten «Verschlankung» und Einsparung von Haushaltsmitteln sowie die Forderung nach Beendigung des Lohn- und Gehaltsstopps durch das seit Jahren praktizierte «Einfrieren des Indexpunktes», der zur Berechnung der Gehälter dient.

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Powerplay gegen Iran

Klaus Wagener/UZ. Im Nahen Osten brodelt es. Trump kündigte das Atomabkommen mit Teheran. Israel bombte gegen iranische Kräfte in Syrien. Der Iran hat das Fadenkreuz auf der Stirn: Könnten die USA, Israel und Saudi-Arabien einen Krieg gegen das Land vom Zaun brechen?

Die Zeit des Stellvertreterkrieges in Syrien ist vorüber. Nachdem die von den USA, der Türkei und den Golfstaaten ausgehaltenen Halsabschneidertruppen geschlagen sind, scheint es für die Hintermänner an der Zeit, selbst aus dem Gebüsch zu kommen. Herr Erdogan riss sich einen Teil des Nordwestens Syriens unter den Nagel.

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Sicherheit an erster Stelle

Mel Gurtov. Die Schuld an einem möglichen Abbruch des Gipfels zwischen dem DVRK-Staatschef Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump kann nicht einseitig Nordkorea zugeschoben werden. Eine Denuklearisierung ohne Sicherheitsgarantien wird es wohl nicht geben.

Die westlichen Länder geben vor allem der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK, auch Nordkorea) die Schuld für das potenzielle Scheitern des Gipfels zwischen DVRK-Staatschef Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump, das auf den 12. Juni in Singapur geplant ist bzw. war. Niemand macht sich die Mühe, sich die Bedingungen der DVRK für einen erfolgreichen Gipfel und die Gründe für den Abbruch genauer anzusehen.

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«Offen rassistisch»

Gerhard Feldbauer. In Italien ist die Regierungsbildung noch im Gang. Eine mögliche Regierung könnte zwischen Luigi Di Maio von der rechten Fünf-Sterne-Bewegung und dem Chef der rassistischen Lega, Matteo Salvini, entstehen. Ein Gespräch mit Viola Carofalo vom Linksbündnis Potere al Popolo.

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Schutz des Status quo

Horst Teubert. China hat Mittelstreckenraketen auf den Spratly-Inseln aufgestellt, um womöglich angreifende Kriegsschiffe und Kampfjets abwehren zu können. Die USA haben dagegen protestiert. US-MilitärstrategInnen diskutieren über etwaige Überfälle auf von China kontrollierte Inseln.

Hintergrund der aktuellen Debatte ist, dass China zur Zeit einige Riffe im Südchinesischen Meer mit militärischen Anlagen befestigt. Die Riffe, die zu den Spratly-Inseln gehören, werden – wie etwa auch die Paracel-Inseln – jeweils von mehreren Anrainerstaaten als ihr Territorium betrachtet, darunter neben China beispielsweise Vietnam und die Philippinen.

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Maduro siegt

Ariana Pérez. Der bisherige Präsident Nicolás Maduro konnte sich bei den Wahlen in Venezuela durchsetzen. Der Wahltag blieb ruhig. Die Opposition sieht Beeinflussung durch die Regierungspartei. Ausländische Regierungen drohen mit weiteren Sanktionen.

Trotz einer heftigen sozialen und wirtschaftlichen Krise hat Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am 20. Mai nach Angaben des Nationalen Wahlrates (CNE) die Präsidentschaftswahlen gewonnen.

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Angriff aus dem Innern

TKG. Interview mit einem Vertreter des Kommunistischen Jugendverband Tschechiens über die Erfahrungen in der sozialistischen Tschechoslowakei und dem sogenannten Prager Frühling im Mai 1968. Welche Rolle spielte die Kommunistische Partei? Welche Lehren werden aus der Vergangenheit gezogen?

Wie schätzt ihr die sozialistische Erfahrung in eurem Land ein? Was sind die ideologischen und politischen Lehren, die ihr aus jener Geschichte zieht?
Der sozialistische Aufbau in unserem Land war eine wichtige Erfahrung für unsere Völker. Zum ersten Mal herrschte die arbeitende Klasse im Land; das Mehrprodukt gehörte denen, die es produzierten. In der neuen Gesellschaft gab es eine rapide wirtschaftliche Entwicklung, auf dem Land entstanden Kollektivwirtschaften.

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Ex-Kolonien im Visier

Mary Serumaga. Nach dem Brexit richtet sich die einstige Kolonialmacht Grossbritannien neu aus: Statt über die EU mit den Ländern des globalen Südens zu handeln, soll das alte Commonwealth wiederbelebt werden, die Wirtschaftsbeziehungen mit den Ex-Kolonien sollen verstärkt werden.

Ende April fand in London das Commonwealth-Gipfeltreffen statt. Dieses Mal war es ein ganz besonderes Treffen. Zum ersten Mal trafen die StaatschefInnen von Grossbritanniens Ex-Kolonien zusammen, seit das Land für den Brexit gestimmt hat. Das Commonwealth wird gepriesen als ein Weg für das Land nach dem Ausstieg aus der Europäischen Union hin zu einem Empire 2.0.

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Gegenmacht herstellen!

Maximilien Dardel. Welche Bilanz zieht die Partei der Arbeit Belgiens (PTB) aus der Erfahrung von Syriza in Griechenland? Wie ist dem politisch-medialen Einfluss des Establishments zu begegnen? Wann wird die PTB regieren? Zweiter Teil des Interviews mit David Pestieau, Vizepräsident der PTB.

Die PTB erfreut sich im Moment an guten Umfragewerten, zumindest im französischsprachigen Teil. Ein wichtiger Vertreter der Partei, Raoul Hedebouw, erklärte aber: «Wir werden frühestens in 10 oder 15 Jahren an der Macht sein.» Ihre Partei scheint immer wieder die Frage einer Machtübernahme zu vermeiden. Welche Vision haben Sie gegenüber diesem Szenario?
David Pestieau: Ich denke, dass eine Regierung heute nicht die reale Macht in einer kapitalistischen Gesellschaft widerspiegelt. Die Macht des Staates ist ein Ensemble, wo es die Regierung gibt, aber auch die extrem grosse Zahl der LobbyistInnen der multinationalen Konzerne, welche quasi direkt oder indirekt am Kabinettstisch sitzen. Wir sagen, dass das derzeitige Spiel von Wahlen uns in Situationen bringt, in denen wir an der Regierung sein, aber keine wirkliche Macht ausüben könnten. Das ist sehr wichtig, denn es bestimmt unsere Strategie als linke Kraft. Wenn Sie die Gesellschaft von Grund auf verändern wollen, wenn Sie auch nur eine andere Verteilung des Reichtums wollen und kein Verständnis dieser Realität entwickeln, werden Sie die falsche Strategie verfolgen.
Die radikale Linke in Europa hat diese Erfahrung mit Griechenland erlebt. Es gab eine Regierung, die mit fast absoluter Mehrheit der Sitze gewählt wurde, Syriza, mit einem relativ radikalen Anti-Austeritätsprogramm, das sie aber nicht umsetzen konnte. Das praktische Resultat war, dass sie an der Regierung waren, aber nicht die Macht hatten. Man hat erlebt, dass von den ersten Tagen dieser Regierung an alle Entscheidungen der griechischen Regierung Angela Merkel und der EU-Kommission zur Kenntnis gegeben wurden, weil die hohen griechischen Beamten für das europäische Establishment arbeiteten. Es war zu sehen, dass das griechische und europäische Establishment auf die Regierung von Alexis Tsipras durch eine wirtschaftliche Strangulierung Druck ausübten, insbesondere gerade vor dem Anti-Austeritätsreferendum vom Juli 2015. Die in Griechenland praktizierte Strategie war, zu regieren, ohne wirklich über reale Macht zu verfügen. Sie mussten ein Programm verwirklichen, welches das Gegenteil des Programms war, mit dem sie gewählt worden sind.
Man kann nur feststellen: Wenn wir eine Strategie wollen, die die Probleme unserer Zeit wirklich anpackt, dann muss die Macht in ihrer Gesamtheit infrage gestellt werden. Wenn wir in der Lage sein wollen, diese Macht auch nur ein wenig zu erschüttern, muss es eine genügend starke Gegenmacht geben. Und diese Gegenmacht bedeutet nicht nur, ein gutes Wahlergebnis zu haben. Es muss auch eine Bewegung in der Gesellschaft geben und eine Organisation, eine Fähigkeit, eine gewisse ideologische Hegemonie herzustellen, um ausreichend starke Positionen zu haben, um auf die Strasse gehen zu können, wenn es wirtschaftliche Erpressung gibt. Man muss alternative Medien haben, um eine andere Tonart zu Gehör zu bringen. Man muss Leute haben, die den Kampf auch innerhalb der Institutionen führen können. Wenn wir nicht in der Lage sind, ein Minimum an Gegenmacht auf die Beine zu stellen und die Möglichkeit haben, die Bedingungen zu schaffen, um eine gewisse Anzahl unserer politischen Positionen durchzusetzen, laufen wir Gefahr, genau so wie Syriza zu enden.
Richten wir uns also nicht an den Umfragen aus. Selbst wenn wir den Wahlerfolg haben würden, den uns diese Umfragen prognostizieren, müssen wir in der Lage sein, eine gänzlich andere Politik zu verwirklichen.
Ausserdem haben wir in Belgien ein System von Regierungskoalitionen. Und hier sehen wir im Moment keine Veränderungen bei den anderen Kräften, die sich links nennen. Wir haben eine sozialdemokratische Partei, welche die politische Szene seit Jahrzehnten dominiert, und wir haben eine grüne Partei. Doch diese beiden Parteien verharren heute immer noch in demselben Joch, dem sie sich seit 30 Jahren unterworfen haben.
Der Historiker Enzo Traverso sagte, dass die Sozialdemokratie in gewisser Weise ein Nebenprodukt der Oktoberrevolution sei. Ich würde nicht so weit gehen, aber auf jeden Fall ist der Erfolg, den die Sozialdemokratie hatte, mit einem sehr spezifischen Moment des Kapitalismus verbunden, der keineswegs sein wahres und normales Gesicht zeigt. Wenn man genau hinsieht, hat der Kapitalismus seit dem 19. Jahrhundert mehr Krisen erlebt als Stabilität. Diese berühmten goldenen Jahre zwischen 1945 und 1980, die die glorreichen Tage der europäischen Sozialdemokratie waren, sind mit einem besonderen Zeitabschnitt des Wiederaufbaus einer starken ArbeiterInnenbewegung und der Existenz eines konkurrierenden Systems verbunden.
In den neunziger Jahren hat die Hinwendung zum Sozialliberalismus den sozialdemokratischen Parteien eine Zeit lang einen Wechsel ermöglicht, mit der sogenannten Politik des kleineren Übels: «Ohne uns wäre es schlimmer.» Heute ist seit einiger Zeit eine grosse politische Krise der traditionellen politischen Kräfte, insbesondere der Sozialdemokratie, zu sehen. Es war also logisch, dass dieses Phänomen auch Belgien treffen würde. Die Besonderheit im französischsprachigen Belgien ist, dass dieser Absturz der Sozialdemokratie nicht zugunsten der extremen Rechten erfolgte, sondern auch zugunsten der Kräfte der radikalen Linken.

Ihre Abgeordneten leisten den Eid in den drei offiziellen Sprachen Belgiens, um ihr Festhalten an der Einheit des Landes zu zeigen. Es ist wichtig zu betonen, dass Sie die einzige gesamtnationale Partei Belgiens sind. Doch wenn der Protest gegen die Sparmassnahmen und die EU in Wallonien sich positiv für die PTB auswirkt, scheint in Flandern die Neue Flämische Allianz (N-VA) Vorteil daraus zu ziehen. Wie erklären Sie das? Ist das das Zeichen eines unüberwindbaren Gegensatzes innerhalb der belgischen Nation?
In Belgien haben wir eine Besonderheit mit drei Sprachen: In Flandern wird Niederländisch gesprochen, in Wallonien hauptsächlich Französisch, in einem kleinen Teil wird Deutsch gesprochen, und in Brüssel spricht man Französisch und Niederländisch. Es gibt die gleiche Situation in einem anderen Land Europas, nämlich der Schweiz. Der Unterschied ist, dass dort alle Parteien nationale Parteien geblieben sind. In Belgien wurden zuerst die Parteien gespalten, bevor die Leute gespalten wurden. Aus Gründen des politischen Opportunismus wurde beschlossen, die Parteien in zwei Teile zu trennen. Wir sind eine nationale Partei geblieben. Es ist schwierig zu sehen, wie man eine internationalistische oder auch nur eine europäische Vision verteidigen könnte, wenn man nicht in der Lage ist, in Belgien eine einzige Partei zu sein und sich unter MarxistInnen zu verständigen, die einfach nur eine andere Sprache sprechen! Wir haben darauf gesetzt und tun es jeden Tag, eine nationale Partei zu sein. Die sprachliche Spaltung in Belgien dient den Interessen der besitzenden Klassen.
In Flandern entwickelte sich die Sozialdemokratie in einem Kontext, in dem die Rechte stärker war und es eine nationalistische Bewegung gab, die sich entwickelte und politisch in die Rechte und sogar extreme Rechte einmündete. Die Besonderheit Belgiens, die die Dinge noch komplizierter macht, ist, dass wir eine faschistische, rechtsextreme Partei haben, der «Vlaams Belang», und zusätzlich noch in der traditionellen flämischen Bewegung das Aufkommen einer «zivilisierten» extremen Rechten, wie man sagt, eine neue Rechte, die N-VA. Wir haben also eine der am besten organisierten faschistischen Parteien in Europa, die neben einer anderen Partei der neuen nationalistischen Rechten existiert, die auf sehr spezifische Art die Anti-Establishment-Stimmung vereinnahmt, obwohl sie selbst Teil davon ist.
Es ist eine schwierige Gleichung, die wir im Norden des Landes zu lösen haben. Diese Situation hat zur Folge, dass wir in Flandern nicht die gleichen Wahlergebnisse wie in Wallonien bekommen. Aber in einer Stadt wie Antwerpen, der grössten Industriestadt des Landes, bekommen wir immerhin neun Prozent, was angesichts dieses Kontextes ein sehr gutes Ergebnis ist, auch im Vergleich zu nicht wenigen anderen Parteien der radikalen Linken in Europa. Aber der Kampf ist schwieriger. Wir glauben nicht, dass die WallonInnen von Natur aus wesentlich linker sind als die FlamInnen, wie ich auch nicht meine, dass die Menschen des französischen Südens genuin mehr rechts sind als die in anderen Regionen Frankreichs. Wir meinen, dass es mit besonderen politischen Kontexten zusammenhängt und dass der Kampf überall geführt werden muss, mit dem Gedanken geführt werden muss, dass die Werktätigen vereint werden müssen. Das ist unsere Aufgabe.

In letzter Zeit scheint die grossen belgischen Medien eine echte Angst vor Rot ergriffen zu haben. Wie gehen Sie damit um, dass ein Teil der Presse Sie ständig mit dem Bild des Kommunisten mit einem Messer zwischen den Zähnen darstellt?
Wenn Sie einen Kampf führen, bei dem Sie eine Reihe von neoliberalen Dogmen in Frage stellen, werden Sie angegriffen werden. Und Sie können dabei irgendeine Farbe haben; wenn Ihre Botschaft auch nur ein wenig den Neoliberalismus in Frage stellt, werden Sie für alles Mögliche beschimpft. Ich habe einmal eine Rede von Berlusconi gelesen, in der Romano Prodi als Kommunist beschimpft wurde! Man hat schon alles erlebt. Das ist die Angst vor einem herbeiphantasierten Rot, die als politisches Argument benutzt wird, um kurzfristig Wahlen zu gewinnen. Aber das ist unvermeidlich! Wenn Sie nicht auf diese Weise angegriffen werden, bedeutet das vor allem, dass Sie nicht damit beschäftigt sind, das System infrage zu stellen. Alle AnführerInnen von Streiks und sozialen Bewegungen werden zu bestimmten Zeiten verunglimpft und karikiert.
Ich denke, dass sich in gewissen Kreisen eine echte Angst vor der PTB zu entwickeln beginnt, über die übliche Karikatur hinaus. Man sieht es, wenn man die Erklärungen der UnternehmerInnen liest. Die schreiben, dass es absolut notwendig sei, dass die PTB nicht regiert oder die politischen Entscheidungen beeinflusst. Seit einiger Zeit spürt man also, dass dieses Phänomen, das vor allem in politischen Auseinandersetzungen genutzt wird, zu einer echten Angst geworden ist. Denn die PTB steigt auf und könnte andere politische Parteien beeinflussen. Die UnternehmerInnen reagieren und fordern, die PTB als nicht salonfähige Partei einzustufen.
Wie kann man es vermeiden, ein Etikett verpasst zu bekommen? Man muss damit anfangen, seine eigenen Ideen zu verteidigen und zu erklären. Alle Kommunikationsmittel nutzen, um es zu tun und nicht allein von traditionellen Informationskanälen abhängig sein. Man darf der Karikatur auch keine Flanke öffnen. Ich denke, dass es in gewisser Weise eine tiefe politische Krise und eine antikommunistische Botschaft gibt, die vor 20 Jahren sehr viel leichter durchging als heute. Es gibt heute ein tiefes Misstrauen der einfachen Leute gegenüber der Botschaft der dominierenden Medien. Wenn wir also über den Aufbau einer Gegengesellschaft sprechen, schliesst das auch ein, ein Netzwerk von Informations- und Diskussionsmöglichkeiten zu haben. Und da bin ich optimistischer als in der Vergangenheit, wenn ich die Entwicklung der alternativen Medien und der neuen Technologien sehe.

Übersetzung: Georg Polikeit

Noch unterwegs: die MEGA

Georg Fülberth. Für das Studium der Lehren von Marx und Engels ist die MEGA unabdingbar. Die Marx-Engels-Gesamtausgabe war nach dem Untergang der DDR gefährdet, konnte gerettet werden und wird bis heute fortgesetzt.

Als Friedrich Engels 1895 starb, war der wissenschaftliche Nachlass von Karl Marx noch weitgehend unerschlossen. Gewiss: nach dessen Tod war 1885 der zweite und 1894 der dritte Band des «Kapital» erschienen. Aber das waren nur Teile aus der ungedruckten Textmasse. Engels wies Eduard Bernstein und Karl Kautsky in Marx‘ Handschrift ein, damit sie seine Herausgebertätigkeit fortsetzen konnten.

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Blutbad im Gazastreifen

Georg Polikeit. Parallel zu den Festivitäten zur Einweihung der nach Jerusalem verlegten Botschaft der USA veranstaltete das israelische Militär am Montag, den 14. Mai, das blutigste Massaker im Gazastreifen seit dem Krieg von 2014.

Mindestens 52 PalästinenserInnen, die im Gazastreifen entlang der Sperrzone für das Recht auf Rückkehr der seit 1948 aus dem israelischen Staat vertriebenen PalästinenserInnen und gegen die totale Abriegelung des Gazastreifens durch das israelische Militär demonstrierten, wurden an diesem einzigen Tag von israelischen ScharfschützInnen erschossen. mehr als 2400 weitere durch Schüsse und Tränengaseinsätze teilweise schwer verletzt.
Zur gleichen Stunde verkündete USA-Präsident Trump, der seine Tochter Ivanka plus Schwiegersohn als Vertretung nach Jerusalem geschickt hatte, dass die Verlegung der US?Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ein «grosser Tag für Israel» sei. Israels rechtslastiger Regierungschef Benjamin Netanjahu erhob erneut den Anspruch Israels auf ganz Jerusalem als Hauptstadt des «jüdischen Staates» und nannte die Verlegung der US?Botschaft dorthin einen «historischen Tag». Vermutlich weil er darin die Möglichkeit sieht, nun weltweit andere Staaten unter Druck zu setzen, dem US-amerikanischen Beispiel zu folgen und damit die Oberhoheit Israels über die «heilige Stadt» dreier Religionen anzuerkennen, was die Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt für immer torpediert würde.
Insgesamt haben die israelischen Streitkräfte seit Beginn der palästinensischen Demonstrationen am 30. März nach Angaben des palästinensischen Sanitätsdienstes mindestens 90 PalästinenserInnen erschossen, obwohl sie völlig unbewaffnet gewesen waren. Etwa 10 500 weitere wurden durch scharfe Schüsse und Tränengaseinsatz so verletzt, dass sie medizinisch behandelt werden müssten, manche davon so schwer, dass sie lebenslang behindert sein werden.

Tag der Katastrophe
Die palästinensischen Protestdemonstrationen am 14. Mai waren der vorgesehene abschliessende Höhepunkt der seit sieben Wochen anhaltenden Protestaktionen unter der Bezeichnung «Marsch der Rückkehr». Sie waren bewusst einen Tag vor dem Tag angesetzt worden, den die PalästinenserInnen als «Nakba» (Tag der Katastrophe) bezeichnen und der zugleich der Gründungstag des Staates Israel ist (15. Mai). Damals waren in einer Kampagne der ethnischen «Säuberung» rund 700 000 PalästinenserInnen gewaltsam aus dem Staat Israel vertrieben und ihr Land und anderes Eigentum beschlagnahmt worden.
Nun hatten sich an diesem 14. Mai erneut Zehntausende PalästinenserInnen an sieben Stellen in der Nähe des von Israel auf palästinensischem Territorium errichteten Grenzzauns und «Sicherheitsstreifens» versammelt. Einige Beteiligte hatten erneut Autoreifen in Brand gesetzt, um einen Rauchvorhang zwischen dem israelischen Militär und den DemonstrantInnen zu erzeugen, und auch brennende Reihen in Richtung Grenze ins Rollen gebracht. Manche versuchten auch, Steine und Flaschen Richtung Grenze zu schleudern oder sich unter Gefahr ihres Lebens dem Grenzzaun zu nähern, um dieses Zeichen ihres Eingeschlossenseins einzureissen. Das israelische Militär nahm dies wiederum zum Anlass, um die Protestdemonstrationen generell als «terroristische Operation» zu bezeichnen und entsprechend unter Beschuss zu nehmen.
Einige palästinensische Protestdemonstrationen fanden auch noch am 15. Mai statt, wobei erneut ein Demonstrant getötet wurde.

Proteste auch in Jerusalem
Protestaktionen anlässlich der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem gab es am Montag (14. Mai) auch in Jerusalem und anderen Städten Israels selbst, u. a. in Haifa, Jaffa, Nazareth, Sachnin, Kafr Yassif, und Tamra.
Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es dabei in Jerusalem, als sich einige hundert Israelis und PalästinenserInnen im Jerusalemer Stadtteil Amona in der Nähe der Stelle trafen, wo die US-Botschaft eröffnet wurde. Als die DemonstrantInnen parallel zur Ankunft der Gäste für die Botschaftseinweihung palästinensische Fahnen und Transparente gegen die Botschaftseröffnung hochhoben, rissen PolizeioffizierInnen den TeilnehmerInnen die Fahnen teilweise mit brutaler Gewalt aus den Händen. Obwohl das als Veranstalter fungierende «High-Follow Up Committee for the Arab Citizens of Israel» eine Genehmigung für die Aktion erhalten hatte, ging die Polizei gegen die TeilnehmerInnen vor. In den sozialen Netzwerken verbreitete Videos zeigen PolizistInnen, die an der Demonstration teilnehmende Mitglieder der Knesset, also Abgeordnete des israelischen Parlaments angriffen, herumschubsten und anschrien. Es handelte sich um Abgeordnete der in der Knesseth mit rund einem Dutzend Abgeordneten vertretenen «Vereinten Liste», darunter alle Abgeordneten der «Hadash» (Demokratische Front für Frieden und Gleichheit), zu der auch die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Israels gehören.

«Kampf fortsetzen»
Ayman Odeh, der Vorsitzender der «Vereinten Liste», hatte in einem Tweet vor der Demonstration geschrieben: «Da ist nichts Feierliches bei der Verlegung der Botschaft … Die Mobbing-Allianz von Netanjahu-Trump vertieft weiter den Konflikt, schürt den Rassismus und verbreitet Hass und Gewalt.» Nach der Protestaktion sagte der Vorsitzende des High-Follow Up Committee und frühere Hadash-Abgeordnete Muhammad Barakeh: «Wir werden unseren Kampf fortsetzen. Obwohl wir eine Genehmigung für den Protest hatten, gebrauchte die Polizei extreme Gewalt. Als ob das, was in Gaza passiert, noch nicht genug wäre, sind sie auch hinter uns her … Das Hochkomitee organisierte diesen Protest, um unsere Stimme gegen die US?Politik zu erheben, die die Besatzungs- und Siedlungspolitik Israels unterstützt und die Möglichkeit der Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates innerhalb der Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt zerstört.»
Die Hadash-Abgeordnete Aida Touma-Sliman sagte, dass palästinensisches Blut an den Händen von Premierminister Netanjahu und US?Präsident Trump klebt. Sie nannte die zwei Politiker «zwei Hooligans, die das Gebiet in Brand setzten». Trump und Netanjahu seien «verantwortlich für jegliche Eskalation, und genau das hatten sie schon im Voraus geplant, um jeden Versuch zu torpedieren, eine diplomatische Vereinbarung und Frieden zu erreichen».

Internationale Kritik
Auch international hat die hohe Zahl palästinensischer Opfer in verschiedenen Ländern erneut Kritik, teilweise auch von hochrangigen PolitikerInnen, an der «Unverhältnismässigkeit» des israelischen Vorgehens ausgelöst, zumal von den palästinensischen Demonstrationen im Gazastreifen zu keiner Zeit eine reale Gefahr für Israel und seine Bevölkerung ausgegangen sind. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres (Portugal) erklärte sich am Montag «besonders beunruhigt» über die Situation im Gazastreifen. «Wir sehen eine Vervielfältigung der Konflikte, alter Konflikte, die niemals zu sterben scheinen. Ich bin heute besonders besorgt im Hinblick auf die Nachrichten darüber, was im Gazastreifen passiert, mit einer hohen Zahl von getöteten Personen», erklärte er vor der Presse bei seinem Besuch in Wien. Er trat dabei übrigens ein weiteres Mal für die Beibehaltung des Atomabkommens mit dem Iran ein, das von den USA einseitig aufgekündigt worden ist.
Saeb Erekat, ein hochrangiger palästinensischer Politiker und ehemaliger palästinensischer Chefunterhändler bei den bisherigen Verhandlungen mit Israel, hat am Montag im Hinblick auf die Botschaftseröffnung der USA in Jerusalem von einem «Akt notorischer Feindseligkeit gegen das Völkerrecht und das Volk von Palästina» gesprochen, «mit dem sich die USA auf die Seite der Besatzungsmacht Israel gestellt haben». Der Sprecher der im Westjordanland installierten palästinensischen Regierung, Jussuf al-Mahmoud, forderte «ein sofortiges internationales Eingreifen, um das in Gaza von den israelischen Besatzungstruppen verübte abscheuliche Massaker gegen unser heroisches Volk zu stoppen».

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