Totgesagte leben länger

flo. Nach der Sensation in Graz zieht Salzburg nach: Die Kommunistische Partei Österreichs holt in der konservativen Hochburg nicht nur einen Achtungserfolg ein, sondern schafft gar ein Sensationsergebnis. Wahlerfolge sind schön, doch das Ziel kann aber nicht im Parlament erreicht werden.

«Die Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben», meinte einst der amerikanische Schriftsteller Mark Twain. Ein Satz, der seit Kurzem auch für die kommunistische Bewegung im deutschsprachigen Raum gelten könnte: Mit ihrem Erfolg bei den Landtagswahlen in Salzburg am 23.April gelang es der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) auf die politische Bühne der Zweiten Republik zurückzukehren, obwohl seit 1989 gerne das ewige Ende kommunistischer Bewegungen verkündet wird.

Verdreissigfacht
Nachdem es der KPÖ in Graz im November 2021 bei den Gemeinderatswahlen gelungen war, mit ihrer Spitzenkandidatin Elke Kahr zur stärksten Partei in der zweitgrössten Stadt Österreichs zu werden (seitdem stellt die KPÖ im Ort mit Kahr die Bürgermeisterin), konnte man nun zum ersten Mal seit 1949 in den Salzburger Landtag einziehen. Tatsächlich konnten die Kommunist:innen sogar ihre Ergebnisse von damals (3,8 Prozent) noch übertreffen und lieferten ihr stärkstes Ergebnis in ihrer Geschichte ab: Mit 11,66 Prozent konnte die zuvor ausserhalb der Stadt Salzburg (3,7 Prozent im Jahr 2019) völlig irrelevante Partei das beste Ergebnis verbuchen, das je bei einer Landtagswahl in der Republik Österreich von Kommunist:innen erreicht werden konnte. In Salzburg selbst konnte der Wähler:innenanteil um über 20 Prozent ausgebaut werden. Und in manchen Quartieren der von der konservativen Volkspartei (ÖVP dominierten Stadt, wurde die KP gar stärkste Kraft. 2018 hatte man bei den Landtagswahlen knapp 1000 Stimmen erreicht. Gegenüber damals wurde die Zahl der Wähler:innen verdreissigfacht!

Kommunistische Kommunalpolitik
Der Sieg der KPÖ lässt sich zu einem gewissen Grad mit einem «Graz-Effekt» erklären. Mit dem dortigen Sieg wurde für viele Wähler:innen deutlich, dass eine Stimme für die KP eine valable Option ist. Doch auch die kommunalpolitische Praxis der Kommunist:innen hat eine Rolle gespielt. Ebenso wie in Graz hat auch in Salzburg der 2019 in den Gemeinderat gewählte Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl alle Einkommen aus seinem Mandat, die einen Facharbeiter:innenlohn überschreiten, an gemeinnützige Projekte gespendet. Zentrales Thema war wie bei den Wahlen in Graz die Wohnungsnot. Gerade in der Stadt Salzburg wird bezahlbarer Wohnraum durch die bürgerliche Politik der Gentrifizierung knapp.
Zusätzlich wird von Politiker:innen der KP erwartet, bürgernah zu sein. Das heisst konkret, dass sie viel Zeit für den sogenannten «Parteienverkehr», also Sprechstunden mit Bürger:innen investieren müssen. Den Grundstein für diese Form von Kommunalpolitik hatte in den 1990er-Jahren der steirische KP-Politiker Ernest Kaltenegger gelegt. Der Genosse stand auch mal mit der Rohrzange und Leiterwagen vor der Tür, wenn bei Mieter:innen die Heizung tropfte. Er gründete ein Mieter:innentelefon und bot Rechtshilfe für Mieter:innen in Not an. Bis diese Politik sich auch ausserhalb der Stadt Graz in Wahlerfolge ummünzen konnte, brauchte es seine Zeit. 2005 dann steigerte sich die KP bei den steirischen Landtagswahlen auf 6,34 Prozent. Und auch gesamtösterreichisch scheint das Vorgehen nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Zustimmung zu bekommen: In einzelnen Umfragen liegt die KPÖ landesweit aktuell bei fast sieben Prozent.

Konsequent oppositionell bleiben
Doch, wie konnte es der KP in Salzburg gelingen, diesen Prozess, der in Graz und der Steiermark zwei Jahrzehnte brauchte, innerhalb nicht ganz vier Jahren (von der Wahl Kay-Michael Dankls in den Salzburger Gemeinderat bis zu den heurigen Landtagswahlen) gar übertreffen? Die Erklärversuche von Kommentator:innen aus der bürgerlichen Presse, die nun zu rationalisieren versuchen, dass der Dankl und die Kahr halt ganz sympathisch seien und darum solche Ergebnisse eingeholt wurden, gehen naturgemäss viel zu wenig in die Tiefe. Der Erfolg der KPÖ ist nicht erklärbar ohne die Zuspitzung der Widersprüche, die im Rahmen der organischen Krise der kapitalistischen Produktionsweise. Eine Krise, die wir aktuell erleben.
In dieser Situation erwiesen sich Sozialdemokratie und Grüne als unwillig und unfähig, die drängendsten Probleme der Gegenwart zu lösen. Gerade die Grünen werden sich die Haare raufen: Dankl war früher Vorsitzender der Jungen Grünen in Österreich, die 2017 nach einem heftigen Streit mit der Mutterpartei von dieser ausgeschlossen wurde. Doch auch die SPÖ befindet sich mit der neuen Konkurrenz von links in einer schwierigen Lage: Aktuell findet ein Machtkampf um den Vorsitz der Sozialdemokratie in Österreich statt. Die Partei scheint wenig geeint. Und noch weniger gewillt oder dazu in der Lage, die Arbeiter:innenschaft vor den Folgen der sozialen Verwerfungen, die auch Österreich erfasst haben, zu schützen. Der aktuelle Erfolg der KPÖ erklärt sich hier aus ihrer Rolle als linke Kraft, die unverbraucht und weit weg vom Amtsschimmel in der arrivierten Linken wahrgenommen wird. In dieser Situation ist es elementar, dass sich die Partei – und steigen ihre Wahlerfolge weiter an, könnte dies zu einer realen Gefahr werden – nicht als Juniorpartnerin anderer Parteien andient. Eine konsequente Politik gegen die Verschlechterung der Lebensumstände der Massen und damit eine konsequente Politik gegen die Parteien des Status quo ist ein Muss für den Erfolg der Partei – kurz: Die KP muss oppositionell bleiben.

Das dicke Ende kommt noch
Die aktuellen Erfolge von Kommunist:innen in Österreich machen Hoffnung, dass ähnliche Prozesse auch in anderen deutschsprachigen Staaten denkbar sind. Spätestens seit den 1950er-Jahren waren Österreich, die BRD und die Schweiz Hochburgen des Antikommunismus. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst machen, dass die grossen Herausforderungen erst noch auf die Genoss:innen in Österreich zukommen. Dieselbe Krise des kapitalistischen Systems, die die KPÖ in die Parlamente spült, kann zum Fallstrick werden. Dies, wenn nicht völlig klar ist, dass einzig der revolutionäre Sturz der kapitalistischen Produktionsweise die Lebensbedingungen der Massen nachhaltig verbessern und sichern kann. Erfolge bei Wahlen sind schön – das Ziel bleibt aber dasselbe wie zuvor und es ist im Parlament nicht erreichbar: die klassenlose Gesellschaft.

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