Wie weiter?

Rund 2000 Personen nahmen am Friday for Future in Zürich teil. Bild: sit

sit. Nach einer längeren Pause rief der Klimastreik Schweiz am 24.September zum globalen Streiktag von Fridays for Future auf. Tausende demonstrierten in acht Schweizer Städten und bewiesen, dass die Bewegung noch aktionsfähig ist. Klar ist aber auch, dass sie vor der Sinnfrage steht.

«Wir haben Angst um unseren Planeten und setzen uns für ihn ein», sagt der junge Klimaaktivist Beya in seiner Rede auf der Poli-Terrasse bei der Zürcher Universität. «Dafür gehen wir schon seit über zweieinhalb Jahren auf die Strasse und dafür sind wir auch heute wieder da. Und nicht nur hier in Zürich, sondern in der ganzen Schweiz und in der ganzen Welt. Wir sind da, um für unser Recht zu kämpfen, unser Recht auf eine lebenswerte Zukunft.» Grosser, berechtigter Applaus. Laute Jubel- und Zustimmungsrufe von der besammelten Menge. Wenig später setzt sich der Demonstrationszug von gut 2000 Personen in Bewegung und erreicht 90 Minuten später den Bürkliplatz am Ende der Bahnhofstrasse.

Fatale Auswirkungen der Klimakrise
Hier findet die Schlusskundgebung statt. Unter anderem werden in zwei Reden die realen Folgen der Klimakrise auf beeindruckende Weise erzählt. «Im Februar war es viel zu warm, sodass die Fruchtbäume zu früh anfingen, Knospen zu treiben. Der zu erwartende Frost im April machte die Triebe dann wieder kaputt. Im Sommer vernichteten die Hagelstürme einen Grossteil der Gemüseernte. Durch die darauffolgende andauernde Nässe sind Kartoffeln im Boden verfault», erklärt der Landwirt Georg Klingler. «Solche Wetterbedingungen werden mit der Klimakrise immer häufiger und unsere Ernährungsversorgung somit immer unsicherer.»
Der junge Bauarbeiter und PdA-Aktivist Marius Käch bestätigt dies: «Die Hitzewellen, die weiter zunehmen werden, die immer häufiger und heisser werden, setzen uns richtig zu. Unerträgliche Hitze zum Arbeiten, Sonnenbrand, Übelkeit und Erschöpfung, das sind die ‹unangenehmen Seiten› der Klimakrise. Die wirklich gefährlichen Faktoren sind Hautkrebs, Schädigung der Lunge durch Ozon und Hitzschlag.» Gekonnt brachte er die Sache auf den Punkt: «Auf den Schultern von uns Bauarbeiter*innen lasten der Druck des Profites und die Folgen der Klimakrise.» Sein Beitrag wurde vorgelesen, da der junge Genosse leider krankheitsbedingt passen musste.

Ermüdungserscheinungen
Der Klimastreik Schweiz setzte am Friday for Future wieder ein Zeichen. Ein starkes Zeichen? Die Anzahl der Teilnehmer*innen hält keinem Vergleich stand mit den Demos vor der Pandemie, an denen vier- bis fünfmal so viele Menschen auf die Strasse gingen. Aber mit dem, was vor der Pandemie war, kann zumindest im Moment nicht verglichen werden. Doch alles mit Covid erklären zu wollen, wäre ein fahrlässiger Fehler. Ein wichtiger Aspekt, der innerhalb der Klimabewegung immer mehr zu Ermüdungserscheinungen bis hin zu Frust führt, nannte der Aktivist Beya. Dies, in dem er unterstrich, dass «wir schon seit über zweieinhalb Jahren auf die Strasse gehen.» Was hat sich in dieser Zeit verändert? Nicht viel, um ehrlich zu sein, vor allem nichts Grundlegendes. Auch hat die staatliche Repression gegen Aktivist*innen der Klimabewegung stark zugenommen. Prozesse und Verurteilungen häufen sich. Diese Tatsachen führten wohl bei vielen Klimaaktivist*innen zur Sinnfrage: Warum soll ich noch Zeit und Energie dafür aufwenden, wenn es nichts bringt und am Ende womöglich noch bestraft werde?

Die Konzerne in die Verantwortung nehmen
So wie die einzelnen Aktivist*innen steht auch – wenn man so will – die ganze Klimabewegung in der Schweiz vor der Sinnfrage. Doch der Reihe nach. Was sie fordert ist bekannt, wichtig und richtig: Die Eidgenossenschaft soll den Klimanotstand ausrufen und danach handeln, Nettonull Treibhausemissionen bis 2030 und Klimagerechtigkeit. Welche Massnahmen dazu vorgeschlagen werden und nötig sind, kann auf ihrer Homepage www.climatestrike.ch im ausführlichen Klimaaktionsplan nachgelesen werden.
Bewiesen hat die Bewegung auch, dass sie die lasche und nicht zielgerichtete Politik der an der Macht sitzenden Parteien durchschaut hat. Letzter Beweis dafür ist die Stellungnahme der Klimabewegung zu den «Eckwerten des neuen CO2-Gesetzes», die am 17.September von Bundesrätin Simonetta Sommaruga vorgestellt wurden. «Im Vordergrund sollen Massnahmen stehen, die es der Bevölkerung ermöglichen, den CO2-Ausstoss im Alltag zu reduzieren», erklärte dabei die Umweltministerin. «Der Bundesrat macht einen fatalen Fehler, wenn er dieses Ziel ins Zentrum des CO2-Gesetzes rückt», hält dazu die Bewegung in ihrer Stellungnahme fest. «Individuen können nur einen kleinen Teil ihrer CO2-Emissionen reduzieren. Ungefähr 70 Prozent der Emissionen pro Kopf können nicht durch individuelle Entscheidungen reduziert werden». Und der Aktivist Jonas Kampus ergänzt: «Das neue CO2-Gesetz muss die grossen klimaschädlichen Konzerne in die Verantwortung nehmen und einen klaren Absenkpfad mit definierten Massnahmen vorgeben. Die grosse Schwäche des alten CO2-Gesetzes war der Fokus auf die individuelle ‹Klimaschuld›.»

Wegweiser für die Zukunft
Die Frage ist daher nicht nach dem Was, sondern nach dem Wie. Und so lautet die Sinnfrage der Bewegung: Wie wollen wir unsere Ziele erreichen? Man kann die Frage auch anders formulieren: Machen wir so weiter wie bisher, oder braucht es neue Aktionsformen, um den Planeten zu retten? Ein Stichwort dazu: gewaltloser ziviler Ungehorsam. Ohne Zweifel sind es keine einfachen Fragen. Grundlage der dazu nötigen Diskussion muss eine kritische Analyse des in den letzten zweieinhalb Jahren konkret Erreichten sein. Fest steht, dass die Antworten auf die Sinnfrage den Wegweiser der Zukunft der Bewegung sind. Mehr noch: Sie entscheiden darüber, ob die Bewegung weiterhin eine gesellschaftliche Kraft bleibt oder zu einer Nebenrolle in der Klimafrage verdammt wird.

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