Deponie statt Wald?

tai. Im Zürcher Oberland soll ein Wald einer Deponie für Abfälle aus der Kehrichtverbrennungsanlage in Hinwil weichen. Die AnwohnerInnen aus den Gemeinden Gossau und Grüningen haben mehrere Protestaktionen gegen die Zerstörung ihres Waldes organisiert.

Eine Demonstration mit 400 TeilnehmerInnen, mitten in einem Wald, umgeben von tief bürgerlichen Gemeinden. Mobilisiert wurden die AnwohnerInnen des «Tägenauer Holzes» durch das Vorhaben der Zürcher Kantonsregierung: Ein grosser Teil des Waldes soll gerodet werden für eine Deponie. Das Gesicht des Waldes dürfte sich dabei stark verändern. Jakob Bodmer, ein pensionierter Förster, der den Wald für den Kanton während Jahrzehnten gepflegt hat, drückt es klar aus: Es drohe die Zerstörung des Tägenauer Holzes. Der betroffene Wald ist das grösste zusammenhängende Waldstück im Zürcher Oberland. Er ist ein wichtiges Ökosystem. Es ist kein Zufall, dass hier vor wenigen Jahren ein Wolf gesichtet wurde. Zehn Hektare Wald müssen gerodet werden, um Platz für eine neue Deponie zu machen, hundertmal 1000 Meter, 14 Fussballfelder. Vom Wald wird dann nicht mehr viel übrig sein. Verschwinden wird der Wald nicht über Nacht, sondern Stück für Stück. Die Bäume werden gerodet, der Boden ausgebaggert und mit Material aus der Kehrichtverbrennungsanlage Zürcher Oberland (Kezo) in Hinwil aufgefüllt. Wenn ein Wald nicht nur abgeholzt wird, sondern auch der Boden abgetragen und somit die Pilznetzwerke zerstört werden, dauert es Hunderte von Jahren, bis sich der Wald wieder einigermassen erholt hat.

Kämpferherz zeigen
Das Material, mit dem die Deponie aufgefüllt werden soll, gilt als unbedenklich und ist auch nicht das Problem aus Sicht der DeponiegegnerInnen. Es geht ihnen um die Zerstörung eines Naherholungsgebietes und den zusätzlichen Verkehr, den die Deponie mit sich bringen wird. Betroffen sind sowohl Gossau als auch Grüningen im Zürcher Oberland. «Unseren grössten Wald wird es danach schlicht nicht mehr geben», sagt Grüningens ehemalige Gemeindepräsidentin Susanna Jenny (parteilos). Er sei für Grüningen auch als Naherholungsgebiet wichtig. Es sei kaum zu glauben, dass man am einst hoch gehaltenen Waldschutz zu knabbern anfange. «Man fällt doch keine Bäume für eine Deponie.»
Susanna Jenny war auch eine der InitiatorInnen der Demonstration vom 17. November. «Wir können etwas gegen diese Deponiepläne mitten im Wald machen», ermunterte Jenny dort die 400 DemonstrantInnen, die im herbstlichen Wald zusammengekommen waren. In wenigen Monaten stünden wieder Wahlen an. «Befragen Sie die aktuell zwölf Kantonsräte aus der Region, wie sie die Situation rund um die Einrichtung einer Deponie mitten im Wald einschätzen», schlägt die ehemalige Grüninger Gemeindepräsidentin vor. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem kantonalen Vorhaben. Man werde, bekräftigte Jenny nach der Kundgebungsveranstaltung gegenüber der Zeitung «Züriost», sämtliche rechtliche Schritte gehen, um eine Deponie mitten im Wald zu verhindern. Bald schon sei die Festsetzung des Richtplanes durch den Kanton zu erwarten. Dann gelte es, je nach Entscheid, «Kämpferherz» zu zeigen.
Einige DemonstrantInnen drückten ihren Protest nicht nur mit ihrer Präsenz aus. Mia und Fabienne, zwei Schülerinnen aus Grüningen, hatten Plakate gefertigt. «Wir machen das aus eigener Überzeugung», betonte die 13-jährige Mia. «Wir wollen nicht, dass dieser Teil des Waldes abgeholzt wird.» Ihre Kollegin Fabienne wünscht sich, auch weiterhin in diesem Waldabschnitt spazieren gehen zu können. «Es ist einfach unnötig, so viel Wald für eine Deponie zu zerstören», sagte die 14-jährige.

Alternativlos?
Die Geschichte um die geplante Deponie zieht sich schon seit Jahren hin: Bereits 2009 wurde das Tägernauer Holz zum Deponiestandort erkoren. Mittlerweile soll die Deponie nach den Plänen des Regierungsrats doppelt so gross werden wie ursprünglich vorgesehen: ein Volumen von 1,5 Millionen Kubikmetern statt 750 000; auf zehn statt sechs Hektaren. Dies bedarf einer Richtplanänderung, über die der Kantonsrat befindet.
Der Grund für diese Vergrösserung steht acht Kilometer entfernt auf dem Areal der Kezo Hinwil: Die Anlage erlaubt es, Metalle wie Kupfer, Aluminium, Gold oder Silber in der Kehrichtschlacke aufzuspüren. Bereits heute wird das Material aus dem Zürcher Oberland, der Stadt Zürich und aus Horgen aufbereitet; künftig soll es die Schlacke aus dem ganzen Kanton sein. Etwa 16 Prozent Materialien werden herausgefiltert. Was übrig bleibt, muss deponiert werden – im nahen Gossau.
Der Kanton erwidert auf die Kritik, dass es nicht viele Alternativen zu Gossau, gebe. Und die Transportwege dorthin seien deutlich länger. Die örtlichen BehördenvertreterInnen halten dagegen: Es würden Abfälle schweizweit hin und her transportiert, da falle der letzte Streckenabschnitt der Schlacke in der Gesamtbilanz nicht ins Gewicht. Tatsächlich wird heute Schlacke aus dem Wallis und Solothurn nach Hinwil geliefert.

Nächste Deponie
Die Demonstration im November war nicht die erste. Bereits im Juli 2018 haben sich rund 150 AnwohnerInnen an die von der Rodung bedrohten Bäume gefesselt und Holzkreuze aufgestellt, die für den drohenden Tod des Waldes standen, sollte der Kanton seinen Plan weiter verfolgen. Zuvor lief der Widerstand über die Gemeindebehörden. Gossau sieht sich übrigens mit gleich noch einer Deponie konfrontiert, über die der Kantonsrat 2019 befinden wird. Hier sind 1,3 Millionen Kubikmeter sowie von 12 Hektaren geplant. Der Gemeinde stehen wohl noch unruhige Zeiten bevor.

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Ein Kommentar

  • André Dünner

    Ressourcen, vor allem natürliche, sind in sich regenerierend. Mülldeponien sind dies nicht.

    Und wenn schon solche zu emtstehen haben, dann doch bitte bei jenen welche bei der Porduktion von Abfallstoffen auch noch Gewinne generieren.

    Also, in der Nähe ihrer Wohnbereiche. Nur dann ist sichergestellt, dass in der Produktion von Abfall Modernisierungen erfolgen die nachhaltig sind.

    Anwendung des Verursacherprinzips anwenden.

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