Dresden gerettet!

„Europas grösster Nazi-Aufmarsch“ verwandelte sich am Samstag in „des Nazis grösste Schlappe“. Die rund 2.000 Rechtsextremen wurden von 20.000 Gegendemonstranten erwartet und am Bahnhof festgehalten. Schliesslich mussten die Nazis unverrichteter Dinge abziehen. Dabei schwankte Dresden zwischen friedlichen Protesten, Barrikadenbau und Polizeigewalt.

Vom effektiven Widerstand

Schon im letzten Jahr war es gelungen, den Nazi-Aufmarsch durch Dresden zu verhindern. Mit diesem Erfolg im Rücken rief das Aktionsbündnis „Dresden Nazifrei“ wiederum zu friedlichen Massenprotesten und Blockaden auf. Zwischen 12.000 und 20.000 Demonstranten kamen daraufhin nach Dresden und vereitelten – ein weiteres Mal! – den Aufmarsch der Neo-Faschisten. Schon relativ früh konnte ein erster Erfolg gefeiert werden: Während im letzten Jahr noch ca. 8.000 Nazis anreisten, kamen dieses Jahr nurmehr 2.000. Offenbar hatte die Blockade des letzten Jahres den Nazis die Lust geraubt, sich bei Kälte die Füsse plattzustehen.

Allerdings hatten sich die Bedingungen auch für die Antifaschisten im Vergleich zum letzten Jahr verschlechtert: Die Polizei hatte den Auftrag, eine strikte Trennung von Faschisten und Antifaschisten durchzusetzen. Geplant war es, die beiden Gruppen auf je einer Seite der Elbe zu halten. Es war allerdings schnell klar, dass der Plan zum Scheitern verurteilt war: Bereits am Vormittag gelang es den Antifaschisten auf die Südseite der Elbe zu kommen und dort die Marschroute der Nazis zu besetzen. Durch mehrere Blockadepunkte konnte so die Demonstration der Nazis verhindert werden. Wohlgemerkt: Es ist dieser Widerstand allein, der es vermochte, die Nazis aufzuhalten. Von bürgerlicher Seite war eine „Lichterkette“ veranstaltet worden; eine Form des Protests, die durch ihre Nutzlosigkeit besticht, da sie die Nazis an ihrem Vorhaben nicht hat hindern können.

Ein Wort über die Demonstranten: Es lässt sich eine relative Homogenität der Demonstrierenden feststellen. Die überwältigende Mehrheit der Demonstranten war unter 30 und ist im linken Spektrum einzuordnen. Antifa-Anhänger, einige Gewerkschaftler, Mitglieder der DKP und MLPD, Linksautonome und Jung-Grüne sowie Jusos bestimmten das Bild der Blockaden. Es waren auch Vertreter etablierter Parteien anwesend : am zahlreichsten wohl die der deutschen „Linken“, daneben einige wenige Grüne und SPD-Mitglieder. Bemerkenswert ist, dass nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus Chile (!), der Türkei und anderen, europäischen Ländern Antifaschisten angereist sind. Aus der Schweiz kam eine Delegation des „revolutionären Aufbaus“ und der PdA, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.

Polizeigewalt

In der bürgerlichen Presse wird das Bild von den „randalierenden Autonomen“ suggeriert. Doch dieses Bild ist unvollständig und irreführend. Es muss ergänzt werden um die Gewalt, die von Seiten der Polizei gegenüber den friedlichen Demonstranten verübt wurde. Schon vor Beginn der Blockaden wurde Repression angewandt: Hunderte von Demonstranten wurden auf der Autobahnzufahr nach Dresden gezwungen, ihre Busse zu verlassen und bei Schnee und Minustemperaturen zu Fuss zu gehen. Allein diese Wanderung dauerte bereits zwei Stunden und witterungsbedingt kam es auch zu einem Unfall, der von Sanitätern behandelt werden musste. Geradezu zynisch ist allerdings die Reaktion der Polizei auf den aufgezwungenen Marsch: Er wurde als unbewilligte Demonstration gewertet und dementsprechend wurden die Marschierenden von der Polizei in Dresden eingekesselt. Ein Wasserwerfer fuhr auf und man machte grosszügigen Gebrauch von Pfefferspray und Schlagstock. Es sei hier angemerkt, dass sich kein Demonstrant wehrte, dass keine Provokation von den Demonstranten ausging, dass es aber dennoch zu Verhaftungen und Verletzten kam!

Diese ungerechtfertigte Gewalt der Polizei gegenüber den Demonstrierenden setzte sich auch an den Blockadepunkten fort. Einerseits wurde der Zugang zu den Punkten von der Polizei abgeriegelt – wer hindurch wollte wurde (der Autor dieser Zeilen durfte es selbst erfahren) wüst beschimpft, geschubst oder geschlagen. Andererseits tat die Polizei ihr Menschenmögliches, um die Blockierenden zu drangsalieren. Wer nicht sass, durfte damit rechnen, herausgezerrt zu werden. Menschen, die einfach nur herumstanden, wurden mit Pfefferspray und dem Schlagstock bearbeitet. Dergestalt sind die, die sich als „Freund und Helfer“ des Volkes ausgeben!

Berichte von anderen Blockadepunkten sprechen eine ähnliche Sprache: Gewaltsame Auflösung, Einsatz von Gummiknüppel und Tränengas. Möglich wurde diese Gewalt durch ein riesiges Polizeiaufkommen. Gezählt wurden sieben Polizeihubschrauber, mehrere Dutzend Wagen und Transporter – es sollen bis zu 4.500 Polizisten im Einsatz gewesen sein. (Man beachte: 4.500 Polizisten auf 2.000 Nazis!) Halten wir an dieser Stelle also fest, dass die absolute Mehrheit der Demonstranten friedlich war, dass es aber auch für sie keine friedliche Demonstration geben konnte: Die Polizei machte dies schier unmöglich. Ihre Gewalt provozierte, ohne provoziert worden zu sein. Umso erstaunlicher also die Friedfertigkeit der meisten Demonstranten; umso erstaunlicher ihr Beharren auf den Blockaden.

Selbstkritik

Hier soll nicht ein weiteres verzerrtes Bild entstehen, denn gesagt werden muss auch, dass es am Samstag auch Gewalt gab, die nicht von der Polizei ausging. Aus zwei Quellen kam sie: Teile der Nazis randalierten in einem Vorort von Dresden, schlugen dabei Fenster ein, warfen Flaschen und skandierten Slogans wie „Wir töten euch alle!“. Erstaunlich aber ist, dass dies von der Polizei beobachtet wurde und dennoch ungestraft blieb.

Auf der anderen Seite gab es Aktionen von linken Autonomen. Barrikaden wurden errichtet und angezündet, Steine wurden geworfen und ein Brand in einer alten Fabrikanlage gelegt. Diese Aktionen müssen thematisiert werden. Sie erscheinen deplatziert: Am Samstag waren sie sowohl taktisch wie auch politisch falsch. Taktisch, weil Barrikaden an Stellen errichtet wurden, die nicht von den Nazis durchquert werden sollten und auch der Fabrikbrand nützte wirklich niemandem. Politisch waren die Aktionen falsch, weil sie den brüchigen Frieden zwischen parlamentarischen Parteien (Linke, Grüne) und den Demonstranten gefährden, der nötig war und ist, um die Aktionen gegen Nazis zu koordinieren. Ausserdem lieferten diese Gewaltakte der bürgerlichen Presse die Chance, nicht nur den Nazi-Aufmarsch zu kritisieren, sondern auch Stimmung gegen Linke zu betreiben. Gewalt in dieser Form muss, wenn sie angewandt wird, gut überlegt sein – am Samstag war sie es nicht.

Ein Fazit

Was vom Samstag bleibt, ist ein zwiespältiges Bild von Polizei und Berichterstattung. Darüber darf aber eines nicht vergessen werden: Die Nazis konnten nicht aufmarschieren, sie durften in Schnee und Kälte stundenlang stehen und es bleibt zu hoffen, dass dies ihr letzter Aufmarschversuch in Dresden war. Man muss es so sagen: Dresden wurde gerettet! Gerettet von linken Antifaschisten mit Gewissen, nicht von Bürgerlichen mit Lichterketten.

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