Kriege, Krisen und Elend

Redaktion. Der Faschismus ist keineswegs ein Phänomen der Geschichtsbücher, sondern nach wie vor und immer mehr eine reale Gefahr. Am 28.Oktober ist in Bern ein antifaschistischer Abendspaziergang geplant. Wir veröffentlichen den Aufruf.

Der Alltag im Kapitalismus ist geprägt von Ausbeutung und Unterdrückung. Die schon vorher prekären Verhältnisse der Lohnabhängigen spitzen sich durch Krisen wie Pandemie, Krieg und Inflation weiter zu. Auch die Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise schreiten unbegrenzt voran und gefährden die Existenzgrundlage zigtausender Menschen. Umso wichtiger ist es, dass wir in einer von rücksichtslosem Profit dominierten Welt unsere Kräfte bündeln und uns gemeinsam einsetzen für nachhaltige, solidarische Lösungen.

Seit fast 150 Jahren bekannt
Angesichts der sich zuspitzenden Verhältnisse sehen sich Regierung und Konzerne gezwungen zu handeln. Politiker:innen versprechen wahlweise eine Rettung durch Abgrenzung, Egoismus und Sicherheit der Vermögenden oder durch einen sozialen, grünen, verantwortungsbewussten Kapitalismus. Konzerne setzten auf Greenwashing oder suchen nach Möglichkeiten, Krisen für sich zu nutzen, um davon zu profitieren. An den tatsächlichen Ausbeutungsverhältnissen ändert sich dabei Garnichts. Der Kapitalismus an sich ist nicht reformierbar. Kapitalismus ist nicht grün, nicht sozial, und ganz sicher auch nicht verantwortungsbewusst. Der Kapitalismus ist darauf ausgerichtet, Profit zu generieren und die bestehenden Machtverhältnisse zu festigen. Im Kapitalismus geht es um die Interessen einzelner ? Mensch und Umwelt können deshalb nicht der Fokus sein. Dass die Mächtigen und Reichen weiterhin ihre Profite maximieren während sich die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen weiterhin verschlechtern, ist demnach kein Versehen oder unerwünschter Nebeneffekt, sondern das logische Resultat der Funktionsweise des Kapitalismus.
Seit jeher bieten prekäre Verhältnisse und unsichere Zukunftsperspektiven auch Nährboden für faschistisches Gedankengut. Im Angesicht der Angst um die eigene Existenz, sind Menschen offener für scheinbar einfache Lösungen für die Sicherung des eigenen Überlebens, zum Preis autoritärer, despotischer Herrschaft und auf Kosten all jener, denen der Faschismus ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben kategorisch abspricht.
Dafür, dass diese Tatsache recht offensichtlich ist – die Fakten sind seit fast 150 Jahren bekannt –, haben und nutzen nur wenige die Möglichkeit, sich mit der Kritik am momentanen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem auseinanderzusetzten.

Der Staat ist auf der Seite des Kapitals
In Zeiten von Krisen und Unsicherheiten dient Spaltung (etwa durch Konkurrenz, nationalistische Identifikationsbilder, das Schüren rassistischer Ängste oder Repression gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen) als wichtiges Element der Aufrechterhaltung des Status quo. Die Spaltung der Lohnabhängigen – zum Beispiel in In- und Ausländer:innen etc. – dient den Reichen und Mächtigen und ihren reaktionären Ideologien.
Die kapitalistische «Wettbewerbsgesellschaft» spielt bewusst Lohnabhängige gegeneinander aus. Wer die eigene Stellung innerhalb des hierarchischen Systems halten oder verbessern will, muss «gegen oben lecken, gegen unten treten und auf gleicher Stufe Ellbogen ausfahren». Dass Lohnabhängige ökonomisch die gleichen Interessen verfolgen wie ihre Arbeitskolleg:innen – aber nicht dieselben wie die Kapitalist:innen – geht im Kampf um die Sicherung der eigenen Existenzgrundlage schnell unter. Faschistische Denk- und Handlungsweisen tragen zu eben dieser Funktionsweise bei. Sich gegen den Faschismus zu stellen heisst auch, sich gegen die Spaltung der Lohnabhängigen und Unterdrückten zu stellen.
Dass der Staat in diesen Belangen auf der Seite des Kapitals steht, liegt auf der Hand. Dementsprechend repressiv wird gegen einzelne und Gruppen vorgegangen, welche sich den bestehenden Verhältnissen annehmen und sich aktiv gegen diese stellen. Der Fall von Lina in Dresden oder die massive Repression gegen verschiedene 1.-Mai-Kundgebungen letzten Frühling sind aktuelle Beispiele für diese Strategie.

Die rassistische Politik der Schweiz und der EU
Im gesellschaftlichen Diskurs werden einzelne Krisen und Ereignisse oft getrennt betrachtet und bekommen so ähnlich viel Aufmerksamkeit wie belanglose Nebenschauplätze. Eine kapitalismuskritische Perspektive ermöglicht, die Gemeinsamkeiten der diversen weltweiten Problematiken zu erkennen und sie mit dem ausbeuterischen System in Verbindung zu setzen. Egal ob Klimakrise, Pandemie oder das weltweite Erstarken faschistischer Strömungen: All diese Phänomene müssen mit dem Kapitalismus in Verbindung gesetzt werden, um sie nachhaltig zu bekämpfen.
Auch die rassistische Politik der EU und der Schweiz stehen exemplarisch dafür, wie die herrschende Klasse die Lohnabhängigen zu spalten versucht. Ihre Asylpolitik zielt darauf ab, Menschen fernzuhalten, um den eigenen Reichtum zu bewahren. Wie viele Menschenleben dieser Praxis zum Opfer fallen, spielt für sie keine Rolle. Und die rassistische Praxis der Mächtigen widerspiegelt sich in der Gesinnung so vieler Staatsbürger:innen. Die Angst um die eigene Existenz in einer zunehmend prekarisierten Gesellschaft, öffnet Tür und Tor für faschistoide Ausgrenzungsideen. In diesem Sinne wird das Schicksal von fünf Superreichen in einem Unterseeboot grossflächig diskutiert, während der brutale Tod von 700 Migrant:innen in einem Fischkutter kaum noch Aufsehen erregt.

Gefährliche Prozesse
Neonazis, neurechte Gruppen und Rechtsextreme Politiker:innen sind dabei nur die Spitze des Eisbergs all dieser menschenverachtenden Ideologien. Sie sehen sich selber als kämpferische Speerspitze, als treibende Kraft einer neuen rechten Ära und machen sich dabei zu willigen Vollstrecker:innen ihrer reaktionär-kapitalistischen Vordenker:innen in den rechtsbürgerlichen Parteien.
Gesellschaftlich relevante Themen und Diskurse versuchen sie für sich zu nutzen, in dem sie in hetzerischer Manier verkürzte Lösungen auf komplexe Probleme liefern. Statt die Dynamik einer wachsenden Prekarisierung der Lohnabhängigen strukturell zu hinterfragen, werden beispielsweise Migrant:innen als Ursprung ökonomischer Ungerechtigkeit benannt. Ebenso soll die weltweite Klimakrise durch lokalen «Heimatschutz» behoben werden. Dass diese Narrative nationalistische, faschistoide und menschenfeindliche Denkweisen fördern und reproduzieren, ist ganz in ihrem Sinne.
Wie gefährlich solche Prozesse für bestimmte Gruppen sein können, zeigen beispielsweise die aktuellen Diskurse rund um das Thema der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt: Queere Menschen werden dämonisiert, diskriminiert und bedroht. Ihre hart erkämpften Räume und Rechte werden gezielt angegriffen. Ebenso werden grundlegende Errungenschaften der feministischen Bewegung, wie etwa das Recht auf Abtreibung, in Frage gestellt und gefährdet. Im Namen der «Anti-Wokeness» wird ein zutiefst reaktionäres Geschlechterverständnis zelebriert. Federführend in diesem Kampf sind rechtsextreme Gruppen ebenso wie konservativ-bürgerliche Parteien und Politiker:innen. Ihr Handeln ist dabei gefährlich für alle, die nicht in ihr Weltbild passen.

Faschismus gemeinsam bekämpfen
Die reaktionären Ideologien unserer Zeit führen am Ende nur zu Kriegen, Krisen und Elend. Während einige wenige davon profitieren, leidet die grosse Mehrheit darunter. Faschismus ist dabei die expliziteste, menschenverachtendste Ausprägung einer ausbeuterischen und unterdrückerischen Ideologie. Der Kapitalismus schafft Verhältnisse, welche dem Faschismus strategisch zugutekommen. Die Spaltung der Unterdrückten ist die Grundlage dafür, dass sich einzelne Gruppen über andere Stellen und diese in ihrer Existenz bedrohen. Dass der Faschismus keineswegs ein Phänomen der Geschichtsbücher ist, sondern nach wie vor und immer mehr einer reale Gefahr darstellt, zeigt sich überall in Politik und Gesellschaft: Die SVP ist stärkste Partei und vertritt dabei zunehmend explizit faschistoide Positionen, rechtsextreme Attentate und Angriffe häufen sich, rechtsextreme Kleingruppen finden Zulauf und beanspruchen zunehmend Raum im öffentlichen Diskurs und diskriminierende Haltungen und Aussagen werden im Namen der «Meinungsfreiheit» lautstark verteidigt und verschieben die Grenzen des «Sagbaren» stetig hin zu offen faschistischen Ansätzen.
Dementsprechend wichtig ist es, dass wir uns dem Faschismus in jeglicher Form und Ausprägung entschieden entgegenstellen und ihn gemeinsam bekämpfen. Verbünden wir uns also gegen Staat, Kapital und Faschismus. Tragen wir unsere Wut gemeinsam auf die Strasse und fangen wir an, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Es ist an uns, uns zu organisieren, uns gegenseitig zu helfen und zu schützen und zueinander zu schauen.

Quelle und weitere Infos: barrikade.info

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