«Streik bleibt unumgänglich»
In Freiburg legte das Team der Kinderkrippe des Kantonsspitals die Arbeit nieder, um gegen die Privatisierung ihrer Krippe zu kämpfen. Nun soll die Leiterin der Kinderkrippe entlassen werden. Der Streik fand am 31. März statt. Als die Angestellten am 27. Januar von der beschlossenen Privatisierung Kenntnis genommen hatten, versuchten sie über den Dialog eine Verbesserung zu erlangen. Doch verweigerte ihnen die Spitaldirektion jegliche Diskussion. Der Streik war deshalb für das Personal das einzige Mittel, dagegen zu kämpfen. Ein Gespräch mit dem Regionalsekretär beim VPOD Region Freiburg.
Petra Thor: Die Demonstration ist soeben zu Ende gegangen. Wie ist die Mobilisierung gelungen?
Gaétan Zurkinden: Die Beteiligung war nicht schlecht. Es kamen zirka 200 Personen, das zeigt, dass viele Leute mit der Entlassung und der Privatisierung der Krippe nicht einverstanden sind.
Diese Demonstration richtet sich gegen die geplante Entlassung einer der Streikenden der Kinderkrippe, wo ein Tag lang gestreikt wurde. Weshalb wurde in der Kinderkrippe gestreikt?
Die Leitung des Kantonsspitals hat entschieden, die Krippe zu privatisieren. Privatisieren bedeutet, dass die Qualität der erbrachten Leistungen zurückgehen wird.
Was bedeutet das konkret?
Derzeit befindet sich die Krippe im Spital selber und ist voll auf die Bedürfnisse des Pflegepersonals ausgerichtet. Das zeigen zum Beispiel die Öffnungszeiten. Die Eltern haben auch die Möglichkeit, rasch vor Ort zu sein, falls was mit dem Kind wäre.
Die öffentliche Krippe im Spital würde also geschlossen und das Personal müsste eine private Krippe ausserhalb finden?
Da es in Zukunft eine private Krippe sein wird, werden sich Rentabilitätsfragen stellen. Das heisst meist weniger Personal und eine Einschränkung der Dienstleistungen und ja, die Krippe wird ausserhalb des Spitals sein. All das bedeutet mehr Schwierigkeiten, das Familien- und Berufsleben aufeinander abzustimmen.
Haben die Angestellten der Krippe vor dem Streik bereits Schritte unternommen?
Als die Privatisierung Ende Januar bekannt wurde, haben die Angestellten direkt mit unserer Gewerkschaft, dem VPOD, Kontakt aufgenommen. Alle waren gegen den Leistungsabbau und die schlechteren Arbeitsbedingungen. Wir haben also versucht, mit der Leitung zu sprechen, mussten aber rasch feststellen, dass diese von unseren Vorschlägen nichts hielt und an der Privatisierung festhielt. Ab einem gewissen Punkt war der Streik das einzige Mittel, um der Stimme des Personals Gehör zu verschaffen.
Bisher gab es weder seitens der Leitung des Kantonsspitals noch seitens des Regierungsrates positive Reaktionen. Hat der Streik also nichts genützt?
Die Behörden wählten einen repressiven Weg. Sie wollten nicht auf uns eingehen. Das hat die betroffenen Angestellten stark verunsichert. Dann wurde auch noch die Teamleiterin der Krippe entlassen. In der Tat gibt es bisher keine Anzeichen dafür, dass die Behörden auf unsere Forderungen eingehen wollen.
Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Entlassung von Odile Claire war, dass der Staatsrat den Streik als nicht zulässig erklärte. Wie kam er zu diesem Schluss? Immerhin habt ihr das Gespräch gesucht und der Streik betrifft klar die Arbeitsbedingungen. Wie argumentiert denn der Staatsrat?
Nun, wir befinden uns offenbar in einem Kanton, wo der Staatsrat denkt, dass streiken illegal sei. Er stützt sich dabei auf einen Artikel im Staatspersonalgesetz. Das Problem ist, dass dieser Artikel nicht im Einklang mit der Bundesverfassung ist. Dort ist das Streikrecht verankert. Obwohl der kantonale Artikel nicht verfassungskonform ist, ist er für den Staatsrat wichtig, um Streikbewegungen zu zerschlagen. Deshalb wurden auch alle unter Druck gesetzt. Man drohte ihnen schriftlich mit der Entlassung, falls sie erneut streiken würden. An Odile wollen die Vorgesetzten ganz klar ein Exempel statuieren. Sie sagen, als Teamleiterin hätte sie sich loyaler verhalten sollen als die anderen.
Heute fand eine Demonstration statt. Was sind die nächsten Schritte in diesem Arbeitskampf?
Mit dieser Demonstration haben wir uns an die Leitung des Kantonsspitals und an den Staatsrat gerichtet. Der Ball ist nun bei ihnen. Falls sie nicht korrekt reagieren, müssen wir uns erneut mobilisieren und weiter Druck aufbauen.
Gibt es auch rechtliche Wege, die begangen werden können?
Nein, nicht direkt. Es ist nun eine politische Angelegenheit. Auf der einen Seite die Behörden, die behaupten, der Streik sei illegal. Auf der anderen die Gewerkschaft, die das Streikrecht der Angestellten verteidigt. Aber klar, falls die Entlassung durchgesetzt werden sollte, bestehen für Odile juristische Rekursmöglichkeiten. Solche Verfahren dauern allerdings lange und sie könnte dabei vieles verlieren.
Viele Streiks in der Schweiz enden mit Entlassungen der Streikenden. Die ArbeiterInnenbewegung kann das Streikrecht nicht verteidigen und Kündigungen vermeiden. Führt diese Unfähigkeit bei den Arbeitenden zu Angst?
Das kommt schon darauf an. Es gab auch erfolgreiche Streiks. Wenn wir den Streik bei den Transport Public de Genève oder den Streik der Wäschereiangestellten in Marsens anschauen: beide waren ein Erfolg. Es gibt also keine allgemeinen Spielregeln. Generell ist der Streik ein nötiges Mittel, um sich zu verteidigen. Klar, wenn es für die ArbeitgeberInnen wichtig ist, etwas durchzusetzen, werden sie alles versuchen. In solchen Fällen muss auch die Gewerkschaft reagieren, um die Leute zu verteidigen. Das heisst, sie muss mobilisieren. Nur so können Niederlagen vermieden werden. Wenn man die Arbeits- und Lohnbedingungen verteidigen oder sogar Verbesserungen durchsetzen will, muss man einfach Druck aufsetzen können. Es geht hier um Kräfteverhältnisse. Diesen Druck kriegst du durch unterschiedliche Wege hin. Das kann mal eine Demonstration, eine Petition oder anderer ein Weg sein. Aber der Streik – das ist klar – bleibt ein unumgängliches Mittel.
Aus der Printausgabe vom 22. Mai 2015. Unterstütze uns mit einem Abo