Systemwandel, nicht Klimawandel!

Lea Fäh. Kann die Klimakrise im bestehenden System gelöst werden? Nein, finden immer mehr Klimaaktivist*innen – und assoziieren sich mit dem Slogan «System Change, not Climate Change!» Auch die Bewegung in der Schweiz wird sich der Thematik stellen müssen.

Greta Thunberg, die Ikone der weltweiten Schulstreik-Bewegung Fridays for Future, schwänzte dieses Jahr die Weltklimakonferenz. «Diese Konferenzen sind nicht dazu gedacht, das gesamte System zu verändern, sondern fördern nur schrittweise Fortschritte», zitierte sie die britische Zeitung The Guardian anlässlich ihrer Buchvernissage in London Ende Oktober. «Daher funktionieren sie nicht wirklich, es sei denn, wir nutzen sie als Gelegenheit zur Mobilisierung», fügte sie hinzu, und rief dazu auf, sich im Klimaaktivismus zu engagieren. Die Zeit sei reif für «drastische Veränderungen» am Status quo.
Auch andere bekannte Aushängeschilder, wie die deutsche Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer, sind in ihrer Wortwahl deutlich radikaler geworden. «Wir brauchen einen Systemwandel. Wir brauchen Systeme, die für uns und nicht gegen uns arbeiten», schrieb sie etwa in einem Gastbeitrag im deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel. «Was Menschen geschaffen haben, können sie auch revidieren, oder reformieren, revolutionieren. Und da es jetzt ernst ist, müssen wir das auch.» «System Change, not Climate Change!», dieser Slogan ziert immer öfters Transparente an Klimademos rund um den Globus. Danach widersprechen sich ein kapitalistisches Wirtschaftssystem und der Klimaschutz. Die Klimakrise könne nicht in einem neoliberalen System gelöst werden.

Kapitalismus überwinden
Die wohl berühmteste Verfechterin dieses Arguments ist die kanadische Bestsellerautorin Naomi Klein. «Unsere moderne Wirtschaft ernährt sich von einem kohlenstoffreichen Massenkonsum», schreibt sie in ihrem jüngsten Buch «This Changes Everything: Capitalism vs. the Climate». Sie basiere auf Profit und materiellen Wachstum um jeden Preis und sei von riesigen Konzernen und Finanzinteressen geleitet, die grenzenlos Natur und Mensch ausbeuten. Diese Kerndynamik könne sie nicht umkehren. «Darum muss der Kapitalismus überwunden werden», so Klein, hin zu einer Wirtschaft, die auf den Grundsätzen der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozialen Gerechtigkeit beruhe.
Dazu plädiert Klein für eine bessere Artikulation der weltweiten Kämpfe: «To change everything, we need everyone» (Um alles zu verändern, brauchen wir alle). Nach Klein sind der Kampf um das Klima, gegen Grosskonzerne, für die Pressefreiheit oder Aufnahme von Migranten alles Facetten desselben Kampfes.

Auch in der Schweiz?
Diese Überlegungen greifen lokale Bewegungen weltweit auf. Die in Österreich arbeitende Gruppierung mit dem treffenden Namen «System Change, not Climate Change!», beispielsweise.
Nach ihnen ist die Klimakrise nur das drängendste Problem einer Vielfachkrise. Ihr Ziel ist, aufzuzeigen, dass es sich beim Klimawandel um kein abgetrenntes Umweltproblem handelt – und dass in sämtlichen Bereichen, von Landwirtschaft über Energie bis hin zu Verkehr und Arbeit, sozial-ökologische Veränderungen notwendig sind.
Wie Klein prangern sie bisherige Versuche, den Klimawandel zu bremsen, als unwirksame Scheinlösungen oder technologischen Wunderglauben an. Die Green Economy, der Handel mit Emissionszertifikaten oder die Klimaengineering-Technologien – sie seien alle zum Scheitern verurteilt, denn sie verblieben im kapitalistischen System von Wachstumszwang und Konkurrenzlogik.
Solche Erklärungen werden wir künftig noch öfters hören. Auch in der Schweiz wird man die Systemfrage stellen. Spannend wird sein, wie sich Schweizer Klimabewegungen dazu positionieren.

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