Die Rüstungsspirale dreht sich weiter 

Der Kampfpanzer Leopard anlässlich der «Demo 19». Bild: Schweizer Armee / facebook

dom. Kürzlich veröffentlichte Zahlen vom Staatssekretariat für Wirtschaft und die Debatte um den Verkauf von Leopard2-Panzern an Deutschland zeigen: Schweizer Kriegsmaterial-Exporte nehmen zu, ebenso wie die Beteiligung der Schweiz am Ukraine-Krieg. Derweil steigt auf globaler Ebene das Risiko einer nuklearen Eskalation.

Die «neutrale» Schweiz kann zurückblicken auf eine lange Geschichte der Kriegsbeteiligung. Söldner waren der erste Schweizer Exportschlager: Als kleines, loses und konfessionell zerstrittenes Bündnis zu territorialer Bescheidenheit gezwungen, lieferte die Schweiz in der Frühphase kapitalistischer Entwicklung an die umliegenden Grossmächte unzählige Söldner. Heute finden wir Schweizer Soldat:innen «nur» noch als Swisscoy im Kosovo oder als nostalgisches Überbleibsel im Vatikan. Dafür sind inzwischen Produkte aus den hiesigen Rüstungsfirmen im Ausland beliebt geworden. Der Export von Waffen ist «neutralen» Staaten zwar juristisch untersagt – das gilt aber nur für Waffen aus staatlicher, nicht aus privater Produktion. So gedeiht unter dem pathetischen Schleier der «Neutralität» seit Jahrzehnten eine Rüstungsindustrie, die alle möglichen Kund:innen bedient.

Steigende Umsätze
Im vergangenen Jahr hat die Schweiz mehr Kriegsmaterial exportiert denn je: Mit insgesamt 955 Millionen Schweizer Franken steigerten die Rüstungsfirmen 2022 ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr um satte 29 Prozent. Ein vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) veröffentlichter Bericht zeigt: Unter den grössten Abnehmern Schweizer Kriegsmaterials befinden sich mehrheitlich Staaten, die der Nato angehören: Belgien, Deutschland, Rumänien, Dänemark, Frankreich, die USA – aber auch Saudi-Arabien (111 Millionen) und Katar (213 Millionen) zählen zu den wichtigsten Geschäftspartnern der Schweizer Rüstungsindustrie. Katar hat sich spätestens im Rahmen der Fussball-WM als Ort des ökonomischen Elends und der Menschenrechtsverletzungen einen Namen gemacht. Für die Organisation dieses Grossereignisses bestellte der monarchische Golfstaat bei der Schweiz Flugabwehrsysteme im Wert von 194 Millionen Franken – um ihre Stadien zu schützen. Und Saudi-Arabien wäre zwar seit 2015 mit einem Exportverbot belegt. Weil aber das Seco gemäss Artikel 23 des Kriegsmaterial-Gesetzes jederzeit Ausnahmen bewilligen kann – und weil das Seco das auch jederzeit macht – ist dieses Verbot ein schlechter Witz.

Kriegsbeteiligung?
Aber nicht nur die beiden Golfstaaten erweisen sich als zwielichtige Geschäftspartner. Die Nato kann sich zwar neuerdings wieder als Schutzmacht der westlichen Werte inszenieren – das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das westliche Militärbündnis als verlängerter Arm des US-Imperiums für eine Reihe schrecklicher Kriege verantwortlich ist. Zwar habe gemäss Seco der deutlich gesteigerte Umsatz nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Die Schweiz lehne bis heute die Weitergabe von Kriegsmaterial aus heimischer Produktion an die Ukraine ab. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Schweizer Waffen sind zwar bisher nicht in der Ukraine zum Einsatz gekommen – dennoch profitiert die Schweizer Rüstungsindustrie von einer durch den Kriegsausbruch gesteigerten Nachfrage nach Kriegsmaterial. Mitte Juni stimmte der Nationalrat (mit fleissiger Unterstützung der Sozialdemokrat:innen) für den Rückverkauf von 25 stillgelegten Leopard2-Panzern an Deutschland – und damit für die (indirekte) militärische Unterstützung des ukrainischen Staates.
Aber nicht nur Rückverkauf-Geschäfte bringen Geld. Vor rund einem Jahr berichtete SRF: «Volle Auftragsbücher und steigende Aktienkurse: Die weltweite Aufrüstung im Zuge des Ukraine-Kriegs freut auch Waffenfirmen in der Schweiz». Ist ja klar: Wenn die umliegenden Nato-Staaten ihre Militärbudgets erhöhen, kurbelt das die Waffenproduktion auch hierzulande an. So liess etwa die in Thun angesiedelte schwedische Firma Saab verlauten, dass seit dem 24.Februar 2022 die Nachfrage nach ihren Flugabwehrsystemen rasant angestiegen sei – ebenso wie ihr Aktienkurs. Dasselbe Bild bei der bundesnahen Ruag, der zum US-Konzern General Dynamics gehörenden Mowag, oder der deutschen Rüstungsfirma Rheinmetall in Altdorf und Zürich. Deren CEO, Oliver Dürr, möchte die Gunst der Stunde nutzen und forderte von seinem Personal kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs «mehr Tempo» und eine deutliche Verkürzung der Produktionszeiten. Sein deutscher Kollege Armin Papperger, Konzernchef von Rheinmetall Düsseldorf pflichtet ihm bei und hofft auf eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung für sein Unternehmen: Rheinmetall arbeite an den «Grundlagen für Frieden, Freiheit und Sicherheit».

Rückfall
Ach, Waffen stiften Frieden? Wohl kaum: Die gegenwärtige Aufrüstung ist Ausdruck einer sich zuspitzenden Krise, welche die Nationalstaaten und Staatenbündnisse in die (auch militärische) Konfrontation treibt. Die umfassende Krise des Kapitals macht sich auch auf dem geopolitischen Parkett bemerkbar. Zwischen den USA als untergehendem Hegemon und einem aufstrebenden China, das nicht in der Lage ist, die USA als Weltpolizisten zu beerben, entfaltet sich eine imperiale Konkurrenz, die nicht nur wirtschaftlich ausgetragen wird: Kriege beschleunigen den Krisenprozess.
Die gesteigerte imperiale Konkurrenz widerspiegelt sich auch in beunruhigenden Zahlen, die das Friedensforschungsinstitut SIPRI kürzlich veröffentlichte: Sämtliche Atommächte stärken ihre nuklearen Arsenale. Mit Sorge verweist SIPRI auf die schwindende internationale Transparenz der nuklearen Waffenarsenale, die verschärfte Rhetorik einzelner Staaten und fordert, «die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken».
Was ist mit der Erkenntnis passiert, dass niemals ein Atomkrieg geführt werden dürfe, weil niemand ihn gewinnen könne? Die heutigen Diskussionen über einen allfälligen Atomkrieg im Kontext atomarer Aufrüstung fallen weit hinter die Erkenntnisse des Kalten Kriegs zurück, die auf der Genfer Gipfelkonferenz von 1985 in einer Abrüstungsvereinbarung mündeten.

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