System Change not Climate Change

Lara Frey. Die Klimajugend – seit einigen Monaten in aller Munde, bewundert, belächelt, gefürchtet. Schweiz- und weltweit haben sich Jugendliche solidarisiert, um unseren Planeten zu retten. Doch im Kapitalismus wird dies kaum machbar sein.Ein Einblick in die Bewegung.

Die Gefühle, die unserer Bewegung zu Grunde liegen, sind nicht schön: Panik, Verzweiflung, das Gefühl von Verrat. Doch genau in dieser aufgebrachten, bis ins Extremste entsetzten Stimmung ist eine Jugendbewegung auferstanden, wie sie die Schweiz, ja, die Welt, seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat: die Klimajugend. Gepackt von der Verzweiflung, unsere Welt, unsere wichtigste und einzige Lebensgrundlage, wortwörtlich wegschmelzen und abbrennen zu sehen, vom Verrat der institutionalisierten, reformistischen Politik und vom verantwortungslosen Handeln der älteren Generationen haben wir uns erhoben und sind laut geworden. «Wir», wir könnten nicht unterschiedlicher sein: ein zusammengewürfelter Haufen von Schüler*innen, Lehrlingen, Studierenden, aus verschiedensten Schichten und mit unterschiedlichsten Hintergründen, manche bereits politisch organisiert, andere von einem grossen Desinteresse an der Politik geprägt, aus verschiedensten Regionen der Schweiz, mit Meinungen, die sich oft nur an wenigen Punkten überschneiden. Doch diese wenigen Punkte sind die dringlichsten, die ausschlaggebendsten: Wir müssen unsere Welt retten. Und zwar jetzt. Und da alle anderen Generationen offensichtlich kein Interesse oder nur Schnapsideen wie Emissionskompensationen durch Geld haben, müssen wir ihnen zeigen, wie genau vorzugehen.

Auferstanden aus dem Nichts
Kurz entschlossen haben einige Wenige den ersten Klimastreik, inspiriert von Greta Thunberg und der Bewegung Fridays for Future, in Zürich organisiert. Dieser Streik am 14. Dezember 2018 setzte den Grundstein für etwas, das sich innerhalb von wenigen Wochen zu einer nationalen Bewegung entwickeln würde: Schüler*innen in der ganzen Schweiz bekundeten ihre Solidarität mit den Streikenden in Zürich und am 18. Januar folgten dezentrale Klimastreiks in über zehn Städten. Auf Whatsapp, Instagram und Facebook haben wir ein Netzwerk von mehreren tausend Solidarischen aufgebaut. Unser Anliegen ist simpel, doch unglaublich weitgreifend: Klimaschutz und eine verantwortungsvolle, nachhaltige Klimapolitik, welche das 1,5°C-Ziel des Pariserabkommens einhält und bis 2030 die Treibhausemissionen auf Nettonull beschränkt. Dazu fordern wir das Ausrufen des Klimanotstandes, in anderen Worten, dass die Schweiz die Klimakatastrophe als zu bewältigende Krise anerkennt, auf diese angemessen reagiert und die Bevölkerung über diese Krise und grundlegende Schutzmassnahmen informiert.
Auch wenn die Medien und bürgerlichen Politiker*innen es ungern zugeben: Wir sind erfolgreich und unsere Bewegung verläuft nicht im Sand, wie es vor einigen Monaten vorausgesagt wurde. Basel hat als erste Stadt den Klimanotstand ausgerufen, Liestal ebenso, weitere Städte wie Zürich könnten und werden folgen. In den Medien und auf Social Media sind wir omnipräsent, unsere Forderungen und Anliegen in aller Munde, das Bewusstsein bei der Bevölkerung steigt und die bürgerlichen Parteien sehen sich unter Druck gesetzt. Doch wir sind weit davon entfernt, uns auf unseren Erfolgen auszuruhen, denn es ist uns klar, dass es im kapitalistischen System nie Nachhaltigkeit geben wird.

Ohne Systemwechsel geht es nicht

Im Kapitalismus geht es um Profit, Profit um jeden Preis. Die Gier nach Erfolg, Ertrag, Macht, Geld dominiert unsere Welt, unsere Gesellschaft, beeinflusst uns bis in unser Familienleben. Und da Geld auch Macht bedeutet, finden wir uns in einer Weltordnung wieder, wo die Reichen die Fäden ziehen. Hinter der Fassade von Demokratie und Chancengleichheit beeinflussen die Reichen das Weltgeschehen. Und offensichtlich haben sie nicht das geringste Interesse daran, umweltfreundlich zu produzieren, da jegliche Einschränkung und Auflage direkte Einbussen beim Profit bedeutet. Darum ist der Kampf ums Klima gleichzeitig ein Klassenkampf: Wir, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Schülerinnen und Schüler, kurz: Menschen dieser Erde, gegen einige Wenige, die die Macht haben, unser aller Lebensgrundlage zu zerstören. Wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann, doch um den Grundkurs ändern zu können, müssen wir zuerst den Kapitalismus überwinden, der uns in seinen zerstörerischen Händen hält. Erst in einer demokratischen Planwirtschaft, in der wir unseren Bedürfnissen gerecht und mit statt gegen die Natur produzieren, wird Nachhaltigkeit möglich sein. Wir brauchen eine sozialistische Revolution, um unseren Planeten zu retten.
Völlig desillusioniert und enttäuscht stehen wir der institutionellen Politiklandschaft der Schweiz gegenüber. Jegliche Parteiaffiliation der Bewegung wird abgelehnt, an Demonstrationen und Streiks sind keine Parteifahnen zu sehen. Die politischen Parteien werden nur noch als Plattform genutzt, um Interessierte zu finden und die Bevölkerung zu mobilisieren, doch wir stecken keine grossen Hoffnungen mehr in die reformistischen Parteien. Mit einer «Kompromisslösung» wird man unseren Planeten nicht retten können, wir brauchen jetzt keinen Kompromiss mehr, sondern einen radikalen Umsturz der Produktionsweise und unserer Konsumation.

Kritisiert von Inkonsequenten
Von unserer Ablehnung und Systemkritik verunsichert, werfen uns die Bürgerlichen gerne vor, inkonsequent zu sein, um uns die Glaubhaftigkeit und so den Einfluss zu nehmen. Wir würden doch nur streiken, um die Schule zu schwänzen, und nur demonstrieren, um unser Image aufzupolieren oder randalieren zu dürfen – und gleichzeitig noch verantwortungsloser als die älteren Generationen konsumieren und verschwenden. Dieser verzweifelte Versuch, uns in ein schlechtes Licht zu stellen, ist nicht nur falsch, sondern auch inkonsequent. Ich habe noch in keinem der Whatsapp-Chats und an keiner Demo jemanden getroffen, der nicht auch auf sein persönliches Konsumverhalten achtet. Die Rechten werfen uns vor, nicht alle vegan zu sein oder mit dem Bus zur Schule zu fahren, statt 15 Kilometer zu laufen. Doch sind sie selbst etwa besser? Kritik wie diese ist erst angebracht, wenn sie selbst keinen Plastik mehr verwenden, ihren Abfall reduzieren und recyclen, und nie mehr mit dem Auto zur Arbeit fahren. Die Zeit, die sie damit verschwenden, unser Konsumverhalten zu kritisieren, sollten sie lieber dazu verwenden, ihr eigenes zu überdenken.
Jedoch muss uns auch bewusst sein, dass es nicht ungerechtfertigt ist, unseren Konsum zu kritisieren. Doch schiessen sich die Bürgerlichen gleichzeitig so auch ein Eigentor: Sie, die Bürgerlichen, sind es, die die freie Marktwirtschaft mit allen Mitteln künstlich am Leben erhalten wollen. Doch ist im Kapitalismus ein ethischer und nachhaltiger Konsum schier unmöglich, da die Produktionsprozesse so zerstörerisch organisiert sind. Erst in einem System, das nicht mehr auf den Profit, sondern auf die echten Bedürfnisse ausgerichtet ist, wird es möglich sein, auf jene Art und nur so viel zu produzieren, dass es unserer Umwelt nicht schadet.

Venceremos!
Wir sind erst am Beginn dieses Kampfes. SVP und FDP hofften, dass unsere Bewegung ausfasert und an Schwung verliert, wenn erst einmal die Anfangseuphorie verfliegt, doch weit verfehlt: Wir werden weiterhin auf die Strasse gehen und für unseren Planeten einstehen, denn wir haben ein Recht auf eine Zukunft! Wir beginnen gerade erst, unsere Kräfte zu bündeln, wir werden uns vereinen, wir werden kämpfen und wir werden erst still sein, wenn wir in einer Welt leben, in der alle Menschen sicher und zufrieden sind, in der unsere Natur blüht und unsere Atmosphäre sauber ist. Komm auch DU mit uns auf die Strasse, gemeinsam werden wie siegen, gemeinsam werden wir leben!

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