Aufschieberei etwas aufgehoben

sah. Patriarchale Gewalt tötet: Betroffen sind Frauen, trans, inter, nicht-binäre und queere Menschen. Während der Bundesrat zögerlich bleibt, gedenken Aktivist:innen im November auf dem Bundesplatz mit einer Mahnwache, fordern mehr, kämpfen weiter und bleiben dran.

Geschlechtsspezifische Gewalt wird in der Schweiz oft verharmlost und ist noch immer ein Tabuthema. Durch «häusliche Gewalt» und «Gewalt gegen Frauen» stirbt im Schnitt alle zwei Wochen eine Frau. Die Zahl der Femizide in der Schweiz ist auch 2025 erneut sehr hoch, und auch Kinder sind von Gewalt in Familien betroffen. Um auf diese schlimme Situation aufmerksam zu machen und den Opfern patriarchaler Gewalt zu gedenken, findet dieses Jahr eine Mahnwache auf dem Bundesplatz statt. Organisiert wird die Aktion vom Feministischen Streikkollektiv Bern zusammen mit der «Amnesty International Frauenrechtsgruppe Bern» sowie der Kampagne «16 Tage gegen geschlechtsspezifische Gewalt». Ziel ist eine Mahnwache, bei der sich alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung, Alter, Religion oder sozialem Status – willkommen und sicher fühlen.

Behinderungen erhöht Risiko
1991 wurde die Kampagne «16 Days of Activism Against Gender Violence» vom «Women‘s Global Leadership» ins Leben gerufen. Die Aktionstage beginnen jeweils am 25. November und enden am 10. Dezember. Damit ist die Kampagne eingerahmt zwischen dem
«Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen» und dem «Tag der Menschenrechte». Diese Ordnung steht symbolisch auch dafür, dass geschlechtsspezifische Gewalt immer eine Menschenrechtsverletzung ist.
Die Kampagne bietet Informationsblöcke sowie Unterstützungs- und Beratungsangebote. 2025 steht das Thema «Geschlechtsspezifische Gewalt und Behinderungen» im Zentrum. Frauen und queere Menschen, die eine Behinderung (sichtbar oder unsichtbar) haben, auf Unterstützung angewiesen sind und in Institutionen leben, erleben zwei- bis viermal häufiger Gewalt. Insbesondere Übergriffe, Machtmissbrauch, Kontrolle und Vernachlässigung betreffen diese Menschen. Entsprechende Daten fehlen jedoch in den Statistiken. Betroffene haben kaum Zugang zu Schutz oder Unterstützung, weil das Thema noch wenig erforscht ist.

Defizite bei der Umsetzung
Als «Istanbul-Konvention» bekannt ist ein Übereinkommen des Europarats, das Frauen und Mädchen vor verschiedenen Formen von Gewalt schützen soll. Unterschrieben hat das Papier auch die Schweiz, und hier ist die Konvention 2018 in Kraft getreten. Das
Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) ist die nationale Koordinationsstelle für die Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Im Oktober 2025 entstand ein weiterer Bericht zur bisherigen Umsetzung der Konvention in der Schweiz mit dem Fazit, dass die Bemühungen nicht genügen. Das Papier wurde vom Netzwerk «Istanbul-Konvention» sowie von weiteren Fachpersonen zusammengestellt, darunter Fach- und Beratungsstellen, Schutzunterkünfte und NGOs aus den Bereichen Gewalt, Behinderung, LGBTIQA+, Alter, Kinder, Migration/Asyl und Menschenrechte. Acht Jahre nach der Ratifizierung bleibt der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt in der Schweiz weiterhin unbefriedigend. Mangelhaft sind die Finanzierung, die föderalistische Fragmentierung der Bemühungen sowie das Auslassen einer intersektionalen Perspektive auf das Thema. Das berichtet auch der Menschenrechtsverein humanrights.ch aus Bern auf seiner Webseite.

Erste nationale Präventionskampagne
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider lancierte am 11.November 2025 eine erste nationale Präventionskampagne gegen häusliche, sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt. Die neue Handlungsstrategie wurde vom EBG in Zusammenarbeit mit einer breiten Allianz aus Bund, Kantonen, Gemeinden und Organisationen der Zivilgesellschaft entwickelt. In einer ersten Phase will die Präventionskampagne vorrangig Gewaltbetroffenen Hilfe bieten. Personen finden beispielsweise neu auf der Website «ohne-gewalt.ch» entsprechende Angebote. Auch eine nationale Opferhilfe-Telefonnummer soll ab Mai 2026 in Betrieb sein.
In einer zweiten Phase richten sich die Bemühungen auch an das Umfeld der Betroffenen, und in einer dritten Phase an (potenzielle) Tatpersonen. Zentrale Botschaft ist hier: Gleichstellung verhindert Gewalt – ungleiche Machtverhältnisse begünstigen Gewalt. An der Medienkonferenz zur Lancierung waren neben der Bundesrätin auch Vertreter:innen der NGOs des Netzwerks Istanbul-Konvention anwesend. Trotz dieser neuen Kampagne und dem zugleich taktischen Schachzug gegen die bisherige Vernachlässigung des Themas kann hier wohl kaum von einem «Happy End» gesprochen werden.

Mahnwache gegen patriarchale Gewalt: Dienstag, 25. November 2025, ab 18.30 Uhr, Bundesplatz Bern.
Alle Infos: 16tage.ch

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