Klimakampf ist Klassenkampf!

flo. Mit einem landesweiten Aktionstag meldete sich die Klimabewegung
zurück. Neu kämpft die Jugend im Schulterschluss mit der Frauen*streik-
bewegung und den Gewerkschaften. Von der bürgerlichen Presse gibt es
dafür Unkenrufe – die Bewegung tut gut daran, diese zu ignorieren.

Es ist kalt und nass in Winterthur am 21.Mai 2021. An diesem Tag meldet sich die Klimastreikbewegung in der Schweiz nach ihrer letzten grösseren Aktion, der Besetzung des Bundesplatzes im September 2020, auf dem politischen Parkett zurück.
Kurz vor halb sieben, dem Startzeitpunkt der Demonstration, kommen trotz des lausigen Wetters immer mehr Leute auf der Steinberggasse zusammen. Für Erheiterung sorgt die Ankunft einer Gruppe von etwa einem Dutzend Jugendlichen, die ihren Protest mit einer kleinen Velodemo durch die Stadt einläuteten. Im Schlepptau folgt ihnen, quasi als Eskorte, ein Smart der Quartierpolizei, der kaum deplatzierter wirken könnte. Es sind dann um die 250 bis 300 Personen, die durch die Stadt ziehen – wegen der vielen Regenschirme hat sich das Schätzen der Anzahl Teilnehmenden als schwierig erwiesen. Auch wenn die vergangenen Mobilisierungen grösser waren, steht eines ausser Frage: Die Klimastreikbewegung ist wieder da – und sie ist nicht allein.

Mehr als «nur» ökologische Fragen
Ein Bild, welches überall im Land bei den insgesamt 75 Aktionen der Klimastreikbewegung zu sehen war: Zu den Bannern und Transparenten der Klimastreikenden kamen dieses Mal die Fahnen der SGB-Gewerkschaften, violette Flaggen der verschiedenen Frauen*streikkomitees, Schilder antirassistischer Organisationen und vieles mehr dazu. Vor dem Aktionstag hatte die Bewegung den Schulterschluss mit verschiedenen fortschrittlichen Kräften gesucht. In Winterthur schloss sich gar das Klimakomitee des FC Winterthur an. Dass man sich mit anderen fortschrittlichen Kräften verbündet hatte, merkt man auch an den Redemeldungen der Klimastreikenden: «Es geht eben nicht nur um ökologische Fragen, sondern auch um Imperialismus, um Feminismus, um Rassismus!» Man müsse nicht nur gegen Umweltzerstörung kämpfen, sondern auch gegen ein System, das auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert.
Dass die Bewegung über den Tellerrand hinausblickt und versucht, Kämpfe zu verbinden, sorgte in den bürgerlichen Medien für seltsame Bedenken. Im Blick hiess es, dass die Vernetzung verschiedener Anliegen «gefährlich» sei. So sei es in Zürich bei der Aktion des Klimastreiks um alles gegangen – ausser das Klima. Man wundert sich, an was für einer Demonstration die Blick-Autorin letztlich gewesen ist, wenn sie den Zusammenhang zwischen Antikapitalismus und ökologischen Anliegen nicht herstellen kann. Aber vielleicht hat sie die Veranstaltung wegen des Regens von ihren Redaktionsräumlichkeiten aus verfolgt.

Mehr als blosses Überleben
Die Klimabewegung geht sicherlich kein Risiko ein, indem sie sich auf ein breiteres Fundament stellt. In der NZZ war gar die Rede davon, dass die Bewegung «verstaubte klassenkämpferische Parolen» unter ihrem Dach zu pressen versuche. Damit tue man sich keinen Gefallen. Dass mit der alten Tante NZZ eine gesellschaftliche Kraft, die die Interessen des Kapitals stets über das langfristige Weiterbestehen unserer Spezies stellt, «wohlgemeinte» Ratschläge an die Klimabewegung richtet, dürfte alles über die Ehrlichkeit solcher Empfehlungen aussagen.
Wenigstens in einer Sache haben die Schreiberlinge des FDP-Blatts recht: Die Klimastreikbewegung will nicht mehr eine Bewegung von «Klimakids» sein. Sie würde sich aber so Sympathien verspielen, behauptet die NZZ. Sympathien, welche die Bewegung sowieso gar nicht besitzt. Wie beispielsweise bei jenen Bourgeoisen, die sich von Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, Geschlechtergleichheit und Antirassismus bedroht fühlen. Daher kann die Behauptung der NZZ getrost bezweifelt werden.
Die Behauptung, dass sich die Aktivist*innen derart ausserhalb des gesellschaftlichen Allgemeinverstandes bewegen, ist sehr weit hergeholt. Denn die Forderung, dass Leben auf der Erde nicht nur weiterhin möglich, sondern auch lebenswert ist, liegt sehr wohl im allgemeinen Interessen.

Seltenheitswert
Trotz des lausigen Wetters hätten an den Aktio-nen im ganzen Land insgesamt 30000 Personen teilgenommen. Die bürgerlichen Blätter behaupten gerne, dass der Bewegung wegen ihrer Aufnahme weitergehender Forderungen die Luft ausgegangen sei. Doch davon haben wir am 21.Mai an den energetischen Aktionen nichts gemerkt.
Dass die Mobilisierungen zahlenmässig nicht an die grössten Aktionstage aus der Zeit vor Corona anknüpfen konnten, lässt sich zu einem Teil mit dem Wetter erklären. Gleichzeitig ist aber auch Folgendes festzuhalten: Es hat Seltenheitswert, wenn an einem Tag in der Schweiz Zehntausende für ein Anliegen auf die Strasse gehen.

Durchschlagskraft entwickeln
Ebenfalls darf nicht vergessen gehen, dass linke Demonstrationen seit Beginn der Covid-Krise, wie beispielsweise in Zürich, eine wohl auf Abschreckung abzielende, teils brutale Repression erleben mussten, wenn sie sich auf die Strasse wagten. Insofern muss man sagen, dass beim Geschreibe, das den Untergang der Klimabewegung vorhersagt, wenn diese sich mit der Linken zusammenschliesst, wohl eher bürgerliches Wunschdenken ist.
Mit der Aufnahme systemkritischer Forderungen geht die Bewegung einen grossen Schritt vorwärts. Sie erkennt, dass ein System, welches unendliches Wachstum auf einer endlichen Welt fordert, zwangsläufig unsere Lebensgrundlage zerstört. Und mit diesem Radikalisierungsprozess quittiert sie die Blockadehaltung der etablierten Politik in Umweltfragen.

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