«Solange …»

lmt. Das feministische Streikkollektiv St.Gallen fand eine spannende und
packende Art und Weise für den diesjährigen 14.Juni zu mobilisieren. Der
vorwärts sprach mit Alice Froidevaux über die «Solange…»-Aktion.

Kannst du den vorwärts-Leser:innen den Ursprung eures Projektes näherbringen?
Die diesjährige Mobilisierungskampagne des feministischen Streiks in St. Gallen wurde inspiriert vom Kunstprojekt Solange – The Project der österreichischen Künstlerin Katharina Cibulka. In diesem Projekt werden Sätze, die mit «Solange» beginnen und mit «bin ich Feminist:in» enden, in pinkem Tüll auf grossflächige Staubschutznetze gestickt und an Baugerüsten angebracht. Dabei entsteht ein spannungsvoller Kontrast zwischen der traditionell weiblich konnotierten Handarbeit des Stickens und dem männlich dominierten Ort der Baustelle. Die so entstehenden Botschaften machen eindrucksvoll sichtbar, wie notwendig feministische Forderungen nach wie vor sind. Auf das Projekt aufmerksam wurden wir durch Frieda, die feministische Friedensorganisation, die es im März nach Bern holte. Dort war der Satz «Solange du dich auf das Patriarchat stützt, bin ich Feminist:in» an der Stützmauer der Münsterplattform zu sehen. Für den feministischen Streik haben wir diesen Ansatz in Absprache mit Katharina Cibulka aufgegriffen und weiterentwickelt. Unser Slogan lautet: «Solange… gehe ich am 14.Juni auf die Strasse!»

Was wollt ihr mit diesen Slogans bewirken?
Unser Ziel war es, eine Aktionsform zu finden, bei der sich möglichst viele Menschen aktiv beteiligen können. Die partizipative Solange-Kampagne eignet sich dafür ideal. Auf unserer Website feministischerstreik-sg.ch können alle Interessierten ihren eigenen Solange-Satz einreichen – ein persönliches Statement, das mit «Solange…» beginnt und eine feministische Forderung, Kritik oder Vision ausdrückt. Wir veröffentlichen diese Beiträge laufend und schaffen damit eine wachsende Sammlung von Stimmen, die den feministischen Streik schon im Vorfeld sichtbar und greifbar machen. So möchten wir die Menschen ermutigen, sich bereits vor dem 14.Juni einzubringen – ihre eigenen Forderungen, ihren Unmut aber auch ihre Kreativität im feministischen Kampf zum Ausdruck zu bringen. Die eingereichten Sätze lassen sich auf den Sozialen Medien weiterteilen, und tragen so dazu bei, Aufmerksamkeit zu schaffen und zur Teilnahme an den Demonstrationen des 14.Juni zu mobilisieren– in St.Gallen, aber auch in vielen anderen Städten.

Auf Instagram gab es Kommentare, die diese Slogans als «männerfeindlich» bezeichnen. Gab es auch andere Reaktionen auf euer Slogan-Projekt?
Es ist immer wieder bemerkenswert, wie schnell sich manche Männer von feministischen Aussagen persönlich angegriffen fühlen – während frauenfeindliche Kommentare, Diskriminierung und Gewalt gegen FINTA-Personen oft kommentarlos hingenommen oder relativiert werden. Der Vorwurf, ein Slogan sei «männerfeindlich», bezog sich in diesem Fall auf den Satz: «Solange Männer die Butter im Kühlschrank nicht finden, aber meinen, sie könnten die Welt regieren, gehe ich am 14.Juni auf die Strasse.» Das ist ein augenzwinkernder, kreativer Satz, der auf humorvolle Weise patriarchale Machtverhältnisse kritisiert. Wer sich davon angegriffen fühlt, sollte sich eher fragen, warum das so ist. Natürlich gab es auch viele positive Reaktionen und Kommentare. Leider gab es aber auch Kommentare, die weit über sachliche Kritik hinausgingen – sexistische, abwertende oder sogar gewaltvolle Reaktionen. Solche Beiträge löschen wir konsequent. Bei kritischen, aber respektvollen Kommentaren versuchen wir hingegen zu antworten und den Dialog zu suchen. Diese emotionalen Reaktionen zeigen, wie viele noch immer nicht verstanden haben, worum es im Feminismus wirklich geht: Es geht nicht darum, jemandem Rechte wegzunehmen oder Männer zu «bashen», sondern darum, echte Gleichstellung und Inklusion zu erreichen.

Welche erste Bilanz zieht ihr aus diesem Projekt?
Die Idee zur Aktion entstand im Streikkollektiv St.Gallen, doch inzwischen beteiligen sich auch viele andere Kollektive aus der ganzen Schweiz an den Solange-Posts. Dadurch gewinnen die Botschaften eine beeindruckende Reichweite. Viele Menschen teilen die veröffentlichten Sätze, aber was uns besonders freut, ist, dass sehr viele ihre eigenen Sätze einreichen. Diese grosse Resonanz zeigt uns, dass wir mit dieser Aktion einen Nerv getroffen haben. Das Bedürfnis, sich auszudrücken, persönliche Anliegen sichtbar zu machen und Teil einer kollektiven Bewegung zu sein, ist gross. Und genau darin liegt die Kraft des feministischen Streiks: in der Vielfalt der Stimmen, die sich zusammenschliessen und gemeinsam laut werden.

Gibt es abschliessend noch etwas zu sagen über den 14.Juni?
Die Solange-Sätze zeigen eindrücklich: Auch 2025 gibt es noch immer viel zu viele Gründe, am 14.Juni auf die Strasse zu gehen. Unsere Rechte sind nicht selbstverständlich – selbst in der reichen Schweiz bestehen grosse Lücken bei Gleichstellung und dem Schutz von FLINTAQ+ -Personen. Genau deshalb braucht es den feministischen Streik. Der Streiktag am 14.Juni ist bei vielen ausserhalb der feministischen «Bubble» noch immer kaum bekannt. Dabei hat er eine starke Geschichte: 1991 streikten über eine halbe Million Frauen in der ganzen Schweiz – gegen Diskriminierung, Lohnungleichheit und fehlende Anerkennung ihrer Arbeit. Der Termin war bewusst gewählt: Zehn Jahre zuvor, 1981, wurde der Gleichstellungsartikel in die Bundesverfassung aufgenommen – konkrete Fortschritte blieben aber weitgehend aus. Mehr als 40 Jahre später kämpfen wir noch immer gegen dieselben Ungerechtigkeiten. Doch die Bewegung hat sich weiterentwickelt: Aus dem Frauenstreik wurde der feministische Streik – denn der Kampf gegen das Patriarchat muss intersektional geführt werden!

Alice Foroidevaux ist aktiv im feministischen Streikkollektiv St.Gallen

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