Aufstand in Aden

Knut Mellenthin. Eine SeparatistInnenbewegung hat im Südjemen die Macht übernommen. Bislang strebt sie aber keine Abspaltung, sondern nur Verhandlungen an, um den Süden zu verwalten und innen- und aussenpolitisch zu vertreten. Saudi-Arabien, das im Jemen militärisch interveniert, ignoriert bislang die neue Bewegung.

Seit 2014 hat Jemen zwei konkurrierende Regierungen, die Krieg gegeneinander führen. Seit einigen Wochen wird vom Entstehen einer «dritten Regierung» gesprochen – in der Hafenmetropole Aden, der zweitgrössten Stadt des Landes, die an dem nach ihr benannten Golf liegt. Für die zwar international anerkannte, aber nicht demokratisch legitimierte Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi, die dort ihren offiziellen Sitz hat, könnte das bedeuten, dass sie sich eine neue Hauptstadt suchen muss. Umzugswagen werden aber kaum nötig sein: Aus Sicherheitsgründen und vielleicht auch wegen der Annehmlichkeiten erstklassiger Luxushotels residieren Hadi und seine Minister ohnehin schon im saudi-arabischen Riad.

Sozialistisches Südjemen
Aden, früher eine britische Kronkolonie von grosser Bedeutung für den Seeweg nach Indien, war bis 1990 Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Jemen (DVRJ), umgangssprachlich Südjemen. Dieses Land war dem Anspruch nach sozialistisch und arbeitete eng mit der Sowjetunion und ihren osteuropäischen Verbündeten zusammen. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers schloss sich die DVRJ am 22. Mai 1990 mit dem Nordjemen, der Jemenitischen Arabischen Republik, zusammen.
Der neue Einheitsstaat funktionierte jedoch so schlecht, dass es schon 1993 zu starken Spannungen kam. Am 21. Mai 1994 erklärte der Süden seine Unabhängigkeit. In einem kurzen Krieg, der von der Ausrufung des Notstandes durch die Regierung am 5. Mai 1994 bis zum 7. Juli dauerte und tausende Todesopfer forderte, setzte sich der Norden durch. Mehrere tausend Mitglieder der Sozialistischen Partei, die die DVRJ regiert hatte, mussten ins Ausland fliehen. Die Partei gewann ihren früheren Einfluss im Süden nicht mehr zurück. Die seit Jahren erstarkende südjemenitische SeparatistInnenbewegung steht nicht mehr in dieser Tradition. Ihre Milizen verhalfen Hadi im Juli 2015 zur Rückeroberung Adens. Der erwartete Dank – mehr Rechte und Finanzmittel für den Süden – blieb jedoch aus ihrer Sicht aus.

Tausende demonstrieren
Der jetzige Konflikt begann am 27. April damit, dass Hadi seinen Staatsminister Hani bin Braik und den Gouverneur von Aden, Audarus al-Zubeidi, feuerte. Zur Begründung hiess es, sie hätten zu enge Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Diese sind allerdings Teil der saudisch geführten Koalition, die seit März 2015 im Jemen Krieg führt, um Hadi an der Macht zu halten. Zuvor hatte der den Emiraten vorgeworfen, sie würden sich wie eine Besatzungsmacht aufführen. Das bezog sich in erster Linie auf den Südjemen, wo die VAE die SeparatistInnenbewegung unterstützt.
Am 4. Mai demonstrierten in Aden laut einem Bericht von «arab24.com» nach den Freitagsgebeten Tausende mit der alten Fahne der DVRJ gegen die Entlassungen. In einer Erklärung forderten die OrganisatorInnen der Kundgebung al-Zubeidi auf, eine «nationale Führung» einzusetzen, «die den Süden repräsentiert». Diesem Appell kam der von Hadi gefeuerte Gouverneur sicher nicht ungern nach. Vor zwei Wochen nun gab Zubeidi die Bildung eines «Übergangsweisen Politischen Rats» bekannt. Er selbst führt den Vorsitz, Braik ist sein Stellvertreter. Unter den 26 Mitgliedern des neuen Gremiums sind die Gouverneure aller fünf südjemenitischen Verwaltungseinheiten. Der Rat soll, wie es offiziell heisst, «die Provinzen des Südens verwalten und sie innen- und aussenpolitisch vertreten».

Saudi-Arabien nicht erfreut
Hadi liess erwartungsgemäss sofort mitteilen, dass er die Vorgänge in Aden kategorisch ablehne und eine Abspaltung niemals akzeptieren werde. Noch steht diese aber nicht auf der Tagesordnung. Den Kräften, die jetzt die Macht in Aden übernommen haben, geht es vorerst darum, Verhandlungen zu erzwingen. Für erste Gespräche sind al-Zubeidi und Braik nach Saudi-Arabien geflogen. Die saudische Monarchie weigerte sich aber, die Delegation zu empfangen. Saudi-Arabien, das auf Seiten der Regierung im Jemen Krieg führt, hat sich explizit gegen die Bewegung ausgesprochen und hält ein «vereintes Jemen» vorteilhafter für die «Stabilität» der Region.

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