Die Zurich Insurance ist mitschuldig

Protest vor dem Hauptgebäude der Zurich Insurance Group. Bild: sit

sit. Am 26. Juni fand eine Protestaktion mit Umweltaktivist:innen aus Lateinamerika vor dem Hauptgebäude der Zürich Versicherung statt. Gefordert wurde, dass das Schweizer Finanzunternehmen die Unterstützung von Gas- und Ölprojekten einstellt, die zu massiven Schäden für Umwelt und Menschen führen. Ein Gespräch wurde den Aktivist:innen verweigert.

«Wir stehen heute hier, weil wir wissen, dass die Zurich Gasförderprojekte in Kolumbien und in Argentinien versichert und unterstützt», sagt die Umweltaktivistin María Elena Foronda Farro aus Peru dem vorwärts. Am 26.Juni steht sie gemeinsam mit Fernanda Herrera aus Argentinien, Óscar Sampayo aus Kolumbien und weiteren Dutzenden von Aktivist:innen vor dem Eingang der Zurich Insurance Group an der Alfred-Escher-Strasse 2 in Zürich. Hier hat das international tätige Schweizer Finanzunternehmen, das gleichzeitig die Muttergesellschaft der Zürich Versicherungs-Gesellschaft ist, ihren Hauptsitz. 

Versicherungen spielen eine zentrale Rolle
Flugblätter werden verteilt an Personen, die den Hauptsitz der Zurich betreten oder verlassen. Die meisten nehmen es freundlich an, nur wenige schlagen das Flugblatt aus. Die Gruppe von Aktivist:innen ist unüberhörbar. «Vida si, Fracking no!» oder «El pueblo unido jamás será vencido» wird lautstark gerufen. Reden werden gehalten. Die Aktivist:innen fordern das grosse Schweizer Finanzunternehmen auf, die Versicherung von Öl- und Gasprojekten einzustellen, da sie gravierende Auswirkungen haben. Zwei Sicherheitsmänner des Versicherungsriesen beobachten im gebührenden Abstand die Protestaktion – Polizei ist keine sichtbar.
«Versicherungen spielen eine zentrale Rolle beim Bau und Betrieb von Öl- und Gasanlagen: Ohne Versicherung können die Projekte nicht durchgeführt werden, oder werden verzögert und teurer», schreibt Campax, die den Protest mitorganisiert hat, in der Medienmitteilung. Campax führt und unterstützt seit 2017 verschiedene Kampagnen zu sozialpolitischen Themen. Die Zurich Insurance gehört zu den weltweit grössten Versicherern von fossilen Brennstoffen. Und dies, obwohl sie sich bereits 2015 verpflichtet hat, ihre Geschäftstätigkeit an den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Mehr noch: Die Zurich gibt sich selbst gerne als «führend in Sachen Nachhaltigkeit», versichert aber gleichzeitig neue Öl- und Gasprojekte. «Durch die Versicherung solcher Projekte macht sich die Zurich Insurance mitschuldig an deren Auswirkungen vor Ort», bringt Campax die Sache korrekt auf den Punkt.

«Menschen sterben durch das verseuchte Wasser»
Die Umweltschäden solcher Fracking-Projekte sind massiv. Eines der besonders verheerenden Beispiele ist das Fracking in Vaca Muerta in Argentinien, der Heimat der Umweltaktivistin Fernanda Herrera. Die Region Vaca Muerta gilt als eine der weltweit grössten Ölschiefer-Reserven. Aus dem Sediment lassen sich per Fracking Schieferöl und Schiefergas, also Flüssiggas gewinnen. Von dort exportiert der Schweizer Rohstoffhändler Mercuria in die ganze Welt. Mercuria erzielte im Jahr 2022 einen Rekord-Nettogewinn von 2,98 Milliarden Dollar und verdoppelte somit das Ergebnis des Vorjahrs.
Im Gebiet von Vaca Muerta, in dem Wasser ohnehin schon knapp ist, führen die Millionen Liter Frischwasser, die beim Fracking verbraucht werden, zu dramatischer Wasserknappheit. Zudem werden durch die verwendeten Chemikalien Böden und Flüsse verseucht, auf die die Landwirt:innen angewiesen sind. Die Zahl der Fälle von Lungenkrebs, Leukämie bei Kindern und anderen Krankheiten hat stark zugenommen. Sozialarbeiterin Herrera sagt: «Menschen sterben durch das verseuchte Wasser und die verschmutzten Böden, die das Öl- und Gasfracking in meiner Region hinterlässt; während diejenigen, die sich dagegen wehren, verfolgt und strafrechtlich belangt werden.»

«Dem muss sich Europa bewusst sein»
Bei strafrechtlicher Belangung bleibt es aber nicht: Aktivist:innen, die sich gegen die Auswirkungen der Öl- und Gasförderung in ihrer Heimat wehren, sind Gewalt und Mord ausgesetzt. 68 Prozent der Morde an Umweltschützer:innen weltweit in den letzten zehn Jahren wurden in Lateinamerika verübt, 38 Prozent der Opfer waren Indigene. Eines der Länder, in denen weltweit die meisten Umweltschützer:innen ermordet werden, ist Kolumbien. Der Politikwissenschaftler Óscar Sampayo Navarro bestätigt, dass Aktivist:innen für Umwelt- und Menschenrechte in seinem Land «grossen Risiken und Gewalt ausgesetzt» sind. Und dies, ohne dass «der kolumbianische Staat eingreift». Er fügt hinzu: «Europa, das von den in Kolumbien geförderten Gütern und Rohstoffen profitiert, muss sich dem bewusst sein.»
Und María Elena Foronda Farro unterstreicht: «Die Öl- und Gasförderung tötet Umweltschützer:innen auch in Peru und es sind europäische Versicherungsunternehmen wie Zurich Insurance, die diese Verbrechen unterstützen. Ich fordere die Zurich Insurance auf, keine Öl- und Gasprojekte mehr zu versichern, die das Leben so vieler Menschen auf der ganzen Welt bedrohen.» (Siehe auch Interview unten.)

Neokoloniale Haltung
Diese Verbrechen an der Umwelt und an Menschen sind den Damen und Herren, die in der Chefetage an der Alfred-Escher-Strasse 2 sitzen, selbstverständlich bekannt. Auf Nachfrage der Aktivist:innen verneinte die Zurich, dass sie die genannten Projekte versichert. Sie lehnte es aber ab, sich dazu zu äussern, ob sie Geschäftsbeziehungen zu den beteiligten Unternehmen unterhält. Die drei Aktivist:innen aus Lateinamerika baten auch um ein Treffen, um die offenen Fragen zu diskutieren und über die Auswirkungen der Öl- und Gasförderung auf die lokale Bevölkerung und die Umwelt zu sprechen. Die Zurich lehnte dies jedoch ab. Nora Scheel, Kampagnenleiterin von Campax, sagt: «Die Weigerung der Zurich, sich mit den Aktivist:innen zu treffen, ist ein Ausdruck ihrer mangelnden Bereitschaft, ihre klimapolitischen Versprechen einzuhalten, sowie auch ihrer neokolonialen Haltung. Die Förderung von Öl und Gas in der Schweiz würde von Zurich niemals versichert werden, aber vor den lokalen Folgen in Lateinamerika verschliesst das Unternehmen die Augen.»
Die Weigerung, ein Gespräch zu führen, ist eine Machtdemonstration, die an Arroganz kaum zu überbieten ist. So bleibt nur eins zu tun, und zwar sich dem Kampfruf der Aktivist:innen anzuschliessen, der lautstark vor dem Hauptsitz der Zurich Insurance skandiert wurde: «Brecht die Macht der Banken und Konzerne!»

Share

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zur Sicherheit untenstehende Aufgabe lösen * Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.