Doppelte Enteignung
Wer zahlt Merkels „Rettungspaket“? Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet. Nach Jahrzehnten der ungebremsten Zockerei an den Finanzmärkten sollen nun die kleinen Leute für die Verluste geradestehen.
Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet. Nach Jahrzehnten der ungebremsten Zockerei an den Finanzmärkten sollen nun die kleinen Leute für die Verluste geradestehen. So sieht der »Rettungsplan« der Bundesregierung vor, daß 500 Milliarden Euro zur Sanierung des angeschlagenen Bankensystems verwendet werden können – eine enorme Summe verglichen etwa mit den Ausgaben des Bundes für soziale Sicherung (zirka 141 Milliarden Euro) oder den Leistungen für Hartz-IV-Empfänger (zirka 23 Milliarden Euro). Die neoliberale Behauptung, für Bildung, Gesundheit und andere soziale Leistungen sei einfach »kein Geld da«, ist damit als Lüge entlarvt. Peinlich ist die Rettungsaktion aber auch für die Ideologen des »freien Marktes«, der anscheinend nur dann funktioniert, wenn die Gewinne sprudeln. Gehen die Spekulationen schief, ist der Staat gefragt, der mit Steuergeldern das Vertrauen in den Kapitalismus wieder herstellen soll.
Daß die (teilweise) Verstaatlichung von Banken inzwischen auch von hartgesottenen Neoliberalen gefordert wird, ist freilich kein Anlaß für Genugtuung. Zwar führt an einer Verstaatlichung von bankrotten Banken vermutlich kein Weg vorbei. Doch leider sollen keine Vermögenswerte verstaatlicht werden, sondern faule Kredite bzw. Schulden, die sicher noch viele Jahre auf den Schultern der Steuerzahler lasten werden.
In gewisser Hinsicht kommen die aktuellen Rettungspakete einer zweiten Enteignung gleich: Die erste Enteignung fand statt, als mit billigen Krediten reihenweise Unternehmen aufgekauft und öffentliches Eigentum privatisiert wurde. Jetzt, wo die Kreditblase geplatzt ist, sollen die Kosten für die beispiellose Fusions- und Privatisierungswelle nachträglich der öffentlichen Hand aufgedrückt werden.
Die zentrale Auseinandersetzung wird sich jetzt darum drehen, auf wen die Kosten der Finanzkrise abgewälzt werden. Auf diese Frage kann es nur eine Antwort geben: Die Profiteure der Finanzmarktblase, die über Jahre hinweg hohe Gewinne eingestrichen haben, müssen bezahlen! Dringend nötig ist eine Millionärssteuer in Höhe von wenigstens zehn Prozent auf Vermögen sowie die Einführung von Steuern auf Finanztransaktionen. Um die Krise rasch zu überwinden und künftigen Finanzkrisen vorzubeugen, muß außerdem ein Konjunkturpaket geschnürt und die Massenkaufkraft gestärkt werden. Denn letztlich ist die aktuelle Finanzkrise nichts anderes als das Resultat neoliberaler Umverteilung: Durch die Senkung von Unternehmens-, Vermögens- und Spitzensteuersätzen sowie eine Politik des Lohn- und Sozialdumpings sind jene Rekordgewinne entstanden, die anschließend auf den Finanzmärkten auf der Suche nach immer höheren Renditen verspekuliert wurden. Dies bedeutet im Umkehrschluß, daß eine Umverteilung zugunsten der Beschäftigten, der Rentnerinnen und Rentner sowie der Arbeitslosen auch das beste Mittel ist, um künftigen Finanzkrisen vorzubeugen.
Erschienen als Gastkommentar in der Tageszeitung „junge Welt„
Unterstützung durch die Linkspartei
Die Regierung fühlt sich ermutigt, derart offensichtlich als Handlanger der Banken aufzutreten, weil keine einzige Partei bereit ist, sich dieser Politik entgegenzustellen.
Eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieser Politik und der sozialen Angriffe, die sich daraus ergeben, spielt die Linkspartei. Sie wurde auf verschiedenen Ebenen in die Vorbereitung eingebunden und signalisierte noch, bevor die Einzelheiten des Milliarden-Geschenks an die Banken bekannt waren, ihre Zustimmung.
Zur allwöchentlichen Talkrunde bei Anne Will wurde am Sonntagabend Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine eingeladen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder begrüßte ihn als „Herr Kollege“, bevor er die geplanten Maßnahmen der Regierung bekannt gab. Nach seiner Stellungnahmen gefragt, antwortete Lafontaine, das Vorgehen der Bundesregierung sei „unvermeidlich und richtig“. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass der Geldfluss zwischen den Banken wieder in Bewegung komme, und dazu seien sowohl staatliche Bürgschaften als auch direkte staatliche Finanzspritzen für notleidende Banken erforderlich.
Lafontaines einzige Kritik bestand darin, dass er monierte, die Bundesregierung habe sehr lange gezögert. Außerdem forderte er zusätzlich zu dem Rettungsplan für die Banken ein Konjunkturprogramm, „um auch etwas für die Hartz IV-Empfänger und die Rentner zu tun“.
Lafontaine machte unmissverständlich deutlich, dass die Linkspartei das bestehende Bankensystem verteidigt und ohne Zögern dazu bereit ist, Steuergelder in Milliardenhöhe zur Rettung des Profitsystems einzusetzen. Alle Reden, in denen er in der Vergangenheit die wachsende soziale Ungleichheit angeprangert hat, sind damit Makulatur. Denn ohne das Diktat der Banken zu brechen, ist jede ernsthafte Verbesserung der Lage der Bevölkerung unmöglich.
Vor zehn Jahren ist Lafontaine schon einmal vor dem Druck der Banken und Wirtschaftsverbände zurückgewichen. Er gab seinen Posten als Bundesfinanzminister auf, weil er nicht bereit war, der Finanz- und Wirtschaftselite die Stirn zu bieten und die Interessen der Bevölkerung konsequent zu vertreten. Damals überließ er seinem früheren Parteifreund Gerhard Schröder Partei und Regierung und zog sich ins Privatleben zurück.
Als sich der Widerstand gegen die unsoziale Politik der rot-grünen Regierung und der anschließenden Großen Koalition verstärkte, kam er zurück und engagierte sich an der Spitze der Linkspartei.
Nachdem nun die internationale Spekulationsblase geplatzt ist und sich eine Finanzkrise entwickelt hat, die alle Finanzturbulenzen der Vergangenheit in den Schatten stellt, bietet Lafontaine die Linkspartei als Stabilitäts- und Ordnungsfaktor an.
Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, lobte das Rettungspaket mit den Worten, nun sei „endlich die Entscheidung getroffen worden, dass man eine systematische Regelung für alle Banken in Deutschland braucht“. Zunächst habe die Bundesregierung „einiges von der Krise verschlafen“.
Es gibt Anzeichen dafür, dass die Linkspartei bereits vorab zugestimmt hat, das Gesetz auf dem der Milliarden-Rettungsplan für die Banken basiert, im Schnellverfahren und ohne parlamentarische Debatte durch den Bundestag zu schleusen.
Während eine kleine Gruppe von Bankmanagern und Politikern im kleinen Kreis und ohne jegliche politische Debatte ein Milliardenprogramm im Interesse der Banken ausarbeitet, das vom Kabinett im Eilverfahren verabschiedet wird, beteiligt sich die Linkspartei daran, diese Maßnahmen wie Notverordnungen im Parlament abzunicken. Damit macht die Linkspartei klar, dass sie bereit ist, auch alle Folgemaßnahmen in Form von Sozialkürzungen gegen die Bevölkerung durchzusetzen.