Rentenklau: Es reicht, definitiv!

sit. Die bürgerlichen Parteien haben einen erneuten Angriff auf die Renten lanciert. Zehn Milliarden Franken sollen auf dem Buckel der Frauen* eingespart werden, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Es gäbe auch einen anderen Weg, an diese Summe zu kommen: die Besteuerung der Vermögen der 300 Reichsten im Lande um 1,5 Prozent.

Die Fakten liegen auf dem Tisch: Das Rentenalter der Frauen* soll erhöht werden, obwohl sie heute schon rund einen Drittel weniger Renten bekommen als Männer*. Die Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), also der Pensionskassen (2.Säule), belastet stark die mittleren Löhne, verzichtet dafür auf Beiträge der Topverdienenden und lässt Banken sowie Versicherungen frohlocken. Dies, obwohl die Renten der Pensionskassen seit 15 Jahren kontinuierlich sinken. Wir sagen dazu: So nicht, nicht mit uns. Es reicht! Wir tragen unsere Wut auf die Strasse. Und wenn dieses deutliche Zeichen am 18.September (Infos unter www.frauenrenten.ch) nicht reichen sollte, dann werden wir unseren Kampf mit einem Referendum weiterführen. Und wir werden diesen Kampf gewinnen!

Wir sind wütend
Wer wir sind? Alle, die mit einem tiefen oder mittleren Einkommen (was für uns das Höchste der Gefühle ist) über die Runden kommen müssen. Wir, die täglich malochen gehen, dabei oft harte Arbeiten leisten. Wir, die in dieser schwierigen Zeit der Pandemie täglich an der Front unseren Job verrichten, in der Pflege, im Verkauf, auf dem Bau, in den Fabriken. Dabei unsere Gesundheit aufs Spiel setzen, damit die Wirtschaft am Laufen bleibt – und dafür einen Applaus vom Balkon als Merci erhielten. Wir, die ein Leben lang geschuftet haben, und als Dank dafür eine Rente von gerade mal 2000 Franken im Monat bekommen.
Wir, die nicht vom Kapital leben können, wie die Millionär*innen und Milliardär*innen in diesem Land. Wir, die vom sogenannten ersten Arbeitsmarkt entsorgt wurden, wegrationalisiert durch die Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland, damit die Dividenden der Aktionär*innen in die Höhe schnallen. Oder durch die Schliessung der Betriebe auf die Strasse gelandet sind. Wir, die vom Taggeld der Arbeitslosenversicherung überleben müssen und ab dem 55.Lebensjahr kaum noch einen Job kriegen, weil wir angeblich zu teuer sind. Wir, die beim Sozialamt landen und nicht selten in einen Teufelskreis geraten, aus dem es kaum einen Ausweg gibt. Wir alle sind wütend. Und ihr wenige, die eure Hosentaschen mit Geld aus unserer Arbeit füllt, ihr, die das Gefühl habt, es gäbe nur eure Interessen in diesem Land, ihr werdet unsere Wut zu spüren bekommen. Das versprechen wir euch!

Der Gipfel der Frechheit
Wütend ist auch Rita Maiorano, Mitglied der Gewerkschaft VPOD und seit Jahren in der Personalkommission ihres Betriebs. Auf Anfrage des vorwärts unterstreicht sie einen weiteren wichtigen Punkt: «Um uns Frauen* diese unsoziale AHV-Reform aufzuzwingen, benutzen der Bundesrat und die bürgerliche Mehrheit im Parlament die Gleichstellung als Vorwand. Das ist der absolute Gipfel der Frechheit, völlig inakzeptabel». Die Mitorganisatorin des Frauen*streiks 2019 in Zürich und Aktivistin der Partei der Arbeit Zürich fügt hinzu: «Gleichheit gibt es für uns Frauen* nirgendwo. Nicht bei den Renten, nicht beim Lohn und sonst nirgends in der Arbeitswelt, nicht in der Familie und auch nicht im öffentlichen Raum. Wenn unsere Renten niedriger sind als jene der Männer*, liegt das daran, dass unsere Löhne niedriger sind.» Maiorano erinnert daran, dass der Frauen*streik 2019 «aus all diesen Gründen» eine halbe Million Menschen, vor allem Frauen*, zu mobilisieren vermochte. «Die Bürgerlichen haben es offenbar vergessen. Wir werden es ihnen in Erinnerung rufen.»
Doch statt bei der Lohngleichheit endlich vorwärtszumachen, beschliesst das Parlament zehn Milliarden Franken bei der AHV auf dem Buckel der Frauen* einzusparen. Viel Geld? Nein, eine schon fast lächerlich kleine Summe im Vergleich zu den 707 Milliarden, die die 300 Reichsten in der Schweiz besitzen. Und sie werden immer reicher, Jahr für Jahr: Über die vergangenen zehn Jahre stiegen die Vermögen der 300 Reichsten im Schnitt um jährlich 26 Milliarden Franken oder um 5,8??Prozent. Wann haben wir das letzte Mal eine Lohn- oder Rentenerhöhung von 5,8 Prozent erhalten? Die Zahlen sagen weiter Folgendes: Die Besteuerung der Vermögen der 300 Superreichen um gerade mal 1,5 Prozent ergibt ziemlich genau die zehn Milliarden Franken, die auf dem Buckel der werktätigen Frauen* gespart werden soll.

Welches Rentensystem für die Zukunft?
Somit ist auch gesagt, dass die Verteilung des vorhandenen Reichtums ausschliesslich ein politischer Entscheid ist. Anders gesagt: Anstatt die zehn Milliarden auf Kosten der Frauen* einzusparen, die ein Leben lang gearbeitet haben, könnte man genau so gut zehn Milliarden Franken mehr Einnahmen generieren durch die Besteuerung der 300 Superreichen. Es gibt kein Gesetz, dass dies verbieten würde. So zeigt sich bei der Frage der Renten der Klassencharakter des Parlaments besonders gut, heisst, welche Interessen zum Durchbruch verholfen werden. Bei der Rentenfrage zeigt sich weiter, dass unsere Interessen nicht dieselben sind, wie diejenigen der Besitzenden und Superreichen.
«Wir werden die Angriffe der Finanzindustrie auf unser Rentensystem bekämpfen», hält kämpferisch Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), an der Medienkonferenz vom 3.September fest. Ja, das müssen wir tun – unbedingt sogar. Doch hier dürfen wir nicht stehen bleiben. Wir müssen uns fragen, welches Rentensystem wir in Zukunft wollen (siehe dazu Seite 4). Und im gleichen Atemzug müssen wir uns auch fragen, in was für einem Land wir leben wollen: In einem, in dem die Superreichen jedes Jahr reicher werden, oder in einem, in dem alle in Würde leben können?

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