Regenbogensieg in New York
Lukas Arnold. Kann ein Sozialist, welcher seine Laufbahn als Basisaktivist startete, das politische und wirtschaftliche Establishment besiegen? Ja, wenn er von einer progressiven Koalition getragen wird. Dies zeigt die jüngste Bürgermeister-schaftswahl in New York: Über eine Million Menschen stimmten für Zohran Mamdani.
«Eine neue Ära des Klassenkampfes hat begonnen», titelte die Washington Post nach der Wahl von Zohran Mamdani zum neuen Bürgermeister von New York. Der demokratische Sozialist gewann mit 50,4 Prozent – dem absoluten Mehr – und mit der höchsten je
erreichten Stimmenzahl in einer NYC-Bürgermeisterwahl. Ganz falsch lag die Washington Post nicht: Es war ein Sieg einer breit organisierten Basisbewegung über den vom politischen und wirtschaftlichen Establishment unterstützten Andrew Cuomo.
Interner Machtkampf
Eigentlich war Andrew Cuomo schon geschlagen: Der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates New York unterlag in den demokratischen Vorwahlen im Juni 2025 dem sozialistischen, bis dahin stadtweit kaum bekannten Regionalpolitiker Mamdani. Normalerweise hätte dies bedeutet, dass der demokratische Kandidat gegen den republikanischen Herausforderer – in diesem Jahr Curtis Sliwa – antritt.
Doch diese Wahl nahm einen ungewöhnlichen Verlauf. Das politische und wirtschaftliche Establishment reagierte schockiert auf die Aussicht, dass die Finanzmetropole von einem Sozialisten regiert werden könnte. Innerhalb weniger Wochen wurden Millionen Dollar gesammelt, um eine unabhängige Kandidatur Cuomos zu finanzieren. Gleichzeitig blieb auch der in Korruptionsskandale verstrickte amtierende Bürgermeister Eric Adams zunächst im Rennen. So entstand eine Dreifach-Konstellation: alle gegen Mamdani.
Basis-Wahlkampf
Der Wahlkampf entgleiste schnell. Mamdani, dessen Familie muslimisch-indische Wurzeln in Uganda hat, wurde mit rassistischen Unterstellungen überzogen und als «Dschihadist» oder «Terrorist» diffamiert. Parallel versuchte man, ihn als radikalen Linken oder Kommunisten zu brandmarken, um moderate Wählende abzuschrecken.
Aber nach einer Inflation, welche New York besonders hart traf, und der damit einhergehenden Erfahrung des real existierenden Kapitalismus verfehlte diese Schreckpropaganda ihr Ziel. Weder «Sozialist» noch «Kommunist» scheinen in den USA die abschreckende Wirkung des Kalten Krieges beibehalten zu haben.
Mamdani setzte dem eine breite Koalition aus Gewerkschaften, Community-Organisationen, migrantischen Gruppen, linken und progressiven Initiativen entgegen. Über 100000 Freiwillige klopften an Türen, verteilten Flyer, organisierten Nachbarschaftstreffen und bauten eine flächendeckende Mobilisierung auf, um die Bevölkerung an die Urne zu mobilisieren. Dem gegenüber standen Millionenbeträge für TV-Spots und Online-Werbung zugunsten Cuomos – doch im entscheidenden Moment blieben sie erstaunlich wirkungslos.
Klar sozialistische Positionen
Mamdani vertritt klare progressive, demokratisch-sozialistische Positionen. Seine pro-palästinensische Haltung sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit: Er erklärte, er würde den israelischen Premierminister bei einem Besuch in New York verhaften lassen, sollte ein internationaler Haftbefehl bestehen. Und er betonte, dass er Israel als gleichberechtigten Staat anerkenne – jedoch nicht als ethnisch definierten Staat.
Versuche, ihn deshalb als antisemitisch darzustellen, scheiterten weitgehend: Zahlreiche progressive jüdische Organisationen sowie Teile der chassidischen Community stellten sich hinter ihn.
Auch seine klare Haltung zu Migration und Sans-Papiers, sein Versprechen, ICE-Razzien in der Stadt zu unterbinden, und sein deutlicher Einsatz für die Rechte von trans Menschen und queeren Menschen erhöhten seine Popularität. Der Kern seiner Politik lag aber in ökonomischen und gewerkschaftlichen Forderungen: Erhöhung des Mindestlohns auf 30 Dollar. Mietdeckel. Kostenlose Kinderbetreuung und kostenlose Busse. Staatliche
Versorgung von Grundlebensmitteln. Kurz: New York City finanziell tragbarer zu machen.
Am 4.November 2025 kam es zur Überraschung: Mamdani erreichte im ersten relevanten Auszählungsgang das absolute Mehr. Eine Regenbogenkoalition progressiver Aktivist:innen hatte es geschafft, die institutionell tief verankerte Cuomo-Dynastie zu besiegen. Ausschlaggebend war, dass die Koalition so viele Menschen wie noch nie an die Urne mobilisieren konnte: mehr als eine Million Menschen stimmten für Mamdani.
Die Wahl zeigt nicht nur, dass sozialistische Politik in einer globalen Finanzmetropole erfolgreich sein kann, sondern auch wie: durch langfristige, community-basierte Organisierung und die Verbindung materieller, antirassistischer und queerinklusiver
Forderungen.
