Sparen und Aufrüsten

dom. Das «Entlastungspaket 27» soll ab 2027 die Ausgaben des Bundes reduzieren. Die Armee bleibt von dem Sparhammer verschont, gekürzt wird bei Betreuung, Bildung, Forschung, Klima und Entwicklung. Scheitert das Sparpaket, droht Plan B, der im Grunde dasselbe will.

Der Bund muss sparen. Deshalb hatte im Herbst 2024 die vom Bundesrat eingesetzte Expert:innenkom-mission um Serge Gaillard ein umfassendes Sparpaket vorgelegt. Im Zuge der darauffolgenden Vernehmlassung wurde das Paket punktuell leicht entschärft, die Lasten zugunsten der Kantone leicht verschoben. Insgesamt ist aber das Massnahmenpaket, das der Bundesrat Ende September vorgelegt hat, nahe bei den Vorschlägen der Expert:innenkommission geblieben: 57 Massnahmen auf der Ausgabenseite, mit denen im Jahr 2027 2,4 Milliarden, in den beiden Folgejahren je drei Milliarden Franken eingespart werden sollen.

Sozialabbau im grossen Stil
Gemessen an den tiefen Einschnitten, die das «Entlastungspaket 27» vorsieht, schlägt es medial keine besonders hohen Wellen. Die NZZ meinte zwar kürzlich, das Sparpaket werde zum Prüfstein für Keller-Sutters Karriere als Finanzministerin – es stehe «viel auf dem Spiel», vor allem «für den Bund, aber auch für Karin Keller-Sutter». Es könnte «der wichtigste Urnengang ihrer Karriere» werden, jener, mit dem sie «als Finanzministerin in Erinnerung bleiben wird» – aber wen kümmert schon das Vermächtnis von KKS?
Sorgen bereiten sollte vielmehr, dass das «Entlastungspaket 27» einen massiven Angriff auf die Arbeiter:innen bedeutet: Kinderbetreuung, Bildung, Forschung, Klimaschutz, Entwicklungshilfe – das alles soll zusammengespart werden. So werden etwa im Bereich Bildung und Forschung die Bundesbeiträge an den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) um 131 Millionen, jene an die kantonalen Hochschulen um 120 Millionen Franken gekürzt. Bei der ausserschulischen Kinder- und Jugendförderung sollen jährlich eine Million Franken eingespart werden.
Besonders tief sind die Einschnitte beim Klimaschutz. Einsparungen von 372 Millionen Franken bei den Klimasubventionen (alleine im Jahr 2027), ergänzt durch Kürzungen bei EnergieSchweiz, dem Programm des Bundes, das freiwillige Massnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien fördert (20 Millionen), alternativen Antrieben im ÖV (56 Millionen) und Umwelt-Verbundaufgaben (47 Millionen). Die Ausgaben der internationalen Zusammenarbeit sollen bis 2030 faktisch eingefroren werden, was 2027 Einsparungen von 107 Millionen bringen soll (ansteigend in den Folgejahren).

Bundesrat baut Drohkulisse auf
Im Dezember 2025 wird der Ständerat über das Paket entscheiden, im März 2026 der Nationalrat. Vieles scheint auf ein Referendum von links-grün hinzudeuten, weshalb die Frage voraussichtlich noch im Jahr 2026 an die Urne kommt. Das weiss auch der Bundesrat, weshalb er bereits jetzt eindringlich vor einer Ablehnung warnt: «Das Entlastungspaket 27» sei «nur ein Zwischenschritt». Auch im Falle einer vollständigen Umsetzung würden «ab 2029 wieder Defizite in Milliardenhöhe» drohen. Sollte das Paket «abgelehnt oder stark verkleinert werden, müssten bereits früher neue Entlastungsmassnahmen ergriffen werden».
Diese Massnahmen würden, «weil kurzfristig kaum andere Optionen» bestünden, bei den «schwach gebundenen Ausgaben» getroffen – also bei jenen Ausgaben, deren Höhe nicht gesetzlich bestimmt ist und die jährlich angepasst werden können. Betroffen wären somit auch hier Bereiche wie Bildung und Forschung, Entwicklungshilfe, Betreuung und Umwelt – unter Umständen aber auch die Armee. Gemäss Bundesrat «wären in diesen Bereichen gemäss aktueller Finanzplanung Kürzungen von bis zu zehn Prozent notwendig, um das Entlastungspaket zu ersetzen». Wird die Armee politisch erneut geschont – und davon ist angesichts des breiten politischen Konsenses betreffend Aufrüstung auszugehen – müssen die anderen die Lücke schliessen.

Wer bezahlt die Aufrüstung?
So funktioniert die Botschaft des Bundesrats doppelt: Mit dem Verweis auf Plan B baut Keller-Sutter Druck auf, das Sparprogramm durchzuwinken – gleichzeitig bereitet sie den Boden für das Alternativszenario: ein neues, rasch geschnürtes Paket, bei dem die Armee ausgenommen werden soll, beziehungsweise höchstwahrscheinlich ausgenommen wird. Gespart wird am Ende so oder so – an denselben Stellen, zu Lasten der Arbeiter:innen und der öffentlichen Angebote, auf welche diese angewiesen sind.
Insofern ist auch absehbar, wo die Steuererhöhungen anfallen würden, von denen im Zusammenhang mit Plan B die Rede ist. «Scheitert das Entlastungspaket, werden die Steuern steigen», warnt Keller-Sutter. Realistisch sind vor allem konsumnahe Abgaben wie die Mehrwertsteuer – für Eingriffe bei oberen Einkommen, Vermögen oder Unternehmen fehlen die politischen Mehrheiten. Das jüngste Beispiel der Mehrwertsteuer-Erhöhung per 1.Januar 2024 zur Finanzierung der AHV-Reform, hat gezeigt, dass Konsumsteuern in der Schweiz rascher mehrheitsfähig sind als Kapitalbesteuerungen.

Sowas wie Sparzwang gibt es nicht
Treiber hinter alldem bleibt die Aufrüstung. Der sicherheitspolitische Druck kommt von allen Seiten, die öffentlichen Budgetposten des militärisch-industriellen Komplexes sind politisch gut abgestützt. Was für zusätzliche Rüstung vorgesehen ist, fehlt anderswo. Weil die Schuldenbremse den Gesamtrahmen fixiert und Mehreinnahmen umstritten sind, wird der Spielraum im sozialen Bereich kleiner. Je stärker die Armee priorisiert wird, desto mehr verlagern sich Anpassungen in leicht kürzbare Bereiche oder auf konsumnahe Steuern. So wird Aufrüstung zum Treiber von Sparrunden. Es stimmt also nicht ganz, wenn der Bund meint, er «müsse» sparen – die Debatte um das «Entlastungspaket» ist keine Debatte um finanzpolitische Naturgesetze, sondern um politische Prioritäten – und darum, wer die Rechnung für die Aufrüstung bezahlt.

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