Machtkampf um den Schweizer Finanzplatz

dom. Droht der Schweiz nach der CS auch der Verlust der UBS? Gerüchte über einen US-Hauptsitz treffen auf Berns Pläne für härteres Eigenkapital. Der Konflikt dreht sich weniger um Stabilität als Interessenpolitik: Profit vs. Standort – der Kompromiss ist absehbar, die Risiken bleiben.

Gerade mal zwei Jahre nach dem Crash der Credit Suisse droht der Schweiz, dem Land der Banken, der Verlust ihrer zweiten Grossbank. Anfang September behauptete die «New York Post», es hätten Gespräche zwischen der UBS und der Trump-Regierung stattgefunden, die auf eine Verlegung des UBS-Hauptsitzes von Zürich in die USA abgezielt hätten. Die UBS könnte mit dem Kauf einer US-Bank und mit der Übernahme deren juristischen Sitzes zu einer US-amerikanischen Bank werden, spekulierte «Wall-Street»-Reporter Charlie Gasparino.
Der doppelte Zweck des Manövers: Einerseits könnte die UBS die hierzulande drohenden Verschärfungen im Bereich der Eigenkapitalvorschriften umgehen, andererseits passt es auf die Agenda des US-Präsidenten. Die ökonomischen Auswirkungen hielten sich zwar in Grenzen – ein Wechsel des Hauptsitzes schafft kaum neue Jobs, steuerliche Effekte bleiben moderat – doch für Trump passt ein UBS-Domizil ins Programm. Firmen in die USA zu holen – ein globales Flaggschiff «einzusammeln» wäre ein Erfolg, der sich medienwirksam inszenieren liesse.

Ein altbekanntes Spiel?
Verliert die Schweiz ihre letzte Grossbank? Und damit ihre Stellung als Finanzplatz? Prognosen sind schwierig, klar ist aber: Die Diskussionen über eine Standortverlagerung der UBS sind nicht neu – wann immer die Kapitalregeln verschärft werden sollen, entflammt die Wegzugsdebatte von Neuem. Bereits 2009 drohte der damalige UBS-Chef Oswald Grübel offen mit einer Sitzverlegung, sollte die Regierung die Kapitalvorgaben zu stark verschärfen. Wenige Jahre später, 2017, betonte Sergio Ermotti im Gespräch mit der «Bilanz», ein Verbleib in der Schweiz sei niemals garantiert – ebenfalls im Kontext von Regulierungsverschärfungen.
Dennoch ging der jüngste Bericht der «New York Post» rasch um die Welt und sorgte für grosse Aufregung – aus einer Reihe von Gründen: Seit dem Untergang der Credit Suisse ist der Schweizer Finanzplatz zum gefährlichen Pflaster geworden, die protektionistische Wende der USA verunsichert die ökonomische Lage insgesamt – und: Die Gerüchte um einen Wegzug der UBS stammen dieses Mal aus einem Medium, das Trump nahesteht.

Gespaltene Meinung
Die Reaktion der Schweizer Leitmedien war von Aufregung gezeichnet und spiegelte die Zerrissenheit der bürgerlichen Meinung zur Frage, wie mit der jüngst geschaffenen Megabank umzugehen sei. «Kann die Grossbank ohne die Schweiz überleben?», fragte die NZZ. Die «Finanz und Wirtschaft» versuchte zu erklären, «warum ein Wegzug von UBS das kleinere Übel ist». Die Handelszeitung wiederum rief die Regierung zu Zurückhaltung auf und mahnte, ein Wegzug der UBS «käme die Schweiz teuer zu stehen».
Anschaulich bildeten sich diese Widersprüche auch in der öffentlichen Meinung ab: Gemäss einer aktuellen Umfrage des Instituts «Leewas» befürchten 65 Prozent der Bevölkerung einen Wegzug der UBS aus der Schweiz. Zugleich findet aber eine Mehrheit von 61 Prozent, dass der Bund die Eigenkapitalregeln für die UBS verschärfen soll, selbst wenn diese zu einer Verlagerung ihres Hauptsitzes führen sollte – aber was soll da eigentlich reguliert werden?

Was regulieren!?
Heute müssen Muttergesellschaften wie die UBS ihre Beteiligungen an ausländischen Tochterfirmen nur teilweise mit hartem Kernkapital absichern. Zum harten Kernkapital zählen Stammaktien, einbehaltene Gewinne oder Rücklagen. Hinzu kommen spekulativere Instrumente wie langfristige, nachrangige Anleihen (Wertpapiere, bei denen die Ansprüche im Falle einer
Insolvenz erst bedient werden, nachdem die Forderungen der vorrangigen Gläubiger:innen erfüllt wurden) und Derivate (wie Futures oder Swaps), die nicht zum harten Kernkapital zählen, aber zum gesamten Kernkapital.
Die Debatte wirkt abstrakt. Anschaulich wird sie an Fällen wie dem jüngsten Zusammenbruch des US-Autozulieferers «First Brands». Eine von Finanzinvestor:innen hochgehebelte Expansion kippte – die Verluste landen bei den Banken, die sich nicht rechtzeitig aus dem
Geschäft zurückgezogen haben. Für die UBS dürfte der Schaden im Bereich mehrerer hundert Millionen liegen. Gemäss den geplanten Regulierungen sollen Beteiligungen an ausländischen Tochtergesellschaften künftig vollständig mit hartem Eigenkapital hinterlegt werden. Der Bundesrat greift damit nicht bei Einzelgeschäften, sondern auf Konzernebene ein – will aber letztlich mittels höherer Konzernresilienz verhindern, dass sich Probleme einer Tochtergesellschaft über verschachtelte Finanzierungen in den gesamten Konzern durchfressen.
Neben der Regulierung des Eigenkapitals beinhaltet das vorgeschlagene Massnahmenpaket des Bundesrates Werkzeuge im Bereich der Aufsicht und Abwicklung. Klare persönliche Verantwortlichkeiten bis hin zu Berufsverbot-Optionen sollen die «Accountability» stärken; Bonusregeln sollen verschärft, die Eingriffsrechte der Finanzmarktaufsicht (FINMA) sollen erweitert
werden; frühere und effektivere Interventionen sollen Krisen verhindern, ebenso wie erweiterte Informationspflichten; an Notfall- und Abwicklungspläne werden schärfere Anforderungen gestellt.

UBS: Schwache Performance, starkes Lobbying
Kern des Pakets bleibt die Regulierung des Eigenkapitals. Mit der neu geforderten Kapitalisierung der Auslandstöchter würde die erforderliche Quote harten Kernkapitals gemäss «Financial Times» von 14 auf 19 Prozent ansteigen, was einer Erhöhung von 15 bis 25 Milliarden Dollar entspricht. Dieses Geld, das aus Sicht der Regierung etwaige Verluste auffangen soll, liegt aus Sicht der UBS ungenutzt im Keller herum und schmälert die Rendite.
Der Kurs der UBS ist in den letzten zwölf Monaten zwar gestiegen – aber weniger stark als jener der meisten anderen europäischen Banken.
Vor dem Hintergrund ihrer vergleichsweise schwachen Börsenperformance warnte die UBS umgehend
vor dem Verlust ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Lars Förberg, Mitgründer des Aktionärs und Investors Cevian (mit rund 1,4 Prozent an der UBS beteiligt), meinte nach dem Treffen zwischen UBS und US-Behörden gegenüber der «Financial Times», es sei «unter den aktuellen Vorschlägen» nicht machbar, «eine grosse internationale Bank von der Schweiz aus zu betreiben».
Ermotti sendet betreffend Standortverschiebung zwar gemischte Signale, bezeichnete aber Finanzministerin Karin Keller-Sutter kürzlich als «grösstes Hindernis» für eine erfolgreiche UBS. Aber immerhin hat sich dank Finanzdepartement der Zeitplan zugunsten der Grossbank verschoben: Weil die verschärfte Eigenkapitalvorschrift neuerdings nicht mehr in der bestehenden Eigenmittelverordnung, sondern im Bankengesetz verankert werden soll, muss sie den langwierigen
parlamentarischen Prozess durchlaufen. Die UBS gewinnt einige Jahre für intensivierte Lobbyarbeit – und dabei hat sie sich in der Vergangenheit stets als äusserst effektiv erwiesen.

KKS: Zwischen Risiko und Rückhalt
Manch eine:r dürfte sich fragen: Wieso drangsaliert eigentlich eine liberale FDP-Bundesrätin das Schweizer Finanzkapital? Kurz gesagt: Die Finanzministerin handelt eben als Finanzministerin. Als ideelle Gesamtkapitalistin ist sie weniger einem bestimmten Einzelkapital verpflichtet, als um die reibungslose Kapitalakkumulation auf ihrem Staatsgebiet bemüht. Als Regierungsverantwortliche ist ihre Finanzpolitik das Ergebnis von Lehren aus der CS-Krise, Standortlogik und einer Berücksichtigung von politischen Realitäten und Kräfteverhältnissen.
Spätestens seit 2023 steht der Schweizer Finanzplatz unter scharfer Beobachtung. Als letzte noch verbliebene, global systemrelevante Grossbank hat die UBS zwar enorm an Gewicht gewonnen – ist aber gleichzeitig auch zum Klumpenrisiko geworden, das die kleine Schweizer Volkswirtschaft kaum zu tragen vermag. Anleger:innen fordern Stabilität, eine breite Mehrheit der Bevölkerung befürwortet härtere UBS-Regeln – die FDP-Bundesrätin sucht nach einem Kompromiss zwischen harter Aufsicht und marktwirtschaftlicher Verantwortung, der politisch mehrheitsfähig ist.
Hinter den medialen Kulissen sind die Töne etwas sanfter und zeigen an, in welche Richtung der Kompromiss gehen könnte. Der Bundesrat hat für die 100-Prozent-Kernkapital-Regel eine mehrjährige Einführung in die Vernehmlassung gegeben – zeigt sich also hart in der Zielarchitektur, aber pragmatisch im Übergang. Diskutiert werden inzwischen auch 80 statt 100 Prozent Kapitalisierung der Auslandstöchter und/oder ein höherer Anteil an nicht hartem Kernkapital, um die Last für die UBS zu dämpfen.

Der Kompromiss sucht sich seinen Weg
Bei alledem darf die UBS auf Schützenhilfe zählen. Gemäss «Financial Times» drängen Wirtschaftsverbände und Parlament «angesichts der Befürchtungen, dass das Land seinen grössten Kreditgeber behindern und das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnte», zunehmend auf einen Kompromiss – insbesondere im zuletzt mehrfach erschütterten Umfeld wachsen die Zweifel, ob gerade jetzt die Interessen der UBS beschnitten werden sollen. So zielen FDP, SVP und die Schweizerische Bankiervereinigung auf eine Lösung, bei der die UBS rund zehn Milliarden Dollar weniger aufbringen müsste als vom Bundesrat vorgeschlagen.
Das heisst: Das Gejammer der UBS ist schlimmer als die drohenden Regulierungen. Das dürfte auch Keller-Sutter wissen. Sie kann nun angesichts des geschwächten Schweizer Finanzplatzes Stärke demonstrieren und damit Anleger:innen besänftigen, weitere Reputationsverluste verhindern und sich der Stimm- und Wahlbevölkerung andienen – ohne die UBS zu hart anzugehen. Dabei darf sie sich auf ein austariertes Schweizer System aus Verbänden, Vernehmlassungen und Lobbyarbeit verlassen, das voraussichtlich sowohl einen Wegzug als auch einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der UBS verhindern wird.
Bankenkrisen lassen sich nicht verhindern – egal, wie von staatlicher Seite reguliert wird.
Die Debatte zwischen UBS und KKS ist aber keine blosse Scheindebatte – sie dreht sich nur weniger um die Stabilisierung des Schweizer Finanzplatzes als um Macht, geschäftliche Spielräume und Profit. Wie günstig werden die politischen Rahmenbedingungen für die UBS, wie stellt der Bundesrat Vertrauen her? Die UBS setzt auf Drohkulisse und Lobby, der Bundesrat auf schrittweise Härte – und der Kompromiss wird am Ende weniger
Sicherheit als Einfluss verteilen.

Share

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.