Die Asylfrage in der CH

asylInfo und Diskussionsabend in Zürich mit Moreno Casasola, politischer Sekretär und Geschäftsführer von «Solidarité sans frontières».

Dienstag, 5. Februar 2013, 19.30 Uhr
Volkshaus Zürich, Grüner Saal
Stauffacherstrasse 60, 8004  (Haltestelle Helvetiaplatz)
 

Am 17. Januar wurden über 63’000 Unterschriften gegen die Verschärfungen im Asylwesen eingereicht. Das Referendum ist somit zustande gekommen. Wir  befinden uns daher praktisch im Abstimmungskampf, auch wenn die Abstimmung «erst» im Juni stattfinden wird.

Trotz erfolgreichem Referendum gehen die Verschärfungen weiter: Die so genannte zweite «Vorlage 1» ist genauso unannehmbar wie die Vorlage zu den dringlichen Massnahmen. Sie verschärft das Asylrecht in wesentlichen Punkten, wie zum Beispiel über die Einschränkung der Redefreiheit für Asylsuchende und deren UnterstützerInnen sowie durch die Ausweitung des Nothilferegimes für  Asylsuchende.

Moreno Casasola wird uns einen Überblick in der «Asylfrage in der CH» geben.  In der Diskussion soll auch die Frage des Widerstands gegen die Verschärfungen ein Thema sein – nicht zuletzt wegen der bevorstehenden  Abstimmung.

Eine Veranstaltung der Partei der Arbeit Zürich

 

«Streiken heisst, menschlich sein»

 03_Solidemo Providence_kleinAm Samstag, den 26. Januar 2013 fand in Neuchâtel eine Solidaritätsdemonstration mit den Streikenden von «La Providence» statt. Die Beteiligung war mit über 500 Personen breit. Wir veröffentlichen  hier die Rede von Christelle Haussener ab, Pflegerin und Mitinitiantin des Streikes.

Streikende sein oder nicht? Zu streiken bedeutet nicht, unehrliche und unbewusste Menschen zu sein, wie uns vorgeworfen wird; Randalierer zu sein, wie sich einige vorstellen, die Securitas vor unserem Streikposten stellen; kleine AktivistInnen zu sein, die nichts besseres zu tun haben, als zu streiken; gegenüber den Widrigkeiten resigniert zu sein.

Im Gegenteil! Zu streiken bedeutet vielmehr: menschliche und berufliche Fähigkeiten zu haben, die uns erlauben, eine kritische Meinung zu bilden; sich zu entscheiden – nach der Verweigerung von Verhandlungen und dem Scheitern der Schlichtung und trotz eisiger Kälte – weiterhin unsere Überzeugungen zu verteidigen; unseren Mut zu beweisen und unsere Ängste zu überwinden, wie Nelson Mandela sagte: «Mutig zu sein heisst nicht, keine Angst zu haben, sondern die Fähigkeit zu haben, sie zu besiegen»; Zeugen zu sein der vorherrschenden Unehrlichkeit, die uns aber immer mehr überzeugt, in ein Wespennest gestochen zu haben; jederzeit bereit zu sein, wieder aufzustehen, auch wenn die Behörden zwei Mal unseren Streikposten geräumt haben; die Gewissheit haben, dass unser Kampf und unsere Forderungen richtig und legitim sind, gerade weil die Bewegung sowohl die Politik, wie auch unser Unternehmen stört; uns ein Wissen angeeignet zu haben in diesem Krankenhaus- und Gesundheitsdossier, gerade auch aufgrund der politischen Auseinandersetzungen, unseren Aktionen und so weiter.; zu lernen, unter den Streikenden Kompromisse einzugehen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen – die Gewerkschaften unterstützen uns nur in unseren Entscheidungen und Aktionen; eine schöne Solidarität unter uns zu entdecken, die das Personal jeglicher Art vereint: PflegeassistentIn, SekretärIn, SozialarbeiterIn, PhysiotherapeutIn, KrankenpflegerIn …!

Und ich beharre auf der Tatsache, dass wir uns um alle Kranken sorgen, um alle PatientInnen: Das verstehen wir als wahre öffentliche Gesundheit! Übrigens und noch einmal mit Nelson Mandela: «Wir sollten ein Land nicht nach der Art, wie es die Reichsten, sondern nach der Art, wie es die Ärmsten behandelt, beurteilen».
Genau das verteidigen wir mit unserer Bewegung: Wir verteidigen unsere Errungenschaften und wiederholen die Forderungen nach dem Erhalt des GAV «Santé 21», dem Erhalt aller Arbeitsplätze, ohne die Auslagerung von Dienstleistungen.

 

JA zur Qualitätspflege für die ganze Bevölkerung! 
NEIN zur Zweiklassenmedizin.
Danke für eure Unterstützung!

Kapital gegen Kapital

MinderIn der «Abzockerinitiative» geht es vor allem um die Umverteilung von Geld innerhalb des Kapitals. Die hoch moralische Debatte legt einige Befindlichkeiten der gutschweizerischen Seele offen. Dass es für die ArbeiterInnen dabei um gar nichts geht, tut der weit verbreiteten Empörung keinen Abbruch.

Aus der Printausgabe des vorwärts, die am 2. Februar erscheint. Unterstützte uns mit einem Abo.

Derzeit füllt die «Abzockerinitiative» die Zeitungsspalten der Schweizer Medien und sorgt mancherorts für hitzige Diskussionen. Nach aktuellen Umfragen würde die Initiative am 3. März von rund 54 Prozent der Schweizer WählerInnen angenommen. Managerschelte und Abzockerkritik sind Disziplinen, die sich seit Jahren von weit links bis nach ganz rechts grosser Beliebtheit erfreuen. Entsprechend wird die Intiative von einem breiten Bündnis getragen, das von den Grünen über die Sozialdemokratie bis zu Teilen der Schweizerischen Volkspartei reicht und auch Kleinparteien am linken und rechten Rand umfasst.

Die Initiative verbietet goldene Fallschirme für ManagerInnen. Zudem sollen «zum Schutz der Volkswirtschaft, des Privateigentums und der Aktionärinnen und Aktionäre» die FirmeneigentümerInnen von kotierten Schweizer Aktiengesellschaften über die Gesamtsumme aller Entschädigungen abstimmen können. Sie legen nicht die Gehälter der ManagerInnen fest, aber sie können die zu verteilende Gesamthöhe der Vergütungen bestimmen. Das ist der Pudel Kern. Vor allem die grossen AktionärInnen werden auf Kosten der ManagerInnen gestärkt. KapitalbesitzerInnen auf Kosten jener, die über das Kapital Verfügungsgewalt haben (auch wenn es da Überschneidungen gibt). Kapital gegen Kapital. Es wäre albern, wenn man den vor allem rechts zu verortenden IntiantInnen vorwerfen würde, sie würden damit am Kapitalverhältnis gar nichts ändern. Das haben sie nie vorgehabt. Den Linken kann man das vorwerfen, auch wenn die Revolution für die meisten nur noch ein Schreckgespenst ist. Die «Abzockerinitiative» ist für sie eine von rechts aufgegleiste Ersatzhandlung für eine tatsächliche radikale Veränderung der gesellschaftlichen Umstände.

Guter Patron gegen Abzocker

Der Vater der Initiative ist der Saubermann Thomas Minder. Minder leitet die Trybol AG in Schaffhausen, die mit der Produktion von kosmetischen Produkten einen Umsatz von rund 5 Millionen Franken im Jahr macht. Der Kleinunternehmer vertritt gutbürgerliche Werte: schlanker Staat, mehr Polizeipräsenz zum Schutze der BürgerInnen und des Privateigentums, resolutes Vorgehen gegen Sozialmissbrauch und rasche Ausschaffung sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge. Keine Wunder, dass der Parteilose im Parlament in der SVP-Fraktion politisiert. Minder stellt für die aufgebrachte Öffentlichkeit geradezu das schweizerische Gegenstück zum wurzellosen und gierigen Manager dar. Ein Mann, der Gewicht auf die Marke «Schweiz» legt und in seinem KMU Werte und Waren produziert. Da passt es ganz gut, dass das Initiativkomitee den ManagerInnen vorwirft, dass ihre «Vergütungen in keinem Verhältnis zur individuellen Leistung» stehe und dass sie durch eine «persönliche Gier (…) nach noch mehr Geld und Macht» getrieben würden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – wie etwa an die antisemitisch konnotierte Gegenüberstellung von «raffendem» und «schaffendem» Kapital. Man muss allerdings nicht gleich mit Nazivergleichen hantieren, um die Initiative zu kritisieren, dazu reicht ein Blick auf Zustand und Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft.

Leistung und Verzicht

Leistung als Grundlage für eine entsprechende Vergütung ist ein Basisideologem der bürgerlichen Gesellschaft. Bloss wer etwas leistet, soll dafür auch gerecht entlohnt werden. Dass es dabei immer VerliererInnen geben muss und Menschen, die sich noch so anstrengen können, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen, ist dem bürgerlichen Bewusstsein weitgehend egal. Das Leistungsmass abstrahiert von der Verschiedenheit der Menschen, die in der bürgerlichen Gesellschaft vor Gesetz und Markt alle abstrakt gleich gemacht werden. Zudem verschwindet hinter einem ideologischen Schleier, dass die ArbeiterInnen den gesamten Wert schaffen, der an die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen verteilt wird. Die Gier nach noch mehr Geld spiegelt im Endeffekt nichts weiter als den Zwang des Kapitals, aus Geld mehr Geld zu machen. Das ist es, was ManagerInnen, AktionärInnen und Kleinunternehmer Minder teilen: Sie sind als Personifikationen des Kapitals interessiert, aber auch durch die  Konkurrenz gezwungen, ihre Unternehmen Profitabel zu führen und aus Geld mehr Geld zu machen. Dass sich der Unternehmer als Profit, der Aktionär als Dividende und Wertsteigerung und der Manager als Boni einen Teil dieser Geldvermehrung aneignen, gehört zum Geschäft, es widerspricht aber tendenziell dem Heisshunger des Kapitals nach mehr Kapital ohne welches die Wirtschaft nicht funktioniert. Deshalb steht es auch unter Verdacht und ist bei guten BürgerInnen und ihren VordenkerInnen verrufen. Verzicht für alle im Namen des nationalen Standorts.

 

Alles beim Alten

Aus Sicht der Proletarisierten lässt sich sagen: Alles bleibt beim Alten. Oben wird ein wenig hin und hergeschoben. Aber letztlich gilt immer noch der unumstössliche Imperativ des Kapitals: Geldvermehren bei Strafe des Untergangs. Firmenpleiten, Fusionen und Massenentlassungen wird es mit oder ohne die Initiative in Zeiten der Krise ohnehin geben. Und die Ausbeutung der ArbeiterInnen – der Zwang einen Mehrwert über die ihnen als Lohn ausbezahlte Summe zu produzieren – bleibt nach wie vor die Grundlage des Geschäfts, ob sich nun die AktienbesitzerInnen oder ihre ManagerInnen mehr bereichern. Deshalb eine Wahlempfehlung: Bleibt zu Hause und geniesst euren freien Tag.

Ein starkes Zeichen!

einreichungReferendum gegen die dringlichen Verschärfungen des Asylgesetzes mit 63’224 Stimmen eingereicht!

Das Referendumskomitee zeigt sich äusserst erfreut darüber, dass das Referendum gegen die dringlichen Verschärfungen des Asylgesetzes mit 63 224 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen ist und am Freitag 17. Januar eingereicht wurde. Aufgrund der schwierigen Ausgangslage ist das klare Zustandekommen umso erfreulicher und zeigt klar und deutlich auf, dass ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung bereit ist, für eine solidarische Migrationspolitik einzustehen, die die Menschenrechte in den Vordergrund stellt.

Der Erfolg des Referendums ist eine deutliche Kritik an Bundesrat und Parlament, deren Politik die fortlaufende Demontierung des Asylrechts vorantreibt und die systematische Kriminalisierung von Asylsuchenden und Flüchtlingen fördert. Die Zerstückelung einer ursprünglich ganzheitlichen Asylgesetzrevision in mehrere Vorlagen verstärkt diesen Prozess zudem – zu Lasten der Betroffenen.

Vorlage1, Vorlage 2, Vorlage 3… Die Zerstückelung bedroht die demokratische Debatte!
Am 14. Dezember 2012 hat das Parlament die Vorlage 1 zur Asylgesetzrevision verabschiedet, von welcher die dringlichen Massnahmen im September abgespalten wurden. Diese «zweite» Vorlage 1 ist genauso unannehmbar wie die Vorlage zu den dringlichen Massnahmen. Sie verschärft das Asylrecht in wesentlichen Punkten, wie z.B. über die Einschränkung der Redefreiheit für Asylsuchende und deren UnterstützerInnen oder aber auch via der Ausweitung des Nothilferegimes für «renitente» Asylsuchende. Die Gesamtheit der Verschärfungen zielt wiederum auf die elementarsten Rechte von Asylsuchenden ab und führt zu einem Abbau von Schutz und Rechten der Asylsuchenden gleichermassen. Die Vorlage ist von einer irrgeleiteten Missbrauchsdebatte geprägt, die dazu führt, dass fast jede asylsuchende Person in den Augen der Bevölkerung als potentiell kriminell wahrgenommen wird. Dies hat mit der Realität nichts zu tun.

Der zwanghafte anmutende Revisionsdrang im Asylbereich durch Bundesrat und Parlament bringt zudem demokratische Defizite mit sich. Die Verwurstelung von zwei zeitgleichen Revisionen und einer Dritten in Beratung vernebelt die Debatte und strapaziert die effektive Wahrnehmung der direktdemokratischen Rechte aufs Äusserste. Das Referendumskomitee verfügt deshalb aktuell nicht über die effektiven Ressourcen, ein zweites Referendum gegen die Vorlage 1 zu lancieren. Wir kritisieren indes die Stille, in welcher diese Vorlage in Absenz jeglichen Widerstandes der dazu prädestinierten politischen Kräfte verabschiedet wurde.

Das Referendumskomitee stellt sich entschieden gegen jegliche Verschärfungen des Asylgesetzes und versteht das Referendum deshalb als Widerstand gegen die Inhalte beider Vorlagen. Wir bauen im Abstimmungskampf auf die gezeigte Solidarität der Bevölkerung und ein klares Votum aller progressiven politischen Kräfte, indem sie sich dieser Haltung anschliessen. Es braucht eine deutliche Ablehnung gegenüber der kontinuierlichen Verletzung von Grundrechten im Asyl- und Migrationsbereich.

Wir sagen Nein zur Demontage des Asylrechts, nein zur Politik der Lager, nein zur Zerstückelung der Volksrechte sowie nein zur Fremdenfeindlichkeit und Kriminalisierung von Asylsuchenden.

Anti WEF!

nowefDie Mächtigen dieser Welt treffen sich vom 23. Bis 27. Januar erneut in Davos. Mit der Hauptparole «resilient dynamism» propagieren sie die Widerstandsfähigkeit des Systems und seiner Akteure gegen all die zu erwartenden Schocks und Katastrophen, eine Widerstandsfähigkeit, welche die Konterrevolution braucht, wie die kriegerische Neuaufteilung der Einflusssphären und die Verschärfung der Ausbeutung weltweit. So kommen die Gastgeber wie die Gäste auch aus allen möglichen Bereichen von Politik und Wirtschaft und illustrieren damit die Einheit von Kapital und Staat: Sei es der «Co-Chair» Axel Weber, Verwaltungsratspräsident der UBS und ehemaliger Präsident der deutschen Bundesbank. War er damals Speerspitze der Austeritätspolitik gegen die südlichen Euro-Länder, ist er heute verantwortlich für die Entlassung von 10?000 Bankangestellten weltweit. Oder sei es der kolumbianischen Präsidenten Santos, verantwortlich für die Ermordung des FARC-Genossen Raúl Reyes in Ecuador 2008. Zur weiteren illustren Gästeschar gehört der neue Weltbank-Präsident Jim Yong Kim, wie auch der kasachische Präsident Nursultan Nazarbajew, Diktator und Herrscher über die landeseigenen Erdgasfelder.

Anti-WEF-Programm in Zürich: Alle Veranstaltungen finden in der BINZ, Uetlibergstrasse 111 in Zürich, statt.

Das WEF und die Krise des Kapitalismus; Freitag, 18. Januar, 19.00 Uhr
Ein Spiegelbild des maroden, perspektivenlosen Zustands des Kapitalismus und damit umso attraktiver für uns! Vom WEF nach Südeuropa und zurück. Veranstaltung mit zwei Gästen aus dem griechischen Widerstand.
 
Stadtentwicklung; Samstag, 19. Januar, 15.00 Uhr
WEF und Stadtentwicklung BINZ bleibt BINZ! Von der aktuellen Situation bis zur Räumung. Verbindung zwischen WEF, Kapitalexport und der Stadtentwicklung am Beispiel der Übernahme von Steiner durch indischen Immobilieninvestor.
 
Repression. Angriff und Schutz; Samstag, 19. Januar, 18.00 Uhr
Zwischen Aussageverweigerung, Strafbefehlen und abgekürzten Verfahren: Ein Widerspruch? Was tun? Spiess umdrehen! Diskussion mit Anwalt Marcel Bosonet und Betroffenen. Tipps und Tricks zur Repression auf der Strasse.
 
Häuserkampf; Samstag, 19. Januar, 20.30 Uhr
Als 1987 in Kopenhagen ein besetztes Haus geräumt werden soll, kämpfen die BewohnerInnen neun Tage lang dagegen.

«Ein Massaker, als wäre es ein Krieg»

lampe-sos«Ich bin die neue Bürgermeisterin von Lampedusa. Ich wurde im Mai 2012 gewählt, und bis zum 3. November wurden mir bereits 21 Leichen von Menschen übergeben, die ertrunken sind…, weil sie versuchten, Lampedusa zu erreichen.

Das ist für mich unerträglich und für unsere Insel ein grosser Schmerz. Wir mussten andere Bürgermeister der Provinz um Hilfe bitten, um die letzten elf Leichen würdevoll zu bestatten. Wir hatten keine Gräber mehr zur Verfügung. Wir werden neue schaffen, aber jetzt frage ich: Wie gross muss der Friedhof auf meiner Insel noch werden? Ich bin über die Gleichgültigkeit entrüstet, die alle angesteckt zu haben scheint; mich regt das Schweigen von Europa auf, das gerade den Friedensnobelpreis erhalten hat, und nichts sagt, obwohl es hier ein Massaker gibt, bei dem Menschen sterben, als sei es ein Krieg.

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass die europäische Einwanderungspolitik diese Menschenopfer in Kauf nimmt, um die Migrationsflüsse einzudämmen. Vielleicht betrachtet sie sie sogar als Abschreckung. Aber wenn für diese Menschen die Reise auf den Kähnen den letzten Funken Hoffnung bedeutet, dann meine ich, dass ihr Tod für Europa eine Schande ist.
Wenn Europa aber so tut, als seien dies nur unsere Toten, dann möchte ich für jeden Ertrunkenen, der mir übergeben wird, ein offizielles Beileidstelegramm erhalten. So als hätte er eine weisse Haut, als sei es unser Sohn, der in den Ferien ertrunken ist.»

Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa.

 

Raubzug stoppen

sgbAm 7. Januar fand in Bern die Jahresmedienkonferenz des SGB statt.

Die Mindestlohn-Initiative wird in die parlamentarische Beratung gelangen. Sie verlangt einen gesetzlichen Mindestlohn von monatlich 4‘000 Franken für eine Vollzeitstelle sowie die Förderung von GAV durch den Bund. Ein solcher Mindestlohn ist bitter nötig: Rund 430‘000 Arbeitnehmende erhalten für einen Vollzeitjob nur einen sogenannten Tieflohn von weniger als 4‘000 Franken pro Monat. 140‘000 Menschen davon verdienen so wenig, obwohl sie über einen Lehrabschluss verfügen. Damit wird das Versprechen nicht eingelöst, dass Menschen mit Lehre von ihrem Lohn leben und eine Familie gründen können müssen.

Während Beschäftigte mit einer Lehre zwischen 2002 bis 2010 einen sinkenden Reallohn hinnehmen mussten, stiegen die Reallöhne der Kader um mehr als 12 Prozent. Und auch die Aktionäre konnten in den letzten Jahren von Milliarden-Steuergeschenken profitieren. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 4‘000 Franken sorgt damit für etwas mehr Lohngerechtigkeit, wie SGB-Präsident Paul Rechsteiner vor den Medien ausführte.

Raubzüge auf die AHV-Kasse stoppen

In der Debatte über die Altersvorsorge wird der SGB alle Versuche bekämpfen, die erste Säule schlecht zu reden und zu schwächen. Es geht nicht an, dass der AHV Geld vorenthalten wird, das ihr zusteht. Heute fliessen die Erträge der Tabak- und Alkoholsteuer in die Bundeskasse, statt in die AHV. Dort werden sie mit dem Bundesbeitrag an die AHV verrechnet. Der AHV entgehen so allein 2,5 Mrd. Franken. Insgesamt stünden der AHV jährlich 3 Mrd. Franken mehr zu als ihr heute zufliessen, wie SGB-Chefökonom Daniel Lampart aufzeigte. Stattdessen werden mit dem Geld Steuersenkungen für die Oberschicht und die Unternehmen finanziert. Hier besteht Korrekturbedarf.

Kompensiert werden müssen auch die 300 bis 400 Mio. Franken Einnahmeausfälle, die bei der AHV wegen der Unternehmenssteuerreform II anfallen, da sich Firmenbesitzer heute lieber AHV-freie Dividenden statt AHV-pflichtige Löhne auszahlen. Zudem muss das Parlament den Plan des Bundesrats zurückweisen, die Schulden der IV gegenüber der AHV nur noch mit einem statt zwei Prozent zu verzinsen (Einnahmeausfall für die AHV: 150 Millionen).

„Die Kreise, die sich angeblich um die Finanzen der AHV sorgen, täten besser daran, die AHV vor den Raubzügen zu schützen, denen sie seit Jahr und Tag ausgesetzt ist“, sagte Paul Rechsteiner. Ob die AHV genug Geld hat um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, ist in erster Linie eine Frage des politischen Willens. Als eines der reichsten Länder der Welt hat die Schweiz die dazu nötigen Ressourcen.

Bessere Renten dank AHVplus

Statt eines Abbaus braucht es bei der AHV vielmehr einen Ausbau. Höhere AHV-Renten sind dringend nötig, da heute viele Menschen im Alter ihr „gewohntes Leben“ nicht mehr „angemessen“ weiterführen können, wie es in der Verfassung vorgeschrieben ist. Die AHV ist die effizienteste und stabilste Säule der Altersvorsorge, wie die für die Sozialpolitik zuständige SGB-Zentralsekretärin Doris Bianchi ausführte. Deshalb will der SGB die AHV ausbauen. Dazu startet der SGB im Frühling die Volksinitiative AHVplus. Ziel ist es, auf den AHV-Renten einen Zuschlag von 10 Prozent zu gewähren.

Quelle, weitere Infos und Redebeiträge unter www.sgb.ch

Von Hollywood nach Pankow

07_eisler_2Der musikszenische Abend zu Hanns Eisler verknüpft Briefmaterial mit Liedern, in dem über die Persönlichkeit Eislers hinaus die Geschichte des 20.Jahrhunderts erfahrbar wird. Ab Mitte Januar im Cabaret Voltaire in Zürich.

Hanns Eisler gilt als Protagonist politisch engagierter Musik im 20. Jahrhundert, als Komponist, der seine sozialistische Position auch in zahlreichen Aufsätzen und Manifesten äusserte. Über den privaten Hanns Eisler war bis vor kurzem wenig bekannt. Nun ist der erste Band seiner Briefe erschienen. Drei weitere Bände mit insgesamt über 1 500 Briefen sind in Vorbereitung und stehen für dieses Projekt als Material erstmals und exklusiv zur Verfügung. Darin lernen wir Eisler von einer ganz anderen Seite kennen: als äusserst spontanen, ebenso liebevollen wie in seinen Depressionen obsessiven Menschen. Vor den Nazis in die USA geflüchtet, schreibt er in Hollywood fast täglich einen Brief an seine Frau Lou, die vorerst in New York geblieben ist. Zurück in Berlin ist es seine spätere Frau Steffy in Wien, die er mit Liebesbriefen umwirbt. Die scharfsinnige Analyse der gesellschaftlichen Zustände findet sich auch in den Briefen, sie ist jedoch in Beziehung gesetzt zur eigenen Befindlichkeit. Die Kluft zwischen den eigenen Idealen und der rauen Wirklichkeit, sei es die der Kulturindustrie Hollywoods oder die der Funktionärskultur der DDR, trieb Eisler immer wieder in eine Verzweiflung, die sich in seinen Briefen ungefiltert mitteilt.

Das Private ist politisch

Eisler war dreimal verheiratet. Seine Frauen haben auf ganz verschiedene Weise sein Werk und sein Leben geprägt. Die erste Frau, Charlotte geboren Demant, war Sängerin und gehörte zum Schönberg-Kreis; musikalisch stand sie ihm am nächsten. Steffy, zwei Jahrzehnte jünger und musikalisch wie politisch hoch sensibel, half ihm durch die letzte Lebensphase. Jedoch die Wichtigkeit von Lou dürfte sich sogar mit der von Brecht und Schönberg messen lassen. Mit Lou war Eisler während des gesamten Exils zusammen. Sie löste die lebenspraktischen Probleme, fungierte als Sekretärin, Managerin; und vor allem war sie seine Diskussionspartnerin.

Im Musiktheater «Von Hollywood nach Pankow werden Briefe von Eisler an seine Frauen in Beziehung gesetzt zu Vertonungen von Liebeslyrik, beginnend mit den Heiratsannoncen aus den «Zeitungsausschnitten», über Brecht-Vertonungen wie «Die Spaziergänge» aus «Kuhle Wampe» («Das Spiel der Geschlechter erneuert sich jedes Frühjahr») bis zu den resignativen späten Liedern nach Heine («Verfehlte Liebe, verfehltes Leben») und Altenberg («Und endlich stirbt die Sehnsucht doch»). Bei einem so gesellschaftskritischen Menschen wie Eisler ist das Private immer auch politisch, und so sind auch seine Liebeslieder alles andere als unpolitisch. Wie in den Liedern durchdringen sich in den Briefen Privates und Politisches und ergeben ein widerspruchsvolles Porträt von Hanns Eisler. Es spiegelt sich in ihnen nicht nur die Persönlichkeit des Komponisten, sondern darüber hinaus die Geschichte des 20. Jahrhunderts, die er durchlebte.

Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1, 8001 Zürich

Prämiere 11.1, 20.00 Uhr
17.1; 18.1; 24.1; 25.1 jeweils 20.00 Uhr
20.1 und 27.1 jeweils 18.00 Uhr
Eintritt: 35.00 / 25.00 Franken
Vorverkauf: Notenpunkt, Froschaugasse 4, 8001 Zürich
Tel. 043 268 06 45; Email: zuerich@noten.ch
Weitere Infos: www.christoph-keller.ch/de/termine.php
 
Musik und Politik: Zur Biographie Hanns Eislers

Der Komponist und Schriftsteller Hanns Eisler (1898–1962) hat die Geschichte des 20. Jahrhunderts hautnah erlebt, und von ihren grossen Ereignissen war er oft in übler Weise persönlich betroffen. Der «Karl Marx der Musik» hat aber die Unbilden der Welt nicht bloss ertragen, sondern sich mit scharfem Verstand gegen sie zur Wehr gesetzt – und mit seiner Musik.

Es begann damit, dass Eisler bereits als 18jähriger als Soldat in die K. und K.-Armee eingezogen wurde und im 1. Weltkrieg an der italienischen Front dienen musste. Aus dieser Zeit datieren seine ersten erhaltenen Kompositionen; so vertonte er im August 1917 das Klabund-Gedicht «Der müde Soldat», eine Absage an den Krieg, die mit den Worten endet: «Ich will mich unter Blumen schlafen legen und kein Soldat mehr sein.» Nach Kriegsende begann er ein Musikstudium am Neuen Wiener Konservatorium, was er aber bald aufgab zugunsten von Privatstunden bei Arnold Schönberg, der anfangs Jahrhundert das hergebrachte tonale System revolutioniert hatte und deswegen in der konservativen Musikhochburg Wien zum Aussenseiter geworden war.

Gemeinsam mit Bertolt Brecht

Schönberg war von Eislers Begabung so überzeugt, dass er den mittellosen jungen Mann unentgeltlich unterrichtete. Für Eisler waren die vier Jahre Lehrzeit bei Schönberg fundamental. Erst bei ihm habe er überhaupt musikalisches Verständnis und Denken gelernt, bekannte Eisler später, als er sich ästhetisch längst von ihm entfernt hatte. Dank Schönbergs Fürsprache erschien 1924 bei der renommierten «Universal-Edition» (UE) seine 1. Klaviersonate, und 1925 schloss die UE einen Fünfjahresvertrag mit ihm ab.

Doch das Komponieren für eine gebildete Elite befriedigte Eisler nicht. Er war davon überzeugt, dass Musik eine Gemeinschaftskunst ist, und diagnostizierte bei der zeitgenössischen Musik just den Verlust dieser Bindung an eine Gemeinschaft. «Trotz aller technischen Finessen läuft sie leer, denn sie ist ideenlos und gemeinschaftslos. Eine Kunst, die ihre Gemeinschaft verliert, verliert sich selbst», schrieb er 1927 in einem Artikel in der KPD-Zeitung «Die Rote Fahne». Zu dieser Zeit hatte er für sich selber bereits die Konsequenz gezogen und war nach Berlin übergesiedelt, wo er sich er der Arbeiterbewegung anschloss. Statt Klaviersonaten und Kunstlieder schrieb er nun Chöre für Arbeitergesangsvereine und Songs für die Agitproptruppe «Das Rote Sprachrohr». Legendär wurden seine Auftritte mit dem Sänger-Schauspieler Ernst Busch in Kneipen und an politischen Veranstaltungen. 1930 begann die intensive Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht, dem er bis zu dessen Tod 1956 eng verbunden blieb. 1930/31 entstanden die Lehrstücke «Die Massnahme» und «Die Mutter» sowie der Film «Kuhle Wampe», für den auch das «Solidaritätslied» (mit Ernst Busch als Sänger) geschrieben wurde – wie das «Einheitsfrontlied»  eines jener Brecht-Eislerschen Lieder, die bis heute populär geblieben sind.

Im Exil in der USA

1933 musste Eisler (wie auch Brecht) wegen des Naziregimes Deutschland verlassen. In den ersten Jahren des Exils war er in vielen Ländern unterwegs – «öfter die Länder als die Schuhe wechselnd», wie es in Brechts Gedicht «An die Nachgeborenen» heisst. Nachdem er bereits 1935 eine Lehrtätigkeit an der «New School for Social Research» in New York ausgeübt hatte, war er von 1938 bis 1942 wiederum an diesem Institut tätig, wobei er wegen abgelaufener Visa zeitweilig nach Mexiko ausweichen musste. Im Zentrum dieser Tätigkeit stand das «Film Music Project», in dem Eisler theoretisch und praktisch Alternativen zur Filmmusik à la Hollywood erarbeitete. Daraus gingen das zusammen mit Adorno verfasste Buch «Komposition für den Film» hervor, sowie die «14 Arten den Regen zu beschreiben» als Musik zum Experimentalfilm «Regen» von Joris Ivens. Nach dem Auslaufen des Filmmusikprojekts blieb Eisler nichts anderes übrig, als sich just jener Filmindustrie von Hollywood anzudienen, deren stupide Musik Objekt seiner Kritik gewesen war. Seine Bemühungen, eine Dozentenstelle zu finden, um der Filmprostitution zu entgehen, blieben erfolglos, und so musste er des Geldes wegen Musik für «idiotische Schinken» (so Eisler) wie den Piratenfilm «The Spanish Main» machen. Dennoch entstanden auch im USA-Exil bedeutende Werke, denn «zur Vertreibung der Langeweile» – wie er selber sagte –  schrieb Eisler viele Lieder auf Gedichte von Brecht, die im «Hollywooder Liederbuch» zusammengefasst sind. Das war damals alles für die Schublade, stösst aber heute auf stets noch wachsendes Interesse, und hat auf jeden Fall die Zeit überdauert.

Gespanntes Verhältnis trotz Nationalhymne der DDR

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs geriet Eisler im Zuge des aufkommenden Kalten Krieges in die Fänge des «Ausschusses für unamerikanische Umtriebe». In den Verhören vor diesem Ausschuss des Repräsentantenhauses wurde er als «Karl Marx der Musik» bezeichnet und schliesslich 1948 des Landes verwiesen. Dies obwohl sich renommierte Künstler wie Charlie Chaplin und Thomas Mann für ihn eingesetzt hatten. So musste er zum zweiten Mal das Land, in dem er gelebt und gewirkt hatte, gezwungenermassen verlassen. Im zerstörten Europa Arbeit zu finden, war nicht einfach. Er war zunächst in Prag und Wien tätig, aber als sich daraus keine längerfristige Perspektive ergab, übersiedelte er 1950 nach Berlin-Pankow. In Berlin übernahm er eine Professur an der Musikhochschule sowie eine Meisterklasse an der Akademie der Künste. Doch trotz dieser prominenten Stellung, und obwohl er 1949 die Nationalhymne für die neugegründete DDR komponierte hatte, war sein Verhältnis zur regierenden SED gespannt. Nicht nur, weil Rückkehrer aus dem westlichen Exil in den vom Stalinismus geprägten sozialistischen Staaten Osteuropas grundsätzlich suspekt waren, sondern auch, weil erhebliche Differenzen ästhetischer Art bestanden. Im Falle Eislers lassen sie sich darauf zurückführen, dass er als Schüler Schönbergs eine Richtung vertrat, die als «formalistisch» bekämpft wurde. Als er das Textbuch zu einer Faust-Oper vorlegte, die statt an Goethe am mittelalterlichen Puppenspiel anknüpfte, warf man ihm vor, das klassische Erbe zu besudeln. Offensichtlich hatte es Eisler in der DDR mit Machthabern zu tun, deren Kulturverständnis höchst spiessbürgerlich war.

Kunst kann versöhnen

Einmal mehr war er vom Regen in die Traufe geraten. Politisch hielt er zwar der DDR bis zu seinem Tod im Jahr 1962 die Treue. Eisler erklärte, er könne sich seinen Platz als Künstler nur in dem Teil Deutschlands vorstellen, wo die Grundlagen des Sozialismus aufgebaut würden. Doch nach der Faust-Debatte zog er sich zeitweilig resigniert nach Wien zurück. Von dort schrieb er an den in Berlin gebliebenen Brecht, er wolle zu Charlie Chaplin, um sich «von den Unbilden der Welt zu erholen durch etwas Gelächter». Und im November 1956, als Sowjettruppen Ungarn besetzt hatten, schrieb er an seine Ex-Frau Lou: «Hohe Kunst kann im guten Sinn versöhnen und unsere Sache anziehend machen, auch dann wenn es die Politiker nicht mehr können». So traute der Komponist, der seine Musik in den Dienst des Sozialismus stellen wollte, am Ende der hohen Kunst mehr zu als der Politik.