Kerima, Guerillakämpferin und Dichterin

Die Genossin Kerima. Bild: zVg

Edna Becher. Für die philippinischen Militärs war Kerima Lorena Tariman eine «Terroristin». So bezeichnete das Militär die Guerillakämpfer:innen der New People’s Army, der bewaffnete Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen. Kerima, die im August 2021 bei einem Zusammenstoss mit Regierungstruppen getötet wurde, war eine von ihnen.

Doch für ihre Genoss:innen, Freund:innen und Verwandte war die 42-jährige Kerima in allem, was sie tat – als Mutter, Revolutionärin, Künstlerin und Dichterin – engagiert. Kerima kämpfte jahrelang für die Befreiung von feudaler Ausbeutung und imperialistischer Unterdrückung. Ihr Kampf fing schon zu ihrer Studienzeit an. An der Universität war sie in einer Organisation von progressiven Kunst- und Kulturschaffenden engagiert und war die leitende Kulturredakteurin und später Chefredakteurin der Studierendenzeitung der renommiertesten philippinischen Universität.

Unverzichtbare Lektion
Im Jahr 2000 ging sie aufs Land, wo sie mit den armen Bäuer:innen lebte, um ihre Situation besser zu verstehen und um ihre Ausbeutung und Unterdrückung selber zu erleben. Damals sagte sie ihren Freund:innen, nur wenn sie sich mit den Ärmsten der Armen umgibt, könne sie ihr bürgerliches Künstlerinnendasein ablegen und eine wahre Revolutionärin werden, die den Massen dient. Sie blickte nie zurück, auch nicht als sie später verhaftet wurde. In einem Interview sagte sie Jahre später: «Natürlich war mir die Vorstellung, verhaftet zu werden, so fern. Aber die ganze Erfahrung, vom Leben mit den Bauern bis zu meiner Verhaftung und Inhaftierung, ist eine unverzichtbare Lektion über die Realität des Klassenkampfes.»
Nach ihrer Inhaftierung verliess Kerima wieder die Stadt und tauchte in den Untergrund ab. Sie tauchte erst wieder auf, als ihr Mann Ericson Acosta 2011 verhaftet wurde, um die Kampagne für seine Freilassung zu führen. Als er zwei Jahre später freikam, blieben sie vorerst in der Stadt, um durch ihr Engagement beim Verband von Landarbeiter:innen, «Unyon ng Manggagawa sa Agrikultura», auf die Situation in Negros aufmerksam zu machen.
In Negros herrscht bis heute eine feudalistische Produktionsweise. Angesichts dieser Umstände ist die revolutionäre Bewegung dort stark, die Antwort darauf aber auch. Mit zunehmender Militarisierung versucht der Staat vergeblich die Bewegung zu bekämpfen. Kerima wurde Zeugin, wie Landarbeiter:innen verhaftet, angeklagt und ihre Ernten zerstört wurden. Sie wurden getötet oder wegen falscher Anschuldigungen inhaftiert.

Als Setzling geboren
Der Krieg, den die New People’s Army (NPA) seit über 50 Jahren führt, ist im Wesentlichen eine Agrarrevolution. Kein Wunder also, dass Kerima und ihr Mann sich ihr anschlossen. 2018 trat sie der NPA bei und war von da an unter ihrem nom de guerre «Ka Ella» bekannt. Auf Negros, wo sie Jahre zuvor an die Grenzen des legalen Aktivismus stiess, gab sie ihr Leben für die Revolution und für die Landbevölkerung, die ihr so am Herzen lag.
In ihrem Gedicht «Salaysay at Kasaysayan», übersetzt «Geschichte und Erzählung», schreibt Kerima von der Ausbeutung und Unterdrückung, die sie in den Kampf trieb. Von Pestizidflaschen, die die Bauern in Schulden stürzen, von ausgepeitschten Händen, von gierigen Plünderern. Sie spricht aber auch von den Feldern, «Wo eine neue Regierung / Als Setzling geboren wird». Die meisten ihrer Gedichte wurden von den Bauern und Landarbeiter:innen inspiriert.
Die Entscheidung, sich für die armen Bauern einzusetzen und für ihr Überleben zu kämpfen, kostet sowohl die Kämpfer:innen als auch ihre Familie unermesslich viel Mut. Deshalb wäre es unfair, die Tapferkeit von Kerima zu loben, ohne das gleiche Heldentum bei ihrer Familie zu würdigen. Kerima entschied sich als junge Frau für die Revolution. Mit 42 Jahren bezahlte sie den höchsten Preis für ihren Mut. Einen hohen Preis zahlte auch ihr Sohn Emmanuel, benannt nach dem berühmten philippinischen Dichter Emmanuel Lacaba.

Seid stark
Kerima und ihr Mann waren wenig involviert im Leben von Emmanuel. Er wuchs stattdessen bei Kerimas Vater, Pablo Tariman, auf. Der Journalist und Musikkritiker schreibt in einem Artikel über den Morgen, an dem er von ihrem Tod erfuhr. Er zerbrach sich den Kopf darüber, wie er seinem Enkel die schlechte Nachricht überbringen sollte. Am Schluss tröstet jedoch nicht er seinen Enkel, sondern sein Enkel ihn. Emmanuel sagt von sich selber, dass er immer auf diesen Tag vorbereitet war. Er äusserte sich folgendermassen zu ihrem Tod: «Ich werde die Dinge, die ich von ihr gelernt habe, nie vergessen und sie werden einen Platz in meinem Herzen haben, solange ich lebe, und ich bin sehr stolz auf meine Mutter, für ihre Tapferkeit, für ihre Intelligenz, dass sie bis zu ihrem letzten Atemzug an die Massen, an die Gesellschaft dachte.»
Im Gedicht «Hukbo ng Maralita», «Armee der Armen», schreibt Kerima: «Seid stark / Wenn ihr zur Theorie und zur Waffe greift». Sowohl als Revolutionärin als auch als Dichterin wird Kerima in Erinnerung bleiben und als Inspiration dienen.

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