Lohngleichheit, jetzt!

lohngleichheitFrauen verdienen in der Schweiz durchschnittlich 20 Prozent weniger als Männer. Der Bundesrat hat nun als Massnahme gegen diese Lohndiskriminierung interne Lohnkontrollen für grössere Unternehmen vorgeschlagen. Die Unia lehnt diese Selbstkontrollen ab und fordert, dass Sanktionen gegen fehlbare Unternehmen eingeführt werden.

Der Bundesrat hat am 18. November seinen Vorschlag für die Revision des Gleichstellungsgesetzes veröffentlicht. Er musste dabei eingestehen, dass das bisherige Vorgehen mittels freiwilligem Lohngleichheitsdialog «hinsichtlich der Eliminierung oder zumindest einer wesentlichen Verringerung der Lohndiskriminierung nicht zum Ziel» geführt hat. Daher sollen zusätzliche verpflichtende Massnahmen eingeführt werden; «allerdings soll der Staat bei den Unternehmen nicht selber intervenieren».

Die Gewerkschaften nennen die Massnahmen «zahnlos». Die bürgerliche Zeitschrift «Finanz und Wirtschaft» bringt aber den Kern der Vorlage auf den Punkt: Bei den vorgeschlagenen Massnahmen handelt es sich um «neue administrative Belastungen» für die Unternehmen. Und mehr steckt tatsächlich nicht dahinter.

Lohnanalyse ohne Konsequenzen

Der Bundesrat schlägt vor, dass die ArbeitgeberInnen gesetzlich verpflichtet werden, alle vier Jahre eine «betriebsinterne Lohnanalyse» durchzuführen. Betroffen sind jedoch nur Unternehmen mit fünfzig oder mehr Beschäftigten, das heisst, nur mittlere und grosse Unternehmen. Das sind bloss 1,8 Prozent aller Unternehmen. Die Arbeiterinnen, die in kleineren Unternehmen schuften, kämen somit nicht einmal in den Genuss dieser internen Lohnkontrollen. Das Ergebnis der Lohnanalysen, die von unabhängigen Kontrollstellen durchgeführt werden sollen, müssen nicht veröffentlicht werden; bloss den ArbeiterInnen im Unternehmen soll Bescheid gegeben werden, «ob die Lohnanalyse korrekt durchgeführt worden ist». Im Klartext: 1,8 Prozent der Schweizer Unternehmen erhält die Verpflichtung, ab und zu eine interne Lohnanalyse durchzuführen, die keinerlei Konsequenzen hat. Mehr als eine «administrative Belastung» für diese Unternehmen ist es nicht; den Arbeiterinnen nützt es eher wenig.

Seit 1981 ist der Grundsatz der Lohngleichheit in der Bundesverfassung verankert und seit 1995 gibt es das Gleichstellungsgesetz. Doch immer noch verdienen Frauen bei gleicher Arbeit durchschnittlich 20 Prozent weniger als Männer. 60 Prozent dieser Differenz lassen sich mit Alter, Berufserfahrung oder unterschiedlichem Ausbildungsniveau erklären. Für die restlichen 40 Prozent gibt es keine objektive Begründung. Es handelt sich um reine Diskriminierung. Die IG Frauen der Unia sagt es deutlich: «Tatsache ist, dass es für die ungleichen Löhne keine Begründung gibt. Einzig die Tatsache, dass Frauen Frauen sind, führt dazu, dass sie weniger verdienen.»

Schon beim Berufseinstieg verdienen Frauen weniger: Nach der gleichen Ausbildung verdienen junge Frauen durchschnittlich acht Prozent weniger als ihre Kollegen. Bei einem Jahreslohn von 40?000 Franken, die ein junger Arbeiter verdient, sind das für die Arbeiterin mit gleicher Ausbildung 3200 Stutz, fast ein ganzer Monatslohn, weniger.

Diskriminierung: Nid bös gmeint?

Den Bossen ist diese Situation natürlich ganz recht. Sie sparen Lohnkosten. Jeder Fortschritt hin zur Lohngleichheit ist ihnen und ihren politischen VertreterInnen, den Bürgerlichen, ein Schritt zu viel. Eine Studie nach der anderen wurde von ihnen im Vorfeld zur Revision in Auftrag gegeben, die dagegen Argumente liefern sollte. Zuletzt erschien sicher nicht zufällig am gleichen Tag, als der Bundesrat seine Vorlage veröffentlichte, eine Studie des rechten Thinktanks Avenir Suisse. Darin wird behauptet, dass die Frauen an der Lohnungleichheit selber Schuld seien. Die ArbeitgeberInnen hingegen werden als die reinsten Unschuldslämmer dargestellt: Sie seien weder frauenfeindlich noch wollten sie Frauen schlechter bezahlen. Also gäbe es keine Diskriminierung. Es bestünde zwar schon eine «Diskriminierungsneigung», diese sei aber unbeabsichtigt und «durch die Arbeitgeber realistischerweise kaum zu vermeiden». Dies stelle aber kein grosses Problem dar, immerhin finden solche Schubladisierungen «bei jeder Anstellung fast notwendigerweise statt». Regula Bühlmann, SGB-Sekretärin für Gleichstellung, fasst die Studie folgendermassen zusammen: «Ist es Absicht, handelt es sich um Diskriminierung; fehlt die Absicht, ist es unternehmerische Freiheit, ein Kollateralschaden, jedenfalls nid bös gmeint…»

Sparen auf Kosten der Frauen

Die Vorlage des Bundesrats ist Sand in die Augen der Frauenorganisationen. Denn gleichzeitig forciert er ein gewaltiges Sparprogramm auf dem Rücken der Frauen. Im Rahmen der Rentenreform 2020, ein Projekt des SP-Bundesrats Alain Berset, soll das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöht werden.

Bereits 1997 wurde das Frauenrentenalter von 62 auf 64 Jahre angehoben. Damit bezahlen die Frauen schon heute zusätzlich 800 Millionen Franken pro Jahr an die Stabilisierung der AHV. Mit der geplanten Erhöhung des Rentenalters würden erneut 1,3 Milliarden Franken pro Jahr auf Kosten der Frauen gespart. Zusammen mit der Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge ist die kleine generelle Rentenerhöhung von 70 Franken (übrigens nur für NeurentnerInnen) ein Witz dagegen.

Für die Gewerkschaft Unia reichen die Massnahmen, die der Bundesrat vorgeschlagen hat, nicht, um die Lohngleichheit der Frauen herzustellen. Sie fordert Lohnkontrollen, an denen zwingend auch die ArbeiterInnenorganisationen beteiligt sind: «Selbstkontrollen allein reichen nicht.» Ferner braucht es Sanktionsmöglichkeiten für die Unternehmen, die das Gesetz nicht einhalten. Die Unia verlangt Nulltoleranz gegenüber der Lohndiskriminierung. Sie fordert Lohngleichheit, jetzt!

 

Aus dem vorwärts vom 4. Dezember 2015. Unterstütze uns mit einem Abo!

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