Mit Gejammer zum Ziel
Judith Schmid. Wegen eines heuchlerischen Briefes von 13 Rüstungsfirmen an die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SiK-S) will nun Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann dem Bundesrat eine Änderung der Kriegsmaterialverordnung beantragen. Auch die Schweiz soll bald Waffen in Bürgerkriegsländer liefern können.
Im Gegensatz zum weltweiten Trend nahmen die Rüstungsexporte der Schweiz in den letzten Jahren minim ab. Gleichwohl sind die Zahlen im Vergleich zum Ende des Kalten Krieges immer noch überdurchschnittlich hoch, denn seit Beginn des «War on Terror» der USA herrscht Rüstungshochkonjunktur. Der leichte Rückgang ist eine erfreuliche Entwicklung – zumindest in den Augen von FriedensaktivistInnen.
Ganz anderer Meinung ist die Rüstungsindustrie: Vereint wendeten sich letzten September 13 Kriegsmaterialproduzentinnen, darunter die bundeseigene Ruag, Mowag und Rheinmetall mit einem Brief an die SiK-S. Sonst Konkurrentinnen, malten sie in dem Schreiben gemeinsam schwarz: Die in ihren Augen restriktive Schweizer Kriegsmaterialverordnung bringe die ganze Wehrtechnik-industrie in Gefahr. Zahllose Arbeitsplätze seien gefährdet. Die Rüstungsschmieden fordern gleiche Exportbedingungen wie im umliegenden Ausland.
Offene Ohren beim Bund
Kurz nachdem im letzten November der Inhalt des Briefes in den Medien platziert worden war, lud die SiK-S VertreterInnen der Rüstungsindustrie zu einer ersten Anhörung. Mit dabei waren auch Vertretungen des Seco und des EDA. Ausgeklammert wurde von Beginn weg die Zivilgesellschaft. So blitzte auch die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) ab, nachdem sie per Mail ihr Interesse, an der nächsten Anhörung teilzunehmen, bekundet hatte.
Das Medienecho nach der zweiten Anhörung Anfang Monat – diesmal mit Vertretungen aus dem Wirtschafts-, Verteidigungs- und Aussendepartement – war gross: Die drei Departemente sind sich einig und wollen der Rüstungsindustrie entgegenkommen. Das Wirtschaftsdepartement unter Schneider-Ammann will nun dem Gesamtbundesrat eine Änderung der Kriegsmaterialverordnung beantragen, um die Exportregelung zu lockern. Wie genau diese Vorschläge aussehen werden, wird sich zeigen, wobei die Wünsche der Industrie sehr klar sind: Zum einen wird es um die Verlängerung der Exportbewilligung, zum andern um die flexiblere Handhabung des Exportausschlusskriteriums «Innere Konflikte» gehen. Konkret bedeutet dies: Waffenlieferungen in Bürgerkriegsländer.
Es ist zu befürchten, dass eine solche Änderung im Bundesrat eine Mehrheit finden wird, da Ignazio Cassis rüstungsfreundlicher unterwegs ist als sein Vorgänger Didier Burkhalter. Cassis sorgte bei seinem Amtsantritt für Schlagzeilen, als er dem Waffenlobby-Verein «Pro Tell» beitrat. Der öffentliche Druck wurde ihm zwar schnell zu gross und er kündete kurz darauf seine Mitgliedschaft wieder, an seiner Gesinnung dürfte das wenig geändert haben.
Offener Brief von NGOs
Schockiert, nicht nur weil auch die Departemente den Profit der Rüstungsfirmen über Menschenleben stellen, sondern auch wegen der undemokratischen Vorgehensweise, zeigten sich letzte Woche zahlreiche NGOs. 27 Organisationen, darunter die Gsoa, Alliance Sud, Schweizerische Friedensbewegung und Solidarité sans frontières, drückten mittels Brief an die SiK-S und den Bundesrat ihre Empörung aus. «Was die Forderung der Rüstungsunternehmen treibt, ist eine egoistische, wirtschaftszentrierte Sicht, welche die Auswirkungen ihrer Tätigkeit verkennt und die Arbeitsplätze in der Schweiz höher gewichtet als die Menschenrechte und die globale Sicherheit», heisst es in dem Schreiben. Vereint bitten die Organisationen die zuständigen Gremien, von einer Verordnungsänderung abzusehen. Dass der Wille von doppelt so vielen NGOs stärker gewichtet wird als die Anliegen der 13 Kriegsmaterialproduzentinnen, ist in der bürgerlich dominierten Schweiz aber wohl leider eine Illusion.
Verordnung bereits 2014 gelockert
Die Änderung der Kriegsmaterialverordnung liegt in der Kompetenz des Bundesrates. Gezielt wendeten sich die Rüstungsfirmen aber an die SiK-S. Kein Wunder, denn schon vor ein paar Jahren wurde die Verordnung durch eine Kommissionsmotion gelockert. Nachdem der Bundesrat noch 2008 Rüstungsexporte in Länder, die in interne oder internationale bewaffnete Konflikte verwickelt sind, untersagt hatte, wurde dieses Ausschlusskriterium bereits 2014 wieder verwässert.
Obwohl die Schweizer Kriegsmaterialverordnung auf Papier restriktiver daherkommt als die Exportverordnungen anderer europäischer Länder, muss hier bemerkt werden, dass die Schweiz als einziges Land zwischen Kriegsmaterial und sogenannten besonderen militärischen Gütern unterscheidet. Die Exporte dieser Güter werden nicht über die Kriegsmaterialverordnung geregelt und sind bei den Kriegsmaterialexportzahlen gar nicht erst aufgeführt. Darunter fallen insbesondere die militärischen Trainingsflugzeuge «Pilatus Porter» von Pilatus, die in der Vergangenheit immer mal wieder bewaffnet und beispielsweise in Burma, dem Irak, Mexiko oder dem Tschad gegen Zivilist-Innen eingesetzt wurden. Auch der Grossteil der PilotInnen, die momentan Luftangriffe im Jemen fliegen, haben ihr Kriegshandwerk auf Schweizer Pilatus-Flugzeugen gelernt.
Zynisch könnte man sagen, dass der Bundesrat momentan daran ist, die gesetzlichen Grundlagen der bisherigen Exportpraxis anzupassen, und somit wenigstens nicht mehr so tut, als wären Menschen- und Völkerrecht für ihn und die Schweizer Rüstungsindustrie von irgendeiner Bedeutung. Ein Grund mehr, diesem Verhalten ein lautstarkes «Nein» entgegenzuhalten.
Sind wir denn verrückt geworden? Wessen Leben zerstören denn Kriegswaffen und wer hat das Geld, diese zu kaufen? Hat die reiche Schweiz es tatsächlich nötig, sich am Leid anderer Menschen zu bereichern?? Wir machen uns mitschuldig an Zerstörung, Invalidität und Tod. – Eine Schande für unser Land, unbegreiflich und menschenverachtend. Mehr: wir machen uns mitschuldig an jedem durch unsere Waffen verursachten Mord!
@Pia Schmid Diese Bundesräte sind von der Rüstungsindustrie gesponsert und gehören abgsetzt .