Monsanto: Schuldig!

Redaktion. Monsanto verübt Verbrechen gegen Mensch und Umwelt, bisher ohne rechtliche Konsequenzen. AktivistInnen haben deshalb ein Tribunal organisiert. Nun wurde das Rechtsgutachten veröffentlicht, das in Zukunft für Verfahren gegen den Saatgutriesen verwendet werden könnte.

Die Dominanz von Monsanto sei höchst problematisch für Menschenrechte, Umwelt und die biologische Vielfalt. Das berichtet René Lehnherr, der Initiator des internationalen Monsanto-Tribunals in Den Haag. Nun ist am 18. April der Bericht des Tribunals veröffentlicht worden. «Im Grossen und Ganzen kann man zusammenfassen, dass die Richter befunden haben, dass Monsanto in allen sechs untersuchten Punkten Recht verletzt hat.» Bei diesen sechs Punkten handelt es sich um die Rechte auf eine gesunde Umwelt, auf Gesundheit, das auf Nahrung, auf freie Meinungsäusserung und auf wissenschaftliche Forschungsfreiheit, ferner um die Beteiligung an einem Kriegsverbrechen, durch den Einsatz des Giftes «Agent Orange» im Vietnam-Krieg. Dem Konzern wird der Tatbestand des Ökozids vorgeworfen, also Verbrechen an der Natur, was in der Rechtssprechung noch nicht als Strafbestand besteht, so Lehnherr.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Die schwächste Diktatur

Proteste nach dem Referendum in der Türkei.

Alp Kayserilioglu. Auch mit diktatorialen Mitteln und Wahlbetrug kam Erdogan beim Referendum vom 16. April in der Türkei kaum über 51 Prozent Zustimmung für seine Diktatur. Einer seiner Hauptbündnispartner, die faschistische MHP, droht wegzubrechen. Das Grosskapital ist in Panik. Die Menschen gingen zu Zehntausenden aus Protest auf die Strasse.

Das Ergebnis des Referendums in der Türkei vom 16. April kam unerwartet. Laut bisherigen offiziellen Ergebnissen gewann das Ja-Lager mit einer marginalen Mehrheit von knapp 51 Prozent gegenüber 49 Prozent des Nein-Lagers. Der Haken an der Angelegenheit: Das eh schon sehr knappe Wahlergebnis kam nur aufgrund massiver Wahlfälschung zustande. Die Hauptoppositionsparteien Republikanische Volkspartei (CHP) und Demokratische Partei der Völker (HDP), aber auch die internationalen BeobachterInnen der OSZE, zivilgesellschaftliche Organisationen wie Hayir ve Ötesi oder die Anwaltskammer der Türkei halten allesamt einstimmig fest: Mindestens 1,5 bis 2,5 Millionen Stimmen wurden auf irreguläre oder rechtswidrige Art und Weise abgegeben. Das wären immerhin 4 bis 5 Prozent aller abgegebenen Stimmen und damit wahlentscheidend.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Bruch mit dem undemokratischen Staat

Ricard Arrufat. Die Widersprüche im spanischen Staat sind auch 80 Jahre nach dem Spanischen Bürgerkrieg nicht gelöst. Neben der baskischen Bewegung fordern auch die KatalanInnen die Unabhängigkeit von Spanien. Dieses Jahr wird es noch einmal zu einem Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens kommen.

Gegenwärtig steckt ein Teil der katalanischen Gebiete im Kampf für ihre Unabhängigkeit, im Prozess der Loslösung vom spanischen Staat. Es ist ein monarchistischer Staat, der aus der faschistischen Franco-Diktatur geboren und geschaffen wurde, in dem die Verantwortlichen der Diktatur nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt, in dem die wirtschaftlichen Eliten ihre Privilegien aus der Diktatur behalten haben und in dem die Korruption generalisiert und juristisch normalisiert wurde.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

«Enorme Unzufriedenheit»

Philipp Zimmermann. Zehntausende Menschen haben sich in Argentinien an einem Generalstreik beteiligt. Mit den Gewerkschaften fordern sie Massnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit und ein Ende der neoliberalen Politik.

In Argentinien haben am 6. April die drei grössten Gewerkschaftsdachverbände CGT, CTA und CTA Autónoma einen Generalstreik gegen die Politik von Präsident Mauricio Macri angeführt. Daran beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaften Zehntausende Menschen im ganzen Land. Im Zentrum stand die Forderung der Gewerkschaften nach Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, die seit Macris Amtsantritt im Dezember 2015 angestiegen ist. Dieser hat in seinem ersten Amtsjahr etwa die Entlassung etlicher öffentlicher Angestellter durchgesetzt.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Lenín, el presidente

Michael Wögerer. Ecuadors neuer Präsident heisst Lenín Moreno. Der Linkskandidat aus den Reihen der Regierungspartei will die Sozialprogramme seines Vorgängers Rafael Correa ausweiten. Die rechte Opposition tobt.

Am Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Ecuador gibt es nichts mehr zu rütteln. Der Kandidat der linken Regierungspartei Alianza País, Lenín Moreno, hat nach Angaben der Nationalen Wahlkommission (CNE) die Stichwahl vom 2. April mit 51,15 Prozent gewonnen. Sein rechtskonservativer Herausforderer, der neoliberale Banker Guillermo Lasso von der Partei Creo-Suma erhielt 48,85 Prozent. Somit wird der 64-jährige Moreno am 24. Mai die Nachfolge von Rafael Correa antreten, der seit 2007 das Land regiert und nach zweimaliger Wiederwahl nicht wieder kandidiert hatte.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

«Streik für Freiheit und Würde»

 

Georg Polikeit. In den israelischen Gefängnissen befinden sich 1500 palästinensische Gefangene im Hungerstreik. Sie fordern bessere Haftbedingungen und die Abschaffung der «administrativen Haft», der Haft ohne Anklage und Gerichtsverfahren.

Seit Ostermontag sind etwa 1500 palästinensische Häftlinge in mehreren israelischen Gefängnissen in einem unbefristeten Hungerstreik, und es könnten noch mehr werden. Die Beteiligten bezeichnen ihre Aktion als «Streik für Freiheit und Würde». Es handelt sich um den grössten Hungerstreik palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen seit fünf Jahren.
Parallel zum Beginn der Hungerstreikaktion fanden mehreren Demonstrationen von tausenden PalästinenserInnen in Gaza und im Westjordanland anlässlich des am 17. April alljährlich begangenen «Tags der palästinensischen Gefangenen» statt. In Bethlehem kam es zu Zusammenstössen mit israelischen Sicherheitskräften, die Tränengas und Gummigeschosse einsetzten und damit mehrere Verletzte verursachten. Zusammenstösse ähnlicher Art ereigneten sich auch vor der israelischen Haftanstalt Ofer in der Nähe von Ramallah, dem einzigen israelischen Gefängnis ausserhalb des israelischen Staatsgebiets im Westjordanland.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Neutralisierung durch Integration

Susann Witt-Stahl. Eine Koalition aus SPD, Grünen und der Linkspartei in Deutschland wäre kein progressives Reformbündnis. Die «R2G»-IdeologInnen bemühen sich eifrig darum, sich als einzige Alternative zu einem AfD-Aufstieg darzustellen. Es droht ein gefährlicher Pyrrhussieg.

In Deutschland stellt sich die Frage: Kommt Rot-Rot-Grün, oder kommt Rot-Rot-Grün nicht? Galt das Projekt Anfang des Jahres noch als politisch so gut wie tot, wachsen seit Frühlingsbeginn dank «Schulz-Effekt» mit den ersten Blättern auch die Umfragewerte der Sozialdemokratie und sorgen für frischen Wind in den Segeln der «R2G»-Begeisterten. Aber viel schlauer ist man auch nach der Saarland-Wahl nicht. Hin- und hergeworfen zwischen Schreckensbildern – «Rot-Rot-Grün gefährdet die Sicherheit der Bevölkerung!» (Volker Kauder, CDU) – und Euphorie angesichts des kommenden «Bündnisses aller progressiven Kräfte» (Sigmar Gabriel, SPD) schlingert die veröffentlichte Meinung weiter in Richtung Bundestagswahl. » Weiterlesen

Normalzustand: Krieg

In Syrien hat die USA zum ersten Mal direkt die syrische Regierung angegriffen. Eine Woche später liess der US-Präsident die «Mutter aller Bomben» über Afghanistan abwerfen. Der US-Imperialismus treibt damit die militärische Eskalation weiter voran.

Am frühen Freitagmorgen, am 7. April, hat US-Präsident Donald Trump einen Luftangriff auf eine Militärbasis der syrischen Regierung durchführen lassen. Die USA haben damit zum ersten Mal direkt die syrische Regierung angegriffen. Auf der Militärbasis wurden nach syrischen Angaben mindestens fünf Menschen und im Umfeld weitere neun Menschen getötet. Gemäss Trump war die Attacke eine Antwort darauf, dass die syrische Regierung einige Tage zuvor angeblich für einen Giftgasangriff in der Stadt Khan Shaykhun verantwortlich gewesen sei. Es handle sich um einen «Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen». Wie schon viele Male zuvor bei US-Militäraktionen hat das Trump-Regime nicht darauf gewartet, dass der Vorfall unabhängig untersucht und bestätigt wurde. Noch ist weiterhin unklar, wer für dieses Kriegsverbrechen die Verantwortung trägt. Frühere Angriffe mit chemischen Waffen konnten der Assad-Regierung nie nachgewiesen werden. Die syrische Regierung hat ihre Chemiewaffenbestände unter internationaler Kontrolle zerstört. Es bestehen also Zweifel daran, dass die Assad-Regierung für den Anschlag in Khan Shaykhun verantwortlich ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die bewaffnete Opposition in letzter Zeit an Boden verloren hat und von einer Militärintervention in Syrien stark profitieren würde.

Massenvernichtung proben

Die letztjährige Präsidenschaftskandidatin und Kriegstreiberin Hillary Clinton bejubelte den Angriff. In einem Interview stellte sie klar, dass sie bereits in ihrer Zeit als US-Aussenministerin aggressiver in Syrien eingreifen wollte. Auch bei den restlichen Democrats fand Trump Unterstützung. Der Wall-Street-nahe Senator Chuck Schumer nannte den Angriff eine «richtige Handlung». Die linkeren Democrats wie Keith Ellison und Bernie Sanders sind kritischer, aber teilweise bloss auf formaler Ebene. Sanders mahnte Trump in erster Linie dafür, dass er vom US-Kongress keine Ermächtigung für den Angriff eingeholt habe.

Der Angriff gegen die syrische Regierung ist ein weiterer Schritt in der Eskalation des Syrienkriegs, nachdem der US-Imperialismus vor Kurzem mit Bodentruppen im Land einmarschiert ist. Jede Illusion über eine friedliche Präsidentschaft des Bonzen Trump hat sich in Luft aufgelöst. Eine Woche später hat Trump seine Bereitschaft zum Krieg nochmals bewiesen mit dem Abwurf der «Mutter aller Bomben» in Afghanistan: Die US-Streitkräfte setzten am 13. April zum ersten Mal eine Superbombe des Typs «GBU-43» über dem Achin-Distrikt an der Grenze zu Pakistan ab. Diese ist die gefährlichste verfügbare nicht-atomare Massenvernichtungswaffe.

Beim Einsatz der 16 Millionen Dollar teuren Superbombe wurden «nur» 36 KämpferInnen des Daesh getötet. Es handelte sich bei dem Bombenabwurf hauptsächlich um die Erprobung einer Massenvernichtungswaffe, die 2003 erstmals unterirdisch getestet worden war. Der Bombenabwurf muss aber auch als Drohung gegen den Iran und Nordkorea verstanden werden.

Keine Hemmungen

Der Imperialismus hatte nie Hemmungen, seine Interessen mit Krieg und Gewalt durchzusetzen. Die neue Entwicklung, das heisst neu seit dem Ende des sowjetischen Sozialismus, besteht darin, dass der Imperialismus die Maske der humanitären Interventionen und Kriege, als eine Ultima Ratio, nicht mehr zu brauchen scheint. Krieg ist zum Normalzustand der Welt geworden und ist ein probates Mittel der imperialistischen Mächte, ihren Willen durchzusetzen, besonders im und gegen den globalen Süden. Je länger, desto weniger scheint der Westen auch eine zwischenimperialistische Auseinandersetzung zu fürchten.

An Abrüstung ist gar nicht mehr zu denken. Das imperialistische Wettrüsten, an dem sich zum Teil auch die Schweiz und in letzter Zeit verstärkt Deutschland beteiligt, wird sich wohl bis zum nächsten kriegerischen Aufeinandertreffen weiter fortsetzen, und dem kann nichts, keine richtungslosen «sozialen Bewegungen», keine spintisierenden W.W.J.D.-Frömmler, schon gar keine mahnwachenden ethnopluralistischen Nazis, nichts, ausser einer geeinten sozialistischen, antimilitaristischen ArbeiterInnenbewegung, die sich auf Wissenschaft gründet, etwas entgegensetzen. Im Kapitalismus kann es keinen währenden Frieden geben. Auch nicht im sozialdemokratisch verwalteten, wie die nordischen Länder mit ihren Kriegsbeteiligungen glänzend beweisen. Die soziale Revolution und der Sozialismus gehören deshalb definitiv auf die Agenda.

Aus dem vorwärts vom 28. April 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Lugansk und Donezk am Gartentor

Infotafeln vor der Botschaft in Bern

dab. Am 10. April, Gedenktag für die Befreiung der ukrainischen Stadt Odessa von der faschistischen Besatzung 1943, fand in Bern und in 18 weiteren Städten in Europa und Nordamerika die Odessa Solidarity Campaign statt. Auch an das faschistische Massaker vom 2. Mai 2014 in Odessa wurde erinnert.

Am 21. Februar 2014 putschte die extreme Rechte in der Ukraine, stürzte die gewählte «prorussische» Regierung Janukowitsch und brachte eine «prowestliche» rechtsliberal-rechtsextreme Regierung an die Macht. Bewaffnete rechtsextreme Milizen durften ungestraft Russisch sprechende UkrainerInnen, die zweitgrösste Volksgruppe in der Ukraine, misshandeln und umbringen, zum Teil wurden sie offiziell anerkannt und in die Streitkräfte integriert.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Ausschaffung verhindern!

Die Schweiz verschliesst die Augen vor der spanischen Folter und so soll Nekane Txapartegi ihren Peinigern übergeben werden. Das zuständige Bundesamt für Justiz verlangt Beweise, die gar nicht erbracht werden können und lehnt gleichzeitig ein unabhängiges Gutachten mit fadenscheinigen Begründungen ab. Ein Skandal!

«Es kann nicht sein, was nicht sein darf», sagt ein Freund der Baskin Nekane Txapartegi dem vorwärts und fügt hinzu: «Mit dem grossen EU-Mitgliedsstaat Spanien will sich die Schweiz nicht anlegen. Aus Staatsräson ist entschieden worden, die 44-Jährige an Spanien auszuliefern.» Seinen Namen (der Redaktion bekannt) will der frühere Journalistenkollege von Nekane aus Sicherheitsgründen nicht genannt wissen. Zur Erinnerung: Die baskische Aktivistin lebte seit 2009 mit falscher Identität in Zürich, wo sie am 6. April 2016 verhaftet wurde. Ende März 2017 hat das Bundesamt für Justiz (BJ) der Auslieferung nach Spanien zugestimmt. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, obwohl sie 1999 in Spanien nach ihrer Verhaftung bestialisch gefoltert wurde.

Ein gemeinsames Ziel

Dass Nekane wieder in die Hände ihrer Folterer gelangt, wollen ihre Familie, FreundInnen und GenossInnen verhindern. Ihr Anwalt Olivier Peter wird beim Bundesstrafgericht in Bellinzona Beschwerde einlegen. Diese hat eine aufschiebende Wirkung. Daher steht keine unmittelbare Auslieferung bevor. Am Mittag des 6. Aprils fand vor dem Schweizer Konsulat in Bilbao eine Protestaktion statt. «Wir demonstrierten dagegen, dass die Schweiz die Folter unterstützt», heisst es in einem Aufruf. Am Abend fand dann in ihrem Heimatort Asteasu erneut eine Demonstration statt. Auch bei der «Korrika» ist die Solidarität mit Nekane stets präsent. Die «Korrika» findet alle zwei Jahre statt. Für die baskische Sprache wird an zehn Tagen 24 Stunden lang ohne Unterlass durch alle sieben Provinzen des unter Spanien und Frankreich aufgeteilten Baskenlands ein Rennen geführt. 2500 Kilometer werden zurückgelegt, Tausende von Menschen nehmen daran teil. Auch in der Schweiz fanden am 6. April verschiedene Solidaritätsaktionen statt. Gemeinsames Ziel der Solidaritätsaktionen: Die Ausschaffung von Nekane verhindern.

Prügel und Elektroschocks

«Die immanente Logik des Entscheids der Schweizerischen Justiz ist, dass in einem EU-Land per se nicht gefoltert wird», erklärt der bereits zitierte Freund der Baskin. Wie man sich in Bern windet, zeige die Begründung des BJ. 70 Seiten hat es gebraucht, um die mehr als nur fragwürdige Entscheidung zu rechtfertigen. Angeblich habe man die Foltervorwürfe «sehr gut abgeklärt», welche die 44-jährige Baskin nach den dramatischen Vorfällen 1999 detailliert erhoben hat. Sprecher Folco Galli berief sich auf die spanischen Behörden, die den Fall umfassend dokumentiert hätten. Das BJ schreibt, Txapartegi habe weder «glaubwürdig darlegen können, dass sie gefoltert wurde», noch dass «in Spanien die Vorwürfe nicht ernsthaft untersucht wurden».

Das BJ fordert von Nekane Beweise, dass sie schon auf dem rund 400 Kilometer langen Weg aus dem baskischen Hochland nach Madrid geschlagen, mit einer Tüte nahe an den Erstickungstod gebracht und Opfer einer Scheinhinrichtung wurde. Sie soll belegen, tagelang bestialisch misshandelt und vergewaltigt geworden zu sein. Letzteres ist sogar in Spanien eine Ausnahmeerscheinung und gehört nicht zum Standardprogramm wie zum Beispiel Prügel, Elektroschocks und Erstickungsmethoden. Ein solcher Nachweis kann aber kaum erbracht werden. Das perfide System macht das praktisch unmöglich. Selbst Grundrechte werden denen verweigert, die der Unterstützung der baskischen Untergrundorganisation Eta beschuldigt werden. Bis zu zehn Tage kann die berüchtigte «Incomunicado»-Haft dauern, in der man nicht einmal Kontakt zu seinem Anwalt hat. Deshalb fordern Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die den Entscheid des BJ hart kritisieren, ihre Abschaffung.

Spanien mehrmals verurteilt

Im Fall Txapartegi wurden sogar vom Gefängnisarzt bei der Einlieferung die Spuren von Gewalt am ganzen Körper dokumentiert. Spuren, die laut BJ eher auf die Verhaftung zurückgehen sollen, gegen die sich Txapartegi gewehrt habe. Doch das ist falsch. Bern hätte dazu die Anwesenden bei der Verhaftung befragen können und so Aussagen von AugenzeugInnen bekommen. Die Gutachten von Folterexperten wie Önder Özkalipci und Thomas Wenzel weist das BJ zurück. Dies mit der Begründung, es seien «Berichte und Aussagen von Drittpersonen, die keine Zeugen waren». Der türkische Rechtsmediziner Özkalipci und der Wiener Psychiater Wenzel haben ihre Expertisen aber auf Basis des auch von der Uno anerkannten «Istanbul-Protokolls» zur Folteruntersuchung durchgeführt. Das Ergebnis war, dass die Baskin während der Kontaktsperre gefoltert wurde.

Bern hätte auch bemerken können, dass Spanien bereits Folterer verurteilt hat, auch wenn sie meist schnell begnadigt werden, wie Enrique Rodríguez Galindo. Der ehemalige General der Guardia Civil wurde zu einer Haftstrafe von 75 Jahren verurteilt, weil er daran beteiligt war, zwei baskische Jugendliche zu Tode zu foltern. Und Bundesbern verschliesst auch die Augen davor, dass Spanien in den letzten Jahren in acht Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg verurteilt wurde, weil die Folter nicht untersucht wurde. Der Kampf für die Freilassung geht weiter!

Aktuelle Infos auf: www.freenekane.ch

Aus dem vorwärts vom 7. April 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Ohne Waffen keinen Krieg

Die Schweiz exportiere im Jahr 2016 Kriegsmaterial für rund 422 Millionen Franken. Die Waffen werden an Regimes, die Kriege führen und die ihre Bevölkerung unterdrücken, geliefert, solange sie nicht «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind». Jahrelange Kriege wie in Afghanistan, Syrien, dem Irak, im Jemen, im Sudan, in Somalia und anderswo wären nicht möglich, wenn nicht alle Seiten auf direkten oder verschlungenen Wegen von den Industriestaaten mit Rüstungsgütern versorgt würden, auch von der «neutralen» Schweiz.

Laut der offiziellen Statistik des Bundes exportierte die Schweiz von 1975 bis 2016 für 17,5 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem grossen Teil an kriegführende Staaten, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt. In den 17,5 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren auch in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Antipersonenminen und Clusterbomben beteiligt sind.

Strafrechtliche Verantwortung

Für Kriegsmateriallieferungen ist das Strafrecht nicht einfach ausser Kraft gesetzt. Es gibt keinen strafrechtlichen Freipass für FabrikantInnen und PolitikerInnen, die Rüstungsgüter liefern an Regimes, die Kriege führen und die ihre Bevölkerung unterdrücken. Unter Artikel 25 des Schweizerischen Strafgesetzbuches fallen nämlich Delikte wie Beihilfe zum Mord, zu vorsätzlicher Tötung, zu schwerer Köperverletzung und zu schwerer Sachbeschädigung. Gehilfe bei solchen Straftaten ist derjenige, welcher «zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzliche Hilfe leistet», wer also auch «vorsätzlich in untergeordneter Stellung die Vorsatztat eines andern fördert».

70 ExpertInnen in Völkerrecht und Strafrecht kritisierten schon vor acht Jahren die Nichteinhaltung der Kriegsmaterialverordnung, im Oktober 2009 in einem offenen Brief an den Bundesrat. Ihre Aussage: Das Exportverbot für Kriegsmaterial gilt für Länder, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind». Simon Plüss vom Seco erklärte daraufhin, der Bundesrat habe das Exportverbot immer dahingehend ausgelegt, dass es sich auf einen internen Konflikt im eigenen Land bezieht. Im Falle eines Bürgerkriegs in Saudi-Arabien oder in den USA gäbe es keine Rüstungsausfuhren in diese Länder mehr.

Deutschland beteiligt sich am Krieg

2016 wurde für rund 422 Millionen Franken Kriegsmaterial exportiert. Deutschland war dabei der grösste Abnehmer von Kriegsmaterial. Für 93,2 Millionen Franken bezog Deutschland aus der Schweiz, Bestandteile zu gepanzerten Radfahrzeugen, Munition (der Ruag), Komponenten zur Fliegerabwehr (von Rheinmetall) und Klein- und Leichtwaffen.

Nach den Terroranschlägen am 13. November 2015 in Paris, kündigte die deutsche Bundesregierung an, sich mit einem Bundeswehreinsatz in Syrien zu beteiligen. Am 4. Dezember 2015 beschloss auch der Deutsche Bundestag die Beteiligung Deutschlands am Kampf gegen den Daesh. Wie es hiess, ist zunächst vorgesehen die Bundeswehr mit bis zu 1200 SoldatInnen ausserhalb Syriens zur Unterstützung einzusetzen.

Die deutsche Tochter der bundeseigenen Ruag der Schweiz lieferte 2014 vier Millionen Schuss Munition den kurdischen Peschmerga-KämpferInnen im Irak, die noch heute in den Krieg verwickelt sind. Was meinte Bern zu diesem Geschäft? «Die Ausfuhr von in Deutschland produzierter Munition der Ruag in den Irak unterliege der Exportkontrolle der deutschen Behörden. Eine Zuständigkeit der Schweiz sei nicht gegeben», erklärt eine Sprecherin des zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern.

Initiative der Gsoa

Die Ruag gilt als grösste Munitionsherstellerin in Europa. 2013 erzielte die Munitionssparte Ruag Ammotec einen Umsatz von 354 Millionen Franken. Mit Gewehrkugeln, mit Munition für Kleinwaffen, kommen in Konflikten weltweit mehr Menschen um als bei Bombardierungen und Kämpfen mit schweren Waffen.

Eva Krattiger, Sekretärin der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), erinnerte an der Pressekonferenz in Bern an die Rolle des Finanzplatzes Schweiz: «Über die Schweiz fliessen jährlich mindestens 15 Milliarden Franken in die Rüstungsindustrie.» Die Gsoa wird deshalb zusammen mit anderen Organisationen im Frühling eine Volksinitiative lancieren, welche die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verbieten will.

Aus dem vorwärts vom 7. April 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Der Kampf um die Zukunft ist auch ein Kampf um die Geschichte

Die Geschichte des 8. März ist politisch. Vor 100 Jahren lösten die Arbeiterinnen Petrograds die Februarrevolution aus und erkämpften sich kurz danach das Stimmrecht. Der 8. März wird in diesem Jahr 100 Jahre alt, wie die zwei Revolutionen in Russland. Die Februarrevolution – sie müsste nach unserem Kalender Märzrevolution heissen – wurde am 8. März durch die demonstrierenden Arbeiterinnen Petrograds, der damaligen Hauptstadt Russlands, ausgelöst. Die Zweite Internationale Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau erhob deshalb 1921 diesen Tag zum internationalen Frauenkampftag, was bis heute so geblieben ist.

Das Vorhaben, ein gemeinsames Datum für einen internationalen Frauentag festzulegen, bestand seit 1910, als dies die beiden Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker auf der Zweiten Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen forderten, ohne dabei einem konkreten Datum den Vorzug zu geben. Zentral war Zetkin und Duncker die Stärkung der Frauenbewegung durch einen weltweiten und gleichzeitigen Kampftag. Die internationalen Verbindungen der Frauenorganisationen und der über die Grenzen hinausgehende gemeinsame Kampf könne so den Herrschenden am deutlichsten vor Augen geführt werden. Es zeigte sich in den folgenden Jahren, dass ein internationaler Kampftag ohne fixes Datum die Bewegung vor Probleme stellte. Dies nicht nur, weil es organisatorisch anspruchsvoller war, sondern auch, weil der historische Rückbezug auf vorausgegangene Kämpfe einem Bedürfnis entsprach. Die geschichtlichen Bezüge der Entscheidung, den internationalen Frauenkampftag auf den 8. März zu legen, sind nicht einheitlich. So führen viele das Datum auf die Streiks in den USA von 1908 zurück, als eingesperrte Textilarbeiterinnen in einer Fabrik verbrannten, andere auf Streiks im 19. Jahrhundert. In Frankreich ist auch der Bezug zur Pariser Commune beliebt und wieder andere beziehen sich auf den Gedenktag für die Gefallenen während der Deutschen Revolution von 1848. Die Aufzählung zeigt, wie wichtig die Begründung des Datums ist: Der Frauentag soll mit der politisch passenden Gründungsgeschichte behaftet werden. Der März eignet sich auch dafür, denn es fallen viele wichtige Frauenkämpfe auf diesen Monat. Damit wird versucht, politische Kontinuität herzustellen, insbesondere auch durch solche Kräfte, die von sich behaupten, keine «ritualisierten Kampftage» zu brauchen. Wir gehören nicht zu denen, die denken, dass es keine «ritualisierten Kampftage» braucht! Der 8. März ist für uns ein positiv besetzter Rückbezug auf die von Arbeiterinnen ausgelöste russische Revolution, die im Oktober zur ersten dauerhaften sozialistischen Machtübernahme führte.

8. März 1917 in Petrograd

Die Situation 1917 in Petrograd, mitten in den Wirren des ersten Weltkrieges, war katastrophal: Die jüngeren Männer waren gezwungen Dienst zu leisten – zurück blieben vor allem Frauen. Sie mussten nicht nur die eigene Existenz und jene ihrer Familien sichern, sondern ebenso die Produktion aufrechterhalten. Es ist nicht überraschend, dass sie es waren, die 1917 in den Streik traten und damit die Februarrevolution auslösten. Nur wird dieser Tatsache wenig Aufmerksamkeit und Wert beigemessen. Die Februarrevolution führte zwar zur Absetzung des Zaren, ansonsten änderte sich aber wenig, denn die frisch eingesetzte Provisorische Regierung hatte wenig Spielraum. Solange der Krieg tobte, war den erdrückenden wirtschaftlichen Missständen schwer beizukommen und der Zustand des riesigen Reichs war desolat. Was die Provisorische Regierung aber ohne Probleme hätte tun können, wäre die Einführung des Frauenstimmrechts gewesen – was sie aber unterliess. Im Vorschlag für die Prinzipien der zukünftigen Regierung wurde zwar die Beseitigung aller Ausschlüsse aufgrund von Klasse, Religion und Nationalität festgehalten, vergessen aber wurde die Beseitigung jeglicher Restriktionen in Bezug auf Frauen. Die russischen Frauen reagierten schnell darauf und legten nur eine Woche nach der Februarrevolution entschlossen der provisorischen Regierung eine Erklärung vor, in der eine sofortige Änderung des Programms gefordert wurde: «In den feierlichen Tagen der grossen Befreiung des Volkes (…) hat die russische Liga für die Gleichberechtigung der Frauen mit grossem Erstaunen im Programm der Provisorischen Regierung keine Erwähnung der Beseitigung des grossen Unrechts des alten Systems finden können, nämlich jenes der Unterdrückung einer ganzen Hälfte der russischen Bevölkerung – der russischen Frauen.» Diese Erklärung war von Anfang an auch ein Akt der Agitation und ging nicht nur an die Regierung, sondern wurde auf den Strassen, in Fabriken und übers Land verteilt. Die Aktivistinnen waren nicht bereit, zu Hause auf eine formelle Antwort zu warten, sondern organisierten sich.

Erkämpftes Stimmrecht

Nur zwei Wochen nach der Bitte um Richtigstellung des «Versehens» folgte die Demonstration am 19. März 1917, an der ca. 40 000 russische Frauen nicht mehr um das Stimmrecht baten, sondern dieses bedingungslos einforderten und auch erzwangen. Die Demonstration dauerte bis weit in die Nacht hinein. Als Rednerin und Repräsentantin war Vera Figner auserkoren worden. Sie war im bewaffneten Kampf des 19. Jahrhunderts berühmt geworden. Die Vorsitzende der Liga für die Gleichberechtigung der Frauen, Poliksena Shishkina-Iavein, verwies voller Stolz auf ihre Begleiterin: «Wir kamen hierher, um euch alle daran zu erinnern, dass Frauen loyale Genossinnen waren im gigantischen Kampf für die Freiheit des russischen Volkes, tapfer die Gefängnisse füllten, ins Exil gingen und die besten unter uns schauten furchtlos dem Tod in die Augen. Neben mir steht V.N. Figner, die ihr ganzes Leben lang für das gekämpft hat, was wir nun erreicht haben.» Figner und Shishkina-Iavein suchten sowohl den Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten als auch das Parlament auf, um eine sofortige Antwort zu verlangen. Schliesslich sicherten die Abgeordneten ihre Unterstützung zu. Allerdings sei es an der Provisorischen Regierung, dies zu verfügen, weshalb ein weiterer Gang zu Fürst Lwow, dem Ministerpräsidenten notwendig sei. Der erklärte dann lapidar «(…) dass die Provisorische Regierung den Begriff universell in dem Sinne verstehe, dass er die Ausdehnung des Stimmrechts auf Frauen beinhalte.» Damit hatten die russischen Frauen die grundsätzliche Forderung nach der Teilhabe am politischen Leben erkämpft. Diese Forderung löste die Selbstverständlichkeit männlicher Bestimmung über die Frau nicht auf, aber stellte diese in Frage. Und dies war ein erster notwendiger Teil der Befreiung der Frauen.

Die Zitate sind einem Erlebnisbericht von Olga Zakuta entnommen und in Aspasia, Vol. 6, 2012, S. 117-124 veröffentlicht.

 

Aus dem vorwärts vom 3. März 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Resist Trump! – Im Land der Daten und Apps

San Francisco, die Stadt der Querdenkerinnen, LGBTQs (LesbianGayBiTransQueers) und Immigrantinnen aus aller Welt, hasst Trump aus vollem Herzen und auf der ganzen Linie. Doch es gibt auch lokale Akteure, die in der gegenwärtigen politischen Lage eine ambivalente Rolle spielen – und das in vieler Hinsicht.

Am «Women’s March» am Tag nach Trumps Amtsantritt beginnt die Demo bereits im Wohnquartier – so gross ist der Andrang bei den U-Bahn-Stationen und die Begeisterung über den vereinten Widerstand. Auch der Flughafen wird nach Inkrafttreten von Trumps Einreisesperre für Flüchtlinge und Menschen aus sieben überwiegend muslimischen Ländern mit grosser Ausdauer und von bunten Massen blockiert, und am «Day without an Immigrant» bleiben ganze Strassenzüge geschlossen, ein Geschäft ums andere vergittert, alle Restaurants zu. Die Botschaft ist klar: Ohne Immigrant*innen (und Frauen!) läuft hier gar nichts, und San Francisco ist entschlossen, dem Trumpschen Angriff an allen Fronten die Stirn zu bieten. Auch wenn die Stadt, die sich bereits in den 1980er Jahren zu einer «Sanctuary City» erklärte, also zu einem Zufluchtsort für Flüchtlinge und Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung, damit riskiert, dass ihr von der Regierung Trump der Geldhahn zugedreht wird – denn wer nicht kuscht, der wird gefeuert oder finanziell abgestraft (denn der Präsident hat immer zu 100 Prozent recht).

Neoliberales Laboratorium

Städte wie San Francisco, mit ihrer kosmopolitischen Atmosphäre, ihrem klaren Bekenntnis zu LGBTQ- und reproduktiven Rechten, ihren städtischen Identitätskarten, die auch papierlosen Immigrant*innen offenstehen, und ihren relativ gut ausgebauten Sozialleistungen, sind in Zeiten wie diesen wichtiger denn je. Dennoch erscheint es mir angebracht, die Rolle der San Francisco Bay Area auch kritisch zu beleuchten, den Rissen und Brüchen nachzuspüren, und einen Blick hinter die progressive Fassade zu werfen. Schliesslich befinden wir uns hier in einem regelrechten Laboratorium für neoliberale Rezepte aus der Küche von Uber, Airbnb, Twitter, Facebook und zahlreichen weiteren lokal ansässigen Technologieunternehmen, die den Alltag von Millionen von Nutzerinnen (und Nichtnutzern) auf der ganzen Welt prägen, mit oft verheerenden sozialen Auswirkungen, wie zahlreiche Kämpfe rund um prekäre Arbeitsbedingungen, Privatisierungen und Gentrifizierung belegen. Es sind nicht zuletzt gerade auch solche Kräfte – und die von ihnen und ihren politischen Verbündeten, notabene im Lager der Demokrat*innen, losgetretene Neoliberalisierungswelle – die Rechtspopulist*innen wie Trump in vielen Teilen des Landes Auftrieb verschafft haben. Die Proteste müssen sich daher nicht nur gegen den von aussen kommenden Angriff richten, sondern auch die Rolle von lokalen Akteur*innen in der Konstruktion dieser Kräfte genauestens unter die Lupe nehmen.

Neutrale Technologie?

Dass gerade Technologieunternehmen bei Diskursen rund um den Aufbau einer Muslim-Datenbank oder Rufen nach einem Ausbau des Polizeistaates eine wichtige Rolle zukommt, versteht sich eigentlich von selbst. So trugen zum Beispiel die von IBM angefertigten Lochkarten massgeblich zur reibungslosen Organisation des Holocaust bei. Mit dem Argument, sie habe doch nur «neutrale» Technologien bereitgestellt, deren Endzweck nicht in ihrer Verantwortung liege, lehnt die Firma eine Aufarbeitung der Geschichte bis heute ab. Stattdessen hat sie Trump in einem persönlichen Brief umgehend zur Wahl gratuliert und ihm die Dienste der Firma ans Herzen gelegt. Und IBM ist keine Ausnahme. Als der frischgewählte Präsident in seinen Trump Tower lud, musste er Spitzenmanager*innen von Facebook, Google, Apple & Co. nicht lange bitten. Denn trotz der linksliberalen Rhetorik und Rufen nach einem «Calexit», einer Abspaltung Kaliforniens vom Trumpschen Restland, verhalten sich die meisten Tech-Firmen wie ein Blatt im Wind. Schliesslich ist das Generieren und Auswerten von Daten nicht nur ihre Spezialität, sondern ihr eigentliches Business. Daher sind auch die halbherzigen Beteuerungen vieler Firmen, sich nun doch nicht an solchen Projekten beteiligen zu wollen, und ihre Kritik an Trumps Einreisesperre, die auch hochspezialisierte Mitarbeitende von Tech-Firmen betrifft, mit Vorsicht zu geniessen. Denn in vielen Fällen sind die nötigen Daten bereits vorhanden – unter anderem weil wir sie alle als User*innen generieren helfen. Die Frage ist daher mehr, wer in welcher Form und zu welchem Zweck Zugriff hat, oder sich Zugriff verschaffen kann.

Normalisierung rassistischer Praktiken

Das Sammeln von Daten über Muslim*innen ist in den USA zum Beispiel seit dem 11. September 2001 schon so weit normalisiert worden, dass der Schritt zu einem offiziellen Register gar nicht mehr so gross erscheint. Der Aufschrei ob solcher Pläne, so dringend nötig er auch ist, kommt damit in vieler Hinsicht vielleicht bereits zu spät, nämlich erst nachdem die ausgeklüngelten Systeme zur Überwachung und Ausschaffung breiter Bevölkerungsgruppen bereits fest verankert sind. «Man sagt so einfach ‹nie wieder› – und verkennt dabei gerne, was sich gerade anbahnt, oder wie weit die Normalisierung von rassistischen Praktiken fortgeschritten ist, gerade auch wenn sie bereits unter Obama etabliert wurden – und wir uns eben nicht früh genug dagegen zur Wehr setzen», meint Karyn, eine Aktivistin des Anti-Eviction Mapping Projects, deren beide Grossmütter von rassistisch motivierten Regierungsmassnahmen betroffen waren. Während ihre Grossmutter auf mütterlicher Seite als Immigrantin aus China während Monaten auf Angel Island interniert war – zusammen mit ihren amerikanischen Kindern –, wurde die Mutter ihres Vaters als Amerikanerin mit japanischen Wurzeln während des Zweiten Weltkriegs für mehrere Jahre in ein Internierungslager in Arkansas verfrachtet. Sie war gerade einmal dreizehn Jahre alt. «Natürlich wird es nie genau gleich aussehen, aber wir müssen solche Mechanismen erkennen lernen und uns kritisch damit auseinandersetzen – anstatt uns in eine Erinnerungspolitik zu flüchten, welche die Erfahrung anderer Gruppen und die Gefahr gegenwärtiger rassistischer Strömungen negiert», betont Karyn.

Es rumort in der Tech-Branche

Dass viele Tech-Firmen nun zu einer verhaltenen Kritik an der Politik des Weissen Hauses übergegangen sind, ist wohl vor allem opportunistischem Eigennutzen und Argumenten der «Wirtschaftlichkeit», wie wir sie auch aus der Schweiz gut kennen, geschuldet. Aber auch Proteste und Mobilisierungen haben dazu beigetragen, so zum Beispiel die Blockade des lokalen Uber-Headquarters am «Bleak Friday» oder die Kampagne «DeleteUber», die zum Rückzug von Uber-CEO Travis Kalanick aus Trumps Beratergremium führte. Und auch bei der eigenen Belegschaft rumort es. Ende Januar haben mehr als 2000 Google-Mitarbeitende ihre Arbeit für eine Protestkundgebung niedergelegt und auch anderorts bildet sich Widerstand gegen die Haltung der eigenen Firma. Inwieweit eine solche Kritik jedoch auch die Situation von weniger privilegierten Immigrant*innen und subtiler operierende Mechanismen berücksichtigt, bleibt dahingestellt. Eine kürzlich stattfindende Kundgebung von Tech-Angestellten liess aber zumindest aufhorchen. Die Protestveranstaltung in Downtown San Francisco vereinigte nämlich nicht nur Software-Ingenieur*innen und Programmierer*innen verschiedener Unternehmen, sondern auch die Gewerkschaften des Reinigungs- und Sicherheitspersonals sowie der Beschäftigten der firmeneigenen Cafeterien. In Anlehnung an die Praktiken von Universitäten und Gemeinden wurden «Sancturary Campuses» für Tech-Firmen gefordert, um papierlose Angestellte besser zu schützen, die entgegen der öffentlichen Wahrnehmung auch in der Tech-Branche eine tragende Rolle spielen. Es sind am Ende eben nicht die «Innovators», die Silicon Valley am Laufen halten, sondern Immigrant*innen aus Lateinamerika, die zu Hungerlöhnen und oft unter gesundheitsschädigenden Umständen arbeiten – und gerne unsichtbar gemacht werden.

Und wer putzt das Büro?

Ofelias Mutter, die seit mehr als 20 Jahren in Nachtarbeit die Grossraumbüros von Silicon Valley Firmen putzt und im Gegensatz zu ihrer in den USA geborenen Tochter nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, ist eine von ihnen. Die Familie lebt in East Palo Alto, das von einer Autobahn von Palo Alto mit seiner prestigeträchtigen Stanford University und anderen reichen und mehrheitlich von Weissen bewohnten Gebieten des Silicon Valley abgeschnitten ist. Im Gegensatz zu San Francisco, das mehrere Millionen dringend benötigter Bundesgelder zu verlieren droht, weiss man in East Palo Alto, das man von der Bundesebene nichts zu erwarten hat. Aufgrund der hohen Mordrate galt der Ort lange Zeit als gefährlichste Stadt der USA. Ofelia und ihre Familie sehen das aber anders. In East Palo Alto, einer Immigrant*innen-Gemeinschaft sondergleichen, wo es nicht auffällt und niemanden kratzt, ob man nun über die richtigen Papiere verfügt oder nicht, fühlen sie sich sicher. Dass besserbezahlte Angestellte von Facebook & Co. neuerdings auch nach East Palo Alto ziehen und sich die durch den Tech-Boom ausgelöste Hypergentrifizierung nun auch noch die letzten bezahlbaren Regionen der Bay Area einverleiben, stellt für papierlose Immigrant*innen wie Ofelias Mutter auf mehreren Ebenen eine Bedrohung dar. Denn wer seine Wohnung verliert, muss zukünftig nicht nur unmenschlich lange Arbeitswege auf sich nehmen, sondern riskiert auch, lebenswichtige Netzwerke und den relativen Schutz von Sanctuary Cities wie San Francisco, Berkeley oder East Palo Alto zu verlieren. Wenn es Firmen wie Google und Apple um mehr als reine Lippenbekenntnisse ginge, müssten sie endlich auch für ihre Rolle in der katastrophalen Wohnungsnot und der Verdrängung und Marginalisierung ganzer Gemeinschaften Verantwortung übernehmen. Dies anstatt ständig weitere Steuerdeals auszuhandeln und mit ihren firmeneigenen Shuttle-Bussen und den von ihnen hergestellten Apps die Privatisierung des Service public ihrer Gaststädte und anderer gewerkschaftlich organisierten Sektoren wie dem Taxi- oder Hotelbereich voranzutreiben. Aber das ist schliesslich – genauso wie die Datengenerierung – ihr eigentliches Kerngeschäft.

Aus dem vorwärts vom 3. März 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Frankreichs politische Landschaft in Bewegung

Können sich die alternativen Linkskräfte noch auf ein erfolgversprechendes Bündnis verständigen?
Der Wahlkampf in Frankreich zur Präsidenten- und Parlamentswahl im Mai/Juni 2017 hat die politische Landschaft mit unerwarteten Wendungen in Bewegung gebracht.

Noch zu Jahresbeginn 2017 herrschte weithin die Ansicht, dass die Entscheidung bei der Präsidentenwahl im zweiten Wahlgang zwischen der Rechtsextremistin Marine Le Pen vom Front National (FN) und dem rechtskonservativen Kandidaten von Les Républicains (Republikaner), François Fillon, fallen werde. Sechs Wochen später haben sich die Gewichte beträchtlich verschoben.

Le Pen nach wie vor vorn

Die einzige Konstante scheint allerdings leider zu sein, dass den RechtsextremistInnen mit Frau Le Pen in allen Umfragen übereinstimmend mit etwa 26 Prozent im ersten Wahlgang am 23. April nach wie vor die Spitzenposition zugeschrieben wird. Mit ihrer «Anti-System»-Agitation, kombiniert mit nationalistischen Appellen an das französische Nationalgefühl und fremdenfeindlicher Demagogie gegen EinwandererInnen und Flüchtlinge gelingt es den RechtsextremistInnen offenbar anhaltend, rund ein Viertel der von den «etablierten» Parteien enttäuschten WählerInnen über ihre wahren Ziele zu täuschen.
In jüngster Zeit kamen zwar einige Enthüllungen ans Licht, wonach Frau Le Pen ihren persönlichen Leibwächter und ihre Büroleiterin in Paris rechtswidrig als «parlamentarische Assistenten» aus Mitteln des EU-Parlaments bezahlen liess. Die Anti-Betrugs-Agentur der EU (OLAF) und die französische Justiz ermitteln, die FN-Zentrale in Paris wurde von der Polizei durchsucht. Es ist aber zu befürchten, dass dies vielleicht den RechtsextremistInnen eher noch helfen wird, ihr falsches Image als «Anti-System-Partei» zu verstärken.
Angenommen wird allerdings weiterhin, dass es der FN-Kandidatin nicht gelingen kann, auch den zweiten Wahlgang zu gewinnen und tatsächlich zur Präsidentin Frankreichs gewählt zu werden. Denn bei der Stichwahl am 7. Mai gibt es nur noch einen einzigen Gegenkandidaten, auf den sich mutmasslich die Stimmen aller anderen politischen Lager vereinigen werden, sodass er die Mehrheit gegen die FN-Kandidatin hinter sich bringen kann.

Affäre Fillon

Im Lager der «bürgerlichen Rechten» hat sich die Lage aber inzwischen deutlich geändert.
Denn François Fillon, der erzreaktionäre Abtreibungsgegner und Verfechter eines scharfen neoliberalen Spar-, Sozialabbau- und Privatisierungskurs, der sich als moralischer Saubermann und Verkörperung von «Recht und Ordnung» inszenierte, hat erheblich an Zustimmung verloren. Besonders, seitdem bekannt wurde, dass er jahrelang seiner Frau Penelope einen Job als seine «parlamentarische Assistentin» mit aussergewöhnlich hohem Gehalt (bis zu 7000 Euro pro Monat) auf Kosten des französischen Staates verschafft hatte, obwohl diese in seinen Büros fast nie gesehen worden war. Das faktische Scheinarbeitsverhältnis für Frau Fillon hat den französischen Staat, Sozialabgaben und sonstige Vergütungen eingerechnet, laut «Le Monde» insgesamt fast 1,5 Millionen Euro brutto gekostet. Aber auch seine Kinder Marie und Charles hat der Papa, als sie noch studierten, zeitweise als parlamentarische MitarbeiterInnen auf Staatskosten mit insgesamt 86 000 Euro entlohnt.
Die französische Finanzstaatsanwaltschaft, die die Vorgänge untersuchte und das Ehepaar Fillon vernommen hat, hat am 25. Februar mitgeteilt, dass sie im Ergebnis ihrer Vorermittlungen angesichts der «zahlreichen bereits zusammengetragenen Elemente» nun ein gerichtliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Veruntreuung öffentlicher Mittel, Unterschlagung gesellschaftlichen Eigentums, Hehlerei und Abgabe falscher Erklärungen ein gerichtliches Ermittlungsverfahren beantragt hat. Der weitere Gang des Verfahrens ist also offen und hängt von den Entscheidungen der eingeschalteten Untersuchungsrichter ab. Selbst eine Gruppe führender Mitglieder der Republikaner hat angesichts der Enthüllungen öffentlich den Kandidaturverzicht Fillons gefordert. Doch dieser hat sich offenbar für die Devise «Augen zu und durch» entschieden und beharrt auf seiner Kandidatur.

Macron «en marche»

Hauptnutzniesser der «Affäre Fillon» ist derzeit offenkundig Hollandes Ex-Wirtschaftsminister und Ex-Rothschild-Banker Emmanuel Macron. Der wollte nicht im Rahmen des Parti Socialiste (PS) antreten, sondern sich mit einem neuen Firmenschild «En marche» (Auf dem Marsch) als «unabhängiger» Kandidat präsentieren. Er gibt sich als Repräsentant der «Mitte» und eines «modernen Pragmatismus», bei dem die traditionellen Trennlinien zwischen rechts und links überwunden seien. De facto will er aber im Wesentlichen die sozial verbrämte neoliberale Politik der Hollande-Valls-Amtszeit weiterführen.
Infolge der «Fillon-Affäre» wendet sich ein Teil der rechtskonservativen bürgerlichen WählerInnen nun Macron zu. Er findet aber auch Unterstützung im rechten Flügel der SozialdemokratInnen. Ebenso haben bekannte frühere RepräsentantInnen der Grünen die Wahl Macrons befürwortet. Ausserdem empfiehlt seit Kurzem auch der Anführer der bürgerlichen Liberalen, François Bayrou, nach Absprachen über eine «Allianz» mit Macron dessen Wahl.
Damit ist es Macron zumindest derzeit gelungen, Fillon den zweiten Platz im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl streitig zu machen. Beide liegen nach den letzten Umfragen mit 20 bis 22 Prozent etwa gleichauf. Macron könnte das «Kopf-an-Kopf-Rennen» gegen Fillon also gewinnen und damit als Gegenkandidat von Marine Le Pen in den zweiten Wahlgang kommen und eine reale Chance erhalten, zum nächsten französischen Präsidenten gewählt zu werden.

Rivalitäten im Lager der Linken

Auch im Lager der französischen Linken ist Einiges in Bewegung gekommen. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, eine Einigung auf eine gemeinsame erfolgversprechende und mehrheitsfähige Kandidatur zur Präsidentenwahl zu erreichen.
Die Wahl von Benoît Hamon, eines Vertreters des linken, zum Kurs des bisherigen sozialdemokratischen Staatschefs Hollande in Opposition stehenden Parteiflügels, zum offiziellen Kandidaten des Parti Socialiste hat neue Debatten über die Möglichkeit einer solchen Einigung ausgelöst. Aber sie ist zwischen den beiden Hauptkonkurrenten um die linken Stimmen, nämlich Hamon und dem Anführer der Bewegung «La France Insoumise» (Das widerständige Frankreich), Jean-Luc Mélenchon, dessen Wahl auch von der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) unterstützt wird, bisher nicht in Sicht.
Die französischen Grünen (EELV) allerdings haben sich seit dem 24. Februar mit Hamon geeinigt, dass der EELV-Kandidat Yannick Jadot, der bei der Präsidentenwahl nur marginale Ergebnisse erreicht hätte, seine Kandidatur zugunsten von Hamon zurückzieht. Als Grundlage für das vereinbarte Wahlbündnis verfassten Hamon und Jadot eine gemeinsame 10-Punkte-Erklärung, mit der sich Hamon verpflichtet, falls er gewählt würde, eine Reihe von Forderungen der Grünen zu verwirklichen. Das in dieser gemeinsamen Erklärung skizzierte Programm signalisiert eine deutliche Abkehr vom bisherigen Kurs des PS unter Hollande und eine Einigung auf seit Langem von den verschiedenen Linkskräften verfochtene Forderungen für einen politischen Kurswechsels in Frankreich.
Zu den vereinbarten Punkten gehören u.a. der völlige Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2025, die Stilllegung erster AKWs bereits in der kommenden Legislaturperiode, der Ausstieg auch aus fossilen Energiequellen (Kohle, Öl) mit dem Ziel des Übergangs zu 100 Prozent erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050, der Verzicht auf eine Reihe umweltschädlicher Grossbauvorhaben wie den umstrittenen Flugplatz Nôtre-Dame-des-Landes und die Eisenbahn-Schnellstrecke Lyon-Turin, die Bekämpfung von Diesel-Abgasen und das Verbot von Pestiziden. Festgeschrieben wurde aber auch die Wiederabschaffung des umstrittenen, von der PS-Ministerin El Khomri und dem früheren Regierungschef Valls durchgesetzten Arbeitsgesetzes, die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes und der Sozialhilfesätze, die Verkürzung der Arbeitszeit, die Verstärkung der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten in den Unternehmen, der Kampf gegen Steuerflucht, der Bau von 150 000 Sozialwohnungen pro Jahr. Weitere Festlegungen sind die Aufhebung des immer noch geltenden Ausnahmezustands, die generelle Einführung des Wahlrechts für EinwohnerInnen ausländischer Herkunft, die Ablehnung von Freihandelsabkommen wie TTIP sowie die Vorlage eines Verfassungsentwurfs für eine VI. Französische Republik mit Reduzierung des Präsidialsystems und generelle Einführung des Verhältniswahlrechts, der in der Bevölkerung breit diskutiert und letztlich einer Volksabstimmung vorgelegt werden soll.
Neben dieser politisch-inhaltlichen Vereinbarung haben sich Hamon und Jadot offenbar auch darauf geeinigt, dass der PS zur nach der Präsidentenwahl anstehenden Neuwahl des Parlaments in den Wahlkreisen, in denen die Grünen bisher Mandate hatten, keine KonkurrenzkandidatInnen aufstellen wird, womit die Wiederwahl der bisherigen grünen Parlamentsabgeordneten erheblich sicherer geworden sein dürfte.

Hegemonie-Probleme

Die Einigung Hamon-Jadot reicht jedoch nicht aus, um einen Wahlsieg Hamons bei der Präsidentenwahl möglich zu machen. Denn Hamon liegt in den Umfragen derzeit bei 13 Prozent, auch mit den 2 Prozent, die Jadot bestenfalls beisteuern könnte, genügt das nicht, um auch nur in die Nähe der Umfragewerte der Konkurrenten Macron und Fillon und damit in den zweiten Wahlgang zu kommen.
Eine gemeinsame Linkskandidatur mit einer echten Chance, bei der Präsidentenwahl einer linken Mehrheit zum Sieg zu verhelfen, könnte nur entstehen, wenn auch der von dem Linkssozialisten Mélenchon geführte Block der «alternativen Linken», der in den Umfragen derzeit bei 11 bis 13 Prozent liegt und den auch die KommunistInnen unterstützen, in das Wahlbündnis einbezogen würde. Mit den 13 bis 15 Prozent der Allianz Hamon-Jadot käme eine solche Kandidatur dann auf 24 Prozent, könnte sie also Fillon und Macron überholen.
Doch dafür bestehen zumindest derzeit noch wenig Chancen. Dazu müsste die anhaltende Rivalität zwischen dem von Hamon und dem von Mélenchon geführten WählerInnenpotenzial überwunden werden. Hamon hat zwar unmittelbar nach seiner Kür zum Spitzenkandidaten des PS nicht nur Jadot, sondern auch Mélenchon zu Gesprächen eingeladen, und auch Mélenchon hat sich dazu bereit erklärt. Dennoch ist der Kontakt zwischen beiden bisher nicht über ein kurzes Telefongespräch hinausgekommen. Stattdessen wurde in jüngsten öffentlichen Erklärungen beider eher ein rauer Ton praktiziert. Mélenchon liess verlauten, dass er sich nicht an den «Leichenwagen» des PS ankoppeln wolle, und Hamon erklärte, er werde Mélenchon «nicht nachlaufen».
Es wäre falsch, für diese Rivalität nur die persönlichen «Egos» der beiden Spitzenkandidaten verantwortlich zu machen. Dahinter stehen tiefer gehende politische Probleme. Offensichtlich geht es unter anderem darum, wer bzw. welche Richtung im Lager der Linken künftig die politische Hegemonie haben würde.
Hamon geht nach seinem Sieg bei den Vorwahlen als offizieller Spitzenkandidat des Parti Socialiste ins Rennen. In seinen Vorstellungen soll wohl der PS auch künftig die Führungsposition unter den Linken innehaben. Er hat zwar zuletzt in der Vereinbarung mit den Grünen eine deutliche Abkehr vom Hollande-Kurs und eine Festlegung auf ein linkes Regierungsprogramm öffentlich deutlich gemacht. Aber es bleibt die Frage, ob damit bereits garantiert ist, dass er sich auch nach der Wahl unter dem sicher einsetzenden massiven Druck der etablierten Unternehmer- und Rechtskreise sowie der EU noch daran halten würde. Hamon will den zerstrittenen PS wieder «zusammenführen» und dabei auch den rechten Parteiflügel einbeziehen. Dem entsprechend hat er ein Wahlkampfteam berufen, in dem die VerfechterInnen seines Kurses zwar die Mehrheit haben, aber im Namen der «Wiederzusammenführung» des PS auch AnhängerInnen des früheren Hollande-Valls-Kurses einbezogen sind. Hamon möchte offensichtlich trotz seines «linken» Programms den Eindruck eines vollständigen Bruchs mit der bisherigen PS-Politik unter Hollande vermeiden. Das wirft die Frage auf, ob er sich damit nicht durch den rechen Parteiflügel erpressbar macht, bei der Realisierung seines Linksprogramms Abstriche zu machen, wenn die Rechten mit Spaltung drohen.

Mélenchon und PCF gesprächsbereit

Jean-Luc Mélenchon und der PCF-Nationalsekretär Pierre Laurent haben am 25. Februar nach einem gemeinsamen Frühstück auf einer gemeinsamen Pressekonferenz – dem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt beider seit Wochen – übereinstimmend betont, dass sie für Gespräche mit Hamon offen bleiben. «Ich wende mich an Hamon mit gutem Willen. Wir wollen reden. Aber wir wollen Garantien», erklärte Mélenchon. «Wir werden nicht aufhören, Gesten guten Willens zu zeigen», betonte auch Laurent, aber ein «Anschluss» (an den PS) sei «kein Bestandteil der Kultur der KommunistInnen». Laurent erinnerte daran, dass er und der PCF sich seit einem Jahr für eine politisch-inhaltliche Vereinbarung zwischen allen Linkskräften als Grundlage gemeinsamer Kandidaturen sowohl zur Präsidenten- wie zur Parlamentswahl eingesetzt haben. Ein politischer Pakt für eine linke Mehrheit ist seiner Ansicht nach wohl nach wie vor die entscheidende Voraussetzung für ein Bündnis. «Wenn es ein Treffen der Linken gibt, wird der PCF sicherlich mit am Tisch sitzen. Aber es braucht Garantien. Die FranzösInnen haben Zweifel, und sie haben recht damit. Schon François Hollande hat eine Wende versprochen und schon am Tag nach seiner Wahl den Rückwärtsgang eingelegt.»
Offensichtlich liegt also rund acht Wochen vor dem ersten Wahlgang am 23. April, anders als es zu Jahresbeginn aussah, der Sieg einer linken Mehrheit bei der Präsidenten- und Parlamentswahl in Frankreich noch im Bereich des Möglichen. Aber der Weg dahin dürfte gewaltige Anstrengungen zur Verständigung zwischen den Linkskräften erfordern, auch über Garantien gegen eine Wiederholung des Debakels unter Hollande. Und ob diese Bemühungen letztlich erfolgreich sein werden, ist derzeit nicht mit Bestimmtheit abzusehen.

Update: Die beiden Kandidaten der Linken, Hamon und Mélenchon, haben nach einem Treffen angekündigt, dass sie eine vereinte linke Kandidatur ablehnen und beide im Rennen um die französische Präsidentschaft bleiben werden.

Unterstütze uns mit einem Abo.

Hoffnungen für Nekane

Die Baskin Nekane Txapartegi sitzt seit bald einem Jahr in Zürich im Gefängnis. Sie kämpft gegen ihre Auslieferung an Spanien, wo sie bestialisch gefoltert wurde. Dies bestätigt nun auch ein Gutachten.

Am Freitag, 10. Februar, haben in vielen Städten und Dörfern im Baskenland erneut Angehörige und FreundInnen von politischen Gefangenen und Exilierten für deren Rechte demonstriert. In der kleinen Gemeinde Asteasu richtete sich der Blick wieder besonders auf Nekane Txapartegi, die aus diesem Ort mit 1500 EinwohnerInnen stammt und bekanntlich seit fast einem Jahr in Zürich im Knast sitzt. Sie kämpft gegen ihre Auslieferung an Spanien, wo ihr vorgeworfen wird, Unterstützerin der baskischen Untergrundorganisation Eta zu sein. Die Eta hat vor fünf Jahren den bewaffneten Kampf für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland definitiv eingestellt. Txapartegi wird in der Schweiz von verschiedenen Organisationen und Gruppen aktiv unterstützt.

Expertise mit klaren Ergebnissen

Noch sei erstinstanzlich keine Entscheidung über das Auslieferungsgesuch und ihren Asylantrag gefallen, erklärt ihr Anwalt Olivier Peter dem vorwärts. Es sei ein Vorgang, der «tatsächlich länger als gewöhnlich dauert», sagt er. Der Anwalt erwartet eine Entscheidung in den «nächsten Wochen». Die Verzögerungen hängen mit den Gutachten über ihre Glaubwürdigkeit zusammen, denn sie erhebt Foltervorwürfe gegen Spanien. Die Anwälte der 44-jährigen Baskin haben den Wiener Psychiater Prof. Dr. Thomas Wenzel und den türkischen Rechtsmediziner Dr. Önder Özkalipci mit Expertisen beauftragt. Hoffnung macht die Klarheit der Expertenaussagen. Nach der Begutachtung von Txapartegi im Gefängnis und nach dem Studium der medizinischen Dokumentation, kommen sie zum Ergebnis, dass Txapartegi gefoltert wurde. «Unsere Befunde bestätigen in den Schlussfolgerungen den Folterbericht der Betroffenen», schreibt Wenzel. Özkalipci erklärt, dass er unter Betrachtung der psychologischen Diagnosen und den belegten physischen Befunden zum Schluss kommt, dass «sie in den zehn Tagen der Verhaftung in Kontaktsperre zwischen dem 9. und 19. März 1999 gefoltert wurde.» Die beiden Experten führten ihre Untersuchungen anhand des so genannten Istanbul-Protokolls durch. Es ist das international anerkannte Handbuch für die «wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Strafe». Es wurde von 75 ÄrztInnen, PsychologInnen, MenschenrechtsbeobachterInnen und JuristInnen aus 40 Organisationen und 15 Ländern verfasst, die auf Folter spezialisiert sind. Özkalipci, der in Genf lebt, ist Co-Autor des Protokolls und Wenzel ist Herausgeber mehrerer Bücher zum «Istanbul-Protokoll».

Nekane ist stark

Zu den Dokumenten gehört auch der Bericht des Aufnahmearztes im Gefängnis, der einige Folterspuren dokumentierte. Das ist selten, doch ihr Zustand war extrem schlecht, nachdem die Guardia Civil sie übergeben hatte. Die WärterInnen baten die Mitgefangene Lourdes Txurruka, bei ihr zu bleiben, da sie «völlig zerstört» gewesen sei. Im Interview mit dem Autor erklärte Txapartegi nach ihrer Freilassung, sie habe verschiedene «Geständnisse» auswendig lernen und zitieren müssen. Diese wurden an jene «Geständnisse» angepasst, die andere unter Folter gemacht hatten, die mit ihr verhaftet worden waren. Aufgrund dieser Aussagen unter Folter drohten Txapartegi elf Jahre Knast, was sie zur Flucht trieb. Der Oberste Gerichtshof senkte ihre Strafe auf fast sieben Jahre und machte aus dem angeblichen «Eta-Mitglied» eine «Unterstützerin».

Nach Auskunft von Familie und FreundInnen ist Txapartegi stark, doch sei die Inhaftierung eine enorme Belastung. Sie durchlebe immer wieder die Foltertage, weil vieles sie täglich an die traumatischen Erlebnisse erinnere. Sie sowie ihr Anwalt hoffen darauf, dass die Schweiz die Uno-Menschenrechtskonvention achtet und sie nicht an Spanien ausweist. Dass Txapartegi gefoltert wurde, sei «inzwischen unangreifbar». Die Schweiz befindet sich in einem diplomatischen Dilemma, denn sie müsste gegen den Rechtshilfevertrag mit Spanien verstossen und zudem anerkennen, dass in dem EU Land Spanien gefoltert wird. Allerdings stünde sie damit nicht alleine da, denn auch Belgien verweigert die Auslieferung eines angeblichen Eta-Mitglieds wegen drohender Folter in Spanien.

Aus dem vorwärts vom 17. Februar 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Ciao bello!

matteo-renziDer italienische Ministerpräsident Mateo Renzi ist nach dem Nein des Volks zu seiner Verfassungsreform zurückgetreten. Was kommt nach Renzi? Die wirkliche Gefahr droht von Matteo Salvini, dem Anführer der rechtspopulistischen Lega Nord.

«Ciao bello» titelte die kommunistische Tageszeitung «il manifesto» am Tag nach der Abstimmungsschlappe und den Rücktritt des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Tausend und ein paar zerquetschte Tage dauerte seine Amtszeit. Die grosse Hoffnung des Partito Democratico (PD), der sozialdemokratischen Regierungspartei, ist weg vom Fenster, sang und klanglos. Am Ende kämpfte er praktisch alleine gegen den Rest für seine Verfassungsreform: Die Rechten und die 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo hatte er eh gegen sich. Kommunistische Parteien und Organisationen sowie linke Gewerkschaften hatten sich klar für ein Nein stark gemacht, um ihrer Meinung nach die Grundfeste der Verfassung nicht zu zerstören. Am Ende hat dann selbst der linke Flügel des PD offen dazu aufgerufen, Nein zu stimmen und machte somit Stimmung gegen den eigenen Vorsitzenden Renzi. Sein grosser und gleichzeitig stümperhafter politischer Fehler war, dass er das Referendum über seine höchst fragwürdige Verfassungsreform personalisiert hat. Es ging nicht mehr um die Sache, sondern nur und ausschliesslich um die Frage: «Renzi Si o Renzi No?» Die Antwort ist jetzt bekannt.

Wie gespalten der PD ist, zeigte wenige Tage nach dem Nein ein Interview mit Michele Emiliano, dem Präsidenten der Region Apulien und PD-Mitglied. In der TV-Sendung «Matrix» auf dem Berlusconi-Sender «Canale 5» stellte er Renzi als einen machthungrigen, kleinen Diktator dar. Emiliano behauptete weiter, Renzi sei selbstherrlich und habe die Verfassungsreform konzipiert und durchboxen wollen, um seine eigene Macht zu festigen. Schwerwiegende Vorwürfe. Pikant an der Sache ist, dass Emiliano bis vor nicht allzu langer Zeit ein glühender Anhänger von Renzi war. Emiliano unterstützte Renzi tatkräftig auf seinem Weg zur Macht innerhalb der Partei und zum Regierungschef. Dazu sagte Emiliano im Interview: «Das bereue ich heute sehr!» Der Präsident Apuliens gilt als ein heisser Kandidat für das Amt des PD-Parteivorsitzenden und zwar unabhängig davon, ob Renzi wieder dafür kandidieren wird oder nicht.

Salvini schlimmer als Trump

Renzi ist Geschichte, was bringt die Zukunft? Es wird zu Neuwahlen kommen. Nun darf man darüber spekulieren, wann diese stattfinden werden und mit welchem Wahlgesetz. Aber das sind Details schon fast am Rande. Die Gefahr droht von einem Komiker und der populistischen Rechten der Lega Nord mit ihrem Anführer Matteo Salvini. Grillo und seine 5-Sterne-Bewegung ist eine heterogene Wundertüte mit Positionen, die von heute auf morgen wechseln können. Dort, wo sie am Machthebel sitzt, wie etwa in der Stadt Rom, zeichnet sie sich durch interne Streitigkeiten und Chaos aus. Mit Beppe Grillo droht in Italien das noch grössere Chaos. Kaum vorstellbar, aber doch möglich. Die Bewegung von Grillo konnte grosse Wahlerfolge verbuchen, sie ist aber noch jung und in der Bevölkerung noch nicht verankert. Das ist aber die rechtspopulistische und rassistische Lega Nord von Matteo Salvini. Im Norditalien gibt sie seit Jahren in verschiedenen Regionen den Ton an, vor allem auf kommunaler Ebene. Sie hat eine grosse, militante Basis und eine in der Lokalpolitik eingebettete, gut funktionierende Struktur. Salvini als italienischer Trump zu bezeichnen, ist falsch: Salvini ist schlimmer als Trump! Ein Beispiel: Salvini nennt die Boote der italienischen Küstenwache, die im Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Tod retten, «Taxis für illegale Einwanderer». Mateo Salvini ist im gleichen Atemzug zu nennen mit Viktor Orbán aus Ungarn, Marie Le Pen aus Frankreich und Frauke Petri aus Deutschland. Von Salvini und das von ihm propagierte, in der Bevölkerung verankerte Gedankengut ist die wirkliche, grosse Gefahr in Italien.

Aus dem vorwärts vom 23. Dezember 2016 Unterstütze uns mit einem Abo.

Fidel Castro ist gestorben

fidel-castro-100-_v-gseagaleriexlFidel Castro, der ehemalige Präsident Cubas und Lider der Revolution, starb in der Nacht vom 25. November. Die Welt verliert damit eine zentrale Figur und einen Vorkämpfer des Sozialismus. Die Welt verliert damit einen Mann, der sich unermüdlich für eine bessere Welt und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat.

Fidel Castro, der ehemalige Präsident Cubas und Lider der Revolution, starb in der Nacht vom 25. November, wie das kubanische Staatsfernsehen bestätigt hat. Raul Castro, der kubanische Präsident und Bruder des Verstorbenen, kündigte an, das Fidel am Samstag darauf kremiert werden würde. «Der Oberkommandierende der kubanischen Revolution starb heute um 22.29 Uhr», hat Raul Castro gemeldet.
Fidel Castro wurde 1926 in die Familie eines bekannten Landbesitzers in der Provinz Holguín auf Cuba geboren. Er führte die kubanische Unabhängigkeitsbewegung an und besiegte 1959 die von den USA unterstützte Batista-Diktatur. Bald nachdem seine Bewegung die Macht übernommen hatte, übernahm das Land durch Fidel ein explizit sozialistisches Entwicklungsmodell und nahm enge Beziehungen zur Sowjetunion auf. Damit geriet Cuba in Feindschaft zur USA.
Für die nächsten 48 Jahre, bis er 2008 zurücktrat, führte Fidel die kleine Inselnation durch eine historische Entwicklung. Das Land wurde dadurch weltweit führend in vielen sozialen Bereich wie Bildung und Gesundheit.

Cubas Internationalismus

Der Erfolg der kubanischen Revolution bedeutete für das Land auch eine 50-jährige feindselige und ruinöse Blockade durch die USA. Fidel überlebte mehrere Mordanschläge durch den US-Geheimdienst CIA.
Die kubanische Erfahrung inspirierte eine wachsende antikolonialistische Bewegung auf der Welt, die Fidel aktiv unterstützte, indem er kooperative Hilfsnetzwerke in Lateinamerika, Afrika und im Rest des globalen Südens aufbaute.
Unter der Führung von Fidel ging Cubas Internationalismus über die blosse Unterstützung von Befreiungsbewegungen wie dem African National Congress von Nelson Mandela in Südafrika hinaus: Tausende von GesundheitsexpertInnen und ÄrztInnen wurden von Cuba in alle Welt entsandt. Cubas Alphabetisierungsprogramm hat Millionen Menschen ausserhalb von Cuba das Lesen beigebracht. Die kubanischen ÄrztInnen haben sogar das Lob der US-Regierung erhalten für ihre «heroische» Beteiligung am Kampf gegen den Ausbruch von Ebola in Westafrika.
Fidel war auch wichtig für den Aufschwung linker Regierungen in Lateinamerika, der 1998 mit der Wahl von Hugo Chavez in Venezuela seinen Anfang nahm. Fidel und Chavez förderten zusammen die Radikalisierung und Koordination von Bewegungen in der Region, was zu linken Siegen in Ecuador, Bolivien und Nicaragua, und zu gemässigt linken Regierungen in Brasilien, Uruguay und Argentinien führte. Auf die Initiative der beiden Revolutionsführern hin ging auch die Bolivarianische Allianz für Amerika (Alba) hervor, die eine Alternative zum neoliberalen Freihandel darstellte.

Fidel wurde 90

Bewundert von vielen, geächtet von anderen; der kubanische Lider blieb einflussreich und war als scharfsinniger Beobachter des Weltgeschehens hochangesehen. Vor Kurzem hat er noch seinen 90. Geburtstag gefeiert. «Ich werde bald 90 Jahre alt», sagte Fidel im April 2016 am Kongress der Kommunistischen Partei, als er seinen längsten öffentlichen Auftritt seit Jahren hatte. «Bald werde ich so sein wie alle anderen. Für alle wird die Zeit einmal kommen, aber die Ideen der kubanischen KommunistInnen werden auf diesem Planeten bleiben als ein Beweis: Wenn man mit Leidenschaft und in Würde arbeitet, kann man die materiellen und kulturellen Güter schaffen, die die Menschen brauchen und für die man kämpfen muss, ohne jemals aufzugeben.»

Trump gewann – Leute, organisiert euch!

donald-trumpDie nachfolgende Darstellung zum Wahlsieg von Donald Trump befasst sich mit dem Wahlverhalten der US-amerikanischen ArbeiterInnen. Sie wurde von «People’s World» veröffentlicht, die der Kommunistischen Partei der USA nahe ist. Der Autor ist ehemaliger Gewerkschaftsorganisator und in der Bürgerrechtsbewegung im Süden der USA aktiv.

Gewerkschafts- und FortschrittsaktivistInnen im ganzen Land sind bereits dabei, Strategien einer Antwort auf die gestrige Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu formulieren. Der Milliardär war in der Lage, die Unterstützung der Rechten zu gewinnen, die bereits das Repräsentantenhaus und den Senat, die meisten Bundesstaaten und viele Gerichte kontrollieren, indem er ihnen vertrauenswürdig versicherte, dass er die Anti-ArbeiterInnen-Politik verstärken werde, die die Reichen reicher macht. Gleichzeitig nutzte er Lügen, Angstmache und Sündenböcke, um die Unterstützung von vielen Opfern dieser Politik zu gewinnen. Trump wurde an die Spitze gehievt, weil er rund 60 Prozent der WählerInnen aus der weissen ArbeiterInnenklasse und 27 Prozent der WählerInnen bei den Latinos gewann, ein höherer Prozentsatz als für Mitt Romney (Kandidat der RepublikanerInnen bei der Präsidentenwahl 2012 gegen Obama). Alle Wählerbefragungen bei Verlassen der Wahllokale zeigten, dass diejenigen, die Bernie Sanders bei den Vorwahlen der DemokratInnen unterstützten, in voller Stärke zur Abstimmung für Hillary Clinton gingen, während nur etwa 1 Prozent der Wählerschaft die Grüne Partei unterstützte, nicht genug, um etwas zu bewegen. Die Libertäre Partei holte 3,3 Prozent der Stimmen, wobei die meisten andernfalls für Trump gestimmt hätten.

«Zornig und frustriert»

Die grosse Mehrheit der Trump-WählerInnen sagte, dass sie für ihn stimmten, weil er «das Establishment durcheinanderschütten» werde. Gleichzeitig sagten rund 61 Prozent, dass sie wissen, dass Trump nicht qualifiziert ist, Präsident zu sein. Viele sagten, dass sie Obama-DemokratInnen gewesen waren, aber nun das Gefühl haben, dass ihre Partei sie «aufgegeben» hat. Sie verwiesen auf die Tatsache, dass ihr Lebensstandard eingebrochen ist und dass sie sich nicht länger der wirtschaftlichen Sicherheit erfreuen, die sie einst hatten. Sie sagten, dass sie sich «zornig und frustriert» durch die Regierung fühlen und «einen Wechsel wollen». In Nachwahlumfragen in den Staaten des oberen Mittleren Westens, die unter der Deindustrialisierung gelitten haben, bezeichnete sich die Hälfte der WählerInnen, die für Trump gestimmt haben, selbst als Gewerkschaftsmitglieder. Rund 30 Prozent der GewerkschafterInnen in den umkämpften Swing-Bundesstaaten sollen Trump-UnterstützerInnen sein. Trump verstand es, den Ärger und die Angst vieler ArbeiterInnen in den sogenannten «Rostgürtel»-Staaten zu manipulieren, indem er ihre Meinung aufgriff, dass sie Jobs verloren hätten, weil das Nafta-Freihandelsabkommen (mit Kanada und Mexiko, Übers.) die Unternehmen ermutigt habe, ihre Tätigkeit nach Übersee zu verlagern. Er erinnerte unaufhörlich daran, dass Clinton als First Lady für die Annahme von Nafta geworben hat. De facto wurde Nafta aber gegen den Widerspruch der Mehrheit der DemokratInnen durchgesetzt, die zu jener Zeit im Repräsentantenhaus und Senat waren. Während seines Wahlkampfs hat Trump, obwohl er versprach, die durch Nafta und andere Handelsabkommen verlorenen Jobs «nach Amerika zurückholen», niemals einen Plan vorgelegt, um das zu tun. Stattdessen stachelte er Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an, indem er MigrantInnen für viele der wirtschaftlichen Nöte Amerikas verantwortlich machte. Trumps Sieg widerspiegelt den Erfolg von fremdenfeindlichen Rechten in vielen Ländern Europas. Zum Beispiel gelang es jenen, die den Rückzug Grossbritanniens aus der EU unterstützen, die «Brexit»-Abstimmung zu gewinnen, weil sie die Unterstützung der arbeitslosen und unterbeschäftigten britischen ArbeiterInnen fanden, die im deindustrialisierten zentralen Teil von England lebten. Die ökonomische Landschaft dort sieht sehr stark so aus wie das, was überall in den «Rostgürtel»-Staaten zu sehen ist.

Auch eine Chance

Clinton richtete ihren Wahlkampf darauf aus, «Gemässigte» anzusprechen, obwohl die Zahl der WählerInnen, die sich mit diesem Label identifizieren, seit der letzten Präsidentenwahl stark abgenommen hat. Die Tatsache, dass die USA so gespalten sind, stellt für ArbeitervertreterInnen und progressive AktivistInnen auch eine Chance dar. Tatsache ist, dass fast die Hälfte der WählerInnen nicht für Trump gestimmt hat. Darüber hinaus sagen viele von den arbeitenden Menschen, die für ihn gestimmt haben, dass sie ihn nun strikt dafür haftbar machen wollen, dass er seine Versprechen einhält. Die Schlacht gegen die Rechten wird nicht im Fernsehen oder im Internet gewonnen. Sie wird gewonnen durch die Organisierung der arbeitenden Menschen von Angesicht zu Angesicht. Die Gewerkschaftsbewegung muss reale Lösungen für reale Probleme finden, vor denen viele amerikanische ArbeiterInnen aller ethnischen Gruppen stehen. Jetzt, da Trump das Weisse Haus und die RepublikanerInnen die Kontrolle über alle Zweige der US amerikanischen Bundesregierung gewonnen haben, ist für die US-AmerikanerInnen, die eine gerechtere Gesellschaft anstreben, der Aufbau einer machtvollen Volksbewegung entscheidender denn je.

Aus dem vorwärts vom 18. November 2016 Unterstütze uns mit einem Abo.

1 42 43 44 45 46 67