Rausgeschmissen

sit. Im Rahmen der Roten Kulturtage in Zürich waren zwei Veranstaltungen zu Palästina im Volkshaus geplant. Doch die Volkshausstiftung hat den Vertrag kurzfristig aufgehoben. Tragisch, auch weil sie im Mai 2023 einen rechtsesoterischen, faschistoiden Anlass zuliess ? wegen der angeblichen Meinungsfreiheit.

Die mediale Hetze, mit welcher der Schrei nach noch mehr Polizeirepression nach den Vorfällen an der Demo in Bern vom 11.Oktober (siehe auch Artikel oben) durchs Land getragen wird, zeigt ihre Auswirkungen: Das Volkshaus Zürich ist vom Mietvertrag mit den Organisator:innen der Roten Kulturtage zurückgetreten. Eine interne Überprüfung habe ergeben, dass bei zwei geplanten Veranstaltungen angeblich Gewalt verherrlicht und Gegner:innen entmenschlicht würden. Diese Inhalte widersprächen dem Leitbild des Hauses, das rassistische, antisemitische oder gewaltverherrlichende Veranstaltungen ausschliesse. Das teilte die Volkshausstiftung laut der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am 24.Oktober mit – eine Woche bevor die Anlässe hätten stattfinden sollen. Insgesamt waren elf Anlässe im Volkshaus im Rahmen der Roten Kulturtage geplant, die alle gestrichen wurden.

Entscheid anhand von Schlagworten getroffen
«Die Stiftung habe die Organisator:innen aufgefordert, die beiden Anlässe abzusagen. Da diese der Aufforderung nicht nachgekommen seien, sei der Vertrag am Freitagnachmittag mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden», ist auf der Website des Tages-Anzeigers zu lesen. Dem widersprechen jedoch die Organisator:innen in einer Stellungnahme, die dem vorwärts vorliegt. Darin wird klargestellt: «Die Volkshaus Stiftung hat die Absage kaum begründet und das Gespräch mit den Veranstalter:innen verweigert.» Das Volkshaus spreche von «problematischen» und «gewaltverherrlichenden» Inhalten. Doch: «Entgegen den Medienberichten hat das Volkshaus uns gegenüber keinen Rassismus- oder Antisemitismusvorwurf erhoben. Auch die behauptete interne Überprüfung der betroffenen Veranstaltungen hat nicht stattgefunden», schreiben die Organisator:innen der Roten Kulturtage. Aus der Kommunikation des Volkshauses gehe «deutlich hervor», dass der Entscheid «anhand von Schlagworten getroffen wurde». Mario Schnyder, einer der Organisatoren, erklärt in der Stellungnahme: «Die Absage ist für uns nur insofern erklärbar, dass das Volkshaus in den herrschenden repressiven Diskurs gegenüber Palästina-solidarischen Äusserungen eingestimmt ist.» Wie wahr.
Die Genoss:innen der Roten Kulturtage behalten sich «politische und rechtliche» Schritte vor. Ob die im Volkshaus geplanten Veranstaltungen an anderen Orten durchgeführt werden können, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Die eigene Geschichte verleugnet
Hauptgrund der Absage ist wohl die Videoinstallation «The One Who Resists». Sie basiert auf dem Text «Exiting Law and Entering Revolution» von Basil al-Araj, einem palästinensischen Denker, Schriftsteller und Widerstandskämpfer. Er wurde 2017 von israelischen Soldaten getötet. Sein Text zeigt, dass «Widerstand dort entsteht, wo Menschen die Logik des Gehorsams durchbrechen, und die Beherrschten beginnen, sich gegen die Ordnung ihrer Unterdrückung zu organisieren», ist auf der Website der Roten Kulturtage zu lesen. Thematisiert wird dabei auch der bewaffnete Widerstand der Unterdrückten gegen die imperialistischen Besatzer:innen.
Tragisch, dass das Volkshaus deswegen den Schwanz einzieht. Es verleugnet so auch die eigene Geschichte: Zu bewaffneten Befreiungskämpfen wie jenen in Vietnam Ende der 1960er-Jahre, in Zentralamerika in den 1980er-Jahren oder in Chiapas (Mexiko) durch die EZLN fanden zahlreiche Veranstaltungen im Volkshaus statt – und sie stellten nie ein Problem dar.

Meinungsfreiheit?
Und tragisch auch deswegen, weil am 27. und 28.Mai 2023 im Volkshaus ein Kongress mit dem Titel «Vision des Guten – Manifest der neuen Erde» stattfand, gespickt mit Beiträgen aus der rechtsesoterischen, faschistoiden, verschwörungstheoretischen Szene. Widerliche Figuren wie Christina von Dreien, bekannt für Hohlerde-, Reptilienmenschen- und Corona-Verschwörungsnarrative, oder Ricardo Leppe, der über rechte Esoterik (Neue Germanische Medizin) und völkisches Gedankengut sprach, liessen die Verantwortlichen des Volkshauses problemlos auftreten. Sie begründeten es mit der «Meinungsfreiheit» – die aber offensichtlich jetzt nicht mehr gilt für die Anlässe zu Palästina.

Programm und Infos:
rote-kulturtage.ch

 

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