Nein zur BVG 21-Reform 

Der Kampf gegen die BVG 21-Reform ist lanciert. Bild: SGB

Amanda Ioset / sit. Die Nachricht wurde durch das Debakel der Credit Suisse überschattet: Am 17.März nahmen die eidgenössischen Räte die Gegenreform BVG 21 an. Die Arbeitnehmer:innen sollen mehr einzahlen, um dann weniger Renten zu bekommen. Gewerkschaften und die Linksparteien haben das Referendum ergriffen.

Blicken wir zurück: In den letzten 15 Jahren erlitten alle Reformbestrebungen der 2.Säule Schiffbruch. 2010 scheiterte die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,4 Prozent mit 73 Prozent Nein-Stimmen vor dem Volk. Der Umwandlungssatz ist ein gesetzlich festgelegter Prozentsatz, der die jährliche BVG-Rente aus dem Altersguthaben bei der Pensionskasse definiert. Um es an einem einfachen Beispiel zu erklären: Bei einem Altersguthaben von 100000 Franken und einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent beträgt die jährliche Rente 6800 Franken. 

2017 wurde die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf sechs Prozent mit einer Kompensation in der AHV verworfen. Daraufhin forderte der Bundesrat die Sozialpartner auf, einen gemeinsamen Reformvorschlag für die drängendsten Probleme der 2.Säule auszuarbeiten. Nach intensiven Verhandlungen legten die Sozialpartner Ende 2018 dem Bundesrat einen gemeinsamen Reformvorschlag vor, der von der Regierung dann auch unterstützt wurde. Kernpunkt der Reform waren die Senkung des Umwandlungssatzes und die Erhöhung der Beiträge. Der ausgehandelte Kompromiss bestand in den «Ausgleichszahlungen», angebliche «solidarisch finanzierte Rentenzuschläge», um die Rentenkürzungen auszugleichen – oder zumindest zu lindern. 

«Verhunzt»
Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) sprach sich von Anfang an gegen den Vorschlag aus. Hingegen waren sich die Sozialpartner, die bürgerlichen Parteien, die SP und die Grünen im Wesen der Reform, sprich im Kernpunkt einig: Die Senkung des Umwandlungssatzes und die Erhöhungen der Beiträge wurden nicht infrage gestellt. Entsprechend drehten sich die Debatten im National- und Ständerat ab 2019 um die «Ausgleichszahlungen», die notwendig sind, um die Vorlage beim Volk durchzusetzen. Letztendlich beschloss das bürgerlich dominierte Parlament Folgendes: Es werden nur jene Personen, die innerhalb von 15 Jahren nach Einführung der Reform in Rente gehen, Anspruch auf eine «Ausgleichszahlung» haben. Diese beträgt maximal 200 Franken, wobei der Betrag mit zunehmendem angespartem Kapital sinkt.
Die verabschiedete Vorlage habe mit dem Reformvorschlag der Sozialpartner «nichts mehr zu tun», schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) in seiner Stellungnahme. «Das Parlament hat sie für Arbeitnehmende aller Generationen zum teuren und willkürlichen Abbauprojekt verhunzt.» 

Fragwürdige Argumentation
Ein weiterer wichtiger Punkt der Reform betrifft den Koordinationsabzug. Es ist dies der Betrag, der vom Lohn abgezogen wird, um den Anteil des versicherten Lohns zu berechnen. Mit anderen Worten: Der Teil, auf den Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine BVG-Beiträge zahlen. BVG 21 sieht vor, dass dieser Abzug 20 Prozent des Lohns betragen soll, während er heute bei 25725 Franken liegt. Als weitere wichtige Massnahme der Reform wird Eintrittsschwelle zur zweiten Säule von heute 22000 Franken auf 19800 Franken gesenkt. Diese Änderungen werden eine Erhöhung der Beitragszahlungen für niedrige Einkommen bedeuten.
Obwohl die SP und die Grünen den endgültigen Entwurf nicht unterstützten, da sie die Ausgleichszahlungen für zu niedrig halten, befürworteten sie die Senkung des Koordinationsabzugs und die Erhöhung der Eintrittsschwelle. Sie argumentierten, dass Geringverdiener:innen, vor allem Frauen, dadurch mehr in die zweite Säule einzahlen und somit bei Renteneintritt bessere Renten erhalten würden. Diese Sichtweise ist jedoch sehr fragwürdig. In Wirklichkeit werden die Betroffenen diese minimalen BVG-Verbesserungen sehr teuer bezahlen. Ihre ohnehin schon prekären Löhne werden durch die zusätzlichen Beiträge zur zweiten Säule noch weiter geschmälert, sodass sie im Alter vielleicht nur eine geringfügig höhere Rente als heute erhalten. Die Beiträge fliessen weiterhin in die 2.Säule, die Säule des Kapitaldeckungsverfahrens. Diese ist weder umverteilend noch solide, da die Finanzierung letztendlich von den Finanzmärkten abhängt. Will man die Renten von Frauen und prekär Beschäftigen wirklich verbessern, muss die AHV-Rente gestärkt werden. Das Umlageverfahren der 1.Säule, der AHV, ist solidarisch, gerecht und stabil.

AHV zum Grundpfeiler machen
Die BVG 21-Reform ist kein isolierter Angriff. Es ist eine von vielen Offensiven der Bourgeoisie, um unser Rentensystem zu schwächen: gestern die Erhöhung des Rentenalters für Frauen, heute die Senkung der Renten der zweiten Säule, morgen die Erhöhung und Flexibilisierung des Rentenalters für alle. Ihr Ziel ist es, die Lebensarbeitszeit so lange wie möglich zu verlängern, aber auch die umlagefinanzierte 1.Säule zugunsten der kapitalgedeckten 2.Säule (BVG) zu schwächen – dies im Sinne und zugunsten der Finanzmärkte.
Im Grunde geht es um die Frage, welches Finanzierungsmodell wir für unsere Renten wollen. Angesichts des immer eklatanteren Scheiterns der Drei-Säulen-Doktrin müssen wir in den nächsten Wochen alles daran setzen, dass das Referendum zustande kommt. Aber wir müssen noch weiter gehen und eine fortschrittliche Vision der Renten bekräftigen, indem wir die erste Säule zum Grundpfeiler des Systems machen und die Rolle der Pensionskassen drastisch einschränken.

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