Nur ein Name?

«Der Messerstecher von Zürich», was für eine blöde Bezeichnung für einen rechtsradikalen Terroristen (siehe vorwärts-Nr. 33/34). Doch wie will mensch es anders sagen, wenn wortwörtlich verboten wurde, die Dinge beim Namen zu nennen.

Bei der Verurteilung des Täters wurde den Medienschaffenden vom Gericht untersagt, seinen Namen zu veröffentlichen. Da war es für mich keine Frage, dass wir uns nicht an diesen bedenklichen Maulkorb halten würden. Doch so selbstverständlich einfach war es dann auch nicht. «Wieso sollen wir die Helden spielen und ihn öffentlich denunzieren?», fragten wir uns. Weil es unsere historische Pflicht ist. Die Geschichte lehrt uns, dass der Faschismus mit seiner widerwärtigen, menschenverachtenden Ideologie bis aufs Letzte bekämpft werden muss. Folgefrage: «Und das machen wir, indem wir seinen Namen veröffentlichen?» Ja, auch damit, weil es keinen Grund gibt, seinen Namen und damit ihn zu schützen. Er hat sich öffentlich zu Gewalt, Rassenideologie und Homophobie bekannt. Er säte Hass, rief mehrfach zu öffentlicher Gewalt auf und glorifizierte Massenmörder. Mit der Messerstecherei hatte er zum ersten Mal seine Visionen auf die Spitze getrieben und ein Menschenleben gewollt aufs Spiel gesetzt. Und wie er selbst sagt, würde und wird er es wieder tun, auch in einem grösseren Rahmen. So jemand ist nicht zu schützen. Und jeder, der ohne Widerwort dem richterlichen Beschluss des Maulkorbs folgt, schliesst sich einem fatalen Schweigen an.
Hohe Worte für eine naive, unerfahrene junge Frau. Bestimmt. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte keine Angst. Angst, dass dieser Psychopath durchdrehen wird und ich die nächste auf der Liste bin. Denn er befand sich schon öfters an den gleichen Orten wie ich: am Frauen*streik, jeglich weitere Frauen*,- oder Antifademos. Und nicht nur einmal liess er dort seiner Wut freien Lauf und bedroht oder verletzt einige Frauen*. Hatte ich einfach Glück? Ich befinde mich selbst in einer Zwickmühle. Zum einen sind da mein Gerechtigkeitssinn und Kampfwille, die diesen Psycho öffentlich mit Namen denunzieren möchten. Zum anderen ist da meine Angst, die mich dazu verleitet, meinen Kommentar ohne Foto und Namen abzugeben. Wenn er es herausfinden will, soll er sich mindestens dafür anstrengen müssen. Ich brauche weder die Heldin zu spielen, irgend ein fatalen Mut beweisen, noch muss ich ins offene Messer laufen, wortwörtlich gemeint.
Schwierig, denn mir ist auch klar, dass genau das von den Rechtsradikalen beabsichtigt wird. Angst und Terror gehören schon seit eh und je zu ihrer Masche. Je weniger Menschen den Mut aufbringen, den Mund aufzumachen und sich ihnen in den Weg stellen, desto mehr freie Bahn und Spielraum haben sie.
Aber mal abgesehen davon, was würde geschehen, wenn wir mit dem Namen nicht an die Öffentlichkeit gegangen wären? Was wird beim nächsten rechtsradikalen Terroristen aus «gutem Schweizer Hause» passieren? Werden wir da auch schweigen? Wo würde das hinführen? Die Täter*innen bräuchten dann nur noch einen richterlichen Beschluss, der ihren «guten Namen» schützt und sie wären aus dem Schneider. Toll, dann könnten sie ihn aller Ruhe verdeckt ihren Hass verbreiten und gleichzeitig auf Beihilfe der Justiz zählen. Wir dürfen es niemals so weit kommen lassen. Und daher müssen alle Informationen an die Öffentlichkeit. Auch wenn es «nur» ein Name ist.
Eine junge Frau

 

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