Arbeitskampf im Baugewerbe

Alle an die Baudemo nach Zürich am 25.Juni. Bild: unia.ch

sit. Der Gesamtarbeitsvertrag für das Bauhauptgewerbe läuft Ende Jahr aus. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden am 25.Juni in Zürich mehrere Tausende Bauarbeiter*innen auf die Strasse gehen. Zu rechnen ist mit einem harten und langen Arbeitskampf.

«Die Mobilisierung läuft hier in Zürich sehr gut, sie ist wirklich stark. Wir hatten das Ziel, 1000 Leute an die nationale Baudemo vom 25.Juni zu bringen. Zehn Tage vor diesem wichtigen Anlass haben wir schon 1300 feste Zusagen», sagt Xhafer Sejdiu, Bauarbeiter und Präsident des Sektors Bau der Gewerkschaft Unia Zürich-Schaffhausen, im Gespräch mit dem vorwärts. Kollege Xhafer, der seit bald 30 Jahren auf dem Bau malocht, fügt hinzu: «Die Kolleg*innen auf dem Bau wissen, was ihnen ohne LMV droht. Sie befürchten dann einen Lohnabbau, sodass es zum Leben nicht mehr reichen wird.»

Das Gesetzbuch auf dem Bau
Der LMV ist der Landesmantelvertrag des Bauhauptgewerbes, der Gesamtarbeitsvertrag der Branche zwischen Gewerkschaften und dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV). Dem LMV unterstehen rund 80000 Bauarbeiter*innen. Er regelt unter anderem die Mindestlöhne, die Arbeitszeit, garantiert den 13.Monatslohn und die gute Krankentaggeldversicherung. Dazu kommen auch Aspekte der Gesundheit, wie die Toilettenzahl pro Arbeiter*in, oder die Planbarkeit des Privatlebens mit dem Arbeitszeitkalender. Dank dem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad erfolgte durch den Bundesrat die sogenannte Allgemeinverbindlichkeitserklärung des LMV. Dies bedeutet, dass das Regelwerk für alle Firmen verpflichtend ist, die auf Schweizer Baustellen tätig sind. Der LMV wird faktisch zum Gesetz auf dem Bau und ist somit auch ein konkreter Schutz gegen das Lohndumping.
Der LMV läuft Ende Jahr aus. Die Bauarbeiter*innen haben bereits im Herbst 2021 in einer breit angelegten Umfrage der Gewerkschaft Unia ihre Forderungen bei der Erneuerung des LMV bestimmt. Auf der Webseite der Unia ist dazu zu lesen: «Die Ergebnisse sprechen Klartext: Es braucht mehr Schutz für die Gesundheit der Bauarbeiter, faire Arbeitszeiten und ein Ende des Stundenklaus bei Reisezeit und Schlechtwetter!»

«Wir arbeiten wie Sklaven»
Die Forderungen kommen nicht von Ungefähr. «Der Termindruck ist sehr, wirklich sehr gross. Wir müssen immer mehr machen mit weniger Leuten. Auf meiner momentanen Baustelle haben wir die Vorlage, ein dreistöckiges Familienhaus innerhalb von drei Monaten fertigzustellen. Dies mit acht Arbeiter*innen», erklärt Xhafer. Er sagt auch gleich, ob es überhaupt menschenmöglich ist: «Das geht vielleicht nur dann, wenn wir sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag arbeiten. Es ist ein grosser Stress. Dies führt dazu, dass unsauber gearbeitet wird, Fehler entstehen und natürlich ist unter diesen Umständen die Gefahr zu verunfallen, sehr gross. Kurz auf dem Punkt gebracht: Wir arbeiten wie Sklaven.»
Die Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften und dem SBV für die Erneuerung laufen bereits seit Monaten und dies ohne konkrete Resultate. Bereits vor den Verhandlungen hatten die Arbeitgeber*in-nen kommuniziert, dass für sie auch ein vertragsloser Zustand in-frage käme. Kommt es wirklich so weit und somit zu massiven Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen? «Ich bin Optimist und gehe nicht davon aus», hält Xhafer gegenüber dem vorwärts fest. Die Baumeister*innen wüssten genau, dass ohne LMV eine grosse Konkurrenz aus dem Ausland droht. «Ich gehe davon aus, dass der SBV so quasi den Puls der Gewerkschaft spüren will. Nach der Demo vom 25.Juni, werden sie anders mit uns reden», ist sich Xhafer sicher.

Der Protest ist notwendig
Marius Käch hat jedoch in Sachen vertragsloser Zustand eine andere Einschätzung. Der 25-jährige Bauarbeiter sitzt als Mitglied der Delegation der Unia am Verhandlungstisch mit den Bauherren (siehe Interview unten). Dieser Zeitung sagt er: «In der Vergangenheit waren die grossen Mobilisierungen immer ausschlaggebend für den Ausgang der Verhandlungen. Aber schaut man sich die heutigen Umstände an, dann mache ich ein Fragezeichen.» Kollege Marius erklärt warum: «Es gab in der Chefetage des SBV einen Wechsel. Die neue Führung hat eine klare neoliberale Linie eingeschlagen. Während der Verhandlungen wurde auch immer betont, dass es nicht um jeden Preis einen Vertrag geben wird.» Wie die Bauherren so drauf sind, zeigt eine Anekdote aus den Verhandlungen, die Marius erzählt: «Zur Forderung, die Mittagsspesen von 16 auf 18 Franken zu erhöhen, meinte der SBV, man solle halt nicht so viel essen oder nicht das ganze Menu bestellen.» So kommt der junge Kollege zum Schluss: «Wenn ich mir dies alles anschaue, bin ich nicht sicher, ob eine grosse Demonstration ausreichen wird. Ich gehe von einem langen und harten Arbeitskampf aus.» So freut sich Marius, dass auf seiner Baustelle «sich alle einig sind, dass es einen Protest braucht». Und zwar einen, an «den sich die Baumeister dann lange erinnern werden.»

Sämtliche Infos zur Demo: unia.ch

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