Italien: Der Albtraum beginnt

Die Faschistin Giorgia Meloni ist an der Macht.

Gerhard Feldbauer / sit. Georgia Meloni, die Anführerin der faschistischen Partei «Fratelli d’Italia» hat das Amtsgeschäft als Ministerpräsidentin übernommen. In der Regierung hat sie Freund*innen, langjährige Parteikamerad*innen und gar Mitglieder der Familie um sich geschart. So zeigt der Blick auf das Kabinett klar, wohin die Reise gehen soll.

Staatspräsident Sergio Mattarella hat am Samstag, 22.Oktober, knapp einen Monat nach den Parlamentswahlen vom 25.September, erwartungsgemäss Georgia Meloni an der Spitze der 65. Regierung nach 1945 vereidigt. Die Führerin der faschistischen Partei «Fratelli d’Italia», die sonst «keine Probleme» mit dem Faschismus Mussolinis hat, wollte dennoch nicht in den Umkreis des 100.Jahrestages des «Marsches Mussolinis auf Rom» vom 28.Oktober 1922 geraten und hatte auf den frühen Termin gedrängt. Im Eiltempo ging es weiter: Am Sonntag, 23. Oktober übergab der nunmehrige Ex-Premier Draghi der vor Freude strahlenden Meloni die Regierungsgeschäfte.
Am Montag, 24.Oktober, wurde das Kabinett auch bei der Vertrauensabstimmung in der Abgeord-netenkammer und im Senat bestätigt. In beiden Parlamentskammern verfügt die sogenannte Mitte-Rechts-Koalition über eine bequeme Mehrheit. Meloni ist die erste Frau in der Geschichte Italiens, die eine Regierung anführt.

Westliche Partner beruhigt
Auf der Liste der Minister*innen stehen Freund*-innen und langjährige Kamarad*innen von Meloni. Selbst ein enges Familienmitglied ist jetzt Minister: Es ist Francesco Lollobrigida, der neue Inhaber des Ministeriums für Landschaft und Ernährungssouveränität. Seine Ehefrau ist Angela Meloni, die Schwester der neuen Regierungschefin. «Noch nie waren so viele Verwandte, Freunde und Bekannte bei einer Vereidigung einer Regierung zu sehen», bemerkte die kommunistische Tageszeitung il manifesto zynisch. Die neuen Minister*innen schwuren auf die Verfassung, die – wie Meloni im Wahlkampf betonte – zwar «gut» sei, aber auch schon «alt». Es ist ein offenes Geheimnis, dass Meloni an der Verfassung, die unter anderem auf den «Antifaschismus» beruht, Hand anlegen will.
Im Kabinett mit 24 Minister*innen, einer mehr als bisher, hat Meloni zehn Ministerien mit Partei-kamerad*innen besetzt, fünf gehen an den Bündnis-partner «Forza Italia» von Silvio Berlusconi und vier an den zweiten Bündnispartner «Lega» von Matteo Salvini. Für fünf Ministerien wurden parteilose Tech-niker*innen berufen, darunter für das neuralgische, von Salvini geforderte Innenministerium.
Keine Überraschung ist, dass die zwei Vize-Präsidenten von den Bündnispartnern gestellt werden. Es sind dies Lega-Chef Salvini, der auch Transportminister wird, und der Berlusconi-Getreue Antoni Tajani, der auch das wichtige Aussenministerium über-nimmt. Tajani gilt als überzeugter Europäer und Nato-Verfechter. Meloni will mit der Berufung Tajanis die westlichen Partner beruhigen. Und es gelang ihr bereits: Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, telegrafierte die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch während der Einführungszeremonie. Sie sprach so ihre «herzliche Glückwünsche» aus und dass sie «glücklich» sei, mit der «neuen Regierung zusammenzuarbeiten».

Die Chefin im Haus
Meloni spielte bei der Regierungsbildung ihre Macht aus. Sie zeigte «Forza Italia» und der «Lega» klar auf, wer die Chefin im Regierungshaus ist, wie sich am Beispiel von Salvini gut zeigt. Er wurde zwar Vize-Prämier und Transportminister, auf beides bestand er. Vor allem, weil dem Transportministerium die zahlreichen Häfen an den 8300 Kilometern Küste, die Italien gesamthaft hat, unterstehen. Salvini weiss dies allzu gut: Als er im Juni 2018 Innenminister war, liess er bekanntlich die Häfen für Schiffe mit Geflüchteten an Bord schliessen. Er wurde jedoch vom damaligen Transportminister zurückgepfiffen, da die Häfen eben in seiner Kompetenz waren. Salvini schäumte vor Wut. Wie wichtig die Macht über die Häfen ist, weiss aber auch Meloni. Und diese Macht wollte sie nicht Salvini überlassen. So schuf sie kurzerhand das neue Ministerium «Meer und Süden», das ab sofort auch für die Häfen zuständig ist und berief Nello Musumeci, einen langjährigen Parteikammeraden, als Minister. Salvini schäumte erneut.
Silvio Berlusconi, zwar schon 86-jährig aber weiterhin Anführer des Bündnispartners «Forza Italia», ging leer aus. Er wollte entweder Senatspräsident oder Minister werden – es kriegte nichts von beidem. Meloni blieb kompromisslos hart. Es dürft wohl der definitive Abgang Berlusconis von der italienischen Politbühne bedeuten – immerhin, auch wenn es ein schwacher Trost ist im Vergleich zum Gruselkabinett, das sich in den Regierungspalästen Roms installiert hat.

Katholisch konservativ
Als erste Regierungschefin Italiens hat Meloni vier von 24 Ministerien mit Frauen* besetzt. Frauen* haben nie «im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten und der ihrer Partei gestanden», vermerkt die Direktorin der Tageszeitung il manifesto, Norma Rangeri, in ihrem Kommentar. Die geringe Anzahl Frauen* in der neuen Regierung gibt ihr recht. Rangeri befürchtet, dass «es gerade bei den von Frauen* erkämpften Rechten zu dramatischen Rückschritten kommen» wird.
Die Wahl der neuen Ministerin für Familie, Natalität und Gleichstellung nährt diese Befürchtung. Es ist die 68-jährige Eugenia Roccella. Früher sei sie «Feministin» gewesen, sagte sie in einer TV-Talkshow. Heute ist sie eine «Theocon», wie auch in Italien die ultrakatholischen Konservativen genannt werden. Danach gefragt, ob die Abtreibung ein Recht sei, antwortete Roccella: «Nein, es ist kein Recht, aber es ist ein Gesetz. Die Abtreibung ist die finstere Seite der Mutterschaft».
Roccella ist ehemalige Frontfrau der Bewegung «Family Day» und der «Schrecken von Feministinnen, Bürgerrechtlern und Homosexuellen», wie der Tages-Anzeiger schreibt. Die ultrakonservative Roccella ist dafür bekannt, dass sie sich gegen die eingetragenen Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare, gegen künstliche Befruchtung und gegen Patientenverfügungen engagiert.
Es beginne «der Albtraum», schreibt il Manifesto, in dem Italien unter einer Regierung «reueloser Faschist*innen» ein «schreckliches Erwachen erleben» werde. Die kommunistische Tageszeitung ruf auf, «alles zu unternehmen, um der Regierung ein Ende zu bereiten».

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