Stellungnahme der PdAS zu den Abstimmungen

sciopero_generale_04Sieg gegen die SVP

Mit grosser Freude und Erleichterung nimmt die Partei der Arbeit der Schweiz (PdA) die Ablehnung der fremdenfeindlichen Durchsetzungsinitiative der SVP zur Kenntnis. Die Annahme hätte den Rechtsstaat für Alle begraben und Regelungen eingeführt, die beängstigende Parallelen zum ehemaligen Apartheidregime in Südafrika gehabt hätten. Besonders erfreulich und ermutigend ist, dass sich breite Teile der Zivilgesellschaft erfolgreich dem Vorhaben der rechtspopulistischen SVP widersetzt haben.Jedoch ist der hohe Anteil an Ja-Stimmen äusserst beunruhigend. Auch ist klar, dass die SVP noch lange nicht am Ziel ihrer Abschottungspolitik ist. Der nächste Angriff auf die Rechte und die Menschenwürde der «AusländerInnen» ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die PdAS ruft daher alle fortschrittlichen Kräfte auf, sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in der Schweiz, in Europa und weltweit mit allen demokratischen Mitteln zur Wehr zu setzen!

Weiter hält die PdAS erneut fest, dass die Ursache der Kriminalität keine angeborene Eigenschaft ist, welche einige Menschen oder einige Nationalitäten von Natur aus besitzen. Die steigende Anzahl der fremdenfeindlichen Initiativen der SVP haben zum Ziel, die politischen Diskussionen auf ein Nebengeleis zu lenken und die Öffentlichkeit entsprechend zu prägen; anstatt über den Kahlschlag im Sozial- oder Bildungsbereich oder die Unternehmenssteuerreform III öffentlich zu diskutieren, soll über die «bösen AusländerInnen» gewettert werden. Wo die SVP enthusiastisch die Statistiken des Ausländeranteils an Straftaten präsentiert, heben wir die sozio-ökonomischen Hintergründe der StraftäterInnen in den Vordergrund: Armut und Ungleichheit sind die Folgen der kapitalistischen Gesellschaft, in der wir leben – seien dies Menschen mit oder ohne Schweizer Pass, die in der Schweiz geboren sind oder nicht. Der Zusammenhang zwischen der Form von Kriminalität und den sozialen Schichten ist unverkennbar!

 

Heiratsrecht für alle Paare

Die PdAS ist über das Nein zur Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» sehr erfreut. Die Annahme hätte eine rückständige, konservative Definition der Ehe in die Verfassung verankert. In ihrem Wahlprogramm 2015 fordert die PdAS das Heiratsrecht für alle Paare. Weiter hätte die Annahme der Initiative zu Steuerausfälle von jährlich 1.9 Milliarden Franken beim Bund und 390 Millionen Franken bei den Kantonen und Gemeinden verursacht.

 

Volkswille aus dem Jahr 1994 missachtet

Mit dem Ja zur zweiten Gotthardröhre wird ein Bauvorhaben umgesetzt, das ein klarer Verstoss gegen die Schweizer Verfassung darstellt. So hält Art. 83. Abs. 3 fest: «Die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet darf nicht erhöht werden. Von dieser Beschränkung ausgenommen sind Umfahrungsstrassen, die Ortschaften vom Durchgangsverkehr entlasten». Dieser Artikel wurde nach der Annahme der Alpen-Initiative im Jahr 1994 eingeführt. Nun wird dieser Volkswille missachtet und die Verfassung verkommt in diesem Punkt zu einem sinn- und nutzlosen Fetzen Papier.  Die Menschen und die Natur im Alpengebiet sind die Verlierer dieser Abstimmung. Gewonnen haben die Profitinteressen der Zement- sowie der Autoindustrie. Der Bau des zweiten Tunnels durch den Gotthard kostet die SteuerzahlerInnen rund zwei Milliarden Franken. Dazu kommt die Sanierung des heutigen Tunnels von etwa 800 Millionen Franken. Nicht eingerechnet hat der Bundesrat aber die Folgekosten: Betrieb und Unterhalt der zweiten Röhre werden jährlich 25 bis 40 Millionen Franken verschlingen. Geld, das andernorts fehlen wird.

 

Chance verpasst

Die Ablehnung der Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!» ist für die PdAS enttäuschend. Die Stimmberechtigten haben eine wichtige Chance verpasst, die Nahrungsmittespekulation am richtigen Ort zu bekämpfen. Der Finanzplatz Schweiz und die Schweizer Banken spielen eine wichtige Rolle in der Spekulation mit Nahrungsmitteln und die grössten Rohstoffunternehmen der Welt haben  ihren Firmensitz in der Schweiz. Ihre habgierigen Profitinteressen, die unter anderem auch für den Hunger vieler Menschen auf der Welt verantwortlich sind, haben leider einmal mehr gesiegt. Doch der Kampf gegen Hunger und Armut geht weiter!

Partei der Arbeit der Schweiz

Februar 2016

Die Mitte, die Linke und der Antisemitismus

kippaDie jüdische Gemeinde der Schweiz gibt zunehmend grössere Beträge für Sicherheitsvorkehrungen aus. Die Angst ist nicht unbegründet. Die Linke täte gut daran, sie ernst zu nehmen und sich problematischen Momenten im eigenen Lager zu stellen.

Kugelsichere Scheiben, Überwachungskameras und Securitas: jüdische Einrichtungen werden auch in der Schweiz zunehmend stärker gesichert. Diese Sicherheitsmassnahmen kosten Geld. Geld, das die jüdische Gemeinde selber aufbringen muss. Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern erhalten – ausserhalb ausserordentlicher Bedrohungsszenarien – «religiöse Minderheiten» in der Schweiz keine finanzielle Unterstützung für Sicherheitsvorkehrungen. Aufgrund der steigenden Kosten hat die jüdische Gemeinde Zürich kürzlich staatliche Unterstützung gefordert. Dass das steigende Sicherheitsbedürfnis nicht nur durch die teilweise antisemitisch motivierten Anschläge islamistischer Mörderbanden im Ausland begründet ist, zeigt ein Blick in den Antisemitismusbericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) und der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA). Dieser hatte für das Jahr 2014 mit 60 Ereignissen in der Deutschschweiz «so viele antisemitische Vorfälle wie noch nie» aufgelistet. Eine Studie der gfs Bern aus dem selben Jahr geht davon aus, dass in der Schweiz rund 10 bis 11 Prozent der Bevölkerung eine «systematisch antisemitische Einstellung» hat; das sind immerhin um die 800000 Personen. Es steht zu befürchten, dass die etwas subtileren Formen des Antisemitismus in der Studie nicht berücksichtigt wurden und die Zahl noch weitaus höher veranschlagt werden muss.

Die Linke und der Antisemitismus

Der Antisemitismus ist ein virulentes Problem, das viele politische Spektren betrifft. Die Rechte hat ihn fast immer mit viel Stolz vor sich hergetragen. Die Mitte zeigte trotz eigener Verstrickungen mit dem Finger auf die Radikalen, ohne verstehen zu können und zu wollen, dass sich der Antisemitismus aus den Strukturen ihrer so innig geliebten Gesellschaft speist. Die Linke wiederum bekundete je nach historischem Kurs Mühe, die Spurenelemente des Antisemitismus in ihren eigenen Reihen klar zu benennen und zu bekämpfen. Das hat verschiedene Gründe: Der antiimperialistische Kanon hat sich je nach Galionsfigur immer mal wieder mit einem brachialen Antizionismus verschmolzen, der die Grenze des Antisemitismus eins ums andere Mal überschritt. Natürlich ist nicht jede Kritik am Zionismus antisemitisch, aber in Zeiten in denen sich der Antisemitismus gerne mit der Ablehnung Israels und seiner Staatsideologie tarnt, muss man schon sehr genau hinhören, wer da was, warum und mit welchen Bildern kritisiert.

Ein weiteres Problem der Linken ist, dass sich der Antisemitismus als gegen oben gerichtete Ideologie darstellt. Darum nannte ihn August Bebel, die ungeheure Vielschichtigkeit des Phänomens verkennend, den «Sozialismus des dummen Kerls». Gegen das Finanzkapital oder die Weltverschwörung, der rebellische Antisemit weiss sich immer mit den Unterdrückten der Welt einig. Auch hier gilt es genau hinzusehen: Bloss weil jemand das Finanzkapital schlimm findet oder hinter dem Anschlag auf das World Trade Center eine Verschwörung vermutet, muss er natürlich kein Antisemit sein. Man muss sich aber die Argumentationsmuster genau anschauen und spätestens wenn Verschwörungstheorie und Zinskritik oder Bankenschelte zusammenfinden, landet man mit grosser Sicherheit beim Antisemitismus.

Der Zeigefinger der Mitte

Es sind diese problematischen Momente der Linken, die es mit sich brachten, dass sich die politische Mitte in die Pose des Mahners werfen konnte. Die deutlich antisemitische Karikatur der JUSO zur Spekulationsinitiative war ein Versehen, das kann man der raschen Reaktion der Jungpartei wohl entnehmen. Aber der Vorfall zeigt, dass mangelnde Sensibilität und Geschichtsvergessenheit kombiniert mit einer zu bestimmten Themen eingeschliffenen Bildsprache, gefährlichen Unsinn produzieren kann. Die hämischen Kommentare von Rechts, die den Antisemitismus in der Feindschaft der Linken zum Kapitalismus verorteten, sind aber vor allem eines: Die Legitimation ihrer eigenen Politik in der Diffamierung einer Alternative. Sie können und wollen nicht sehen, wie sich der Antisemitismus in den Strukturen des von ihnen geliebten Kapitalismus reproduziert: Versachlichung und Verschleierung gesellschaftlicher Beziehungen, eine bestimmte Ausgestaltung der Zirkulationssphäre, Prekarisierung der Lebenssituation, Leistungsdruck und Konkurrenz, nationale Separation und Identifikation… Die Liste kapitalismusspezifischer Ursachen von Ideologie im Allgemeinen und Antisemitismus im Besonderen ist lang. Es wäre gerade die marxsche Kritik, die ein Antidot dazu sein könnte, weil sie Zusammenhänge aufzeigt und Strukturen offenlegt und weil sie die Totalität kritisiert, die der Antisemit nicht abschaffen, sondern bloss von besonderen «Auswüchsen» befreien will. Das aber will der gute Bürger der Mitte nicht hören. Er zeigt in seiner Linkenschelte auch auf jene, die mit dem ganzen Verhängnis und damit auch mit dem Antisemitismus aufräumen möchten.

Mehr Sensibilität

Wenn aber die Linke mit islamistischen Kräften Demonstrationen für Palästina organisiert, an denen auch Fahnen von antisemitischen Organisationen wehen (man muss sich bloss mal die Charta der Hamas durchlesen), dann geht das über ein Versehen hinaus. Dann gewinnt die Warnung der Mitte an Plausibilität. Man muss sich klar gegen die betreffenden Gruppen stellen und ihre Ideologie kritisieren. Das bedeutet keineswegs in einen moralischen Alarmismus zu verfallen, der die Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs durch die politische Mitte reproduziert. Aber die Linke muss dringend ihren Blick schärfen und sich von jeglichen antisemitischen Spurenelementen distanzieren. Und wenn die jüdische Gemeinde Zürich sich genötigt sieht vom Staat Unterstützung für die steigenden Sicherheitsvorkehrungen zu verlangen, dann sollte die Linke das ernst nehmen.

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«Bildung soll kostenlos sein»

Am 28. Februar bildungsdemooo im Kanton Zürich die Bildungsinitiative zur Abstimmung kommen. Im Gespräch mit dem vorwärts erklärt Harald Lukes, Mitglied des Initiativkomitees sowie der Kommunistischen Jugend Zürich, worum es geht und weshalb ein Ja in die Urne gelegt werden muss.

Was will die Bildungsinitiative und wer steckt dahinter?

Harald Lukes: Unsere Initiative, die von verschiedenen linken Organisationen, Studierendenverbänden und Gewerkschaftsgruppen gestützt wird, will die Bildung an den öffentlichen Schulen kostenlos machen. Das bedeutet, die Bildungseinrichtungen von der Primarschule über die Berufsschulen bis zur Universität sollen nichts mehr kosten. Sie will die Kosten für das Schulmaterial an den Berufsschulen und die Studiengebühren an den Universitäten abschaffen. Auch Ausflüge mit der Schulklasse und der Instrumentalunterricht sollen gratis werden. Die Bildung sollte kostenlos sein, damit auch für wirklich alle Lernenden, SchülerInnen und Studenten der Zugang dazu gewährleistet ist. Die Kosten machen es den schlecht Verdienenden schwerer, sich für eine höhere Bildung zu entscheiden, und halten sie deshalb eher davon ab, an die Universität zu gehen. Nur schon für eine Lehre stellen die Bildungskosten eine schmerzhafte Hürde dar: Die Lernenden haben sowieso schon tiefe Löhne und müssen dazu noch das Schulmaterial bezahlen.

Kostenlose Bildung, tönt gut. Aber wie wollt ihr das finanzieren? Hat das Initiativkomitee einen konkreten Vorschlag zur Finanzierung gemacht?

Es muss gesagt werden: Die Kosten, die die Initiative verursachen würde, wären nicht einmal 1 Prozent des kantonalen Budgets. Zur Finanzierung hat das Initiativkomitee keinen konkreten Vorschlag gemacht, es wird dem Kanton überlassen, wie er das machen möchte. Wir von der Kommunistischen Jugend würden gerne die Unternehmen dafür bezahlen lassen.

Die Unternehmen?

Ja. Diese machen doch mit der Arbeit der Lernenden riesige Millionengewinne. Auswendig weiss ich zum Beispiel für 2009, dass die Arbeitsleistung der Lernenden den Betrieben Einnahmen in der Höhe von 5,8 Milliarden Franken eingebracht hat, während die Ausgaben für die Lernenden nur 5,3 Milliarden betrugen. Den Unterschied von 500 Millionen konnten die Unternehmen als Gewinne für sich behalten.

In der Bildung wird gegenwärtig stark gespart. Macht es da Sinn, für noch mehr Kosten zu
sorgen?

Die Bildungsinitiative setzt sich dem Trend entgegen, immer mehr einzusparen und zusammen zu kürzen. Dieses Jahr will die Regierung im Kanton Zürich bei der Bildung wieder 50 Millionen einsparen und der Bundesrat möchte bei der Bildung und der Forschung ab 2017 jedes Jahr 250 Millionen kürzen. Es stellt sich die Frage: Wieso muss denn überhaupt gespart werden? Weil die Bürgerlichen den Unternehmen in der Vergangenheit ein Steuergeschenk nach dem anderen gemacht haben. Etwa die Unternehmenssteuerreform II; damit wurde ein Steuerloch von 7 Milliarden Franken für den Bund erzeugt. Und statt das notwendige Geld für die Bildung bei den Unternehmen zu holen, werden uns diese Sparprogramme aufgezwungen. Gleichzeitig werden weiter Steuergeschenke gemacht, bald steht die Unternehmenssteuerreform III an, die wieder Milliarden an Steuerausfällen verursachen wird. Die Folgen dieser Sparprogramme haben wir, die Arbeitenden, zu tragen. Wir müssen uns mit einer schlechteren Bildung begnügen und uns mit grösseren Klassen und höheren Kosten für die Lernenden und Studierenden abfinden.

Wem nützt die Initiative am meisten?

Es sind vor allem ärmere, schlecht verdienende Personen, der sie am meisten Nutzen bringt. Solange es Ausbildungsgebühren gibt, werden gerade Leute aus ärmeren Schichten von der Bildung ferngehalten. Wer in einer armen Familie zur Welt kommt, der hat eine grosse Chance, auch arm zu sterben. Reichere hingegen vererben ihren Reichtum und ihre Bildungsprivilegien. So kommt etwa die Hälfte der Studierenden schon aus Familien, die selbst studiert haben. Es ist also eine Elite, die grösstenteils unter sich bleibt.

 

Die Bildungsinitiative ging ursprünglich von Studierenden der Uni Zürich aus, der Verband der Studierenden unterstützt sie.Tatsächlich wurde sie ursprünglich von Studierenden lanciert. Sie entstand als Reaktion auf die Erhöhung der Studiengebühren. Aber es geht bei der Bildungsinitiative um viel mehr. Der Umgang mit Bildung hat sich in eine völlig falsche Richtung entwickelt, dagegen muss endlich Widerstand geleistet werden. Die Bildungsinitiative unterstützt gerade auch SchülerInnen, Berufslernende und deren Eltern. Wie schon erwähnt würden durch die Bildungsinitiative alle Weiterbildungen kostenlos. Auch die Bücherkosten an den Berufsschulen würden wegfallen, genauso wie die für das Schreibmaterial, Ausflüge und Musikunterricht. Sie müssten nicht mehr von den Lernenden oder ihren Eltern bezahlt werden. Als Konsequenz wird die Bildungsinitiative den SchülerInnen und Lernenden der Mittel- und Berufsschulen am meisten nützen, verhältnismässig weniger stark den Studierenden. Trotzdem geht sie Studierende und Lernende gleichermassen an.

Weitere Infos: www.bizh.ch

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Schluss mit Lohndumping

geldDer Kampf um Lohndumping geht in die nächste Runde: Am 28. Februar ist die Stimmbevölkerung im Kanton Zürich dazu aufgerufen, über verschärfte Massnahmen gegen Lohnunterbietungen abzustimmen. Grosskonzerne und Politik sind nicht erfreut.

Ende Februar steht im Kanton Zürich ein gewichtiges Thema auf dem Stimmzettel: die Lohndumping-Initiative der Gewerkschaften. Um das florierende Geschäft mit der Billigarbeit einzudämmen, sollen die Behörden künftig Arbeitsstopps verfügen können, sofern ein Verdacht auf Lohndumping besteht und sich die verantwortlichen Unternehmen nicht kooperativ zeigen. Der Betrieb müsste dabei solange ruhen, bis der Fall geklärt ist.

Zwar hat das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) bereits heute, im Rahmen der flankierenden Massnahmen, die Möglichkeit, einem fehlbaren Unternehmen nicht nur Lohnnachzahlungen, sondern auch Konventionalstrafe und Sanktionen aufzuerlegen – doch wiegen diese Strafen für Grosskonzerne nicht schwer. Eine Busse von bis zu 5 000 Franken zahlen sie aus der Portokasse; eine Arbeitssperre bis zu fünf Jahren kann durch die Gründung eines neuen Unternehmens umgangen werden. Und: Bis ein Fall von Lohndumping definitiv geklärt ist, können bis zu fünf Jahren ins Land gehen, wie die NZZ jüngst vorrechnete. Bis dahin «sind die jeweiligen Arbeiten abgeschlossen und die Firma möglicherweise über alle Berge», so die Unia. Um dies zu verhindern, müsse frühzeitig gehandelt werden können.

Das «Lohndumping-Konstrukt»

Darüber, mit welchen perfiden Methoden Lohndumping betrieben wird, ist mittlerweile – insbesondere aus der Baubranche – einiges bekannt. Zu einem beliebten Mittel gehört etwa die sogenannte «Scheinselbständigkeit». Dabei werden ArbeiterInnen, zumeist aus dem Ausland, von Firmen dazu angeregt, eine «Ich-AG» zu gründen und als solche Aufträge auszuführen. Mit diesem Trick können die Unternehmen Gesamtarbeitsverträge (GAV) und somit geltende Mindestlöhne umgehen.

Hilfreich, um die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse und Lohnzahlungen zu verschleiern, ist zudem die Weitergabe von Teilaufträgen an Sub- und Subsubunternehmen. Während das Unternehmen, das sich den Auftrag gesichert hat, seine Stammbelegschaft korrekt bezahlt, holen sich die Sub- und Subsubunternehmen, an die Teile des Auftrags ausgelagert werden, BilligarbeiterInnen aus Süd- und Osteuropa. Die ArbeiterInnen schlafen in Containern, manchmal direkt an der Baustelle, arbeiten statt 42 bis zu 60 Stunden die Woche und erhalten einen Lohn, der weit unter dem geltenden Mindestlohn liegt. Um dies zu vertuschen, werden sie dazu angehalten, KontrolleurInnen anzulügen und gefälschte Arbeitszeitrapporte sowie Lohnabrechnungen vorzuweisen.

«Alltag auf Zürcher Baustellen»

Aus Sicht der Unia ist dieses «Lohndumping-Konstrukt» zum «Alltag auf Zürcher Baustellen geworden». So wurden im vergangenen Jahr etwa auf der Baustelle Hardturmpark über mehrere Monate Dunpinglöhne von 10 Franken die Stunden bezahlt und beim Grossprojekt Mattenhof in Schwammendingen systematische Verletzungen durch mehrere Subunternehmen festgestellt. In beiden Fällen sahen sich die BauherrInnen nach gewerkschaftlicher Beweisführung und Streiks dazu gezwungen, hohe Lohnnachzahlungen zu leisten.

Die Liste von Verstössen dürfte insgesamt um einiges länger sein als bekannt. Die Arbeitskontrollstelle für den Kanton Zürich (AKZ) registrierte allein im letzten Jahr 3 500 Fälle, bei denen Verdacht auf Verletzung eines GAV besteht. Die Fälle, bei denen die Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden konnten, seien «nur die Spitze des Eisbergs», heisst es seitens der Unia.

Dass Lohdumping ein «Problem» ist, finden mittlerweile, zumindest offiziell, auch Politik und Konzerne, es brauche aber höchstens «Verbesserungen im Vollzug» der flankierenden Massnahmen, heisst es. FDP, CVP und GLP versuchten im Kantonsrat das Volksbegehren gar für ungültig erklären zu lassen, da die flankierenden Massnahmen im Bundesrecht geregelt seien und es für kantonale Bestimmungen «keinen Raum» gebe. Dabei kennen bereits die Kantonen Basel-Land und Genf eigene Gesetze gegen Lohndumping.

Klar ist: Sollte die Vorlage im Kanton Zürich angenommen und Arbeitsstopps künftig tatsächlich verfügt werden, würde das die UnternehmerInnen dort treffen, wo es am meisten weh tut. Denn: Eine ruhende Baustelle kostet die Herrschaften weitaus mehr als drohende Bussen.

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Am Stammtisch der Rebellen

stammtischJahrzehnte lang lag der 520 Seiten umfassende Roman des Kommunisten Harry Gmür in seinen geheimen Schubladen. Jener Harry Gmür, der äusserlich wenig Typisches von einem Kommunisten vor sich hertrug. Doch der Schein trügte. Geschrieben wurde der Roman in den Fünfzigerjahren. Abgetippt auf der Hermes-Schreibmaschine hat er sein Werk in den Sechzigerjahren. Er musste geahnt haben, dass sich sein Werk sehen lassen konnte. Allein das nötigt heute unsere Bewunderung ab. Seinem Sohn Mario Gmür ist es nun gelungen, den Respekt heischenden dicken Schwarten beim Europa Verlag AG in Zürich heraus zu bringen. Und wir stehen nun vor einem Kosmos, der den Namen Zürich trägt. Der Kosmos zeigt uns die Altstadt, ihre Bars und Kneipen, zum Kosmos gehört auch die Welt der Gewerkschaften, seine Büezer, seine Chefs von damals, ihren Kampf um einen grossen, stadtbekannten Streik.Ein Kosmos ist aber auch das Nuttenmilieu. Und natürlich die Implikationen der Zeit: Kalter Krieg, Hochkonjunktur, Kolonialismus, Antikommunismus. Und die politische Rechtslosigkeit der weiblichen Hälfte der Gesellschaft. Keine Angst: Harry Gmür denkt nicht klischeehaft, keine Angst, seine Beschreibungen sind nie plump, eigentlich immer recht intensiv und sehr differenziert. Er ist weit von der Erzählweise eines groben Klassenkämpfers entfernt, und doch wird der Klassenkampf recht drastisch geschildert, wird ein richtiger Kapitalist geschildert und charakterisiert, der rücksichtslos seinen Egoismus auslebt und zudem immer selbstbezüglicher wird. Die für uns heute seltsam anmutende Verschweigung des Ortes, die eigentliche Ortlosigkeit, hinter welcher unsere Stadt steckt, die Geldwährung Krone, die Nichtbenennung des grossen Streiks gehören auch zu jener Zeit, in dem der Kosmos sich ständig um sich dreht, denn es herrscht auch Angst in dieser Welt, Angst, die Dinge beim Namen zu nennen.

Das Kollektiv der Gewerkschaften und Heldenfiguren

Harry Gmür erzählt dann einfühlend von der grossen Gewerkschaftsversammlung, an der 1200 Arbeiter teilnehmen. Die Meister hatten die Forderungen von 15 Cent mit dem Angebot von 2 Cent beantwortet. Wochenlang hatten sie es abgelehnt, zu einer Verhandlung zu erscheinen. Dann haben sie ihre Delegierten geschickt, mit dem Auftrag, die Begehren der Gewerkschaft schlankweg abzulehnen. Die Versammlung gab das Echo mit Wutgeschrei. Der Streik hatte dann mehrere Wochen gedauert. Die Arbeiterschaft war beinahe ausgelaugt danach. Der Sekretär berichtete, die Verhandlungen, die am Vortag vor dem Schlichtungsamt stattgefunden hätten, seien gescheitert. Nicht einmal ein halbes Glas Bier haben sie als Lohnerhöhung verlangt. Und die Meister hätten erklärt, die Kosten der Lebenshaltung seien seit einiger Zeit nicht mehr gestiegen. Doch nach Ansicht der ArbeiterInnen ist die Stadt grösser geworden, der Arbeitsweg ist länger geworden. Es sei den Malern immer seltener möglich, am Mittag nach Hause zu ihren Frauen zu gehen. Die Ferienentschädigungen seien so knapp, sie würden nie für eine zweite Woche reichen. Wochenlang hätten die Meister es abgelehnt, zu einer Verhandlung zu erscheinen. Sie hätten sich verhalten wie Prinzen gegenüber dem Volk.

Harry Gmür wusste auch, was zu einem grossen Roman gehört: eine Liebesgeschichte, eine dramatische, eine tragische ausserdem. Doris und Alf. Sie waren in Geldnöten. Doris hat sich zeitweise helfen lassen von einem Windhund. Alf, ein junger Mann, der sich als Künstler versuchte, schwieg dazu. Aber als ihm bewusst wurde, was das süsse Mädchen getan hatte, um ihnen beiden aus der Patsche zu helfen, packte er seine Sachen und ging. Das war der jähe Bruch. Das vielleicht erstaunlichste an dem Roman ist die Tatsache, dass hier das Kollektiv der Gewerkschaft erscheint, dass es aber auch eine durchgehende Heldenfigur, sowohl eine männliche wie weibliche gibt, die mit grosser Zartheit und Zärtlichkeit beschrieben werden, die jedoch zeitweise auseinander brechen.

Trinker, Zinker, Stinker und Nutten

Harry Gmür profitierte von seinen fast allabendlichen Forschungsspaziergängen im Stadt-Dschungel, von Bar zu Bar, von Beiz zu Beiz. Die Milieuschilderungen sind farbig, lebendig, teilnahmevoll, ja sogar soziologisch und sozial einsichtig. Was für ein heimliches, lange verschollenes, jetzt wieder erwecktes Meisterwerk! Das Milieu der Trinker, Zinker und Stinker wird mit Anteilnahme gezeichnet. Was die sich einbilden, diese Cadilac-Ziegen! Schau diese schmierige stockblaue Rothaarige an. Sie kann kaum mehr auf den Beinen stehen, und hat eine Gesichtsfarbe – wie frisch gekotzt! Schleimige Kröte. Billige Strassen-Flöte!

Diese obergestopfte, versoffene Drecksau! Ein Pfund musst du schütten, bis dich einer fickt. Ja, ich weiss über dein Schweineleben bescheid. Es stellt sich ein billiger Kampf ein um die Lokale, das eine war zu nobel, das andere zu distinguiert. Die billigen Nutten wurden aussortiert. Ich pfeif auf dich, du trüber Molch. Nimm das zurück, du Lumpentier, schrie eine Nutte. Totschlagen hätte man sie sollen. Walfisch-Bar. Flamingo-Bar. Miranda-Bar. Katakombe. Royal-Bar. Glitzernde Schiessbuden-Mamsell, die tragen ja ein Kilo Messing und einen halben Glaswarenladen herum. Was für eine triste Amüsierbude.

Als am Ende die junge, schöne Doris tot da liegt und von der in Tränenfluten heimgesuchten Pierina wie ein krankes Kind angesprochen wird, die sie mein Schätzchen, mein Häslein, mein Ärmstes und Liebstes nennt und ihr schwört, sie werde ihr himmeltrauriges Leben für immer ändern. Alf findet seine Doris sehr vertraut und doch fremd und fern. Sie liegt verklärt in einer Reinheit, das kam ihm ganz und gar fremd vor.

Am Ende der 520 Seiten kommen nochmals die Gewerkschaften zu Wort. Die AnführerInnen des Streiks danken der Bevölkerung für die Solidarität und für den endlich errungenen Sieg und die überwältigende Begeisterung. Der Kampf sei vorbei, nun gelte es wieder zu arbeiten, loyal und ehrlich auch mit den Meistern. Die gesamte Gewerkschaftsbewegung habe mit tatkräftiger Solidarität zu den Streikenden gehalten.

Am Stammtisch der Rebellen, Europa
Verlag Zürich, ISBN 978-3-906272-24-5

 

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