Antifeminismus: Rückendeckung aus dem Internet

FrauenkampfKollektiv, Revolutionärer Aufbau Schweiz. Der weltweite konservative und autoritäre Backlash in Gesellschaft und Politik wird durch eine entsprechende Entwicklung in den sozialen Medien nicht nur begleitet, sondern aktiv thematisch mitgestaltet und befeuert. Instagram & Co. sind für einmal mehr als eine Scheinrealität.

Im Internet entstehen Trends, Freundschaften, Communities und es wartet vielleicht gar die grosse Liebe. Doch gibt es dort auch Cybermobbing, Shitstorms werden kreiert und Menschen in die Knie gezwungen. Heute gibt es keine haltbare Unterscheidung mehr zwischen on- und offline. Was im Internet entsteht, bleibt nicht im Internet und was in der analogen Welt vor sich geht, wird im Internet aktiv weitergesponnen. Unter diesen Voraussetzungen überrascht es nicht, dass der antifeministische und konservative Backlash im Internet aufgegriffen und aktiv mitgestaltet wird.

Die Manosphäre: Incels, Sexisten und Frauenhasser
Das Sammelbecken antifeministischer Influencer, Incels, Lebenscoaches und Ähnlichem wird als «Manosphäre» bezeichnet. Diese umfasst den männlich dominierten Teil des Internets und beinhaltet Foren, Accounts, Blogs und Websites. Innerhalb der Manosphäre sind männliche Selbstoptimierung und die Aufrechterhaltung männlicher Herrschaft, die Kontrolle und Abwertung weiblicher Sexualität und die Verteufelung des Feminismus die bestimmenden Themen.
Das zurzeit wohl berühmteste Gesicht der Manosphäre ist der britische Ex-Kickboxer und Influencer Andrew Tate. Allein auf der chinesischen Kurzvideoplattform TikTok generieren Videos des frauenfeindlichen Multimillionärs Klicks im zweistelligen Milliardenbereich, seine Tweets erreichen Hunderttausende. Über die Plattform «The Real World» bietet der ehemalige Teilnehmer von Big Brother UK zudem kostenpflichtige Kurse an, bei denen Männer lernen sollen, an «Geld, Reichtum, Glück, schnelle Autos und schöne, unterwürfige Frauen» zu kommen. Die Kursinhalte basieren auf den eigenen Glaubenssätzen, die der amerikanisch-britische Influencer in Form von 41 Geboten weiterverbreitet. Aussagen wie jene, wonach Frauen es lieben würden, kontrolliert und sexuell unterdrückt bis gedemütigt zu werden, gehören dabei noch zu den harmlosesten. Mittlerweile tummeln sich im Internet hunderte von Tate-Klonen und Nachmachern, dem Markt geht es gut.
In einer anderen Ecke der Manosphäre finden sich derweil die sogenannten «Incels». Die Abkürzung steht für «involuntary celibate», was zu Deutsch so viel bedeutet wie «unfreiwillig junggesellig». Die Incel-Community umfasst Hunderte, wenn nicht Tausende von Foren und Websites. Incels bedienen ihre eigene Sprache und vertreten auch untereinander eine Vielzahl heterogener Ansichten, die sich aber im Kern allesamt darum drehen, dass Frauen Männern Sex schuldig sind, dass der Feminismus und die (körperliche) Selbstbestimmung der Frauen den Mann unterdrücken würde und dass aus diesen Gründen etwa Vergewaltigungen und Feminizide nicht nur unumgänglich, sondern auch wünschens- und fördernswert wären. Die Incel-Gemeinschaft liegt politisch ausnahmslos weit rechts, referenziert immer wieder Hitler, verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien und liebt die Mär vom «grossen Austausch», wonach angeblich «Afrikaner» ihnen, den weissen Männern, die ohnehin wenigen willigen Frauen streitigmachen würden. Die Incel-Community kennt ihre eigenen Helden – tote Helden, die «für die Sache» gestorben sind: Der Amokläufer von Toronto Alek Minassian, der Rechtsextremist Anders Behring Breivik, der Attentäter von Halle, der Attentäter von Hamburg, der Attentäter von Christchurch, von Ohio und allen voran der «Supreme Gentleman», wie er in der Community genannt wird: Elliot Rodger, der am 23.Mai 2014 bei einem Attentat in Kalifornien sechs Menschen tötete und 14 weitere verletzte, bevor er sich schliesslich selbst richtete. Rodger hinterliess ein Manifest, in dem er seine Zugehörigkeit zur Incel-Community ausdrückte und «den Frauen» und deren Abweisung die Schuld an seiner Wut und seinem Amoklauf gab. «To go ER» ist bis heute ein geflügelter Begriff in der Incel Gemeinschaft, der so viel bedeutet wie «Eliot Rodger nachahmen» – Menschen (Frauen) töten und sich selbst richten.

Und die Frauen? Zurück an den Herd!
Seit einigen Jahren mischt sich eine neue konservative, ja gar misogyne Gruppe im sexistischen, traditionalistischen Teil des Internets – und weit darüber hinaus – mit. Als «Tradwives» bezeichnen sich Frauen, die online einen Lebensstil zelebrieren, der direkt aus den 50er-Jahren stammen könnte. Tradwives, eine Abkürzung für «traditional wives», sehen sich als «homemaker and wife». Sie sind nicht in der Lohnarbeit tätig, bauen dafür mitunter ihr eigenes Gemüse an, unterrichten ihre Kinder zuhause, tragen bodenlange, selbstgenähte Kleider und Schürzen und sehen ihre Aufgabe darin, ihrem Ehemann zu dienen und dadurch ihre natürliche Aufgabe als Frau wahrzunehmen, unbeeinflusst von Emanzipation, freier Sexualität und Moderne. Das Pendant dazu sind selbsternannte «Alphamales», welche sich laut Eigendefinition dadurch auszeichnen, besonders «männliche» Eigenschaften in sich zu vereinen: Sportlichkeit, Disziplin, mentale Stärke, beruflicher Erfolg und eine besonders gute finanzielle Lage. Dabei verschränkt sich dieses Männerbild mit der bürgerlichen Ideologie, dass eine prekäre soziale Lage nur durch genügend Anstrengung überwunden werden kann. Oder anders formuliert: Bist du Proletarier_in, bist du eben selber schuld.
Dieses Bild von dem, was ein Mann sein soll, orientiert sich dabei ähnlich wie bei den Tradwives an historischen Vorbildern. Ob Tradwife oder Alphamale: Was auf den ersten Blick nach einer freien und daher harmlos anmutenden Individualentscheidung klingt, wird jedoch von völkischen, mitunter faschistischen Untertönen begleitet. So sind einerseits in den Konzeptionen des Alphamales sowie der Tradwives Denkmuster enthalten, welche stark biologistisch geprägt sind. Dies geht so weit, dass gar behauptet wird, dass Körperzellen und die Organe je nach Geschlecht anhand verschiedener «Energien» funktionieren würden und dass die weibliche auch immer «male energy» benötige. Andererseits werden durch dieses Bild der «richtigen» Frau oder des «richtigen» Mannes andere Personen, die nicht diesem Bild entsprechen, für «unwert» und nicht zugehörig erklärt – man(n) ist dann eben nicht «Alpha». So zeigt sich in diesen vermeintlich individuell gewählten starren Geschlechterrollen ein Gesellschaftsverständnis, welches eine Politik der hierarchischen Ordnung einer Elite und der Exklusion von «Unwertem» verfolgt. Dies mutet nicht faschistisch an, es ist der Kern von Faschismus.

Social Media und Real Life
Der auf Social Media vielfältig inszenierte antifeministische Backlash sollte nicht bagatellisiert werden. Denn es zeigt sich in sozialen Berufen, dass Identitätsangebote wie AlphaMales und Tradwives einen realen Einfluss auf die Lebensgestaltung und politische Haltung, gerade jüngerer Menschen haben. Bedenkt man hierbei die nach wie vor steigenden Zahlen der häuslichen Gewalt, die öffentlichen Angriffe auf trans Personen oder die Einschnitte in hart erkämpfte emanzipatorische Rechte wie dasjenige der Abtreibung, so kommt man zum Schluss: Die traditionalistisch geprägten, von faschistischen Ideen untermauerten und teils esoterisch angehauchten Inszenierungen auf Social Media sind mehr als nur ein «Medienphänomen». Sie sind Teil einer Rechtfertigung für einen realpolitischen antifeministischen Backlash weltweit.

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