Wann ist ein Boykott sinnvoll?

Bernd Beyer. Es gibt mehrere Fakten, die einen Boykott der Fussballweltmeisterschaft in Katar erklären und vor allem rechtfertigen. Katar symbolisiert auf besonders sinnliche Weise die fatale Fehlentwicklung des Wetlfussballverbands, die Fifa, und bietet sich für eine Boykottbewegung daher geradezu an.

Es gibt wohl kein Land auf der Welt, in dem ideale Zustände in puncto Sozialstaat, Ökologie oder Demokratie herrschen, in dem die Menschenrechte ohne faktische Einschränkungen garantiert sind und in dem nicht Streitkräfte oder Rüstungsbetriebe existieren, die in zweifelhaften Kriegen eingesetzt werden. Wollte man mit diesem Idealbild filtern, so würde sich kaum ein Land finden, dem man eine Fussballweltmeisterschaft (WM) oder Olympische Spiele guten Gewissens übertragen könnte. Eine Boykott-Aktion gegen ein bestimmtes Gastland erfordert eine deutliche Ächtung dieses Landes und setzt daher voraus, dass überzeugende Gründe für eine solche Ächtung existieren.

1.Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen
Internationale Sportturniere beanspruchen für sich, der «Völkerverständigung» zu dienen. Damit unvereinbar ist die Gastgeberrolle eines Landes, das (aktuell oder in jüngster Vergangenheit) an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilgenommen oder ihn unterstützt hat. So jedenfalls argumentiert Glenn Jäger, Autor des aufschlussreichen Buches «In den Sand gesetzt. Katar, die Fifa und die Fussball-WM 2022». Für ihn ist mit diesem Kriterium Katar aus dem Rennen, weil es sich bis 2017 am Krieg im Jemen und bis heute am Krieg in Syrien und Libyen beteiligt hat, beziehungsweise dort agierende Islamist*innen unterstützt. Als Gastgeber wären demnach generell alle Staaten ausgeschieden, die an den Kriegen in Jugoslawien, Syrien, Libyen oder Afghanistan teilgenommen haben oder noch teilnehmen. Aus diesem Grund hätte – Jäger zufolge – eine WM 2006 in Deutschland nicht stattfinden dürfen, ebenso wenig in naher Zukunft eine WM in den USA.
Seltsamerweise stört sich Jäger allerdings nicht an einem Gastgeber Russland, dessen Annexion der Krim und dessen Beteiligung am Krieg in Syrien er offensichtlich nicht als völkerrechtswidrig ansieht. Schon daraus wird deutlich, dass ein eindeutiges Kriterium aus einer Kriegsbeteiligung als solcher kaum gewonnen werden kann, und auch nicht daraus, ob die UNO diesen Krieg explizit billigt oder nicht. Letztlich wird man nicht darum herumkommen, den politischen Stellenwert eines Krieges zu beurteilen. Sofern an diesem Punkt eine breite internationale Anti-Kriegsbewegung existiert, wäre es zwingend notwendig, dem «kriegstreibenden» Land eine Gastgeberrolle zu verweigern beziehungsweise die Austragung eines Turniers zu entziehen.

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