System Change not Climate Change

Lara Frey. Die Klimajugend – seit einigen Monaten in aller Munde, bewundert, belächelt, gefürchtet. Schweiz- und weltweit haben sich Jugendliche solidarisiert, um unseren Planeten zu retten. Doch im Kapitalismus wird dies kaum machbar sein.Ein Einblick in die Bewegung.

Die Gefühle, die unserer Bewegung zu Grunde liegen, sind nicht schön: Panik, Verzweiflung, das Gefühl von Verrat. Doch genau in dieser aufgebrachten, bis ins Extremste entsetzten Stimmung ist eine Jugendbewegung auferstanden, wie sie die Schweiz, ja, die Welt, seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat: die Klimajugend. Gepackt von der Verzweiflung, unsere Welt, unsere wichtigste und einzige Lebensgrundlage, wortwörtlich wegschmelzen und abbrennen zu sehen, vom Verrat der institutionalisierten, reformistischen Politik und vom verantwortungslosen Handeln der älteren Generationen haben wir uns erhoben und sind laut geworden. «Wir», wir könnten nicht unterschiedlicher sein: ein zusammengewürfelter Haufen von Schüler*innen, Lehrlingen, Studierenden, aus verschiedensten Schichten und mit unterschiedlichsten Hintergründen, manche bereits politisch organisiert, andere von einem grossen Desinteresse an der Politik geprägt, aus verschiedensten Regionen der Schweiz, mit Meinungen, die sich oft nur an wenigen Punkten überschneiden. Doch diese wenigen Punkte sind die dringlichsten, die ausschlaggebendsten: Wir müssen unsere Welt retten. Und zwar jetzt. Und da alle anderen Generationen offensichtlich kein Interesse oder nur Schnapsideen wie Emissionskompensationen durch Geld haben, müssen wir ihnen zeigen, wie genau vorzugehen.

Auferstanden aus dem Nichts
Kurz entschlossen haben einige Wenige den ersten Klimastreik, inspiriert von Greta Thunberg und der Bewegung Fridays for Future, in Zürich organisiert. Dieser Streik am 14. Dezember 2018 setzte den Grundstein für etwas, das sich innerhalb von wenigen Wochen zu einer nationalen Bewegung entwickeln würde: Schüler*innen in der ganzen Schweiz bekundeten ihre Solidarität mit den Streikenden in Zürich und am 18. Januar folgten dezentrale Klimastreiks in über zehn Städten. Auf Whatsapp, Instagram und Facebook haben wir ein Netzwerk von mehreren tausend Solidarischen aufgebaut. Unser Anliegen ist simpel, doch unglaublich weitgreifend: Klimaschutz und eine verantwortungsvolle, nachhaltige Klimapolitik, welche das 1,5°C-Ziel des Pariserabkommens einhält und bis 2030 die Treibhausemissionen auf Nettonull beschränkt. Dazu fordern wir das Ausrufen des Klimanotstandes, in anderen Worten, dass die Schweiz die Klimakatastrophe als zu bewältigende Krise anerkennt, auf diese angemessen reagiert und die Bevölkerung über diese Krise und grundlegende Schutzmassnahmen informiert.
Auch wenn die Medien und bürgerlichen Politiker*innen es ungern zugeben: Wir sind erfolgreich und unsere Bewegung verläuft nicht im Sand, wie es vor einigen Monaten vorausgesagt wurde. Basel hat als erste Stadt den Klimanotstand ausgerufen, Liestal ebenso, weitere Städte wie Zürich könnten und werden folgen. In den Medien und auf Social Media sind wir omnipräsent, unsere Forderungen und Anliegen in aller Munde, das Bewusstsein bei der Bevölkerung steigt und die bürgerlichen Parteien sehen sich unter Druck gesetzt. Doch wir sind weit davon entfernt, uns auf unseren Erfolgen auszuruhen, denn es ist uns klar, dass es im kapitalistischen System nie Nachhaltigkeit geben wird.

Ohne Systemwechsel geht es nicht

Im Kapitalismus geht es um Profit, Profit um jeden Preis. Die Gier nach Erfolg, Ertrag, Macht, Geld dominiert unsere Welt, unsere Gesellschaft, beeinflusst uns bis in unser Familienleben. Und da Geld auch Macht bedeutet, finden wir uns in einer Weltordnung wieder, wo die Reichen die Fäden ziehen. Hinter der Fassade von Demokratie und Chancengleichheit beeinflussen die Reichen das Weltgeschehen. Und offensichtlich haben sie nicht das geringste Interesse daran, umweltfreundlich zu produzieren, da jegliche Einschränkung und Auflage direkte Einbussen beim Profit bedeutet. Darum ist der Kampf ums Klima gleichzeitig ein Klassenkampf: Wir, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Schülerinnen und Schüler, kurz: Menschen dieser Erde, gegen einige Wenige, die die Macht haben, unser aller Lebensgrundlage zu zerstören. Wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann, doch um den Grundkurs ändern zu können, müssen wir zuerst den Kapitalismus überwinden, der uns in seinen zerstörerischen Händen hält. Erst in einer demokratischen Planwirtschaft, in der wir unseren Bedürfnissen gerecht und mit statt gegen die Natur produzieren, wird Nachhaltigkeit möglich sein. Wir brauchen eine sozialistische Revolution, um unseren Planeten zu retten.
Völlig desillusioniert und enttäuscht stehen wir der institutionellen Politiklandschaft der Schweiz gegenüber. Jegliche Parteiaffiliation der Bewegung wird abgelehnt, an Demonstrationen und Streiks sind keine Parteifahnen zu sehen. Die politischen Parteien werden nur noch als Plattform genutzt, um Interessierte zu finden und die Bevölkerung zu mobilisieren, doch wir stecken keine grossen Hoffnungen mehr in die reformistischen Parteien. Mit einer «Kompromisslösung» wird man unseren Planeten nicht retten können, wir brauchen jetzt keinen Kompromiss mehr, sondern einen radikalen Umsturz der Produktionsweise und unserer Konsumation.

Kritisiert von Inkonsequenten
Von unserer Ablehnung und Systemkritik verunsichert, werfen uns die Bürgerlichen gerne vor, inkonsequent zu sein, um uns die Glaubhaftigkeit und so den Einfluss zu nehmen. Wir würden doch nur streiken, um die Schule zu schwänzen, und nur demonstrieren, um unser Image aufzupolieren oder randalieren zu dürfen – und gleichzeitig noch verantwortungsloser als die älteren Generationen konsumieren und verschwenden. Dieser verzweifelte Versuch, uns in ein schlechtes Licht zu stellen, ist nicht nur falsch, sondern auch inkonsequent. Ich habe noch in keinem der Whatsapp-Chats und an keiner Demo jemanden getroffen, der nicht auch auf sein persönliches Konsumverhalten achtet. Die Rechten werfen uns vor, nicht alle vegan zu sein oder mit dem Bus zur Schule zu fahren, statt 15 Kilometer zu laufen. Doch sind sie selbst etwa besser? Kritik wie diese ist erst angebracht, wenn sie selbst keinen Plastik mehr verwenden, ihren Abfall reduzieren und recyclen, und nie mehr mit dem Auto zur Arbeit fahren. Die Zeit, die sie damit verschwenden, unser Konsumverhalten zu kritisieren, sollten sie lieber dazu verwenden, ihr eigenes zu überdenken.
Jedoch muss uns auch bewusst sein, dass es nicht ungerechtfertigt ist, unseren Konsum zu kritisieren. Doch schiessen sich die Bürgerlichen gleichzeitig so auch ein Eigentor: Sie, die Bürgerlichen, sind es, die die freie Marktwirtschaft mit allen Mitteln künstlich am Leben erhalten wollen. Doch ist im Kapitalismus ein ethischer und nachhaltiger Konsum schier unmöglich, da die Produktionsprozesse so zerstörerisch organisiert sind. Erst in einem System, das nicht mehr auf den Profit, sondern auf die echten Bedürfnisse ausgerichtet ist, wird es möglich sein, auf jene Art und nur so viel zu produzieren, dass es unserer Umwelt nicht schadet.

Venceremos!
Wir sind erst am Beginn dieses Kampfes. SVP und FDP hofften, dass unsere Bewegung ausfasert und an Schwung verliert, wenn erst einmal die Anfangseuphorie verfliegt, doch weit verfehlt: Wir werden weiterhin auf die Strasse gehen und für unseren Planeten einstehen, denn wir haben ein Recht auf eine Zukunft! Wir beginnen gerade erst, unsere Kräfte zu bündeln, wir werden uns vereinen, wir werden kämpfen und wir werden erst still sein, wenn wir in einer Welt leben, in der alle Menschen sicher und zufrieden sind, in der unsere Natur blüht und unsere Atmosphäre sauber ist. Komm auch DU mit uns auf die Strasse, gemeinsam werden wie siegen, gemeinsam werden wir leben!

Sparen auf Kosten der Ärmsten

dab. Weitere dreiste Machtdemonstrationen in den Eidgenössischen Parlamenten: Die Mehrheitsvertre-tung des Kapitals gefällt sich im rücksichtslosen, repressiven Sparwahn bei Ergänzungsleistungen und Krankenkassenfranchisen. Widerstand ist angesagt.

Nicht nur bei der neusten IV-Revision wird gekürzt und geknausert (siehe Artikel Titelseite). In den eidgenössischen Räten wurde soeben die Erhöhung der Krankenkassen-Franchisen beschlossen. Der Sparhammer wird auch bei den Ergänzungsleistungen (EL) angesetzt. Über 300000 betagte und behinderte Menschen sind in der Schweiz auf Ergänzungsleistungen angewiesen. In letzter Zeit wurden die EL in vielen Kantonen bereitsgesenkt. Aber genug ist für die Reichen und Mächtigen nicht genug: Bald werden die Bedürftigen mit noch weniger Geld auskommen müssen. Das heisst konkret: Parlamentarier*innen vor allem der Parteien SVP und FDP, die in der Regel im Rat und privat sehr gut verdienen und in den Genuss von Steuergeschenken kommen, spielen sich machtvoll als Sparenthusiasten auf Kosten der Ärmsten auf. Im Nationalrat stimmten sie mit ihrer absoluten Mehrheit geschlossen für die drastischen Reduktionen aus. Der definitive Entscheid bezüglich EL fällt Ende März, das Referendum ist bereits angekündigt.

Franchisen sollen steigen
Bereits beschlossen wurde im Nationalrat die Erhöhung de Franchisen-Minimums von 300 auf 350 Franken. Die stetige und unbegrenzte Steigerung der Franchisen parallel zur Kostenentwicklung im Gesundheitswesen wurde im letzten Moment fallengelassen, wahrscheinlich mit Blick auf das Referendum. Die Tendenz zur steigenden Belastung der Versicherten geht dadurch weiter, aber nicht so schnell wie es die kommerzielle Lobby zugunsten der schnelleren Steigerungen der Renditen und Reserven der Krankheitsindustrie gerne gehabt hätte. Bereits heute müssen die Patient*innen in der Schweiz mehr an die Behandlung bezahlen als sonst wo in Europa. Die Folge: Immer mehr Menschen lassen sich nicht ärztlich behandeln, weil sie die Kosten nicht tragen können. Das führt zu einer unsozialen Zweiklassenmedizin sowie im Endeffekt zu mehr Kosten, wenn notwendige Behandlungen hinausgeschoben werden. Selber schuld, sagen die Neoliberalen und zucken die Schultern, wer hart arbeite und innovative Ideen vermarkte, sei zahlungsfähig. Und hohe Franchisen würden die Versicherten davon abhalten, wegen jedem Hüsteln und Unwohlsein zum Arzt zu rennen. Die breite Allianz «Nein zur Franchisen-Explosion» ergreift gegen die Kostenabwälzung auf die Patient*innen das Referendum.

Heisser Sparwettbewerb
Am 31. Mai 2017 begann der Ständerat an der Revision der Ergänzungsleistungen (EL) in der Fassung der Sozialkommission zu laborieren, darauf ging die Vorlage im vergangenen Jahr mehrmals pingpong zwischen den Räten hin und her und wurde zuletzt am 6. März dieses Jahres vom Nationalrat sparwutmässig aufgemischt. Die grosse Kammer will wesentlich mehr auf dem Buckel der IV- und AHV-Bezüger*Innen sparen als die kleine, deshalb arbeitete die Einigungskonferenz Anfang Monat einen Kompromissantrag aus.
Der von FDP und SVP dominierte Nationalrat will die EL für Behinderte und Betagte laut dem kritischen Schweizer Nachrichten-Portal Conviva-plus.ch dreimal mehr kürzen als der Ständerat: «Konkret bedeuten die Nationalratsbeschlüsse jährliche EL-Einsparungen von 700 bis 770 Millionen Franken brutto.» Die Massnahmen führen laut offizieller Verlautbarung auf parlament.ch aber nur zu Einsparungen «von 453 Mio. Franken gegenüber 427 Mio. gemäss Beschluss des Ständerats respektive 463 Mio. gemäss Beschluss des Nationalrats». Wie gerne sich der Bund bei solchen Berechnungen irrt, zeigte der Betrag der Steuereinbussen im Abstimmungsbüchlein der Unternehmenssteuerreform II: FDP-Finanzminister Hans-Rudolf Merz hatte die Kosten der Reform mit 900 Millionen beziffert. Später stellte sich heraus, dass stattdessen eine Milliarden Franken in der Staatskasse fehlten – was dem Bundesrat eine Rüge des Bundesgerichts einbrachte. Bei der – zum Glück vom Stimmvolk abgelehnten – Unternehmenssteuerreform III gab Finanzminister Ueli Maurer die Steuerausfälle mit 1,1 Milliarden Franken an, obwohl die Eidgenössische Steuerverwaltung die bisher bekannten Kosten mit etwa drei Milliarden Franken beziffert hatte.

Vermögen und Rückzahlung
Der Antrag der Einigungskonferenz beinhaltet laut parlament.ch folgende Hauptpunkte: Alleinstehende Personen mit mehr als 100000 Franken Vermögen oder Ehepaare mit mehr als 200000 Franken Vermögen sollen keine Ergänzungsleistungen beanspruchen können. Nach dem Tod eines/r Bezügers*in sollen die erhaltenen EL aus jenem Teil des Erbes, der 40000 Franken übersteigt, an den Staat zurückerstattet werden. Die Vermögensfreibeträge sollen auf den Stand vor der Neuordnung der Pflegefinanzierung gesenkt werden, dabei soll aber die Teuerung berücksichtigt werden. Der Einigungsantrag wird am 18. März im Ständerat und am 19. März im Nationalrat behandelt. Die Behindertenverbände wie deren Dachverband Inclusion Handicap sowie die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (Sodk) kritisieren die entstehende EL-Sparrevision. Die Rentner*innenorganisation Avivo kündigte bereits das Referendum an.

Rückwärts statt vorwärts

Marc Moser. Kinder werden in die Armut getrieben und das beschlossene stufenlose Rentensystem ist nicht durchdacht – der Nationalrat hat es verpasst, der IV-Weiterentwicklung gerecht zu werden. Viele Menschen mit Behinderungen müssen um ihre Existenz kämpfen, besonders Familien mit Kindern würden finanziell bluten. Der Ständerat muss nun Gegensteuer geben.

Die Invalidenversicherung (IV) kostenneutral weiterentwickeln, dies war das erklärte Ziel des Bundesrates. Der Nationalrat machte eine Kehrtwende um 180 Grad und will erneut auf dem Buckel von Menschen mit Behinderungen sparen, namentlich auf Kosten von Kindern. Dies ist eine sehr kurzsichtige Politik, denn die Kosten würden so zu einem grossen Teil zu den Ergänzungsleistungen verlagert werden. Sparmassnahmen sind ohnehin nicht notwendig, denn die Sanierung der IV bis im Jahr 2030 ist auf Kurs, wie die Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen Jahr für Jahr beweisen. Grund dafür ist unter anderem, dass bei den bereits durchgeführten Revisionen massive Leistungseinschränkungen- und Kürzungen durchgesetzt wurden. Mit weiteren Einschnitte würden viele Menschen mit Behinderungen einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, das schon heute nachweislich besteht.

Keine Kinder für IV-Beziehende
Ausgerechnet auf dem Buckel von Familien will jetzt der Nationalrat sparen. Die Kinderrenten sollen grundlos von 40 Prozent auf 30 Prozent der Hauptrente gekürzt werden. Die gleiche Ratsmehrheit scheut sich aber nicht, erhebliche Kosten zu verursachen, indem sie die «Kinderrenten» in «Zulagen für die Eltern» umbenennt. Somit müssen sämtliche Formulare, Pensionskassereglemte, Informationsbroschüren etc. abgeändert werden. Diese Beschlüsse sind zynisch: Für Begrifflichkeiten wird Geld ausgegeben, aber bescheidene Kinderrenten werden gekürzt. Ein weiterer Beschluss des Nationalrats, das stufenlose Rentensystem, hält in der Form nicht, was es verspricht. So werden Personen mit schweren Beeinträchtigungen mit Kürzungen bestraft: Wer einen IV-Grad zwischen 60 und 69 Prozent aufweist, würde neu mit einer teilweise massiven Kürzung der Rente auskommen müssen. Heute bekommen sie eine Dreiviertelsrente, künftig sollen die IV-Renten dem IV-Grad entsprechen.
Das nun vorgeschlagene stufenlose Rentensystem kann in Kombination mit der Kürzung der Kinderrenten verheerende Folgen haben, wie folgendes Beispiel zeigt: Eine Mutter oder ein Vater mit einem IV-Grad von 62 Prozent und mit zwei Kindern kommt heute durchschnittlich auf eine Rente von total 2 295 Franken pro Monat (eine Haupt- plus zwei Kinderrenten). Mit dem Vorschlag des Nationalrats würden die Renten auf insgesamt 1 686 Franken und somit um 609 Franken – also mehr als einen Viertel – zusammengestrichen! Das Signal des Nationalrates ist unmissverständlich: IV-Beziehende sollen sich in Zukunft keine Kinder leisten dürfen.

Nicht zielführend
Die Befürworter*innen argumentieren, dies fördere die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und verhindere Schwelleneffekte. Diese Argumentation überzeugt nicht: Die Wahrscheinlichkeit, eine Stelle zu finden, ist umso schwieriger, je höher die Arbeitsunfähigkeit ist. Der Nationalrat will aber ausgerechnet die grösste Stufe beibehalten: Unter 40 Prozent IV-Grad soll es weiterhin keine Renten geben. Der politische Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap widersetzt sich nicht grundsätzlich dem stufenlosen Rentensystem und dessen Zielen, doch die nun beschlossene Form ist jedoch aus oben genannten Gründen nicht zielführend. Inclusion Handicap hatte ursprünglich gefordert, dass ein stufenloses Rentensystem ab 10 Prozent IV-Grad greifen soll – so wie es heute schon bei der Unfallversicherung der Fall ist. Zudem darf es nicht zu Lasten von Personen mit höheren IV-Graden gehen.

Echte Weiterentwicklung fördern
Die beschlossenen Kürzungen gefährden die gesamte IV-Weiterentwicklung, obwohl sie wichtige Verbesserungen im Bereich der beruflichen Eingliederung vorsieht. Der Bundesrat hat richtig erkannt, dass vor allem bei Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen das Eingliederungspotenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Inclusion Handicap unterstützt die Stossrichtung dieser Massnahmen, die auch im Nationalrat weitgehend unbestritten waren. Denn IV-Beziehende wollen und können arbeiten; sie verfügen über Qualifikationen und Potenzial. Arbeit sorgt nicht nur für ein finanzielles Auskommen, sie fördert auch soziale Kontakte und ist sinnstiftend. Für Menschen mit Beeinträchtigungen, die überdurchschnittlich oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, ist eine Arbeitsstelle ein wichtiges Element zur gleichberechtigten Teilhabe und für ein selbstbestimmtes Leben.
Eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration bedingt aber auch, dass Eingliederungsmassnahmen nicht zu rasch abgebrochen werden, und unter Umständen ist mehr als ein Anlauf nötig. Ausserdem hat eine erfolgreiche Eingliederung zur Folge, dass Renten gespart und die IV finanziell entlastet wird. Dies ist eine echte und weitsichtige Weiterentwicklung. Schliesslich gilt es auch festzuhalten, dass alleine mit der IV die Eingliederungsziele nicht erreicht werden können. Die Arbeitgeber*innen müssen vermehrt in die Verantwortung genommen werden, da Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Die IV-Revision geht nun in den Ständerat. Inclusion Handicap wird sich mit aller Vehemenz gegen die Kürzungsvorschläge des Nationalrates zur Wehr setzen.

Marc Moser ist Kommunikationsverantwortlicher von Inclusion Handicap. Weitere Infos: www.inclusion-handicap.ch

Es gibt ein Leben nach den Barrikaden

Peter Nowak. Mit Anne Reiche und Dimitris Koufontinas haben zwei Aktivist*innen der radikalen Linken ihre Biographien verfasst. Reiche schloss sich im Knast der RAF an, während Koufantinas sich nach einem misslungenen Bombenanschlag und einer Zeit in der Illegalität der Polizei stellte.

«Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten» ist eines der persönlichsten Lieder von Rio Reiser, dem Sänger der Westberliner Rockband Ton Steine Scherben. Die Strophe könnte das Motto von Anne Reiches Biographie sein, die sie unter dem Titel «Auf der Spur» in der Edition Cimarron veröffentlich hat.

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Bodenschätze und Militärstützpunkt

red. Robert Baer arbeitete während zwanzig Jahren bis zum Ende der 90er Jahre für den US-Geheimdienst CIA und war im Libanon, im Irak, in Tadschikistan, Marokko und im ehemaligen Jugoslawien tätig. Interview von Ramon Schack, Telepolis, mit dem Autor von Büchern über US-Aussenpolitik, Spionage und Geheimdienste.

Sie werfen dem CIA vor, den Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren massiv unterstützt zu haben. Was war das strategische Ziel des US-Geheimdienstes, diesen Staatszerfall zu beschleunigen, der zu Krieg und Bürgerkrieg führte und hunderttausende Opfer forderte?
Das Ziel war es, den Staat Jugoslawien als

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Propagandalügen und Bomben

dab/jw. Vor 20 Jahren begann der völkerrechtswidrige Bombenkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Am 24. März 1999 gegen 20 Uhr begann die Nato mit der Bombardierung serbischer Städte aus der Luft und mit Marschflugkörpern, die von U-Booten aus abgefeuert wurden. Ein Mandat des UN-Sicherheitsrats gab es nicht.

Angegriffen wurden vor allem zivile Ziele wie die Sendezentrale des serbischen Rundfunks RTS, die «Zastava»-Autofabrik in Kragujevac, Brücken und die chinesische Botschaft. Die Nato sprach zynisch von Kollateralschäden.

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USA verstärkt Aggression gegen Kuba

sit. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump verschärft die Blockade gegen Kuba, indem sie Titel III des sogenannten Helms-Burton-Gesetzes teilweise ab dem 19. März in Kraft gesetzt hat. Die kubanische Regierung behält sich das Recht vor, angemessen auf diese neue Aggression zu reagieren.

Das Weisse Haus ermöglicht ab dem 19. März den eigenen Staatsbürger*innen, vor US-Gerichten gegen etwa 200 kubanische Unternehmen Klage einzureichen, die jetzt das Eigentum auf der Insel kontrollieren, das vor Jahrzehnten von der revolutionären Regierung verstaatlicht wurde.

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«Die wahre internationale Gemeinschaft muss sich Gehör verschaffen!»

fpe / Marius Käch. Venezuela ist in aller Munde, doch die Stimme der offiziellen Regierung bleibt in den grossen Medien ungehört. Der Einseitigkeit will der vorwärts entgegentreten. Deshalb wurde das Gespräch mit der ständigen Vertretung des Landes gesucht. Der venezolanische Botschafter César Méndez González war gerne dazu bereit.

Herr Botschafter, was können Sie zur aktuellen Lage in Venezuela sagen?
Um zu verstehen, was heute in meinem Land geschieht, muss Ihre Frage in einen grösseren Kontext gestellt werden. Gemäss unserer Nationalverfassung, die am 15. Dezember 1999 durch eine Volksab-stimmung angenommen wurde – was zum ersten Mal in unserer Geschichte geschah – heisst das Land Bolivarische Republik Venezuela. Dieses hat rund 32 Millionen selbstbewusste Einwohner*innen, die Frieden und Freiheit lieben und ein hohes politisches Bewusstsein haben. Mit dem Eintritt von Hugo Chávez in die Regierung im Jahr 1999 wurde ein gesellschafts-politischer Prozess eingeleitet, der einem Fahrplan folgt, dessen Hauptziel es ist, den Venezolaner*innen die Leidenschaft für ihr Heimatland und seine Werte zurückzugeben, und um Millionen von sozial, wirtschaftlich und politisch ausgegrenzten Menschen sichtbar zu machen – um unserer Bevölkerung die Notwendigkeit zu vermitteln, zuerst zu sehen und zu fühlen, was uns gehört, und parallel dazu unseren wichtigsten Wirtschaftszweig, nämlich die Öl-Industrie, zu entwickeln, die Wirtschaft zu diversifizieren und andere Bereiche wie die Landwirtschaft voranzubringen, um die schreckliche Abhängigkeit von der Renditenwirtschaft, an die wir uns nie gewöhnt hatten, aufzugeben. Dieser ganze politische Prozess durchdrang den Geist der venezolanischen Bevölkerung und wirkte auch über die Landesgrenzen hinaus. Aber er weckte auch grosse Erwartungen in die nationale Politik und Wirtschaft und nach und nach auch in die grossen internationalen Unternehmen (insbesondere in jene der Vereinigten Staaten von Amerika). Diese wiederum hatten das Gefühl, anmassende Privilegien zu verlieren, als der venezolanische Staat souverän damit begann, internationale Verträge und Gesetze durchzusetzen und sie dazu zwang, gerechte Steuern, Lizenzgebühren und andere Beiträge für die Ausbeutung unserer Ressourcen (insbesondere Öl, Erdgas, Gold, Eisen und Bauxit, die Venezuela in grossen Mengen besitzt) zu bezahlen.
Weil die grossen internationalen Konzerne nicht in der Lage waren, den Willen und die Würde des bolivarischen Volkes und der Regierung zu verdrehen, weil diese nicht abrücken von ihrer Entscheidung, frei zu bleiben und ihre Ressourcen und inneren Angelegenheiten souverän zu verwalten, werden heute eine wilde Kampagne und mehrdimensionale Angriffe gegen Venezuela unternommen. Angeführt werden diese von der ruchlosen Regierung der Vereinigten Staaten und einer Gruppe von Führer*innen, die sich im Oberkommando der US-Regierung etabliert und Donald Trump unterworfen haben. Deshalb wird unser Heimatland derzeit belagert, blockiert und von diplomatischen, politischen, medialen, wirtschaftlichen und vor allem militärischen Bedrohungen heimgesucht. Das ist sehr ernst, und die wahre internationale Gemeinschaft muss sich in dieser Hinsicht Gehör verschaffen!

Viele Menschen fliehen aus Venezuela. Wie viele sind das? Was sind die Gründe dafür?
Dabei handelt es sich um eine Matrix von Meinungen, die versucht wurde, mit Hilfe der nationalen und internationalen Medien durchzusetzen, um dann in einem zweiten Schritt von einer humanitären Krise zu sprechen, die es jedoch nie gegeben hat. Es ist nicht zu leugnen, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten und eine beschleunigte Inflation aufgrund der illegalen und willkürlichen Handelsblockade durch die Vereinigten Staaten viele Menschen zur Auswanderung gezwungen haben. Die Auswanderungsrate liegt aber in keinem Fall über den normalen statistischen Werten sozialer Mobilität von Ländern mit vergleichbaren Schwierigkeiten. Die Tatsache der Auswanderung wurde von einigen Regierungen im Schlepptau der USA in ihren Medien für politische Zwecke vergrössert und ausgeschlachtet. In keinem Fall übersteigt die Zahl der Auswanderer*innen zwei Millionen Menschen. Von denen sind etwa 10000 in das Land zurückgekehrt, weil sie sich von Geschäftsleuten und Behörden einiger Länder, in denen sie nach besseren Lebensbedingungen strebten, diskriminiert und ausgebeutet sahen. Diese Menschen sind im Rahmen des von der Regierung von Präsident Nicolás Maduro ins Leben gerufenen Plans «Vuelta a la Patria» (Rückkehr in die Heimat) nach Venezuela zurückgekehrt, um diejenigen zu unterstützen, die Opfer von Missbrauch in anderen Ländern geworden sind.

Funktioniert die Versorgung von Venezuela mit medizinischen und anderen Gütern für die Grundversorgung der Menschen im Land? Woher erhält das Land Unterstützung?
Es ist eine Tatsache, dass unser Land von Importen abhängig ist, um die Nachfrage nach Lebensmitteln und Medikamenten zu decken. Diese Situation wollen wir umkehren. Doch dieser Prozess erfordert Zeit, Infrastruktur und wirtschaftliche Ressourcen. Das Problem wird durch die Handelsblockade der Vereinigten Staaten und den Diebstahl venezolanischer Finanzmittel durch die Regierung von Herrn Trump sowie aus England verschärft. Dies erschwert den Kauf von Lebensmitteln und Medikamenten. Angesichts dieser Situation richtete die bolivarische Regierung die Verteilung der so genannten CLAP-Boxen (Comité Locales de Abastecimiento y Producción; Lokales Versorgungs- und Produktionskomitee) zu sehr solidarischen Preisen ein. Diese enthalten Grundnahrungsmittel und werden alle 15 Tage an mehr als 6 Millionen Haushalte geliefert, so dass etwa 20 Millionen Menschen davon profitieren. Das gleiche Verfahren wird von unseren Volksapotheken angewant, für den Vertrieb von Medikamenten an Menschen, die diese benötigen. Die venezolanische Regierung hat auch die Handels- und Kooperationsbeziehungen zu den Regierungen Chinas, Russlands, des Iran, der Türkei, Indiens und anderer Länder gestärkt, was es ihr ermöglicht, voranzukommen und die kriminelle wirtschaftliche und kommerzielle Blockade zu überwinden, mit der die US-Regierung beabsichtigt, die venezolanische Wirtschaft zu ersticken.

Sprechen wir über die Politik von Staatspräsident Maduro und seiner Partei, der PSUV (Partido Socialista Unido de Venezuela). Maduro hat die Oppositionsparteien zu Friedensgesprächen aufgefordert. Wird ein Dialog zustande kommen?
Der Dialog ist die goldene Regel in der Politik und die Lösung jeglicher Art von Differenzen zwischen Menschen, Gruppen und Regierungen. Präsident Nicolás Maduro hat stets und entschieden zum Dialog aufgerufen, um die politischen Differenzen zwischen den Venezolanern anzugehen, zu diskutieren und zu lösen. Die gespaltene Oppsoition besteht aus traditionellen Parteien wie der Demokratischen Aktion (Sozialdemokratie), der Christlich-Sozialen Partei (COPEI), Primero Justicia und Voluntad Popular (beides Ultrakonservative), die revolutionäre linke Bewegung (MIR) und einer beträchtlichen Anzahl von Gruppen und Organisationen mit verschiedenen politischen Zielen. Leider sind diese nicht in der Lage, eine Einigung untereinander zu erzielen. Dies aufgrund der persönlichen Wünsche einiger Führer*innen und anderen, die keine eigene Stimme haben und ihre Entscheidungen leider auf die Anweisungen stützen, die sie aus dem Ausland erhalten. Diese kontroverse Situation zwischen den verschiedenen Gruppen, die in Opposition zur bolivarischen Regierung stehen, führte zum Scheitern eines Abkommens, das praktisch bereit war, von den Parteien unterzeichnet zu werden. Dies fand im Rahmen des so genannten Santo-Domingo-Dialogs statt, der zwischen Ende 2017 und Anfang 2018 in der Dominikanischen Republik mit Unterstützung des ehemaligen spanischen Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero, des dominikanischen Präsidenten Danilo Medina und der Aussenminister mehrerer südamerikanischen Länder stattgefunden hatte. Die Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro hält jedoch immer noch fest am Frieden und sucht den konstruktiven und offenen Dialog, und zwar ohne auferzwungene Bedingungen oder ausländische Einmischung zu akzeptieren, die über das hinausgehen, was von den venezolanischen Parteien rechtmässig akzeptiert werden kann.

Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe gegen die Maduro-Regierung. Die Polizei-Spezialeinheit Faes begehe Verbrechen, die juristisch nicht geahndet werden. Was sagen sie dazu?
Es ist notwendig, alle Vorwürfe, die wegen Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Teilen der Welt erhoben werden, sehr genau zu prüfen. Der Hauptverursacher von Menschenrechtsverletzungen in der Welt ist die Regierung der Vereinigten Staaten, und dieses Problem wird in keinem internationalen Forum diskutiert. In einigen Fällen gab es bedauerliche Taten und Exzesse seitens der Polizeibehörden in Venezuela. Aber die Missbräuche waren immer noch viel geringer als in anderen Ländern wie Kolumbien, den Vereinigten Staaten oder – hier in der Nähe – von Frankreich mit der Unterdrückung der Gelbwesten. Aber mit der gleichen Intensität, mit der das, was in meinem Land geschehen ist, reisserisch verbreitet wird, werden die Massnahmen der venezolanischen Justiz versteckt, ebenso wie polizeiliche Gewalt und Missbrauch in anderen Regionen verschwiegen werden. Die angebliche Verteidigung der Menschenrechte zu politischen Zwecken ist eine völlige Heuchelei.

Weshalb wollen die USA «humanitäre Güter» in ein Land schaffen, um eine Krise zu lindern, die sie selber verursacht haben?
Das ist die Doppelmoral. Wir glauben nicht an diese humanitäre Hilfe. Für uns ist es ein grosser humanitärer Betrug. Es ist der Versuch, Venezuela militärisch zu überfallen, wie sie es 1965 in der Dominikanischen Republik getan hat, oder in Nicaragua in den 1980er Jahren, als hinter einigen wenigen Kisten mit Lebensmitteln von fragwürdiger Qualität, einigen Ärzten und medizinischen Hilfskräften Tausende von Waffen und Soldaten einmarschierten, um die legitimen Regierungen dieser Länder zu stürzen. Hinterlassen wurde jeweils eine lange Liste von Menschenrechtsverletzungen, Tod und Trostlosigkeit. Im Falle von Venezuela wurde festgestellt, dass in den beiden Fahrzeugen an der Grenze zu Kolumbien, die am 23. Februar angeblich Lebensmittel und Medikamente transportiert hätten, die dann aber seltsamerweise vor Erreichen des venezolanischen Bodens, d.h. in Kolumbien, verbrannt wurden, eine grosse Menge an Geräten versteckt waren, die zur Herstellung von Barrikaden benötigt werden, wie etwa Stacheldraht, sowie anderere Gerätschaften die für die Herstellung von selbstgemachten Waffen, Molotow-Cocktails usw. verwendet werden. All dies wird von der internationalen Presse verschwiegen.

Diese Provokation mit den Hilfslieferungen aus den USA ist gescheitert. Es kam jedoch zu unschönen Situationen an der Grenze. Hätte man diese nicht verhindern können, wenn man die Lieferungen hätte passieren lassen?
Die Regierung der Vereinigten Staaten hat angesichts einer gescheiterten venezolanischen Opposition, die kein ernsthaftes politisches Projekt hat, ohne Führung und Unterstützung der Bevölkerung, direkt das Management der gewalttätigen Putschversuche übernommen, um die Regierung des verfassungsmässigen Präsidenten Nicolás Maduro mit Gewalt zu stürzen. Weil sie ihre abwegigen Ziele nicht erreicht hatten, weder durch Wahlen, Strassengewalt, diplomatische Umzingelung, noch durch andere politische Bedrohungen oder gar durch Gewalt, haben sie auf die alte Taktik der so genannten humanitären Hilfe zurückgegriffen. Diese wurde bereits in den 80er Jahren in Nicaragua angewandt, von Elliott Abrams unter der Leitung von US-Präsident Ronald Reagan. Die venezolanische Regierung hat diesen Betrug demontiert, der nicht im Geringsten den Mindestanforderungen internationaler Normen entspricht. Zum Beispiel derjenigen, dass Hilfsferungen von der Regierung des Landes, das zu unterstützen beabsichtigt wird, angefordert worden sind. Dass damit keine politischen Absichten verbunden sind (was nahe liegt, wenn sich der Staat nicht in einer nationalen Krise nach einer Naturkatastrophe oder einem Bürgerkrieg befindet), dass man die Hilfslieferung von der Regierung, die sie erhalten soll, überprüfen und genehmigen lässt, oder schliesslich auch, dass man eine dafür zuständige Stelle, in diesem Fall das Internationale Rote Kreuz, dies organisieren lässt. Im venezolanischen Fall wurden keine dieser Bedingungen erfüllt. Auch die Leiter der Internationalen Rotkreuzgesellschaft Kolumbiens sowie der Schweiz erklärten, dass diese angebliche Unterstützung nicht den geltenden Standards entspricht.
An der kolumbianisch- venezolanischen Grenze entstand am 23. Februar eine völlig ungewöhnliche Situation, als der kolumbianische Präsident Ivan Duque in einem Ausbruch von Wahnsinn, unter Missachtung des Völkerrechts und in voller Unterwerfung unter Donald Trump sein Staatsgebiet zur Verfügung stellte, um Bedingungen für eine wüste Farce zu schaffen, die eine militärische Aggression gegen Venezuela auslösen sollte. Glücklicherweise scheiterte die Absicht, einen Konflikt zwischen zwei Schwesterstaaten zu erzeugen, dank des Geschicks der venezolanischen Regierung und des umsichtigen, aber entschlossenen Handelns der Bolivarischen Nationalarmee (FANB). Ich glaube, dass diese Dinge vor der Welt angeprangert werden müssen, damit rechtliche und politische Massnahmen ergriffen werden können, insbesondere gegen diese beiden Regierungen (Kolumbien und die Vereinigten Staaten), aber auch gegen andere, wie die Regierungen Chiles und Paraguays, die mit der Anwesenheit ihrer Führer diese abstruse Aktionen gegen ein souveränes Land unterstützt haben, womit ein Krieg hätte ausgelöst werden sollen, dessen Folgen für den gesamten amerikanischen Kontinent unvorhersehbar wären.

Wenn Sie die letzten Jahre der Maduro-Regierung betrachten, sehen Sie Optimierungsbedarf? Was muss verbessert werden?
Es liegt auf der Hand, dass viele Dinge verbessert werden müssen. Nichts von Menschenhand ist perfekt. Wir arbeiten an allem, was wir brauchen, um ein wohlhabenderes Land zu haben, unsere Institutionen effizient zu gestalten und die Korruption zu minimieren. Wir beschleunigen auch Prozesse und Projekte zur Diversifizierung der Wirtschaft, zur Entwicklung der Landwirtschaft und der Viehzucht. Diese laufenden Aktionen der bolivarischen Regierung wurden durch Angriffe und Sabotage nationaler und internationaler Gruppen verlangsamt. Um es in klaren Worten zu sagen: seit ihrer Gründung konnte die bolivarische Regierung nie normal funktionieren, weil sie ständig Ressourcen, Anstrengungen und Zeit aufwenden musste, um den unaufhörlichen putschistischen Bemühungen entgegen zu wirken, die auf das Land, sein Volk und seine Regierung gerichtet worden sind. Dennoch existiert eine unbestreitbare soziale Arbeit in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Wohnen, die der Stolz und die Flagge unserer bolivarischen Revolution sind.

Weshalb genau mischt sich die USA in die venezolanische Politik ein?
Ganz einfach. Das venezolanische Volk ist zum Vorkämpfer der Demokratie in Lateinamerika geworden. Die Bolivarische Revolution ist ein Beispiel für die Würde, die Souveränität und das Selbstbewusstsein der Völker unserer Region, die immer als «Hinterhof» der US-Regierungen galt. Dieser Anspruch ist nicht mit der Bolivarischer Revolution vereinbar. Und abgesehen davon, dass diese ein Hindernis für die hegemonialen Ansprüche der Vereinigten Staaten ist, gibt es auch noch den wirtschaftlichen und geopolitischen Aspekt. Venezuela verfügt, wie wir bereits wissen, über beträchtliche Energieressourcen, Mineralien, Gold, Coltan, Eisen, Wasser und viele Mineralien, die das kapitalistische Weltsystem kontrollieren will. Eine würdevolle und souveräne Regierung behindert sie aber dabei. Deshalb wollen sie eine Marionette an der Spitze der venezolanischen Regierung, die über diesen Reichtum und die sehr günstige geografische Lage unseres Landes nach Belieben verfügen kann.

Wie realistisch ist die Gefahr einer US-amerikanischen Intervention in Venezuela?
Die jüngste Geschichte zeigt, dass die Regierungen der Vereinigten Staaten gierig sind und gegen das Völkerrecht verstossen. Es gibt Fakten, die sehr deutlich zeigen, mit welcher Gewalt die Regierung der Vereinigten Staaten handelt, um ihre Ziele zu erreichen. Haben wir die Atombomben vergessen, die auf die unschuldigen Menschen von Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, oder die zahlreichen militärischen Invasionen, darunter die von Korea, Libyen, Vietnam, Irak und Afghanistan? Ganz zu schweigen von denen des amerikanischen Kontinents: Panama, Grenada, Guatemala, Dominikanische Republik, etc. Wir haben keinen Zweifel an der Absicht der supremokratischen Regierung von Donald Trump, unser Territorium und seinen Reichtum mit allen Mitteln zu erobern, denn sie haben die Absicht, Gewalt anzuwenden nicht im Geringsten verschleiert. Nicht nur Präsident Trump, sondern auch einige seiner prominentesten Sprecher*innen gaben dies öffentlich zu. Darüber hinaus garantiert die Kontrolle Venezuelas den Vereinigten Staaten eine privilegierte Position in der weltweiten Geopolitik gegenüber anderen Schwellenländern.

Noch zwei Fragen zu anderen internationalen Akteuren: Was erhoffen Sie sich von der UNO?
Meiner Meinung nach gelingt es der UNO nicht, ihre Gründungspostulate durchzusetzen, unter anderem deshalb, weil ihr die mächtigsten Länder und diejenigen, die am meisten Geld zu ihrem Funktionieren beitragen, ihren Willen aufzwingen. Ich hoffe jedoch, dass die vernünftigen Menschen in dieser Organisation (und davon gibt es einige) eine Kampagne lancieren können, um das Bewusstsein in dieser Organisation zu schärfen, so dass sie ohne Druck ihre sehr lobenswerte Mission des Strebens nach Weltfrieden und der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Nationen, Regierungen und Völkern erfüllen können.

Und falls das nicht klappen sollte: Erhoffen Sie sich militärische Unterstützung aus dem Ausland?
Grundsätzlich denke ich, dass es ideal wäre, wenn wir die Probleme Venezuelas zwischen den Venezolaner*innen ohne jegliche Einmischung von aussen lösen könnten. Doch leider gibt es offensichtliche Interessen und Einmischungen in unsere inneren Angelegenheiten. Die US-Regierung beabsichtigt, venezolanische Streitkräfte aus Nachbarländern wie Kolumbien, Brasilien und anderen korrupten Regierungen gegen venezolanische Streitkräfte einzusetzen. Unser Volk hat höchste Empathie für unsere FANB (Fuerza Armada Nacional Bolivariana), einer zivil-militärischen Union, die uns zuversichtlich macht, dem Beispiel Kubas und Vietnams zu folgen und uns die Sicherheit gibt, zu gewinnen, wie in der Vergangenheit unsere Vorfahren gegen das ehemalige spanische Reich.
Ich glaube jedoch, dass Solidarität und Unterstützung von befreundeten Ländern und Brudervölkern keine schlechte Idee wäre. Möge dies für den Frieden unseres Landes, des lateinamerikanischen Karibikraums und der Welt nicht notwendig sein.

Das hoffen wir auch von Herzen! Vielen Dank, Herr Botschafter!

LOL – Sexistischer Skandal in Frankreich

Huguette Junod. LOL, englisch für laughing out loud (lauthals lachen) wird in allen Arten von Internet- oder SMS-Kommunikationen verwendet, wo lachen angemessen ist. Gar nichts zu lachen gibt es für die Frauen, die Opfer der Mitglieder Facebook-Gruppe Lauthals lachende Liga (LOL) wurden. Lange schwiegen die Opfer aus Angst, dann platze der Skandal.

Seit #BalanceTonPorc (Verpfeif deinen Belästiger!) und #MeToo (Ich auch!) wurden allmählich die Orte aufgedeckt, wo Gewalttaten gegen Frauen* stattfinden. Frau wundert sich nicht, dass die Belästigung auf der Strasse grassiert – wir erleben sie täglich, aber auch zu Hause, im Sport, in der Armee.

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Die Asylunterkünfte des Bundes im Fokus der Menschenrechte

red. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) überprüfte in den Jahren 2017 und 2018 diverse vom Bund betriebene Asylunterkünfte im Hinblick auf die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte. Hierbei identifizierte sie ernst zu nehmende Mängel. Wir veröffentlichen den leicht gekürzten Bericht von humanrights.ch.

Während das bisherige Asylverfahren Empfangs- oder Verfahrenszentren (EVZ) und Bundesasylzentren ohne Verfahrensfunktion (BZ) unterscheidet, werden als Folge der Asylgesetzrevision ab dem 1. März 2019

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Gemeinsam für Revolution sorgen

sah. Zur Vorbereitung für den Frauen*streik trafen sich über 500 Frauen* in Biel zu einer nationalen Versammlung. Überarbeitet wurde ein Appell mit Forderungen rund um Lohngleichheit, Anerkennung von Sorgearbeit oder dem Bleiberecht für Migrant*innen, die Gewalt erlebt haben. Der Jubel nach abgeschlossener Arbeit war gross.

Regnerisch grau war der 10. März 2019. Nicht so im Volkshaus in Biel, wo ab 10 Uhr die nationale Versammlung zur Vorbereitung zum Frauen*streik 2019 stattfand.

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Dem SRF mangelt es an Neutralität

fpe. Anhand der Berichterstattung zu Venezuela wird mehr als deutlich, wer das SRF im Konflikt in Venezuela unterstützt. Auf Anfrage des vorwärts rechtfertigte der Chefredaktor Gregor Meier die Haltung des SFR mit dem angeblich baldigen Ende von Maduro.

Die unterschlagenen Fakten sprechen Bände. Beispielsweise erfährt das SRF-Publikum nichts von den gravierenden Auswirkungen der wirtschaftlichen Sanktionen, die sogar vom wissenschaftlichen Dienst des deutschen Bundestags als «potentiell Völkerrechtswidrig» eingestuft wurden. Dafür ständig der winkende und lächelnde Juan Guaidó

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Im Gedenken an Louise Stebler

Martin Schwander. Ein Leben im Dienste des Friedens, der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit und der Völkerfreundschaft ist am 12. Februar 2019 im Alter von 94 Jahren zu Ende gegangen. Die Ideale, die Louise Stebler Zeit ihres Lebens hochgehalten hat, diese Ideale aber bleiben Richtschnur für uns alle.

Louise ist in einem widerständigen, antifaschistischen Haus aufgewachsen. Als Mädchen schon strickte sie Socken für das republikanische Spanien und als junge Frau beteiligte sie sich aktiv an Sabotageaktionen gegen die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.

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Frauen* wir sind Klasse! No war but classwar!

8.März Frauen*bündnis Zürich. Wir drucken hier das Mobilisierungsflugblatt zur diesjährigen Demonstration, das die Parole erläutert und in den Kontext des Frauenstreikes stellt. Das 8. März Frauen*bündnis Zürich ist ein revolutionäres Bündnis aus verschiedenen Organisationen, Gruppen und Einzelfrauen.

Der 8. März ist der internationale Kampftag der Frauen*. Seit über 30 Jahren organisieren wir vom Frauen*bündnis Zürich eine antikapitalistische und kämpferische Demonstration zum 8. März in Zürich. Wir verzichten dabei auf die Beteiligung von Männern*, weil wir der Überzeugung sind, dass es im politischen Kampf um Veränderung ausschliesslich von Frauen* getragene Räume und Momente braucht. Deshalb wird die Demonstration von und für Frauen* organisiert.

Frauen* wir sind Klasse!
In unserem Kampf gegen die soziale Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft, gegen die Schere zwischen oben und unten, sehen wir die Unterdrückung der Frau* als zentrales Moment. Das Patriarchat und der Kapitalismus sind seit jeher eng miteinander verschränkt. Der Kapitalismus macht die Frauen* zu Objekten. Im Patriarchat werden Männer bevorzugt behandelt und profitieren von der herrschenden Gesellschaftsordnung. Frauen* werden von patriarchalen Strukturen unterdrückt: Daher bekämpfen wir beispielsweise Sexismus, sexualisierte Gewalt, Rollendruck sowie Lohnungleichheit. Wir beziehen uns in unserem Kampf also auf die Kategorie Frau*, nicht weil wir die gesellschaftliche Zuschreibung so toll finden, sondern weil wir in unserm Alltag immer wieder mit Gewalt, Übergriffen, Vorurteilen, Benachteiligungen und weiteren Zumutungen konfrontiert sind, welche darauf zurückgehen, dass wir als Frauen* gelesen werden. Wir Frauen*, geprägt von verschiedenen Lebensrealitäten und Lebensentwürfen, kämpfen gemeinsam gegen die herrschende Gesellschaftsordnung. Wir verstehen uns dabei als Teil der proletarischen Klasse.
Wir Frauen* sind mit so vielen Erwartungen konfrontiert, die durchaus auch widersprüchlich sind, so dass wir diesen gar nicht entsprechen können und wollen. Jedoch sind wir nicht bereit, dies als Versagen einzelner wahrzunehmen, sondern möchten diese Erfahrungen kollektivieren und gemeinsam dagegen ankämpfen. Es ist nicht das Problem einer Einzelnen, wenn sie den Ansprüchen der Gesellschaft nicht gerecht werden kann, es ist das System dahinter, welches von uns Frauen* so vieles einfordert. Diesen vielen Erwartungen nicht entsprechen zu können, lässt viele Frauen* an sich selbst zweifeln. Das Patriarchat ist darauf angelegt, dass Männer mehr Macht in der Gesellschaft und in den wichtigen Entscheidungen haben als Frauen*. Durch den ständigen Druck der vielen Erwartungen, welche nicht erfüllt werden können und dem damit einhergehenden Gefühl des eigenen Versagens wird die Vormachtstellung von Männern in der Gesellschaft weiter gestärkt. Dagegen wehren wir uns! Wir sind nicht bereit, unsere Leben diesen Erwartungen und dem Druck unterzuordnen und uns mit der Vorherrschaft der Männer abzufinden. Wir kämpfen gemeinsam für die Befreiung von Allen!
Wenn am kommenden 14. Juni Frauen* schweizweit ihre bezahlte und unbezahlte Arbeit niederlegen, stellt dies für uns einen Teil des Klassenkampfes dar. Wir Frauen* in unseren unterschiedlichen Arbeits- und Tätigkeitsfeldern erheben uns kollektiv gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und dagegen, dass die viele unbezahlte Arbeit, welche wir leisten, als selbstverständlich angesehen wird. Haus- und Familienarbeit wird im Kapitalismus seit jeher als minderwertige Arbeit betrachtet. Dies zum einen, weil diese spezifische Arbeit nicht entlohnt wird und der Wert von Arbeit in unserer kapitalistischen Gesellschaft an seine Entlohnung gebunden ist. Zum anderen kann diese Form der Arbeit nicht gleich gut rationalisiert und optimiert werden. Die Veränderung von Arbeitsprozessen, deren Beschleunigung und Gewinnmaximierung ist jedoch für den Kapitalismus und sein Fortbestehen unerlässlich. Die unbezahlt geleistete Arbeit ist ein Ausdruck der mehrfachen Unterdrückung von Frauen* und ein wichtiger Bestandteil des kapitalistischen Systems. Durch die Entwertung der Arbeit und denen, die sie leisten, wird der Kapitalismus und das Patriarchat weiter gestärkt. Hierbei wird die Verschränkung von Patriarchat und Kapitalismus gut sichtbar. Wir wehren uns dagegen, dass unsere bezahlte und unbezahlte Arbeit gesellschaftlich abgewertet wird. Für uns ist klar, dass unsere bezahlte Arbeit genau gleich entlohnt werden muss wie die eines Mannes* und zusätzlich fordern wir, dass unbezahlte und bezahlte Care-Arbeit kollektiviert wird, welche wir Tag für Tag zusätzlich leisten. Wir wollen gemeinsam und kämpferisch für unsere Rechte einstehen und fordern ein gesellschaftliches Umdenken und Handeln ein. Bereits am 8. März legen weltweit viele Frauen* ihre Arbeit nieder. Wir grüssen alle Frauen*, die sich am Frauen*streik beteiligen und freuen uns, Teil eines weltweiten Kampfes zu sein.

No war but classwar!
Imperialistische Kriege wie zum Beispiel den, welcher die Türkei gegen Kurdistan führt, verurteilen wir vehement. Die Türkei mit dem Despoten Erdogan kämpft gegen das revolutionäre und emanzipatorische Projekt in Rojava an. Die Schweiz hat wie so oft ihre dreckigen Hände auch im Spiel und liefert Kriegsmaterialien. Sie profitiert vom Krieg und weist Menschen, die davor flüchten, an der Grenze ab. Die Schweiz ist mit dieser Haltung nicht alleine, auch andere europäische Staaten liefern Waffen und Waffenteile in die Türkei. Krieg bedeutet Gewalt und Leid für die ganze Bevölkerung. Frauen* und Mädchen* sind in Kriegsgebieten zusätzlich immer auch noch einer frauen*spezifischen Gewalt ausgesetzt. Neben den revolutionären Ideen, welche es in Rojava zu verteidigen gilt, stellen wir uns klar gegen die Gewalttaten aller Kriege. Die kurdische Guerilla blickt auf eine lange Geschichte von kämpfenden Frauen* zurück, die Revolution in Rojava wurde auch von Frauen* erkämpft und wird von ihnen mitverteidigt. Wir grüssen alle Frauen*, die weltweit für eine solidarische und emanzipatorische Gesellschaft kämpfen!
Am 8. und 9. März gehen wir in Winterthur und Zürich als Frauen* gemeinsam auf die Strasse, um gegen das Patriarchat, den Kapitalismus und imperialistische Kriege zu protestieren. Wir kämpfen jedoch tagtäglich gegen das bestehende System und laden an allen anderen Tagen im Jahr solidarischen Personen, mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten, dazu ein, diesen Kampf gemeinsam zu führen. Wir stehen für eine solidarische, antikapitalistische und emanzipatorische Gesellschaft ein. Wir solidarisieren uns weltweit mit allen Frauen*, welche für eine revolutionäre Perspektive kämpfen!

Angriffe gegen SexarbeiterInnen sind ein Angriff gegen alle ArbeiterInnen

Frauen-Café Winterthur. Letzten Sommer hat sich die Frauenzentrale im Kino Houdini in der Genossenschaft Kalkbreite im Kreis 4 in Szene gesetzt und ein Verbot des Kaufs von Sex gefordert. Obwohl ihre Kampagne «Stopp Prostitution» heisst, hat die Frauenzentrale kurz nach Kampagnenstart behauptet, sie sei nicht für ein Prostitutionsverbot.

Ginge es nach der Frauenzentrale würden die Freier kriminalisiert. Dies sei ein Wundermittel, was sich neben Schweden auch in Frankreich, Irland und weiteren Ländern zeige. Das so genannte «nordische Modell» sieht vor, dass Sexarbeit als sexuelle Gewalt eingestuft wird. Den SexarbeiterInnen wird ein Betreuungs- und Ausstiegsprogramm angeboten. Die Frauenzentrale macht aus Frauen, die von der Sexarbeit leben, unmündige Opfer, denen mittels Repression und Bevormundung geholfen werden soll. Sie setzt den Verkauf von Sex mit sexueller Gewalt gleich und unterscheidet nicht zwischen Frauenhandel und Sexarbeit. Wer das nicht so sieht – so das Kampagnenvideo – lebe im Mittelalter.
Die Kampagne gegen den Kauf von Sex wendet sich sehr direkt gegen die Lebensgrundlage derer, die mit dem Verkauf von Sex ihr Auskommen finden. Das sind in der grossen Mehrheit Frauen: In Europa sind circa 86 Prozent Frauen, 8 Prozent Männer und 6 Prozent Transmenschen in dem Bereich tätig. Es sind vor allem solche Frauen, die wenig Geld und häufig einen prekären Aufenthaltsstatus haben. Der Kampf gegen die Sexarbeit richtet sich konkret gegen die Frauen der ArbeiterInnenklasse. Vor allem Migrantinnen sind es, die durch die Kriminalisierung weiter an den Rand gedrängt werden.

Kampagnenstart im gesäuberten Kreis vier
Die Wahl des Ortes für den Kampagnenstart spricht für sich: die Geschichte der Kalkbreitegenossenschaft ist Sinnbild der alternativ-angehauchten Gentrifizierung. Der Ort steht auch für die Dynamik der Vertreibung der Armut aus dem Quartier, wenn auch nicht mit Luxuswohnungen wie in der Europaallee. Je mehr gutverdienende Leute Platz in ehemals von den Unterklassen bewohnten Gebieten beanspruchen, desto grösser wird die Repression gegen die bisherigen BewohnerInnen, eben auch gegen Sexarbeit. Die Vertreibung der SexarbeiterInnen aus den zentrumsnahen Kreisen vier und fünf haben eine lange Vorgeschichte, die zusammen mit der Repression gegen Junkies und der Jagd der Polizei auf MigrantInnen im Allgemeinen seit Ende der 1980er Jahren die Säuberungs-Politik der Stadt prägen und vom Aufbau eines riesigen Polizei- und Justizapparats begleitet werden.
Der Verkauf von illegalen Drogen und Sex, aber auch sexuelle Subkulturen, die keine monetären Absichten hegen, sind der Repression im Zuge der Gentrifizierung besonders ausgesetzt. Wohnungen und andere Räume werden massiv teurer, die Strassen und Hinterhöfe militarisiert und für die Oberklassen schön gemacht.
In Zürich wurden die Gebüsche auf der Werdinsel abgeholzt, damit kein Kontakt mit schwulen Sex mehr im öffentlichen Raum ertragen werden muss. Dies ist Ausdruck einer protestantisch geprägten kapitalistischen Verwertungslogik, der der Stadtrat und die Politik den Weg ebnen. Kulturräume gelten dabei als Standortvorteil, aber nur solche, die Geld einbringen und unter Kontrolle sind.
«Erlaubt ist, was nicht stört» hiess schon die Kampagne der SP-Polizeichefin Esther Maurer in den 1990ern. Sex ist in dieser Logik wohl ein Markt, aber einer der stigmatisiert und tabuisiert bleiben soll. Die SexarbeiterInnen sollen möglichst nicht auf der Strasse sichtbar sein, sondern in «Verrichtungsboxen» in weniger schicken Quartieren kein Aufsehen erregen. Sex gehört nach diesem Weltbild ins Schlafzimmer und ins Private, jegliche Darstellung wird als «Sexualisierung» der Gesellschaft problematisiert. Kinder sollen eher davor geschützt, statt aufgeklärt werden. Die Gleichsetzungen von Gewalt und Sex, von Frauenhandel und Sexarbeit werden seit Jahrzehnten propagiert und bieten der christlichen Rechten und einem Teil der Frauenbewegung einen unheimlichen gemeinsamen Nenner.

Bürgerliche Moral und Angst vor den Armen
Die Frauenzentrale, die stark von der FDP und heute von der GLP geprägt ist, kommt aus der Sittlichkeitsbewegung, die schon vor hundert Jahren die Frauen vor der Prostitution bewahren wollte. Das Verbot der «Volksseuche» Sexarbeit zum Schutz der «gefallenen» Frauen, war von Beginn an eines ihrer Ziele. Die Zahlen und Behauptungen auf der Kampagne-Homepage stammen vor allem von der französischen Anti-Sexarbeits-NGO «Fondation Scelles», die einen katholisch-konservativen Hintergrund hat. Das Kampagne-Video wurde von der grossen französischen Werbeagentur Publicis mit schwedischen SchauspielerInnen gedreht. Die in der Sexindustrie arbeitenden Frauen kommen nirgends zu Wort, die Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen werden nicht thematisiert. Es ist eine moralische und bevormundende Sicht auf die Sexarbeit, basierend auf unausgesprochenem Klassendünkel und latentem Rassismus.

Frauenarbeit und -unterdrückung im Kapitalismus
Der Verkauf von Sex scheint Teilen des Bürgertums und der städtischen Mittelklasse undenkbar und unerträglich. Gleichzeitig dürften die zahlungskräftigen Männer dieses Milieus zu den Hauptabnehmern der Sexarbeit gehören, einem bedeutenden Metier mit einem geschätzten Umsatz von einer Miliarde Franken. Eine Genfer Studie schätzt, dass schweizweit zwischen 13000 und 25000 Personen Sexarbeit leisten, davon sind schätzungsweise 75 Prozent MigrantInnen. In Genf soll die Zahl der SexarbeiterInnen zwischen 2004 und 2012 von 800 auf 4100 Personen angestiegen sein. In dieser Zeit wurde das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU erweitert. Viele Frauen aus Rumänien und Bulgarien migrierten deswegen nach Genf.
«Sexarbeit ist Arbeit – für die Rechte von Sexarbeitenden» so heisst die Gegenkampagne von Organisationen wie der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ), die vor allem rechtliche, gesundheitliche und psychische Unterstützungsarbeit für Sexarbeitende leisten. Sie sagen, Sexarbeit ist Arbeit, wenn auch keine Arbeit wie jede andere. Denn aufgrund von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Abwertung der Sexarbeitenden werden sie diskriminiert und sind rechtlich schlecht geschützt. Ein Teil der SexarbeiterInnen wird zwangsweise ausgebeutet und hat diese Arbeit nicht frei gewählt. Dieser Teil ist von Menschenhandel betroffen und muss besser vor der Ausschaffung und Ihren Ausbeutern geschützt werden. Gerade im Asylbereich fehlen notwendige Schutz- und Hilfsstrukturen. Dies ist vor allem der rassistischen Asyl- und Migrationspolitik der Schweiz geschuldet.
Die Gründe, diese Arbeit zu wählen, sind sehr unterschiedlich und können selbstbestimmt sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es auch dann nicht der Traumberuf ist. Dies ist vor allem auf Armut, Geschlechterhierarchien, das Nord-Süd-Gefälle, Diskriminierungen, patriarchale Familienstrukturen und die kapitalistische Gesellschaftsordnung zurückzuführen. Diese herrschenden Strukturen erlauben es nur einem Teil der Bevölkerung, genau die Lohnarbeit auszuüben, die er sich wünscht.
Viele Arbeiten, die einem mit unsicherem Aufenthaltsstatus und ohne gute Ausbildung zur Wahl stehen, sind ausbeuterisch, gefährlich, schmutzig und ungesund. Kaum eine dieser Arbeiten wird so verschrieen wie die Sexarbeit. Im Jahr 2000 beschäftigte circa jeder 17. Haushalt im Kanton Zürich eine illegalisierte Hausarbeiterin. Auch da bestehen grosse Risiken der Ausbeutung und Gewalt. Trotzdem gibt es keine Kampagne die Hausarbeit in Privathaushalten zu verbieten. Auch das Pflücken von Tomaten auf Feldern der Mafia in Süditalien findet unter sehr prekären Bedingungen statt, erhält jedoch kaum Aufmerksamkeit.

Mujeres unidas jamas seran vencidas
Seit Beginn der Kampagne der Frauenzentrale hat sich nur eine Journalistin die Mühe gemacht, die Sexarbeiterinnen selber zu fragen, was sie darüber denken, wenn Freier kriminalisiert würden. Sie sind alle stolz, für sich und ihre Kinder selbständig Geld zu verdienen und ihre Familie unterstützen zu können. Die Arbeit gebe ihnen ökonomische Stabilität und Unabhängigkeit. Sie fürchten sich vor einem Verbot, weil dann der Schutz vor Belästigung und Gewalt wegfiele und es schwieriger würde, Geld zu verdienen. Die meisten würden aber auch dann weiterarbeiten. Eine von ihnen sagt deutlich: «Hört auf, uns zu belehren! Lasst uns einfach unsere Arbeit machen.»
Eine Studie von 2018 aus Frankreich, wo seit 2016 der Kauf von sexuellen Diensten verboten ist, zeigt, dass die Frauen viel weniger verdienen und dass vor allem jene Freier übrig bleiben, die die Frauen schlecht behandeln oder Sex ohne Kondom verlangen. Die Abhängigkeit der Frauen, die Risiken und Ansteckungen haben seither zugenommen, die Repression der Polizei wurde stärker.
Gerade in Zeiten, in denen eine rechtsradikale, christlich-fundamentalistische Lobby (Stichwort: «Agenda Europe») international jegliche sexuelle Selbstbestimmung angreift und die Frauenrechte gezielt bekämpft, stellt sich die Frage, warum eine Frauenorganisation sich ausgerechnet gegen diejenigen Frauen stellt, die gesellschaftlich am schwächsten sind.
Die Entrechtung der SexarbeiterInnen hilft keiner Frau sich zu befreien. Die Gewalt gegen die Frauen nimmt in einer solchen Situation zu und nicht ab.
Die Sexarbeit ist nicht Ursache sondern höchstens Ausdruck einer Ungleichheit. Wer eine Gesellschaft ohne Gewalt an Frauen will, muss die Herrschaftsverhältnisse abschaffen, die die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Familien- und Pflegestrukturen, die Religionen, die Grenzregime, die Kriegsindustrien und die Ausbeutung der rohstoffreichen Ländern hervorbringen.
Aus einem linken, internationalistischen, feministischen Blickwinkel ist ein Verbot der Sexarbeit eine Kampfansage von oben gegen unten und eine weitere Abwertung von Frauen und ihrer Arbeit. Die Vertreibung der Sexarbeit aus den ehemals proletarischen Quartieren ist rassistisch und von Polizeigewalt beherrscht. Der Kampf der SexarbeiterInnen um gute Arbeitsbedingungen, um Selbstbestimmung, um Würde, um ein Ende der Ausgrenzung und für gewerkschaftliche Organisierung muss der Kampf aller ArbeiterInnen sein. Wie heisst unsere Parole 2019 so schön: Frauen*, wir sind Klasse – No War but Classwar!

Unterzeichnet den Appell:
sexarbeit-ist-arbeit.ch
Weitere Informationen:
fiz-info.ch, terre-des-femmes.ch

Sich auf einen feministischen Streik hin bewegen…

Sabine Hunziker. Sechs Millionen Menschen haben am 8. März 2018 im Spanischen Staat teilgenommen. Dieser Streik ist als die grösste von Frauen* organisierte Mobilisierung in die Geschichte Spaniens eingegangen. Die Geschichte eines Streikes, der Vorbild für viele Aktionen im Frauen*streikjahr sein wird.

Bereits einige Frauen sind im Weissen Saal im Volkshaus am Morgen des 12. Januar 2019. Wie jedes Jahr findet hier das alternative Forum «das Andere Davos» statt, das sich als eine Art Gegenpol zu dem in Davos organisierten World Economic Forum (WEF) versteht, wo sich mächtige «Wirtschaftsführer», einflussreiche Politikerinnen* und Verantwortliche von internationalen Institutionen wie IWF, WTO oder EZB treffen. Zwar versuchen die Organisatorinnen* und Teilnehmerinnen* des WEF mit ihrem Anlass alle davon zu überzeugen, dass sie an Lösungen zu ökonomischen und gesellschaftlichen Problemen interessiert sind. Wir allerdings wissen, dass sie als Repräsentantinnen* der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aktiv verantwortlich für Armut und Unterdrückung sind. So hat die Bewegung für den Sozialismus (BFS) auch dieses Jahr wieder eine Auswahl an Themen in Form von Vorträgen oder Workshops zusammengestellt und Rednerinnen* eingeladen. Auch zum Frauen*streik am 8. März 2018 im Spanischen Staat wurde informiert: Eingeladen war Julia Cámara, Mitglied der nationalen Koordination des Frauen*streiks 2018 und feministische Aktivistin von Anticapitalistas.

Vorbild für viele Frauen*kollektive
Am internationalen Frauen*kampftag 2018 sind in vielen Ländern Frauen* auf die Strasse gegangen. Mit dem Streik wollten die Teilnehmerinnen* unter anderem auf patriarchale Unterdrückung, Diskriminierung am Arbeitsplatz und sexualisierte Gewalt aufmerksam machen und dagegen protestieren. Im Spanischen Staat haben 6 Millionen Menschen an diesem Tag unter dem Motto «Wenn wir streiken, steht die Welt still» ein Zeichen gesetzt. Dieser Streik ist als die grösste von Frauen* organisierte Mobilisierung in die Geschichte Spaniens eingegangen und Vorbild für viele Frauenkollektive geworden. Das Ziel, während einer bestimmten Zeit die von Frauen* verrichtete Arbeit niederzulegen und so auf die doppelte Belastung aller Frauen aufmerksam zu machen, wurde erreicht. Frauen* machen oft Lohn- sowie Hausarbeit und erhalten dabei keine, respektive eine andere Entlohnung als Männer. Mit dem Frauen*kampftag wollen Teilnehmer*innen nicht nur auf Themen aufmerksam machen und protestieren, sondern auch die Vernetzung von Frauen* fördern, damit der Kampf eine Kontinuität erhalten kann. Im «Manifest des 8. März», das zu diesem Anlass verfasst wurde, sind vier Ebenen skizziert: Arbeiterinnen*streik, Studentinnen*streik, Konsumstreik und Care-Streik. Ziel dieses Workshops im Volkshaus war nicht nur die Information rund um die Aktion durch Cámara, sondern auch die Analyse davon. Weshalb waren die Aktivist*innen so erfolgreich? Welche Lehren für ähnliche Mobilisierungen können daraus gezogen werden? Arbeitsorte der Arbeiterinnen* und Studentinnen* werden auch in anderen Ländern bestreikt. Die betriebliche Niederlegung der Arbeit wie auch Demonstrationen in Institutionen allgemein oder Unterrichtsboykott in Bildungsinstitutionen sind Kernbereiche der Frauen*streiks. Streiks rund um den Konsum sollen darauf aufmerksam machen, welche Rollen Frauen* in Medien und Konsumwelt spielen. Oft werden Frauen* hier auf ihren Körper reduziert, idealisierte Frauenbilder dargestellt und bestimmte Rollen reproduziert. Zum Care-Begriff wird in der aktuellen Frauen*bewegung gearbeitet. Es finden Diskussionen dazu statt, wie sich die Sorge-Arbeiterinnen vernetzen können oder in welcher Form man diese Arbeit bestreiken, respektive in politische Aktionen einbetten kann. Reproduktionsarbeit sichtbar zu machen und zu Forderungen dazu zu kämpfen, sind noch immer Herausforderungen.

Eigene Proteste ins Leben rufen
Seit den 1990er Jahren haben wir verzweifelt auf eine Veränderung gewartet, so beginnt Julia Cámara mit ihren Erinnerungen. Kämpfe in Argentinien wie auch in Irland rüttelten auf und machten Lust, sich an diesen internationalen Kämpfen aktiv zu beteiligen. So beschlossen Frauen* am 8. März einen eigenen Protest mit Forderungen ins Leben zu rufen. Wir wollten auch mitmachen. Inspirieren liessen wir uns vom internationalen Kontext, so Julia Cámara. So wurde eine Koordination aufgebaut und in Diskussionsrunden darüber gesprochen, was Sachlage war. Das erste Treffen fand im Sommer 2017 statt, bei dem sich über 150 Frauen* trafen, um über eine mögliche Aktion zu sprechen. Ein Beschluss fiel, bei dem man sich auf einen Streik hinbewegen wollte – auf einen feministischen Streik hin. Doch welcher Art sollte der er sein? Themenbereiche wie Arbeiterinnen*, Studentinnen*, Konsum oder Care-Arbeit waren schnell gefunden. Klar war aber auch, dass der 8M-Streik (für 8. März) aus Respekt zu Katalonien und dem Baskenland keine nationale Aktion sein würde. Verschiedene Versammlungen und eine genauere Planung erfolgten sowohl in Städten und Dörfern. Beim zweiten Treffen waren schon ca. 550 Frauen* mit dabei. Mitunter gab es auch ein Manifest zum feministischen Streik, der auf 4 Ebenen stattfinden würde. Die grösste Herausforderung – so Julia Cámara – war die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Denn im Spanischen Staat ist ein Streik nur legal, wenn anerkannte Gewerkschaften dazu aufrufen. Nur basisnahe Gewerkschaften wie die CNT (Konföderation anarchosyndikalistischer Gewerkschaften in Spanien) halfen mit, einen Generalstreik zu tragen. Grosse Gewerkschaften wie beispielsweise die UGT (Unión General de Trabajadores) machten einen Rückzieher und riefen schlussendlich nur für einen Teilstreik von einigen Stunden auf.

Streik für unbezahlte Arbeit?
Menschen, die unbezahlt in einem Haushalt arbeiten, haben sich zuvor wohl noch nie an einem Generalstreik beteiligt. Das Fazit der Diskussionen in den Organisationskollektiven war, dass ein feministischer Streik mehr als ein Frauen*streik ist und dass diese Art von Streik viel weiter geht als ein Generalstreik. Der klassische Streik kommt schnell an Grenzen, weil bestimmte Menschen keinen Gebrauch machen können vom Streikrecht. Mit Generalstreiks kann nur wenig auf die Bedürfnisse von Frauen*, die beispielsweise unbezahlte Arbeit machen, eingegangen werden. Es stellte sich die Frage, wie es möglich ist, alle Frauen* in diesen feministischen Streik einzubeziehen. Mit der Pflege- und Sorgearbeit kommen andere Orte in Frage als traditionelle Streikorte im Betrieb. Es würde nicht zu einer klassischen Niederlegung der Arbeit kommen. Frauen* ohne Arbeitsvertrag oder mit einer Arbeit unter schwierigen Bedingungen können sich kurz oder lange am Streik beteiligen oder auch nur symbolisch darauf hinweisen. Es soll ein Bewusstsein geschaffen werden für Missstände ausserhalb der klassischen Streikthemen. In Arbeitsgruppen innerhalb der Streikorganisation wurden spezifische Themen detailliert bearbeitet. Zur Vernetzung und zum Erreichen möglichst vieler Frauen* wurden Treffpunkte im Quartier besucht, mit Mitgliedern gesprochen oder dort Versammlungen mit Essen und Musik organisiert. Um auch die Landbevölkerung zu erreichen, sind Aktivistinnen* mit Autos von Dorf zu Dorf gefahren – haben informiert und mobilisiert. In Spanien gibt es viele Dörfer, die nur wenig mit den Städten verbunden sind. Somit wurde der Streik mit Autos in die Dörfer getragen, so Julia Cámara. Hier funktionierte alles nach dem Motto: Wenn du nicht an den Streik (in den Städten) gehen kannst, kommt der Streik zu dir. In Gesprächen kam heraus, dass viele Frauen häusliche Arbeit zwar an diesem Tag bestreiken wollten, sich aber erst mit ihrem Mann dazu besprechen mussten. Julia Cámara sagte, dass sich hier erst noch das Bewusstsein durchsetzen musste, dass es sich bei den Forderungen des feministischen Streiks schlussendlich um eine Aufnahme und Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme handelt, die alle betreffen.

Feminismus als historische Verantwortung
Durchsetzen musste sich hier das Bewusstsein: Wir sind unsere eigenen Vorgesetzten und wir lösen Probleme gemeinsam. Je weiter die Streikvorbereitungen vorwärts gingen, desto mehr begannen sich auch einige Männer zu organisieren und die Arbeit aufzuteilen. Männer haben sich auch am 8. März 2018 um die Kinder gekümmert, gekocht und Reinigungsarbeiten geleistet. Die grosse Mobilisierung mit 6 Millionen Menschen in Dörfern und Städten am 8. März 2018 im Spanischen Staat zeigte, dass Feminismus heute, anders als vielleicht früher, «etwas Stärkeres ist» – eine historische Verantwortung. Neben vielen Beispielen von Kämpfen in der Vergangenheit die ein starkes Fundament bieten, gibt es heute eine grosse länderübergreifende Solidarität mit Mobilisierungskampagnen auf internationaler Ebene. Veränderungen auf globaler Ebene sind passiert und es ist den Aktivistinnen* gelungen, Risse im herrschenden System zu schaffen. Wichtig war bei den Kämpfen im Spanischen Staat, dass die Bewegung hier möglichst autonom bleibt. Wer für die Bewegung spricht, darf nicht aktiv resp. eine wichtige Person in einer Partei oder Gewerkschaft sein. Spenden und Unterstützung sind willkommen, jedoch werden keine Namen der Gönnerinnen* veröffentlicht. Wichtig war auch das Wegkommen von der Idee vom «individuellen Empowerment», bei dem einzelne Frauen* sich ermächtigen sollen – auch auf Kosten von anderen Frauen*.
So wird beispielsweise eine Frau, die Karriere machen will, eine andere Frau bezahlen, die möglichst kostengünstig bei ihr im Haushalt arbeitet. Die Situation aller soll verbessert und die Sorgearbeit auf die Gesellschaft verteilt werden. Was können wir lernen für weitere Kämpfe im Jahr 2019? Es ist schwierig, alle Frauen* für einen feministischen Streik erreichen zu können, da es kein typisches Profil gibt für eine Frau*. Wichtig werden hier Allianzen mit unterschiedlichen Frauen*kollektiven wie Migrantinnen*kollektive, Nachbarschaftsgruppen oder Vereinigungen von Müttern und Vätern. Nicht alle fühlen sich angesprochen durch einen Aufruf zum Streik. Aktivistinnen* in Spanien haben aktiv Treffpunkte von Frauen* aufgesucht, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie haben nicht gewartet, bis die Betroffenen zu Kollektiven dazu gestossen sind.

«Wir sind für alles bereit»

Frauenstruktur des Revolutionären Aufbaus Zürich. In Rojava ist, anders als in den bürgerlichen Nationalstaaten, die Sicherheit und Selbstverteidigung die Aufgabe aller. Während hier die Herrschaftsstrukturen im Inneren von Polizeikräften gesichert werden, ist es in Rojava das Ziel, dass sich die Gesellschaft selbst verteidigt. Jede und jeder, egal wie alt, schaut für die Sicherheit in ihrem Umfeld.

Anfang Januar 2019 haben wir mit zwei Vertreterinnen der HPC Jin (Hêzen Parastina Cewherî Jin), den Frauenselbstverteidigungskräften der Kommunen in Derik Rojava, Syrien, gesprochen. Bei der revolutionären Mobilmachung gegen den drohenden Krieg

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