Die Verlogenheit der offiziellen Schweiz

sit. Die UN-Klimakonferenz in Brasilien ist voll im Gange. Die Schweizer Delegation wird von Bundesrat Rösti angeführt und ihre Zusammensetzung sagt sehr viel über die Haltung der offiziellen Schweiz aus. Auch eine gut gelungene Störaktion machte darauf aufmerksam.

Die UN-Klimakonferenz 2025 (COP30, United Nations Framework Convention on Climate Change) in der im Norden Brasiliens gelegenen Stadt Belém begann am 10. und dauert noch bis zum 21.November an. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen veröffentlichte wenige Tage vor Beginn der Konferenz seinen diesjährigen Emissions Gap Report, nach dem die Erde selbst bei Einhaltung aller gegenwärtigen Klimaschutzzusagen bis 2100 auf eine Erwärmung von 2,3 bis 2,5 Grad Celsius zusteuere: Der Finanzmittelbedarf der sogenannten «Entwicklungsländer», um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, sei dabei 12- bis 14-mal so hoch wie die tatsächlich zugesagten Investitionen der Industrieländer, womit auch eines der Hauptproblem genannt ist.

Profite vs. Rettung der Erde
Die zweite Woche der Klimakonferenz sei «die Woche der Entscheidung», ist in der bürgerlichen Presse zu lesen, wie etwa im Tages-Anzeiger. Die Zeitung fasste dann die «Komplexität der Probleme» wie folgt zusammen: «Staaten ringen um verschärfte Emissionsziele, während ölreiche Länder einen schnelleren Ausstieg aus fossilen Stoffen blockieren», und «Bei der Klimafinanzierung stehen 300 Milliarden Dollar jährlich im Raum, doch Industriestaaten kürzen Zusagen.» Man kann die angebliche «Komplexität der Probleme» auch viel einfacher auf den Punkt bringen: Profite vs. Rettung der Erde.

Bundesrat als Werbeträger
Und die offizielle Schweiz? Bereits bei der Zusammensetzung ihrer Delegation zeigt sich, auf welcher Seite der Barrikade sie steht. Angeführt wird sie vom SVP-Bundesrat Albert Rösti, Vorsteher des Departements Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEG). Mit dabei sind mit Petra Laux (Sustainability Officer von Syngenta) und Patrick Dümmler (Schweizerischer Gewerbeverband, SGV) zwei Vertreter:innen des Privatsektors. Syngenta steht unter anderem aufgrund umweltschädlicher Praktiken und des massiven Einsatzes von Pestiziden in der Kritik, während der SGV jegliche Klimaregulierung, die Ausweitung von ESG-Verpflichtungen und das Netto-Null-Ziel ablehnt.
Bezeichnend ist auch, dass der Schweizer Umweltminister es nicht für nötig hält, während der ganzen Konferenz vor Ort zu sein – oder zumindest eine Vertretung hinzuschicken. Die Schweizer Delegation wird im Verlauf der zweiten Konferenzwoche anreisen. Rösti hat offenbar «Besseres» zu tun. So war er am 14.November beim Autohaus «Hutter Dynamics» in Schaffhausen zu Gast, um dort einen Vortrag zu halten. Ein Unternehmen, das laut eigener Website stolz darauf ist, die «automobilen Träume» seiner Kundschaft «wahr werden zu lassen».

Geld ist nicht essbar
Doch so ganz ohne Nebengeräusche verlief der Auftritt zum Glück nicht. Neun Klimaaktivist:innen hinderten den sichtlich verärgerten Bundesrat gut 15 Minuten lang daran, seinen Auftritt zu beginnen. Als Rösti die Bühne betrat, hielten die Aktivist:innen kurze, prägnante Reden aus dem Publikum. Und sie traten mit Transparenten auf, die mit «Demokratie, statt Öligarchie» und «Cars kill» beschriftet waren. Eine Aktivistin unterstrich die so simple wie symbolträchtige Tatsache, dass Bundesrat Rösti während der Klimakonferenz in einem Autosalon Werbung betreibt.
Die Klimaaktivist:innen machten darauf aufmerksam, dass die Schweiz ihre Klimaziele trotz abermaliger Beteuerungen Röstis bei weitem verfehlt. Weiter warfen sie dem SVP-Bundesrat vor, das Pariser Klimaabkommen mit fossiler Interessenspolitik zu torpedieren. In ihrer Pressemitteilung halten sie treffend fest: «Seine Politik kommt einem Drogenkonsumenten gleich, der sich für den kurzfristigen Rausch selbst zerstört. Werden wir erst wenn das Letzte Feld vergiftet ist, merken, dass Geld nicht essbar ist?» Und sie fügten hinzu: «Wir haben das 1,5° Ziel des Pariser Abkommens so gut wie überschritten. Die Versprechen und Beteuerungen des Bundesrates haben sich als blosse Lippenbekenntnisse erwiesen und nichts als wertvolle Zeit gekostet.» Nach ihrem Protest verliessen die neun Aktivist:innen die Veranstaltung… und wurden von der Polizei festgenommen.

Sonnenklar
Die Verlogenheit von Bundesrat Rösti und seinen weiteren sechs Regierungskolleg:innen zeigt sich auch besonders gut in der Ablehnung der «Zukunftsinitiative» der Juso, die am 30.November zur Abstimmung kommt. Das Volksbegehren verlangt bekanntlich, dass Erbschaften ab 50 Millionen Franken mit 50 Prozent besteuert werden. Davon betroffen wären knapp 2500 Personen (0,05 Prozent der Steuerzahler:innen!), würde aber sechs Milliarden Franken für die sozial gerechte Bekämpfung der Klimakrise einbringen. Bundesrat Röst hätte also nach Belém an die UNO-Klimakonferenz reisen und verkünden können, dass sich seine Regierung für die Finanzierung der Klimarettung stark macht – und so einen konkreten Beitrag zur Lösung der angeblichen «Komplexität der Probleme» leisten können. Er zieht es vor, Werbeträger für die «automobilen Träume» zu sein. Wie erwähnt: Profite vs. Rettung der Erde – und auf welcher Seite der Barrikade die offizielle Schweiz steht, wurde einmal mehr sonnenklar.

 

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