Vergesellschaften!

sit. Mit der Übernahme der Credit Suisse wird die UBS auch die grösste kommerzielle Immobilien­besitzerin der Schweiz mit einem Portfolio im Wert von 38,2 Milliarden Franken und über 50000 Wohnungen. Ein Bündnis will dies verhindern.

«Wir fordern: Das Immobilienportfolio der Credit Suisse Funds AG und ihrer Tochtergesellschaften soll vergesellschaftet und damit dauerhaft der Spekulation entzogen werden», ist auf der Website des Bündnisses «CS-Immobilien enteignen» zu lesen. Eine entsprechende Petition wurde Ende April lanciert. Ins Leben gerufen wurde das Bündnis von rund 15 Einzelpersonen aus den Städten Zürich, Basel und Bern, welche sich jeweils lokal für das Recht auf Wohnen engagieren. Betroffen von der Enteignung wären schweizweit rund 23000 Wohnungen und zwei Millionen Quadratmeter Geschäftsflächen. Die Initiant:innen sehen ihre Forderung als «gerechtfertigte Gegenleistung» für die «unglaublichen 259 Milliarden Franken» an staatlichen Garantien für die Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS. «Das Immobilienportfolio der Credit Suisse Funds AG soll vor dem renditegetriebenen Interesse der UBS geschützt und in Gemeineigentum überführt werden. Damit soll nachhaltig bezahlbarer Wohn- und Arbeitsraum gesichert werden, der insbesondere in den Städten dringend gebraucht wird», hält das Bündnis fest.

Eine gewaltige Ballung an Macht
Laut Geschäftsbericht 2022 umfassen die Immobilienfonds der CS ein Portfolio im Wert von 18,6 Milliarden Franken und 22672 Wohnungen, bei der UBS sind es 19,6 Milliarden Franken und 27811 Wohnungen. In den fünf grössten Schweizer Städten werden über 16000 Wohnungen von den Immobilienfonds der beiden Finanzinstitute verwaltet. Unter dem Strich ergibt sich Folgendes: Mit der Übernahme der CS durch die UBS entsteht die grösste kommerzielle Immobilienbesitzerin der Schweiz – mit einem Portfolio im Wert von 38,2 Milliarden Franken und über 50 000 Wohnungen. Damit würde die neue Megabank rund 54 Prozent des Nettovermögens aller Immobilienfonds schweizweit kontrollieren. «Einer solchen Ballung von Grundeigentum, Macht und Einfluss im Wohnungs- und Immobilienmarkt in den Händen einer einzelnen Bank wollen und können wir nicht tatenlos zusehen. Erst recht nicht mitten in der aktuellen Wohnungskrise!», hält das Bündnis «CS-Immobilien enteignen» berechtigterweise fest.

Ein Fünftel weniger Miete
Die Fonds-Bewirtschaftung war für die CS ein lukratives Geschäft: Für ihre sechs Immobilienfonds bezog sie 2022 – zusätzlich zu den Kosten für die Liegenschaftsverwaltung – 83 Millionen Franken an Gebühren. Das sind 11,2 Prozent der einkassierten Mieten. Geld, das von der Mieter:innenschaft finanziert wurde. Dies zeige, dass für Banken und ihre Immobilienfonds der Wohnraum eine Finanzanlage sei, die «auf maximale Renditesteigerung zielt», schreibt das Bündnis. Die sozialen, ökologischen und nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Probleme, die damit einhergehen, werden in immer deutlicher und akuter: Wohnungskrise und die Verdrängung breiter Bevölkerungsschichten sind real. «Wir brauchen mehr als Pflästerlipolitik!», fordert deshalb das Bündnis.
Warum radikale Veränderungen in der Wohnpolitik notwendig sind, zeigt auch Niklaus Scherr in seinem Beitrag auf al-zh.ch auf. Der langjährige Geschäftsleiter des Mieter:innenverbands (MV) Zürich und Gemeinderat der Alternative Liste (AL) erstellt eine bemerkenswerte Überschlagsrechnung für den grössten CS-Fonds SIAT. Kalkuliert man die Kostenmiete nach dem Zürcher Berechnungsmodell für den gemeinnützigen Wohnraum, kommt man auf einen kostendeckenden Mietzins von 119,5 Millionen Franken. Das sind 30,9 Millionen Franken oder 20,5 Prozent weniger als die Mieter:innen heute bezahlen müssen. Scherr erklärt: «Erwirbt die Standortgemeinde die CS-Liegenschaften, profitiert sie noch von der Grundstückgewinnsteuer und kann damit den Kaufpreis
vergünstigen.»

Nur eine Petition?
Doch, wie soll die Vergesellschaftung in der Praxis umgesetzt werden? In einem ersten Schritt gehen die Schweizer Fonds-Liegenschaften der ehemaligen CS sofort in das Eigentum der öffentlichen Hand (Bund) über. Durch diese rasche Verstaatlichung werden die Grundstücke vor einer Übernahme durch die UBS gesichert. In einem zweiten Schritt startet ein partizipativer Prozess, um die Grundstücke zu vergesellschaften. Auf demokratischem Wege und unter Einbezug der relevanten beteiligten Akteur:innen (Mieter:innen und ihre Verbände, Bevölkerung und politische Gremien der Standortgemeinden, Baugenossenschaften) soll entschieden werden, wie und in welcher Form sie in Gemeineigentum überführt werden.
Sicher, es ist «nur» eine Petition, die Aussichten auf Erfolg sind äusserst bescheiden. Doch beginnt bekanntlich auch der längste Weg mit dem ersten Schritt. Von Bedeutung ist, dass die Lösung eines dringenden Problems, wie es die Mietkosten für Abertausende in diesem Land sind, mit einer Enteignung und Vergesellschaftung angestrebt wird. Konkret: Mit einem radikalen Wechsel und eben nicht, wie so oft, mit einer «Pflästerlipolitik». Die Forderung zielt darauf ab, dass die Mieten der kapitalistischen Marktlogik entzogen werden sollen, was in dieser Frage das politische Ziel sein muss. In Berlin und Hamburg haben ähnliche Initiativen, die auch aussichtslos erschienen, einiges ins Rollen gebracht. Betrachtet man das Vorhaben des Bündnisses aus dieser Perspektive, ist es eben mehr als «nur» eine Petition – es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mögen Tausende solche folgen.

Petition unterschreiben: cs-immobilien-enteignen.ch

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