Der letzte Kampf meines Lebens

Marius Käch. Am 10.Mai wies das Gericht in Evry bei Paris die Klage des Agent Orange-Opfers Trân Tô Nga ab. Trotzdem sieht sie es als Sieg an, auch wenn es noch ein langer Kampf ist bis zum Sieg der Gerechtigkeit.

Trân Tô Nga kämpfte während des Kriegs in den Reihen der FNL, der Befreiungsfront Vietnams. In ihren Einsätzen kam sie in direkten Kontakt mit Agent Orange, einem «Entlaubungsmittel» mit hohem Dioxingehalt. Die USA setzten 80 Millionen Liter «Entlaubungsmittel» zwischen 1961 und 1971 ein. Es ist der grösste Einsatz chemischer Kriegswaffen in der Menschheitsgeschichte.
Die Folgen sind gravierend: Trân Tô Nga verlor ihr erstes Kind, sie selbst und ihre zwei anderen Kinder leiden an unheilbarem Krebs und Diabetes. Vier Millionen Vietnames*innen und sind von Agent Orange bis heute geschädigt. Und täglich werden es mehr, denn die Genschäden werden mindestens bis in die vierte Generation vererbt. Durch Agent Orange wurden 15000 Quadratkilometer Land verseucht. Mit dem Wasser gelangt das Gift auch in die Nahrungskette.
Was dieses Verbrechen der USA an der Natur und der Menschheit aber noch viel unerträglicher macht, ist der Umstand, dass bis heute keiner der Schuldigen verurteilt wurde.

Der Kampf für Gerechtigkeit
Bereits 2004 wurde in den USA eine Klage von Agent Orange-Opfern einge-reicht Das Oberste Gericht wies dies 2009 ab. Erst als 2013 ein neues Gesetz in Frankreich das Verklagen von ausländischen Firmen ermöglichte, konnte der Kampf auf juristischer Ebene wieder aufgenommen werden. Trân Tô Nga ist als Doppelbürgerin das letzte klageberechtigte Opfer von Agent Orange auf der Erde.
Mit Unterstützung vieler Menschen und Organisationen aus aller Welt begann sie den Prozess gegen die 14 Produktionsfirmen. Für sie geht es aber nicht um persönliche Wiedergutmachung. Ihr Ziel ist es, einen Sieg für alle Geschädigten zu erringen und einen rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Agent Orange und dessen Folgen vorweisen zu können.
Den Chemiefirmen ist bewusst, dass sie diesen Prozess auf inhaltlicher Ebene kaum gewinnen können. Seit Beginn der Verhandlungen legten sie Nga darum immer wieder Steine in den Weg. Nicht mit dem Ziel, den Kampfeswillen der Klägerin zu dämpfen, sondern Zeit zu schinden. Sie wissen nur zu gut um den Gesundheitszustand von Trân Tô Nga und versuchen den Prozess auf eine andere Art zu gewinnen: Wenn sie genug Zeit herausholen, bis Nga an den Folgen von Agent Orange stirbt, bevor ein bindendes Urteil gesprochen wurde, so sind sie fein raus.

Profit mit dem Tod
Die Produzenten behaupten, dass sie nicht belangbar seien, da sie nur im Auftrag der US-Regierung handelten und daher nicht haftbar wären. Aber zu keinem Moment wurden die Firmen verpflichtet, Agent Orange herzustellen. Im Gegenteil: Im Wettkampf um den Erhalt der Aufträge für die Produktion wurden diverse Offerten eingereicht. Ebenfalls wurde von der US-Regierung kein Mindest- und Maximalgehalt für Dioxin in Agent Orange gefordert. Rein aus Profitgründen war der Dioxinwert hoch, da für weniger Dioxin die Produktionskosten höher ausgefallen wären.

Der letzte Kampf
Am 10.Mai entschied das Gericht in Paris trotz dieser Umstände im Sinne der Chemiemultis, da «das Herbizid in einer Kriegssituation der Verteidigung gedient hätte», und wies deswegen die Klage ab. Das Gericht ignoriert somit die Fakten und die geltende Gesetzgebung seit 2013.
Für Nga ist klar, dass einfach die Argumentation der Produzenten übernommen worden ist. Sie kündete sofort an, gegen diesen Entscheid in Berufung zu gehen.
«Ich bin niedergeschlagen, aber ich bin nicht traurig. Allein schon bis zu diesem 10.Mai gekommen zu sein, ist ein Sieg», erklärte sie dazu.
Es ist das erste Mal, dass die Chemieriesen überhaupt auf eine Klage reagierten und sich einem langen Prozess stellen mussten. Trân Tô Ngas Widerstand ist noch lange nicht gebrochen. Sie schloss die Ankündigung ihrer Berufung mit den Worten: «Ich führe diesen Kampf zu Ende, denn es ist der letzte Kampf meines Lebens.»

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