Vorwärts, Genoss:innen! 

sit. Jin, Jiyan, Azadî: Der internationale Tag der Arbeit steht in Zürich ganz im Zeichen der feministischen Revolution, auch im Hinblick auf den feministischen Streik vom 14.Juni. Die Gewerkschaften mobilisieren mit einem klassischen Thema. So oder so: alle an den 1.Mai!

«Nur mit der proletarischen Frau wird der Sozialismus siegen», Clara Zetkin sprach diese Worte am 16.Oktober 1896 am Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu Gotha. Ihre Rede ist eine brillante Analyse der Frauenfrage mit klarem Blick für die Zukunft. So ist es sinnvoll, ja schon fast Pflicht für die gesamte Linke, sich die Rede der Genossin Zetkin zu verinnerlichen.

Die proletarische Frau
«Wohl aber finden wir eine Frauenfrage innerhalb derjenigen Klassen der Gesellschaft, die die eigensten Kinder der modernen Produktionsweise sind», unterstreicht Zetkin in ihrer Rede. Und: «Es gibt eine Frauenfrage für die Frauen des Proletariats, des Mittelbürgertums und der Intelligenz und der oberen Zehntausend; je nach der Klassenlage dieser Schichten nimmt sie eine andere Gestalt an.» Zetkin schildert die Gründe der Verschiedenheit der Frauenkämpfe innerhalb der Klassen. Sie hält fest, dass die proletarische Frau den «Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung» zustimmt. Zetkin erklärt auch gleich den Grund: «Sie betrachtet die Erfüllung dieser Forderungen nur als Mittel zum Zweck, damit sie gleich ausgestattet an Waffen mit dem Proletarier in den Kampf ziehen kann.»
Besonderen Augenmerk richtete Zetkin in ihrer Rede auf die proletarische Frau und ihre Rolle. «Wenn im Zeitalter der Familie der Mann das Recht hatte, gelegentlich mässig die Frau mit der Peitsche zu züchtigen, so züchtigt sie der Kapitalismus jetzt mit Skorpionen.» Sie kommt zu folgendem Schluss: «Die Frau des Proletariats hat ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit erlangt, aber weder als Mensch noch als Frau, noch als Gattin hat sie die Möglichkeit, ihre Individualität voll ausleben zu können.» Denn für ihre Aufgabe als Gattin, als Mutter blieben ihr nur «die Brosamen, die die kapitalistische Produktion ihr vom Tische fallen lässt». Tatsachen, die auch heute noch eins zu eins ihre Gültigkeit haben. Und misst man die aktuelle Situation bei der Frage der «wirtschaftlichen Selbstständigkeit» an den Worten Zetkins, ist gar ein Rückschritt festzustellen: Die proletarische Frau ist im Jahr 2023 weit davon entfernt, wirtschaftlich selbstständig zu sein. 

Was tun?
Zetkin zeichnet einen klaren, revolutionären Weg auf. «Die Frauen­agitation muss anknüpfen an alle jene Fragen, die von dringender Wichtigkeit für die allgemeine Bewegung des Proletariats sind. Ist es doch die Hauptaufgabe, in der Frau das Klassenbewusstsein wachzurütteln und sie in den Klassenkampf einzubeziehen». Dies müsse der «Leitgedanke» sein, so Zetkin. Denn: «Wir haben nicht spezielle Frauenagitation, sondern sozialistische Agitation unter den Frauen zu treiben.» Und die Genossin präzisiert: «Nicht die kleinlichen Augenblicksinteressen der Frauenwelt dürfen wir in den Vordergrund stellen, unsere Aufgabe muss sein, die moderne Proletarierin in den Klassenkampf einzureihen. Wir haben für die Agitation unter den Frauen keine Sonderaufgaben.»
Neue Schranken «gegen die Ausbeutung der proletarischen Frau» seien zu errichten. «Es gilt, ihr ihre Rechte als Gattin, als Mutter wiederzugeben und zu sichern.» Und wohin die Reise gehen soll, ist für Zetkin sonnenklar: «Das Endziel ihres Kampfes ist nicht die freie Konkurrenz mit dem Manne, sondern die Herbeiführung der politischen Herrschaft des Proletariats. Hand in Hand mit dem Manne ihrer Klasse kämpft die proletarische Frau gegen die kapitalistische Gesellschaft.»

Nehmt euch in Acht
Clara Zetkin hat – einfach mit ihrer eigenen Wortwahl – bereits 1896 die Parole «Jin, Jiyan, Azadî» (Frau, Leben, Freiheit) ausgerufen. Und diese Parole ist der diesjährige Slogan des 1.Mai-Komitees in Zürich. «Hey, Patriarchat und Kapitalismus, nehmt euch in Acht! Der diesjährige 1.Mai in Zürich lehrt euch beiden mit dem Thema ‹Feministische Revolution› das Fürchten. Er verbindet den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit mit dem Klassenkampf», kündet das Komitee keck auf seiner Website an. Und fügt hinzu: «Mit dem Slogan Jin Jiyan Azadî – Frau Leben Freiheit zeigt der 1.Mai 2023 Alternativen zur herrschenden Weltordnung auf.» Hauptrednerin des Komitees ist Niloofar Rasooli. Sie ist eine queer-feministische Aktivistin, Autorin und Journalistin aus dem Iran.

Es bleibt noch viel zu tun
Die Gewerkschaften mobilisieren mit einer klassischen, aber nach wie vor aktuellen Forderung ihre Mitglieder für den diesjährigen Tag der Arbeit: «Mehr Lohn. Mehr Rente. Gleichstellung jetzt.» Auf der Webseite des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) ist zu lesen: «Der Bevölkerung bleibt immer weniger zum Leben. Preise, Krankenkassen-Prämien und Mieten steigen – während die Löhne hinterherhinken und die Renten sogar weiter gesenkt werden sollen.» Gemeint ist die Revision des Berufsvorsorgegesetz (BVG), das Ende März vom Parlament verabschiedet wurde. Sie führt dazu, dass die Arbeiter:innen mehr Beiträge einzahlen müssen, und dafür weniger Rente zu bekommen. Das Referendum dagegen läuft.
Mögen die Themen auch verschieden sein, sie sind Teil eines und desselben Kampfes für eine solidarische, sozialistische Gesellschaft. Vorwärts, Genoss:innen, alle an den 1.Mai – es bleibt noch viel zu tun!

Weitere Infos: 1.Mai.ch und sgb.ch

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