Medienvielfalt verschwindet

SDA-MitarbeiterInnen beschliessen den Streik

Bernard Borel. Die Belegschaft der Nachrichtenagentur SDA ist für kurze Zeit in einen Warnstreik getreten. Sie protestiert damit gegen den geplanten Stellenabbau. Die Arbeit der SDA ist unentbehrlich für die Schweizer Medienlandschaft.

Anfang Januar wurde bekannt, dass die Geschäftsleitung der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) aus finanziellen Gründen die Streichung von 36 Vollzeitstellen plant, von der 80 Mitarbeitende betroffen sind. Diese Nachricht wurde durch die Abstimmungskampagne um die Initiative «No Billag», die ihrerseits die Medienqualität bedroht, etwas übertönt. Die JournalistInnen und Beschäftigten der SDA sind allerdings fest entschlossen, sich Gehör zu verschaffen. Sie haben den PolitikerInnen dieses Landes einen offenen Brief geschickt und sind am 23. Januar für drei Stunden in einen Warnstreik getreten. Dem Streik haben sich 150 Personen angeschlossen (das sind etwa 80 Prozent der Belegschaft). Auslöser dafür war die Kompromisslosigkeit des Unternehmens, den Restrukturierungsplan sofort umzusetzen. Zahlreiche Personen aus der Politik haben ihre Unterstützung für die Streikenden bekundet.

Strategielos
In einer Resolution kritisierten die Streikenden, dass das Management den Arbeitenden in zehnminütigen Gesprächen mitteilt, ob sie ihre Stelle behalten oder nicht, und bislang keine psychologische Unterstützung organisierten. «Die ersten Personen sind in schwere Krisenzustände geraten. (…) Es ist sehr belastend für die Direktbetroffenen, aber auch für die KollegInnen und die Redaktion als Ganzes», schreiben sie. Gefordert wird «ein Moratorium auf den Stellenabbau, dass die Einzelgespräche unterbrochen werden und zuvor ernsthaft über die Abbaupläne und die Anliegen der Redaktion verhandelt wird». Auch soll eine journalistischen Strategie festgelegt werden: «Weniger Meldungen am Ende des Tages und insgesamt sind keine Strategie!» Die Belegschaft verlangt, dass die SDA ihre unabhängigen Wirtschafts-, Auslands- und Kulturredaktionen beibehält und dass Einsparungen auch auf Seiten der Unternehmensführung durchgeführt werden.
Was ist die SDA überhaupt? Und wie ist es zur gegenwärtigen Situation gekommen? Obwohl man dem Kürzel in fast jeder Zeitung begegnet, ist die Arbeit der Agentur relativ unbekannt. Sie spielt eine zentrale Rolle, die verschiedenen Medien der Schweiz mit Nachrichten zu «füttern». Gegründet wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Ziel, den Schweizer Zeitungen mehr Unabhängigkeit vom Ausland zu geben. Seither hat die SDA den «Teppich» geliefert, «auf dem die Medien ihre Möbel aufstellen können», wie es der frühere SDA-Chefredaktor Bernard Maissen ausdrückte. Es handelt sich um eine Riesenarbeit, die täglich im Schatten von 180 Leuten bewerkstelligt wird – 200 000 Meldungen werden im Jahr veröffentlicht. Diese essenzielle Grundlage werden von den grösseren und kleineren Medien benutzt, um ihre Blätter entsprechend den Vorstellungen der jeweiligen Redaktionen zu füllen. Es ist nackte Information, die aber bereits analysiert und nach Glaubwürdigkeit sortiert wurde; in einer Zeit der «Fake News» und Social Media wird diese Arbeit umso wichtiger.

Mehr Rentabilität
Die drei grössten Verlage NZZ, Tamedia und SRG, welchen die SDA gehört, waren sich der Bedeutung der Agentur durchaus bewusst. Sie verlangten lange Zeit keine Rentabilität, sondern nur Kostendeckung. Überzeugt von der Qualität der gelieferten Informationen nutzen auch die staatlichen Behörden regelmässig die Dienste der SDA. Da aber die Werbeeinnahmen in den Medien insgesamt am Sinken sind, wurde 2017 entschieden, zehn Prozent weniger für die Agenturmeldungen zu zahlen. Die Folge war ein Defizit des Betriebs von einer Million Franken. Die Geschäftsführung spricht sogar von mehr als vier Millionen Franken Verlust für das Jahr 2018, falls die Restrukturierungsmassnahmen nicht umgesetzt werden. Bei den Redaktionen der verschiedenen Zeitschriften, die ihrerseits unter Druck stehen, gab es darauf keine grossen Reaktionen, auch wenn damit die Grundlage ihrer Arbeit angegriffen wurde.
Ein Grund für die Entwicklung dürfte auch die Fusion mit Keystone im November 2017 gewesen sein. Keystone ist eine Bildagentur, bei der 50 Prozent des Kapitals von der Österreichischen Presseagentur (APA) gehalten wird. Bei SDA-Keystone ist die APA Hauptanteilshaberin und fordert mehr Rentabilität. Der CEO der neuen Körperschaft, Markus Schwab, insistierte darauf, dass die SDA wie alle anderen Unternehmen geführt werden und sich der Marktwirtschaft anpassen müsse. In diesem Kontext wird die Zukunft der SDA gestaltet: Falls die vorgesehene Restrukturierung durchgesetzt wird, wird ein Stück Medienvielfalt verschwinden und die Tür für noch grössere Pressekorporationen geöffnet.

Die Redaktion des vorwärts spricht den Mitarbeitenden der SDA ihre Solidarität im
Arbeitskampf aus.

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