Eizellen«spende» bleibt verboten

Gabriele Pichlhofer. Die Fortpflanzungslobby versucht, alle technischen Möglichkeiten im Rahmen der künstlichen Fortpflanzung auch in der Schweiz durchzusetzen. Potenzielle Risiken der Verfahren und Auswirkungen werden unter den Tisch gekehrt. Eizellen«spende» oder Mietmutterschaft werden als technische Lösungen für den Kinderwunsch propagiert.

Seit mehr als einem Jahr lag eine entsprechende Motion im Parlament auf Eis: Einige Parlamentarier*innen forderten, die Eizellenspende zu erlauben. Nicht zuletzt mit dem absurden Argument, dass weibliche Keimzellen nicht diskriminiert werden dürften – immerhin sei die Samenspende seit fast 20 Jahren erlaubt.

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Staatliches Lohndumping

sit. Das Staatssekretariat für Migration betreibt aktiv Lohndumping! Diesen happigen Vorwurf erheben der VPOd-NGO, die Demokratische Jurist*innen Schweiz und Solidarité sans frontières. Grund sind die tiefen Pauschalen für die Arbeit der Beratungsstellen für Asylsuchende.

Am 26. Februar 2019 veröffentlichten das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Liste der für die erweiterten Verfahren zugelassenen Rechtsberatungsstellen.

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Strukturelle Ausbeutung

dab. Den Krieg gegen die Bedürftigen will die Sozialhilfegesetz-Vorlage des bernischen Grossrats mit der Senkung des Grundbedarfs und einem Anreizsystem intensivieren, der Volksvorschlag will diese unheilvolle Entwicklung stoppen und «Chancen statt Anreize» bieten. Am 19. Mai hat das Stimmvolk die Wahl zwischen den beiden Vorlagen.

Die Neoliberalen unternehmen ständig neue Anstrengungen, um Bedürftige noch stärker abzustrafen. Auf deren politischen Druck musste die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe Skos die Ansätze für den Grundbedarf bereits senken. Auch der letzte Coup, die unkontrollierte Überwachung von Versicherten, ist gelungen. Die Bedürftigen werden unter Generalverdacht gestellt, die Reichen und grossen Unternehmen dagegen mit Steuergeschenken belohnt. Jetzt arbeiten Bürgerliche in den Kantonen daran, die Sozialhilfe generell um einen Prozentbetrag zu kürzen. Wer «kooperiert», ist dann Kandidat*in für den Trostpreis und kann einen Teil des gekürzten Betrags doch noch bekommen.

Pakten statt Vorurteile
Im Kanton Bern soll die Sozialhilfe mit der Gesetzesvorlage des Grossrats gekürzt werden. Der Grundbedarf für den Lebensunterhalt soll um 8 bis 30 Prozent gesenkt werden. Die Kürzungen treffen alle, Alleinerziehende, Kranke und Behinderte und Kinder, die fast einen Drittel der Beziehenden ausmachen. Das Komitee «Wirksame Sozialhilfe» reichte die notwendigen Unterschriften ein für den Volksvorschlag und führt die Kampagne. Im Komitee sind neben der PdA die Parteien Grüne, SP, EVP und ihre Jungparteien vertreten, ebenso wie Gewerkschaften, der Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz AvenirSocial und viele Organisationen und Verbände aus dem Sozialbereich. Zentraler Punkt im Volksvorschlag ist die Einhaltung der Skos-Richtlinien. Wichtig ist auch Artikel Art. 72b (neu) – «Bildung und Qualifizierung». Der fordert «bedarfsgerechte Angebote zur Förderung von Grundkompetenzen und zur beruflichen Qualifizierung», die eine Integration in den Arbeitsmarkt und eine berufliche Grundbildung erleichtern. Auch für Personen, die von Armut bedroht sind, aber noch nicht von der Sozialhilfe unterstützt werden, sollen die Angebote offen stehen. Unterstützte Personen sollen zur Teilnahme an Angeboten verpflichtet werden können.
Gegen die offizielle Gesetzesvorlage, für den Volksvorschlag und eine angemessene Sozialhilfe im Kanton setzt sich etwa der Verein Faire Sozialhilfe ein, der sich als politisch und konfessionell neutral bezeichnet. Im Verein engagieren sich laut Webseite Personen aus der Zivilgesellschaft, aus kirchlichen Kreisen, Sozialdiensten, Gewerkschaften und Hilfsorganisationen: «Wir wollen dazu beitragen, dass die politische Auseinandersetzung gestützt auf Fakten und nicht auf Vorurteilen geführt wird», heisst es da.

Konstruktive Lösungen
Mehr als sich nur in der bevorstehenden Berner Abstimmung engagieren will die Gruppe Verkehrt. Sie besteht aus Sozialarbeitenden, Sozialhilfebetroffenen und Mitstreitenden und wehrt sich seit über zwei Jahren gegen «die unmenschlichen und konzeptlosen Sparübungen in der Sozialhilfe». Verkehrt will nach dem Auftakt in Bern vom 19. März bis zur Abstimmung am 19. Mai mit Plakaten und Aktionen im öffentlichen Raum und in den Sozialen Medien präsent sein. Die Gruppe verlangt in einer aktuellen Medienmitteilung konstruktive Lösungen unter Einbezug von Fachpersonen und Betroffenen. Und weiter: «Menschen brauchen vor allem Chancen statt Anreize». Studien aus anderen Ländern zeigten deutlich auf, dass Kürzungen der Sozialhilfe auch den geltenden Mindestlohn drücken. Die Mitteilung hält weiter fest, dass Sozialhilfekürzungen Arme noch ärmer machen. «Armutsbetroffene sind nicht selbst schuld an ihrer Lage. Armut ist strukturell bedingt und ein gesellschaftliches Problem. Es ist ungerecht, gegen die Wehr- und Machtlosen in einer Gesellschaft zu treten. Armut lässt sich nicht wegsparen!» Laut eigener Angabe ist dank Verkehrt für den Volksvorschlag eine ausserordentlich hohe Anzahl von nicht parteigebundenen Unterschriften zusammen gekommen.

Betroffenheit erzielen
«Gegründet worden ist Verkehrt als Verein im Kanton Bern von Leuten der Kriso, von Kabba und AvenirSocial, sagt Mediensprecher Daniel Flückiger zum vorwärts, «seit einer Strukturreform des Verbands ist es möglich, als Arbeitsgruppe ziemlich formlos unter dem Dach von AvenirSocial einen Platz zu haben.» Gruppen brauchen dazu auch keine eigene arbeitsaufwändige Rechtsform. Flückiger: «So haben wir den Verein aufgelöst und sind nun eine Kampagne, unterstützt von AvenirSocial.» Neben der Steuergruppe, rund zehn Personen, welche die Arbeit koordiniert und steuert, sind Aktivist*innen in Aktionsgruppen und in Regionen und Kantonen aktiv. Alle arbeiten ehrenamtlich.
Verkehrt hat laut Roland Flückiger zum Ziel, «zu einer dauerhaften, nationalen Aktion gegen den Sozialabbau und die Sparübungen bei den Ärmsten zu werden.» Inhaltlich sei es ein wichtiges Anliegen von Verkehrt, «auf gesellschaftliche und strukturelle Zusammenhänge der Armutsproblematik hinzuweisen und sich argumentativ nicht auf einer individualisierten Ebene zu bewegen. Selbstredend müssen wir aktuell pragmatisch und situativ auch individuell argumentieren (z.B. Geschichten und Statements von Betroffenen sichtbar machen), um im Abstimmungskampf Betroffenheit zu erzielen. Grundsätzlich geht es uns aber um strukturelle Ausbeutung im Kapitalismus.»

System Change not Climate Change

Lara Frey. Die Klimajugend – seit einigen Monaten in aller Munde, bewundert, belächelt, gefürchtet. Schweiz- und weltweit haben sich Jugendliche solidarisiert, um unseren Planeten zu retten. Doch im Kapitalismus wird dies kaum machbar sein.Ein Einblick in die Bewegung.

Die Gefühle, die unserer Bewegung zu Grunde liegen, sind nicht schön: Panik, Verzweiflung, das Gefühl von Verrat. Doch genau in dieser aufgebrachten, bis ins Extremste entsetzten Stimmung ist eine Jugendbewegung auferstanden, wie sie die Schweiz, ja, die Welt, seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat: die Klimajugend. Gepackt von der Verzweiflung, unsere Welt, unsere wichtigste und einzige Lebensgrundlage, wortwörtlich wegschmelzen und abbrennen zu sehen, vom Verrat der institutionalisierten, reformistischen Politik und vom verantwortungslosen Handeln der älteren Generationen haben wir uns erhoben und sind laut geworden. «Wir», wir könnten nicht unterschiedlicher sein: ein zusammengewürfelter Haufen von Schüler*innen, Lehrlingen, Studierenden, aus verschiedensten Schichten und mit unterschiedlichsten Hintergründen, manche bereits politisch organisiert, andere von einem grossen Desinteresse an der Politik geprägt, aus verschiedensten Regionen der Schweiz, mit Meinungen, die sich oft nur an wenigen Punkten überschneiden. Doch diese wenigen Punkte sind die dringlichsten, die ausschlaggebendsten: Wir müssen unsere Welt retten. Und zwar jetzt. Und da alle anderen Generationen offensichtlich kein Interesse oder nur Schnapsideen wie Emissionskompensationen durch Geld haben, müssen wir ihnen zeigen, wie genau vorzugehen.

Auferstanden aus dem Nichts
Kurz entschlossen haben einige Wenige den ersten Klimastreik, inspiriert von Greta Thunberg und der Bewegung Fridays for Future, in Zürich organisiert. Dieser Streik am 14. Dezember 2018 setzte den Grundstein für etwas, das sich innerhalb von wenigen Wochen zu einer nationalen Bewegung entwickeln würde: Schüler*innen in der ganzen Schweiz bekundeten ihre Solidarität mit den Streikenden in Zürich und am 18. Januar folgten dezentrale Klimastreiks in über zehn Städten. Auf Whatsapp, Instagram und Facebook haben wir ein Netzwerk von mehreren tausend Solidarischen aufgebaut. Unser Anliegen ist simpel, doch unglaublich weitgreifend: Klimaschutz und eine verantwortungsvolle, nachhaltige Klimapolitik, welche das 1,5°C-Ziel des Pariserabkommens einhält und bis 2030 die Treibhausemissionen auf Nettonull beschränkt. Dazu fordern wir das Ausrufen des Klimanotstandes, in anderen Worten, dass die Schweiz die Klimakatastrophe als zu bewältigende Krise anerkennt, auf diese angemessen reagiert und die Bevölkerung über diese Krise und grundlegende Schutzmassnahmen informiert.
Auch wenn die Medien und bürgerlichen Politiker*innen es ungern zugeben: Wir sind erfolgreich und unsere Bewegung verläuft nicht im Sand, wie es vor einigen Monaten vorausgesagt wurde. Basel hat als erste Stadt den Klimanotstand ausgerufen, Liestal ebenso, weitere Städte wie Zürich könnten und werden folgen. In den Medien und auf Social Media sind wir omnipräsent, unsere Forderungen und Anliegen in aller Munde, das Bewusstsein bei der Bevölkerung steigt und die bürgerlichen Parteien sehen sich unter Druck gesetzt. Doch wir sind weit davon entfernt, uns auf unseren Erfolgen auszuruhen, denn es ist uns klar, dass es im kapitalistischen System nie Nachhaltigkeit geben wird.

Ohne Systemwechsel geht es nicht

Im Kapitalismus geht es um Profit, Profit um jeden Preis. Die Gier nach Erfolg, Ertrag, Macht, Geld dominiert unsere Welt, unsere Gesellschaft, beeinflusst uns bis in unser Familienleben. Und da Geld auch Macht bedeutet, finden wir uns in einer Weltordnung wieder, wo die Reichen die Fäden ziehen. Hinter der Fassade von Demokratie und Chancengleichheit beeinflussen die Reichen das Weltgeschehen. Und offensichtlich haben sie nicht das geringste Interesse daran, umweltfreundlich zu produzieren, da jegliche Einschränkung und Auflage direkte Einbussen beim Profit bedeutet. Darum ist der Kampf ums Klima gleichzeitig ein Klassenkampf: Wir, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Schülerinnen und Schüler, kurz: Menschen dieser Erde, gegen einige Wenige, die die Macht haben, unser aller Lebensgrundlage zu zerstören. Wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann, doch um den Grundkurs ändern zu können, müssen wir zuerst den Kapitalismus überwinden, der uns in seinen zerstörerischen Händen hält. Erst in einer demokratischen Planwirtschaft, in der wir unseren Bedürfnissen gerecht und mit statt gegen die Natur produzieren, wird Nachhaltigkeit möglich sein. Wir brauchen eine sozialistische Revolution, um unseren Planeten zu retten.
Völlig desillusioniert und enttäuscht stehen wir der institutionellen Politiklandschaft der Schweiz gegenüber. Jegliche Parteiaffiliation der Bewegung wird abgelehnt, an Demonstrationen und Streiks sind keine Parteifahnen zu sehen. Die politischen Parteien werden nur noch als Plattform genutzt, um Interessierte zu finden und die Bevölkerung zu mobilisieren, doch wir stecken keine grossen Hoffnungen mehr in die reformistischen Parteien. Mit einer «Kompromisslösung» wird man unseren Planeten nicht retten können, wir brauchen jetzt keinen Kompromiss mehr, sondern einen radikalen Umsturz der Produktionsweise und unserer Konsumation.

Kritisiert von Inkonsequenten
Von unserer Ablehnung und Systemkritik verunsichert, werfen uns die Bürgerlichen gerne vor, inkonsequent zu sein, um uns die Glaubhaftigkeit und so den Einfluss zu nehmen. Wir würden doch nur streiken, um die Schule zu schwänzen, und nur demonstrieren, um unser Image aufzupolieren oder randalieren zu dürfen – und gleichzeitig noch verantwortungsloser als die älteren Generationen konsumieren und verschwenden. Dieser verzweifelte Versuch, uns in ein schlechtes Licht zu stellen, ist nicht nur falsch, sondern auch inkonsequent. Ich habe noch in keinem der Whatsapp-Chats und an keiner Demo jemanden getroffen, der nicht auch auf sein persönliches Konsumverhalten achtet. Die Rechten werfen uns vor, nicht alle vegan zu sein oder mit dem Bus zur Schule zu fahren, statt 15 Kilometer zu laufen. Doch sind sie selbst etwa besser? Kritik wie diese ist erst angebracht, wenn sie selbst keinen Plastik mehr verwenden, ihren Abfall reduzieren und recyclen, und nie mehr mit dem Auto zur Arbeit fahren. Die Zeit, die sie damit verschwenden, unser Konsumverhalten zu kritisieren, sollten sie lieber dazu verwenden, ihr eigenes zu überdenken.
Jedoch muss uns auch bewusst sein, dass es nicht ungerechtfertigt ist, unseren Konsum zu kritisieren. Doch schiessen sich die Bürgerlichen gleichzeitig so auch ein Eigentor: Sie, die Bürgerlichen, sind es, die die freie Marktwirtschaft mit allen Mitteln künstlich am Leben erhalten wollen. Doch ist im Kapitalismus ein ethischer und nachhaltiger Konsum schier unmöglich, da die Produktionsprozesse so zerstörerisch organisiert sind. Erst in einem System, das nicht mehr auf den Profit, sondern auf die echten Bedürfnisse ausgerichtet ist, wird es möglich sein, auf jene Art und nur so viel zu produzieren, dass es unserer Umwelt nicht schadet.

Venceremos!
Wir sind erst am Beginn dieses Kampfes. SVP und FDP hofften, dass unsere Bewegung ausfasert und an Schwung verliert, wenn erst einmal die Anfangseuphorie verfliegt, doch weit verfehlt: Wir werden weiterhin auf die Strasse gehen und für unseren Planeten einstehen, denn wir haben ein Recht auf eine Zukunft! Wir beginnen gerade erst, unsere Kräfte zu bündeln, wir werden uns vereinen, wir werden kämpfen und wir werden erst still sein, wenn wir in einer Welt leben, in der alle Menschen sicher und zufrieden sind, in der unsere Natur blüht und unsere Atmosphäre sauber ist. Komm auch DU mit uns auf die Strasse, gemeinsam werden wie siegen, gemeinsam werden wir leben!

Sparen auf Kosten der Ärmsten

dab. Weitere dreiste Machtdemonstrationen in den Eidgenössischen Parlamenten: Die Mehrheitsvertre-tung des Kapitals gefällt sich im rücksichtslosen, repressiven Sparwahn bei Ergänzungsleistungen und Krankenkassenfranchisen. Widerstand ist angesagt.

Nicht nur bei der neusten IV-Revision wird gekürzt und geknausert (siehe Artikel Titelseite). In den eidgenössischen Räten wurde soeben die Erhöhung der Krankenkassen-Franchisen beschlossen. Der Sparhammer wird auch bei den Ergänzungsleistungen (EL) angesetzt. Über 300000 betagte und behinderte Menschen sind in der Schweiz auf Ergänzungsleistungen angewiesen. In letzter Zeit wurden die EL in vielen Kantonen bereitsgesenkt. Aber genug ist für die Reichen und Mächtigen nicht genug: Bald werden die Bedürftigen mit noch weniger Geld auskommen müssen. Das heisst konkret: Parlamentarier*innen vor allem der Parteien SVP und FDP, die in der Regel im Rat und privat sehr gut verdienen und in den Genuss von Steuergeschenken kommen, spielen sich machtvoll als Sparenthusiasten auf Kosten der Ärmsten auf. Im Nationalrat stimmten sie mit ihrer absoluten Mehrheit geschlossen für die drastischen Reduktionen aus. Der definitive Entscheid bezüglich EL fällt Ende März, das Referendum ist bereits angekündigt.

Franchisen sollen steigen
Bereits beschlossen wurde im Nationalrat die Erhöhung de Franchisen-Minimums von 300 auf 350 Franken. Die stetige und unbegrenzte Steigerung der Franchisen parallel zur Kostenentwicklung im Gesundheitswesen wurde im letzten Moment fallengelassen, wahrscheinlich mit Blick auf das Referendum. Die Tendenz zur steigenden Belastung der Versicherten geht dadurch weiter, aber nicht so schnell wie es die kommerzielle Lobby zugunsten der schnelleren Steigerungen der Renditen und Reserven der Krankheitsindustrie gerne gehabt hätte. Bereits heute müssen die Patient*innen in der Schweiz mehr an die Behandlung bezahlen als sonst wo in Europa. Die Folge: Immer mehr Menschen lassen sich nicht ärztlich behandeln, weil sie die Kosten nicht tragen können. Das führt zu einer unsozialen Zweiklassenmedizin sowie im Endeffekt zu mehr Kosten, wenn notwendige Behandlungen hinausgeschoben werden. Selber schuld, sagen die Neoliberalen und zucken die Schultern, wer hart arbeite und innovative Ideen vermarkte, sei zahlungsfähig. Und hohe Franchisen würden die Versicherten davon abhalten, wegen jedem Hüsteln und Unwohlsein zum Arzt zu rennen. Die breite Allianz «Nein zur Franchisen-Explosion» ergreift gegen die Kostenabwälzung auf die Patient*innen das Referendum.

Heisser Sparwettbewerb
Am 31. Mai 2017 begann der Ständerat an der Revision der Ergänzungsleistungen (EL) in der Fassung der Sozialkommission zu laborieren, darauf ging die Vorlage im vergangenen Jahr mehrmals pingpong zwischen den Räten hin und her und wurde zuletzt am 6. März dieses Jahres vom Nationalrat sparwutmässig aufgemischt. Die grosse Kammer will wesentlich mehr auf dem Buckel der IV- und AHV-Bezüger*Innen sparen als die kleine, deshalb arbeitete die Einigungskonferenz Anfang Monat einen Kompromissantrag aus.
Der von FDP und SVP dominierte Nationalrat will die EL für Behinderte und Betagte laut dem kritischen Schweizer Nachrichten-Portal Conviva-plus.ch dreimal mehr kürzen als der Ständerat: «Konkret bedeuten die Nationalratsbeschlüsse jährliche EL-Einsparungen von 700 bis 770 Millionen Franken brutto.» Die Massnahmen führen laut offizieller Verlautbarung auf parlament.ch aber nur zu Einsparungen «von 453 Mio. Franken gegenüber 427 Mio. gemäss Beschluss des Ständerats respektive 463 Mio. gemäss Beschluss des Nationalrats». Wie gerne sich der Bund bei solchen Berechnungen irrt, zeigte der Betrag der Steuereinbussen im Abstimmungsbüchlein der Unternehmenssteuerreform II: FDP-Finanzminister Hans-Rudolf Merz hatte die Kosten der Reform mit 900 Millionen beziffert. Später stellte sich heraus, dass stattdessen eine Milliarden Franken in der Staatskasse fehlten – was dem Bundesrat eine Rüge des Bundesgerichts einbrachte. Bei der – zum Glück vom Stimmvolk abgelehnten – Unternehmenssteuerreform III gab Finanzminister Ueli Maurer die Steuerausfälle mit 1,1 Milliarden Franken an, obwohl die Eidgenössische Steuerverwaltung die bisher bekannten Kosten mit etwa drei Milliarden Franken beziffert hatte.

Vermögen und Rückzahlung
Der Antrag der Einigungskonferenz beinhaltet laut parlament.ch folgende Hauptpunkte: Alleinstehende Personen mit mehr als 100000 Franken Vermögen oder Ehepaare mit mehr als 200000 Franken Vermögen sollen keine Ergänzungsleistungen beanspruchen können. Nach dem Tod eines/r Bezügers*in sollen die erhaltenen EL aus jenem Teil des Erbes, der 40000 Franken übersteigt, an den Staat zurückerstattet werden. Die Vermögensfreibeträge sollen auf den Stand vor der Neuordnung der Pflegefinanzierung gesenkt werden, dabei soll aber die Teuerung berücksichtigt werden. Der Einigungsantrag wird am 18. März im Ständerat und am 19. März im Nationalrat behandelt. Die Behindertenverbände wie deren Dachverband Inclusion Handicap sowie die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (Sodk) kritisieren die entstehende EL-Sparrevision. Die Rentner*innenorganisation Avivo kündigte bereits das Referendum an.

Rückwärts statt vorwärts

Marc Moser. Kinder werden in die Armut getrieben und das beschlossene stufenlose Rentensystem ist nicht durchdacht – der Nationalrat hat es verpasst, der IV-Weiterentwicklung gerecht zu werden. Viele Menschen mit Behinderungen müssen um ihre Existenz kämpfen, besonders Familien mit Kindern würden finanziell bluten. Der Ständerat muss nun Gegensteuer geben.

Die Invalidenversicherung (IV) kostenneutral weiterentwickeln, dies war das erklärte Ziel des Bundesrates. Der Nationalrat machte eine Kehrtwende um 180 Grad und will erneut auf dem Buckel von Menschen mit Behinderungen sparen, namentlich auf Kosten von Kindern. Dies ist eine sehr kurzsichtige Politik, denn die Kosten würden so zu einem grossen Teil zu den Ergänzungsleistungen verlagert werden. Sparmassnahmen sind ohnehin nicht notwendig, denn die Sanierung der IV bis im Jahr 2030 ist auf Kurs, wie die Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen Jahr für Jahr beweisen. Grund dafür ist unter anderem, dass bei den bereits durchgeführten Revisionen massive Leistungseinschränkungen- und Kürzungen durchgesetzt wurden. Mit weiteren Einschnitte würden viele Menschen mit Behinderungen einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, das schon heute nachweislich besteht.

Keine Kinder für IV-Beziehende
Ausgerechnet auf dem Buckel von Familien will jetzt der Nationalrat sparen. Die Kinderrenten sollen grundlos von 40 Prozent auf 30 Prozent der Hauptrente gekürzt werden. Die gleiche Ratsmehrheit scheut sich aber nicht, erhebliche Kosten zu verursachen, indem sie die «Kinderrenten» in «Zulagen für die Eltern» umbenennt. Somit müssen sämtliche Formulare, Pensionskassereglemte, Informationsbroschüren etc. abgeändert werden. Diese Beschlüsse sind zynisch: Für Begrifflichkeiten wird Geld ausgegeben, aber bescheidene Kinderrenten werden gekürzt. Ein weiterer Beschluss des Nationalrats, das stufenlose Rentensystem, hält in der Form nicht, was es verspricht. So werden Personen mit schweren Beeinträchtigungen mit Kürzungen bestraft: Wer einen IV-Grad zwischen 60 und 69 Prozent aufweist, würde neu mit einer teilweise massiven Kürzung der Rente auskommen müssen. Heute bekommen sie eine Dreiviertelsrente, künftig sollen die IV-Renten dem IV-Grad entsprechen.
Das nun vorgeschlagene stufenlose Rentensystem kann in Kombination mit der Kürzung der Kinderrenten verheerende Folgen haben, wie folgendes Beispiel zeigt: Eine Mutter oder ein Vater mit einem IV-Grad von 62 Prozent und mit zwei Kindern kommt heute durchschnittlich auf eine Rente von total 2 295 Franken pro Monat (eine Haupt- plus zwei Kinderrenten). Mit dem Vorschlag des Nationalrats würden die Renten auf insgesamt 1 686 Franken und somit um 609 Franken – also mehr als einen Viertel – zusammengestrichen! Das Signal des Nationalrates ist unmissverständlich: IV-Beziehende sollen sich in Zukunft keine Kinder leisten dürfen.

Nicht zielführend
Die Befürworter*innen argumentieren, dies fördere die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und verhindere Schwelleneffekte. Diese Argumentation überzeugt nicht: Die Wahrscheinlichkeit, eine Stelle zu finden, ist umso schwieriger, je höher die Arbeitsunfähigkeit ist. Der Nationalrat will aber ausgerechnet die grösste Stufe beibehalten: Unter 40 Prozent IV-Grad soll es weiterhin keine Renten geben. Der politische Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap widersetzt sich nicht grundsätzlich dem stufenlosen Rentensystem und dessen Zielen, doch die nun beschlossene Form ist jedoch aus oben genannten Gründen nicht zielführend. Inclusion Handicap hatte ursprünglich gefordert, dass ein stufenloses Rentensystem ab 10 Prozent IV-Grad greifen soll – so wie es heute schon bei der Unfallversicherung der Fall ist. Zudem darf es nicht zu Lasten von Personen mit höheren IV-Graden gehen.

Echte Weiterentwicklung fördern
Die beschlossenen Kürzungen gefährden die gesamte IV-Weiterentwicklung, obwohl sie wichtige Verbesserungen im Bereich der beruflichen Eingliederung vorsieht. Der Bundesrat hat richtig erkannt, dass vor allem bei Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen das Eingliederungspotenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Inclusion Handicap unterstützt die Stossrichtung dieser Massnahmen, die auch im Nationalrat weitgehend unbestritten waren. Denn IV-Beziehende wollen und können arbeiten; sie verfügen über Qualifikationen und Potenzial. Arbeit sorgt nicht nur für ein finanzielles Auskommen, sie fördert auch soziale Kontakte und ist sinnstiftend. Für Menschen mit Beeinträchtigungen, die überdurchschnittlich oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, ist eine Arbeitsstelle ein wichtiges Element zur gleichberechtigten Teilhabe und für ein selbstbestimmtes Leben.
Eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration bedingt aber auch, dass Eingliederungsmassnahmen nicht zu rasch abgebrochen werden, und unter Umständen ist mehr als ein Anlauf nötig. Ausserdem hat eine erfolgreiche Eingliederung zur Folge, dass Renten gespart und die IV finanziell entlastet wird. Dies ist eine echte und weitsichtige Weiterentwicklung. Schliesslich gilt es auch festzuhalten, dass alleine mit der IV die Eingliederungsziele nicht erreicht werden können. Die Arbeitgeber*innen müssen vermehrt in die Verantwortung genommen werden, da Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Die IV-Revision geht nun in den Ständerat. Inclusion Handicap wird sich mit aller Vehemenz gegen die Kürzungsvorschläge des Nationalrates zur Wehr setzen.

Marc Moser ist Kommunikationsverantwortlicher von Inclusion Handicap. Weitere Infos: www.inclusion-handicap.ch

Die Asylunterkünfte des Bundes im Fokus der Menschenrechte

red. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) überprüfte in den Jahren 2017 und 2018 diverse vom Bund betriebene Asylunterkünfte im Hinblick auf die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte. Hierbei identifizierte sie ernst zu nehmende Mängel. Wir veröffentlichen den leicht gekürzten Bericht von humanrights.ch.

Während das bisherige Asylverfahren Empfangs- oder Verfahrenszentren (EVZ) und Bundesasylzentren ohne Verfahrensfunktion (BZ) unterscheidet, werden als Folge der Asylgesetzrevision ab dem 1. März 2019

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Gemeinsam für Revolution sorgen

sah. Zur Vorbereitung für den Frauen*streik trafen sich über 500 Frauen* in Biel zu einer nationalen Versammlung. Überarbeitet wurde ein Appell mit Forderungen rund um Lohngleichheit, Anerkennung von Sorgearbeit oder dem Bleiberecht für Migrant*innen, die Gewalt erlebt haben. Der Jubel nach abgeschlossener Arbeit war gross.

Regnerisch grau war der 10. März 2019. Nicht so im Volkshaus in Biel, wo ab 10 Uhr die nationale Versammlung zur Vorbereitung zum Frauen*streik 2019 stattfand.

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Dem SRF mangelt es an Neutralität

fpe. Anhand der Berichterstattung zu Venezuela wird mehr als deutlich, wer das SRF im Konflikt in Venezuela unterstützt. Auf Anfrage des vorwärts rechtfertigte der Chefredaktor Gregor Meier die Haltung des SFR mit dem angeblich baldigen Ende von Maduro.

Die unterschlagenen Fakten sprechen Bände. Beispielsweise erfährt das SRF-Publikum nichts von den gravierenden Auswirkungen der wirtschaftlichen Sanktionen, die sogar vom wissenschaftlichen Dienst des deutschen Bundestags als «potentiell Völkerrechtswidrig» eingestuft wurden. Dafür ständig der winkende und lächelnde Juan Guaidó

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Im Gedenken an Louise Stebler

Martin Schwander. Ein Leben im Dienste des Friedens, der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit und der Völkerfreundschaft ist am 12. Februar 2019 im Alter von 94 Jahren zu Ende gegangen. Die Ideale, die Louise Stebler Zeit ihres Lebens hochgehalten hat, diese Ideale aber bleiben Richtschnur für uns alle.

Louise ist in einem widerständigen, antifaschistischen Haus aufgewachsen. Als Mädchen schon strickte sie Socken für das republikanische Spanien und als junge Frau beteiligte sie sich aktiv an Sabotageaktionen gegen die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.

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Angriffe gegen SexarbeiterInnen sind ein Angriff gegen alle ArbeiterInnen

Frauen-Café Winterthur. Letzten Sommer hat sich die Frauenzentrale im Kino Houdini in der Genossenschaft Kalkbreite im Kreis 4 in Szene gesetzt und ein Verbot des Kaufs von Sex gefordert. Obwohl ihre Kampagne «Stopp Prostitution» heisst, hat die Frauenzentrale kurz nach Kampagnenstart behauptet, sie sei nicht für ein Prostitutionsverbot.

Ginge es nach der Frauenzentrale würden die Freier kriminalisiert. Dies sei ein Wundermittel, was sich neben Schweden auch in Frankreich, Irland und weiteren Ländern zeige. Das so genannte «nordische Modell» sieht vor, dass Sexarbeit als sexuelle Gewalt eingestuft wird. Den SexarbeiterInnen wird ein Betreuungs- und Ausstiegsprogramm angeboten. Die Frauenzentrale macht aus Frauen, die von der Sexarbeit leben, unmündige Opfer, denen mittels Repression und Bevormundung geholfen werden soll. Sie setzt den Verkauf von Sex mit sexueller Gewalt gleich und unterscheidet nicht zwischen Frauenhandel und Sexarbeit. Wer das nicht so sieht – so das Kampagnenvideo – lebe im Mittelalter.
Die Kampagne gegen den Kauf von Sex wendet sich sehr direkt gegen die Lebensgrundlage derer, die mit dem Verkauf von Sex ihr Auskommen finden. Das sind in der grossen Mehrheit Frauen: In Europa sind circa 86 Prozent Frauen, 8 Prozent Männer und 6 Prozent Transmenschen in dem Bereich tätig. Es sind vor allem solche Frauen, die wenig Geld und häufig einen prekären Aufenthaltsstatus haben. Der Kampf gegen die Sexarbeit richtet sich konkret gegen die Frauen der ArbeiterInnenklasse. Vor allem Migrantinnen sind es, die durch die Kriminalisierung weiter an den Rand gedrängt werden.

Kampagnenstart im gesäuberten Kreis vier
Die Wahl des Ortes für den Kampagnenstart spricht für sich: die Geschichte der Kalkbreitegenossenschaft ist Sinnbild der alternativ-angehauchten Gentrifizierung. Der Ort steht auch für die Dynamik der Vertreibung der Armut aus dem Quartier, wenn auch nicht mit Luxuswohnungen wie in der Europaallee. Je mehr gutverdienende Leute Platz in ehemals von den Unterklassen bewohnten Gebieten beanspruchen, desto grösser wird die Repression gegen die bisherigen BewohnerInnen, eben auch gegen Sexarbeit. Die Vertreibung der SexarbeiterInnen aus den zentrumsnahen Kreisen vier und fünf haben eine lange Vorgeschichte, die zusammen mit der Repression gegen Junkies und der Jagd der Polizei auf MigrantInnen im Allgemeinen seit Ende der 1980er Jahren die Säuberungs-Politik der Stadt prägen und vom Aufbau eines riesigen Polizei- und Justizapparats begleitet werden.
Der Verkauf von illegalen Drogen und Sex, aber auch sexuelle Subkulturen, die keine monetären Absichten hegen, sind der Repression im Zuge der Gentrifizierung besonders ausgesetzt. Wohnungen und andere Räume werden massiv teurer, die Strassen und Hinterhöfe militarisiert und für die Oberklassen schön gemacht.
In Zürich wurden die Gebüsche auf der Werdinsel abgeholzt, damit kein Kontakt mit schwulen Sex mehr im öffentlichen Raum ertragen werden muss. Dies ist Ausdruck einer protestantisch geprägten kapitalistischen Verwertungslogik, der der Stadtrat und die Politik den Weg ebnen. Kulturräume gelten dabei als Standortvorteil, aber nur solche, die Geld einbringen und unter Kontrolle sind.
«Erlaubt ist, was nicht stört» hiess schon die Kampagne der SP-Polizeichefin Esther Maurer in den 1990ern. Sex ist in dieser Logik wohl ein Markt, aber einer der stigmatisiert und tabuisiert bleiben soll. Die SexarbeiterInnen sollen möglichst nicht auf der Strasse sichtbar sein, sondern in «Verrichtungsboxen» in weniger schicken Quartieren kein Aufsehen erregen. Sex gehört nach diesem Weltbild ins Schlafzimmer und ins Private, jegliche Darstellung wird als «Sexualisierung» der Gesellschaft problematisiert. Kinder sollen eher davor geschützt, statt aufgeklärt werden. Die Gleichsetzungen von Gewalt und Sex, von Frauenhandel und Sexarbeit werden seit Jahrzehnten propagiert und bieten der christlichen Rechten und einem Teil der Frauenbewegung einen unheimlichen gemeinsamen Nenner.

Bürgerliche Moral und Angst vor den Armen
Die Frauenzentrale, die stark von der FDP und heute von der GLP geprägt ist, kommt aus der Sittlichkeitsbewegung, die schon vor hundert Jahren die Frauen vor der Prostitution bewahren wollte. Das Verbot der «Volksseuche» Sexarbeit zum Schutz der «gefallenen» Frauen, war von Beginn an eines ihrer Ziele. Die Zahlen und Behauptungen auf der Kampagne-Homepage stammen vor allem von der französischen Anti-Sexarbeits-NGO «Fondation Scelles», die einen katholisch-konservativen Hintergrund hat. Das Kampagne-Video wurde von der grossen französischen Werbeagentur Publicis mit schwedischen SchauspielerInnen gedreht. Die in der Sexindustrie arbeitenden Frauen kommen nirgends zu Wort, die Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen werden nicht thematisiert. Es ist eine moralische und bevormundende Sicht auf die Sexarbeit, basierend auf unausgesprochenem Klassendünkel und latentem Rassismus.

Frauenarbeit und -unterdrückung im Kapitalismus
Der Verkauf von Sex scheint Teilen des Bürgertums und der städtischen Mittelklasse undenkbar und unerträglich. Gleichzeitig dürften die zahlungskräftigen Männer dieses Milieus zu den Hauptabnehmern der Sexarbeit gehören, einem bedeutenden Metier mit einem geschätzten Umsatz von einer Miliarde Franken. Eine Genfer Studie schätzt, dass schweizweit zwischen 13000 und 25000 Personen Sexarbeit leisten, davon sind schätzungsweise 75 Prozent MigrantInnen. In Genf soll die Zahl der SexarbeiterInnen zwischen 2004 und 2012 von 800 auf 4100 Personen angestiegen sein. In dieser Zeit wurde das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU erweitert. Viele Frauen aus Rumänien und Bulgarien migrierten deswegen nach Genf.
«Sexarbeit ist Arbeit – für die Rechte von Sexarbeitenden» so heisst die Gegenkampagne von Organisationen wie der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ), die vor allem rechtliche, gesundheitliche und psychische Unterstützungsarbeit für Sexarbeitende leisten. Sie sagen, Sexarbeit ist Arbeit, wenn auch keine Arbeit wie jede andere. Denn aufgrund von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Abwertung der Sexarbeitenden werden sie diskriminiert und sind rechtlich schlecht geschützt. Ein Teil der SexarbeiterInnen wird zwangsweise ausgebeutet und hat diese Arbeit nicht frei gewählt. Dieser Teil ist von Menschenhandel betroffen und muss besser vor der Ausschaffung und Ihren Ausbeutern geschützt werden. Gerade im Asylbereich fehlen notwendige Schutz- und Hilfsstrukturen. Dies ist vor allem der rassistischen Asyl- und Migrationspolitik der Schweiz geschuldet.
Die Gründe, diese Arbeit zu wählen, sind sehr unterschiedlich und können selbstbestimmt sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es auch dann nicht der Traumberuf ist. Dies ist vor allem auf Armut, Geschlechterhierarchien, das Nord-Süd-Gefälle, Diskriminierungen, patriarchale Familienstrukturen und die kapitalistische Gesellschaftsordnung zurückzuführen. Diese herrschenden Strukturen erlauben es nur einem Teil der Bevölkerung, genau die Lohnarbeit auszuüben, die er sich wünscht.
Viele Arbeiten, die einem mit unsicherem Aufenthaltsstatus und ohne gute Ausbildung zur Wahl stehen, sind ausbeuterisch, gefährlich, schmutzig und ungesund. Kaum eine dieser Arbeiten wird so verschrieen wie die Sexarbeit. Im Jahr 2000 beschäftigte circa jeder 17. Haushalt im Kanton Zürich eine illegalisierte Hausarbeiterin. Auch da bestehen grosse Risiken der Ausbeutung und Gewalt. Trotzdem gibt es keine Kampagne die Hausarbeit in Privathaushalten zu verbieten. Auch das Pflücken von Tomaten auf Feldern der Mafia in Süditalien findet unter sehr prekären Bedingungen statt, erhält jedoch kaum Aufmerksamkeit.

Mujeres unidas jamas seran vencidas
Seit Beginn der Kampagne der Frauenzentrale hat sich nur eine Journalistin die Mühe gemacht, die Sexarbeiterinnen selber zu fragen, was sie darüber denken, wenn Freier kriminalisiert würden. Sie sind alle stolz, für sich und ihre Kinder selbständig Geld zu verdienen und ihre Familie unterstützen zu können. Die Arbeit gebe ihnen ökonomische Stabilität und Unabhängigkeit. Sie fürchten sich vor einem Verbot, weil dann der Schutz vor Belästigung und Gewalt wegfiele und es schwieriger würde, Geld zu verdienen. Die meisten würden aber auch dann weiterarbeiten. Eine von ihnen sagt deutlich: «Hört auf, uns zu belehren! Lasst uns einfach unsere Arbeit machen.»
Eine Studie von 2018 aus Frankreich, wo seit 2016 der Kauf von sexuellen Diensten verboten ist, zeigt, dass die Frauen viel weniger verdienen und dass vor allem jene Freier übrig bleiben, die die Frauen schlecht behandeln oder Sex ohne Kondom verlangen. Die Abhängigkeit der Frauen, die Risiken und Ansteckungen haben seither zugenommen, die Repression der Polizei wurde stärker.
Gerade in Zeiten, in denen eine rechtsradikale, christlich-fundamentalistische Lobby (Stichwort: «Agenda Europe») international jegliche sexuelle Selbstbestimmung angreift und die Frauenrechte gezielt bekämpft, stellt sich die Frage, warum eine Frauenorganisation sich ausgerechnet gegen diejenigen Frauen stellt, die gesellschaftlich am schwächsten sind.
Die Entrechtung der SexarbeiterInnen hilft keiner Frau sich zu befreien. Die Gewalt gegen die Frauen nimmt in einer solchen Situation zu und nicht ab.
Die Sexarbeit ist nicht Ursache sondern höchstens Ausdruck einer Ungleichheit. Wer eine Gesellschaft ohne Gewalt an Frauen will, muss die Herrschaftsverhältnisse abschaffen, die die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Familien- und Pflegestrukturen, die Religionen, die Grenzregime, die Kriegsindustrien und die Ausbeutung der rohstoffreichen Ländern hervorbringen.
Aus einem linken, internationalistischen, feministischen Blickwinkel ist ein Verbot der Sexarbeit eine Kampfansage von oben gegen unten und eine weitere Abwertung von Frauen und ihrer Arbeit. Die Vertreibung der Sexarbeit aus den ehemals proletarischen Quartieren ist rassistisch und von Polizeigewalt beherrscht. Der Kampf der SexarbeiterInnen um gute Arbeitsbedingungen, um Selbstbestimmung, um Würde, um ein Ende der Ausgrenzung und für gewerkschaftliche Organisierung muss der Kampf aller ArbeiterInnen sein. Wie heisst unsere Parole 2019 so schön: Frauen*, wir sind Klasse – No War but Classwar!

Unterzeichnet den Appell:
sexarbeit-ist-arbeit.ch
Weitere Informationen:
fiz-info.ch, terre-des-femmes.ch

Wer verschenkt Zeit um füreinander zu sorgen?

Frauenstruktur des Revolutionären Aufbaus Zürich. Gleichstellungsparagraphen haben nichts daran geändert, dass das Füreinandersorgen Frauenarbeit geblieben ist, sowohl im unbezahlten Haus- und Familienbereich, wie auch in bezahlten Dienstleistungssektoren. Es geht dabei um nichts weniger als um die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens.

Das letzte Jahr war geprägt von öffentlichen Diskussionen zu Sexismus, die Debatte ging von Belästigung und Missbrauch bis zur anhaltenden Lohnungleichheit der Geschlechter. So begrüssenswert der öffentliche Diskurs darüber ist, so notwendig ist es,

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Wieso wir streiken

Die Streikfliegerin / FrauenLesbenKasama. Anders als der Frauenstreik 1991 bei dem eine der Hauptforderungen die Durchsetzung des Gleichstellungsartikels war, hat heute kaum eine noch die Illusion, dass Gleichstellung für Frauen das bringt, was wir wollen. Eine Gleichstellung in der heutigen Gesellschaft hier, dem kapitalistischen Patriarchat, heisst, sich an
der Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen hier und in anderen Teilen der Welt zu beteiligen.

Eine klare Absage an das kapitalistische Patriarchat ist notwendig. Dieses steht für Mehrwert und Profit, der über alle moralischen Schranken geht.

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Beihilfe zum Mord stoppen!

Heinrich Frei / fpe. Vermutlich Ende Februar 2019 wird das SECO in Bern wieder eine Medienorientierung über die Kriegs-materialexporte der Schweiz durchführen. Wie werden die Beauftragten des Bundes die vielen widerrechtlichen Exporte rechtfertigen? Der Druck auf die Regierung wächst, die Korrektur-Initiative hat die Unterschriften schon fast zusammen.

Gemäss der Kriegsmaterialverordnung sind Exporte verboten, «wenn das Land in einen internen oder internationalen Konflikt verwickelt ist».

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Nothilferegime abschaffen!

dab. Gegen das Nothilferegime als repressives «Instrument der Asylpolitik» führen Solidarité sans frontières und die Interessengemeinschaft Asyl SOS Racisme jetzt eine Kampagne. 17 abgewiesene AsylbewerberInnen schilderten geladenen JournalistInnen ihre desolate Situation. Die Reaktionen der bürgerlichen Medien waren bescheiden.

Viele können nicht zurückkehren, weil in ihrem Land weiter Krieg und/oder politische Verfolgung herrschen. Traumatisierte werden nicht unterstützt und behandelt, auch wenn der Psychiater schwere Störungen attestiert. » Weiterlesen

Privatisierung abgelehnt

fpe. Die Vorlage für das neue Wassergesetz wurde von der Zürcher Stimmbevölkerung deutlich verworfen, zum grossen Frust der Bürgerlichen. Ausschlaggebend war die Ablehnung der Privatisierung dieses essentiellen Rohstoffs. Doch nicht alle Gefahren sind gebannt.

Die Frage der Privatisierung löste eine breite Debatte aus. Die VertreterInnen bürgerlicher Parteien sahen vor, die Trinkwasserversorgung neu ausdrücklich so zu regeln, dass sie zu einem Teil privaten InvestorInnenn in die Hände gegeben werden könnte.

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Es herrscht Wohnungsnot

fpe. An der Mitgliederversammlung der PdA Zürich vom 11. Februar wurde
lebhaft darüber diskutiert, wie innerhalb des herrschenden kapitalistischen Systems bezahlbare Wohnungen ermöglicht werden können.

Eröffnet wurde der Abend mit einem Vortrag von Marco Medici. Ausgehend von einem Blick in die Geschichte und auf den aktuellen Wohnungsmarkt zeigte er notwendige und realistische Forderungen auf. In den Debatten anlässlich der neuen Bundesverfassung, die im Jahr 2000 in Kraft trat, hatten die Bürgerlichen vehement abgelehnt, das Recht auf Wohnen in der Bundesverfassung zu verankern.

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