Wenn nicht, dann wird gestreikt!
sit. Mehr als 5000 Personen demonstrierten am 22. November in Bern für eine sichere Gesundheitsversorgung. Sie forderten lautstark, dass die vor vier Jahren angenommene Pflegeinitiative endlich umgesetzt werde.
«Ich stand mit euch vor vier Jahren auf dem Bundesplatz. Als dann die Pflegeinitiative angenommen wurde, dachten wir, dass nun wirklich etwas in Bewegung kommt. Die Enttäuschung ist gross. Heute zeigen wir dem Bundesrat die rote Karte und als Bewegung die Entschlossenheit, zu Arbeitskämpfen und Streiks zu schreiten, wenn sich nichts ändert», so Deniz, Pflegefachperson und Mitglied der Gewerkschaft VPOD, an der Pflegekundgebung vom 22. November auf dem Bundesplatz in Bern. Kollegin Deniz brachte mit ihren Worten die Stimmung und Gefühlslage der mehr als 5000 Personen – mehrheitlich Arbeitnehmende aus dem Gesundheitswesen – sehr präzise zum Ausdruck. Zur Kundgebung aufgerufen hatten elf Gewerkschaften und Berufsverbände des Gesundheitswesens.
Die Demonstrant:innen zeigten symbolisch die rote Karte – und zwar gleich an drei Akteur:innen: Erstens dem Bundesrat für die unzureichende Umsetzung der Pflegeinitiative. Zweitens den kantonalen Behörden, die die Budgets im Gesundheitsbereich kürzen, was zu Lohnkürzungen, zur Schliessung von Geburtenabteilungen und zur Streichung von Betten in als «nicht rentabel» geltenden Abteilungen der Spitäler führt. Und drittens Bund und Kantonen, weil gute Pflege und Betreuung nur als Kostenfaktor gesehen werden, während immer mehr ältere Menschen auf Pflege und Betreuung angewiesen sind.
Es ist unerlässlich …
Alle Teilnehmer:innen der Kundgebung seien «wütend über die schwierigen Arbeitsbedingungen in der Gesundheitsversorgung und die zu langsame und unvollständige Umsetzung der Pflegeinitiative», schreibt die Gewerkschaft VPOD in ihrer Medienmitteilung. Der Vorschlag des Bundesrats für die zweite Umsetzungsetappe mit den dringend nötigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen kam spät und sei ungenügend. Das Parlament müsse nun «unbedingt und möglichst bald nachbessern», so der VPOD weiter. Und die Gewerkschaft erinnert einmal mehr: «Die oft unzumutbaren Arbeitsbedingungen in allen Gesundheitsberufen erschweren eine sichere und qualitativ hochstehende Pflege und Gesundheitsversorgung für die breite Bevölkerung.»
Die Demonstrierenden forderten einen guten Stellenschlüssel, eine gut finanzierte Gesundheitsversorgung als Service public, eine bessere Vereinbarkeit sowie gute Arbeitsbedingungen und verbindliche Vorschriften, an die sich alle Arbeitgeber halten. In ihrer Rede nannte Sylvie F., Pflegefachfrau SBK, die Sache beim Namen: «Es ist unerlässlich, eine angemessene Pflegepersonalausstattung im Einklang mit der Komplexität der Pflege sicherzustellen, um die Qualität und Sicherheit der Versorgung für die Patient*innen sowie akzeptable Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.»
.. und es ist fünf nach 12
Die Teilnehmenden nahmen eine Resolution zur weiteren Mobilisierung und zur Entwicklung eines breiten zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Protestes an. Die Proteste sollen den Druck auf die Entscheidungsträger:innen erhöhen, mit der Möglichkeit der Unterstützung des feministischen Streiks vom 14. Juni 2027 im Sinne der Care-Arbeit. Der kämpferische Titel der Resolution lautet: «Die Geduld haben wir verloren, aber nicht die Entschlossenheit. Wir kämpfen weiter». Gleich zu Beginn ist zu lesen: «Es ist fünf nach 12. Wir, das Gesundheitspersonal und die Teilnehmenden an der Demo vom 22. November, werden alles geben, das Ruder herumzureissen und nicht nachzulassen. Wir machen das nicht nur für uns, sondern auch für unsere Patient:innen, Bewohner:innen und Klient:innen.»
Gemeinsam mit den Verbänden, Gewerkschaften und der breiten Unterstützung der Zivilbevölkerung sollen die Politiker:innen wachgerüttelt werden. Unmissverständlich hält die Resolution zum Schluss fest: «Wir stehen alle zusammen für eine sichere und soziale Gesundheitsversorgung und eine rasche und vollständige Umsetzung der Pflegeinitiative ein: indem wir laut, sichtbar und unbequem sind, indem wir protestieren, indem wir auf die Strasse gehen und uns, wenn nötig, durch Aktionen wie, in letzter Konsequenz, Streiks Gehör verschaffen.»
