«Bolivarischer Block in der Defensive»

Nahide Özkan. Venezuela wird verstärkt von äusseren imperialistischen Kräften bedroht. Auch im Inneren versuchen die Rechten, die bolivarische Revolution zu vernichten. Gespräch mit Carolus Wimmer, Sekretär für internationale Beziehungen der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV).

Im Parlament von Venezuela bildet die rechte Opposition die Mehrheit. Sie verlangt eine Amtsenthebung des Präsidenten Nicolás Maduro. Was ist die Strategie der Opposition?

Carolus Wimmer: Nachdem die ultrarechte Opposition 2015 die Parlamentswahlen gewonnen hatte, drängte sie auf einen Regierungswechsel durch einen parlamentarischen Putsch, ähnlich, wie er in Paraguay und vor Kurzem in Brasilien vollzogen wurde. Diese Option ist nun kurzfristig auf Eis gelegt worden, weil die Rechten nicht die Unterstützung der anderen öffentlichen Institutionen oder der Nationalen Bolvarischen Streitkräfte haben.
In ihrer Fokussierung auf einen Coup d’État im Parlament haben die Rechten «vergessen», ihre Versprechen gegenüber der Bevölkerung einzulösen. Die Leute hatten gehofft, dass das neue Parlament die Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit sowie die Inflation beheben würde. Nun haben die rechten, reaktionären Kräfte die Unterstützung der ProtestwählerInnen verloren.
Es überrascht deshalb nicht, dass die politische Strategie der venezolanischen Opposition sich nun komplett in den Händen der US-Regierung befindet, die auf Destabilisierung und Intervention zielt im Bündnis mit offen faschistischen Gruppen. Diese sind bereit, der venezolanischen Regierung und dem Prozess der nationalen Befreiung mit Gewalt ein Ende zu setzen. Es scheint keinen «Dritten Weg» zu geben: entweder ein qualitativer, revolutionärer Sprung oder die Niederlage durch den Imperialismus; entweder Sozialismus oder Barbarei. » Weiterlesen

Rechte Hetze im linken Gewand

Redaktion. Im Volkshaus Zürich fand am 11. Mai eine antideutsche Veranstaltung statt, bei der Jutta Ditfurth unter dem Vorwand von Antisemitismus linke Kritik an Israel mundtot machen wollte. Die Tierrechtsgruppe Zürich hat ein kleines politisches Statement dagegen gesetzt. Im Folgenden der Aufruf der Tierrechtsgruppe Zürich.

Innerhalb linker Bewegungen formieren sich seit Ende der 80er Jahre AnhängerInnen der israelischen Besatzungspolitik und Nato-VersteherInnen, welche versuchen, KritikerInnen von Krieg, Imperialismus und Kapitalismus mundtot zu machen. Diese neokonservativen DemagogInnen treten ausgehend von der BRD unter Labeln wie «antideutsch» oder «antinational» in Erscheinung und gewinnen auch in der Schweiz UnterstützerInnen und Strahlkraft. Vor dem Hintergrund, dass im Volkshaus Zürich eine antideutsche Veranstaltungsreihe in zwei Teilen angekündigt war, versuchte die Tierrechtsgruppe Zürich mit dem Filmscreening von «Losgelöst von allen Wurzeln …» einen kulturellen Gegenpol zu dieser rechten Hetze im linken Gewand setzen.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Frauenrechte im Irak

Yasmin Labidi. Die feministische Aktivistin Yanar Mohammed setzt sich seit 15 Jahren für Frauenrechte und gegen Gewalt an Frauen im Irak ein. Terre des Femmes Schweiz hat Yanar Mohammed vom 8. bis 13. Juni in die Schweiz eingeladen, um mit ihr über ihre riskante Arbeit zu sprechen.

Die irakische Menschenrechtsverteidigerin Yanar Mohammed engagiert sich seit 15 Jahren für Frauenrechte und gegen Gewalt an Frauen in ihrem Land. 2003 gründete sie die ersten Schutzhäuser für Gewaltbetroffene sowie die Organization of Women’s Freedom in Iraq (OWFI), mit der sie diese Frauenhäuser bis heute betreibt. Die Zentren, welche der Staat nach wie vor für illegal erklärt, sind offen sowohl für Angehörige religiöser und sexueller Minderheiten als auch für junge Frauen, die vor häuslicher Gewalt, Menschenhandel oder Zwangsprostitution fliehen. Im März hatten wir, zwei Mitarbeiterinnen von Terre des Femmes Schweiz, die Gelegenheit, Yanar in Amsterdam zu treffen und mit ihr ein Gespräch zu führen. Als sie den Raum betritt, erkennen wir sie sofort: ein lebhafter Blick, eine selbstbewusste Haltung, eine immense Ausstrahlung trotz einer kleinen Statur. Sie setzt sich und sagt: «Ich bin gerade erst aus Bagdad angekommen, ich brauche einen Drink!» Dann beginnt sie zu erzählen.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Millionen im Generalstreik

Claudia Fix. In Brasilien leistet die Bevölkerung erbitterten Widerstand gegen die Aushöhlung von ArbeitnehmerInnenrechten und die geplante Rentenkürzung. Der Gewerkschaftsdachverband CUT spricht von 40 Millionen Teilnehmenden am Generalstreik.

Von Porto Alegre bis Belém und von Recife bis Curitiba fanden in insgesamt 130 Städten von Brasilien am 28. April Streiks und Protestaktionen mit massenhafter Beteiligung statt. Alle grossen Gewerkschaften und zahlreiche soziale Bewegungen hatten zum ersten Generalstreik seit 21 Jahren aufgerufen. Der Ausstand richtete sich vor allem gegen die im Abgeordnetenhaus verabschiedete Aushöhlung der ArbeitnehmerInnenrechte und die von der De-facto-Regierung von Michel Temer geplanten Änderungen im staatlichen Rentensystem.
«Dies war der grösste Generalstreik», sagte Vagner Freitas, Präsident des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT. Die Kritik an der Arbeits- und Rentenreform habe die Gewerkschaften wieder zusammengeführt, die nach der Absetzung der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff aufgrund von politischen Differenzen auf Distanz zueinander gegangen waren. Während es die meisten Gewerkschaften vermieden, konkrete Zahlen zur Beteiligung am Generalstreik zu nennen, sprach Freitas von 40 Millionen Streikenden.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Der jüngste Spanienkämpfer

Der Tessiner Eolo Morenzoni war mit seinen sechzehn Jahren vielleicht der jüngste Schweizer, der als freiwilliger Kämpfer nach Spanien zog, um die Republik vor den FaschistInnen zu verteidigen. Im Folgenden seine Erinnerungen an den Bürgerkrieg.

Am 12. November 1936 – es war gerade an meinem sechzehnten Geburtstag – bereitete ich mit dem Genossen Romeo Nesa aus Lugaggia das Letzte für unsere Abreise vor, die auf den 13. November festgesetzt worden war. Am Morgen ging ich wie gewohnt mit meiner Schultasche von zu Hause fort, nur dass sich diesmal keine Schulbücher darin befanden, sondern einige Taschentücher und ein Hemd, das ich heimlich eingepackt hatte. Alles war gut vorbereitet und ausser Romeo wusste niemand etwas von unserem Vorhaben. Statt zur Schule zu gehen, ging ich nun zum Bahnhof, wo ich mich bis zur Abfahrt des Zuges – um 11 Uhr – in der Toilette eingeschlossen versteckt hielt. Denn wäre ich herumgelaufen, hätten mich Bekannte gesehen und gefragt, was ich um diese Zeit hier machte. Sie würden sicher meine Familie verständigt haben, was ich verhüten wollte, da ich wusste, dass meine Eltern es mir verboten hätten, fortzufahren. Nicht dass sie meine Ideen verurteilten, sondern einfach, weil ich zu jung war. Als der Zug sich schliesslich in Bewegung setzte, umarmten wir uns, Romeo und ich, und wir schworen uns gegenseitig, immer treue Freunde und gute Kämpfer zu bleiben. » Weiterlesen

Monsanto: Schuldig!

Redaktion. Monsanto verübt Verbrechen gegen Mensch und Umwelt, bisher ohne rechtliche Konsequenzen. AktivistInnen haben deshalb ein Tribunal organisiert. Nun wurde das Rechtsgutachten veröffentlicht, das in Zukunft für Verfahren gegen den Saatgutriesen verwendet werden könnte.

Die Dominanz von Monsanto sei höchst problematisch für Menschenrechte, Umwelt und die biologische Vielfalt. Das berichtet René Lehnherr, der Initiator des internationalen Monsanto-Tribunals in Den Haag. Nun ist am 18. April der Bericht des Tribunals veröffentlicht worden. «Im Grossen und Ganzen kann man zusammenfassen, dass die Richter befunden haben, dass Monsanto in allen sechs untersuchten Punkten Recht verletzt hat.» Bei diesen sechs Punkten handelt es sich um die Rechte auf eine gesunde Umwelt, auf Gesundheit, das auf Nahrung, auf freie Meinungsäusserung und auf wissenschaftliche Forschungsfreiheit, ferner um die Beteiligung an einem Kriegsverbrechen, durch den Einsatz des Giftes «Agent Orange» im Vietnam-Krieg. Dem Konzern wird der Tatbestand des Ökozids vorgeworfen, also Verbrechen an der Natur, was in der Rechtssprechung noch nicht als Strafbestand besteht, so Lehnherr.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Die schwächste Diktatur

Proteste nach dem Referendum in der Türkei.

Alp Kayserilioglu. Auch mit diktatorialen Mitteln und Wahlbetrug kam Erdogan beim Referendum vom 16. April in der Türkei kaum über 51 Prozent Zustimmung für seine Diktatur. Einer seiner Hauptbündnispartner, die faschistische MHP, droht wegzubrechen. Das Grosskapital ist in Panik. Die Menschen gingen zu Zehntausenden aus Protest auf die Strasse.

Das Ergebnis des Referendums in der Türkei vom 16. April kam unerwartet. Laut bisherigen offiziellen Ergebnissen gewann das Ja-Lager mit einer marginalen Mehrheit von knapp 51 Prozent gegenüber 49 Prozent des Nein-Lagers. Der Haken an der Angelegenheit: Das eh schon sehr knappe Wahlergebnis kam nur aufgrund massiver Wahlfälschung zustande. Die Hauptoppositionsparteien Republikanische Volkspartei (CHP) und Demokratische Partei der Völker (HDP), aber auch die internationalen BeobachterInnen der OSZE, zivilgesellschaftliche Organisationen wie Hayir ve Ötesi oder die Anwaltskammer der Türkei halten allesamt einstimmig fest: Mindestens 1,5 bis 2,5 Millionen Stimmen wurden auf irreguläre oder rechtswidrige Art und Weise abgegeben. Das wären immerhin 4 bis 5 Prozent aller abgegebenen Stimmen und damit wahlentscheidend.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Bruch mit dem undemokratischen Staat

Ricard Arrufat. Die Widersprüche im spanischen Staat sind auch 80 Jahre nach dem Spanischen Bürgerkrieg nicht gelöst. Neben der baskischen Bewegung fordern auch die KatalanInnen die Unabhängigkeit von Spanien. Dieses Jahr wird es noch einmal zu einem Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens kommen.

Gegenwärtig steckt ein Teil der katalanischen Gebiete im Kampf für ihre Unabhängigkeit, im Prozess der Loslösung vom spanischen Staat. Es ist ein monarchistischer Staat, der aus der faschistischen Franco-Diktatur geboren und geschaffen wurde, in dem die Verantwortlichen der Diktatur nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt, in dem die wirtschaftlichen Eliten ihre Privilegien aus der Diktatur behalten haben und in dem die Korruption generalisiert und juristisch normalisiert wurde.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

«Enorme Unzufriedenheit»

Philipp Zimmermann. Zehntausende Menschen haben sich in Argentinien an einem Generalstreik beteiligt. Mit den Gewerkschaften fordern sie Massnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit und ein Ende der neoliberalen Politik.

In Argentinien haben am 6. April die drei grössten Gewerkschaftsdachverbände CGT, CTA und CTA Autónoma einen Generalstreik gegen die Politik von Präsident Mauricio Macri angeführt. Daran beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaften Zehntausende Menschen im ganzen Land. Im Zentrum stand die Forderung der Gewerkschaften nach Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, die seit Macris Amtsantritt im Dezember 2015 angestiegen ist. Dieser hat in seinem ersten Amtsjahr etwa die Entlassung etlicher öffentlicher Angestellter durchgesetzt.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Lenín, el presidente

Michael Wögerer. Ecuadors neuer Präsident heisst Lenín Moreno. Der Linkskandidat aus den Reihen der Regierungspartei will die Sozialprogramme seines Vorgängers Rafael Correa ausweiten. Die rechte Opposition tobt.

Am Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Ecuador gibt es nichts mehr zu rütteln. Der Kandidat der linken Regierungspartei Alianza País, Lenín Moreno, hat nach Angaben der Nationalen Wahlkommission (CNE) die Stichwahl vom 2. April mit 51,15 Prozent gewonnen. Sein rechtskonservativer Herausforderer, der neoliberale Banker Guillermo Lasso von der Partei Creo-Suma erhielt 48,85 Prozent. Somit wird der 64-jährige Moreno am 24. Mai die Nachfolge von Rafael Correa antreten, der seit 2007 das Land regiert und nach zweimaliger Wiederwahl nicht wieder kandidiert hatte.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

«Streik für Freiheit und Würde»

 

Georg Polikeit. In den israelischen Gefängnissen befinden sich 1500 palästinensische Gefangene im Hungerstreik. Sie fordern bessere Haftbedingungen und die Abschaffung der «administrativen Haft», der Haft ohne Anklage und Gerichtsverfahren.

Seit Ostermontag sind etwa 1500 palästinensische Häftlinge in mehreren israelischen Gefängnissen in einem unbefristeten Hungerstreik, und es könnten noch mehr werden. Die Beteiligten bezeichnen ihre Aktion als «Streik für Freiheit und Würde». Es handelt sich um den grössten Hungerstreik palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen seit fünf Jahren.
Parallel zum Beginn der Hungerstreikaktion fanden mehreren Demonstrationen von tausenden PalästinenserInnen in Gaza und im Westjordanland anlässlich des am 17. April alljährlich begangenen «Tags der palästinensischen Gefangenen» statt. In Bethlehem kam es zu Zusammenstössen mit israelischen Sicherheitskräften, die Tränengas und Gummigeschosse einsetzten und damit mehrere Verletzte verursachten. Zusammenstösse ähnlicher Art ereigneten sich auch vor der israelischen Haftanstalt Ofer in der Nähe von Ramallah, dem einzigen israelischen Gefängnis ausserhalb des israelischen Staatsgebiets im Westjordanland.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Neutralisierung durch Integration

Susann Witt-Stahl. Eine Koalition aus SPD, Grünen und der Linkspartei in Deutschland wäre kein progressives Reformbündnis. Die «R2G»-IdeologInnen bemühen sich eifrig darum, sich als einzige Alternative zu einem AfD-Aufstieg darzustellen. Es droht ein gefährlicher Pyrrhussieg.

In Deutschland stellt sich die Frage: Kommt Rot-Rot-Grün, oder kommt Rot-Rot-Grün nicht? Galt das Projekt Anfang des Jahres noch als politisch so gut wie tot, wachsen seit Frühlingsbeginn dank «Schulz-Effekt» mit den ersten Blättern auch die Umfragewerte der Sozialdemokratie und sorgen für frischen Wind in den Segeln der «R2G»-Begeisterten. Aber viel schlauer ist man auch nach der Saarland-Wahl nicht. Hin- und hergeworfen zwischen Schreckensbildern – «Rot-Rot-Grün gefährdet die Sicherheit der Bevölkerung!» (Volker Kauder, CDU) – und Euphorie angesichts des kommenden «Bündnisses aller progressiven Kräfte» (Sigmar Gabriel, SPD) schlingert die veröffentlichte Meinung weiter in Richtung Bundestagswahl. » Weiterlesen

Normalzustand: Krieg

In Syrien hat die USA zum ersten Mal direkt die syrische Regierung angegriffen. Eine Woche später liess der US-Präsident die «Mutter aller Bomben» über Afghanistan abwerfen. Der US-Imperialismus treibt damit die militärische Eskalation weiter voran.

Am frühen Freitagmorgen, am 7. April, hat US-Präsident Donald Trump einen Luftangriff auf eine Militärbasis der syrischen Regierung durchführen lassen. Die USA haben damit zum ersten Mal direkt die syrische Regierung angegriffen. Auf der Militärbasis wurden nach syrischen Angaben mindestens fünf Menschen und im Umfeld weitere neun Menschen getötet. Gemäss Trump war die Attacke eine Antwort darauf, dass die syrische Regierung einige Tage zuvor angeblich für einen Giftgasangriff in der Stadt Khan Shaykhun verantwortlich gewesen sei. Es handle sich um einen «Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen». Wie schon viele Male zuvor bei US-Militäraktionen hat das Trump-Regime nicht darauf gewartet, dass der Vorfall unabhängig untersucht und bestätigt wurde. Noch ist weiterhin unklar, wer für dieses Kriegsverbrechen die Verantwortung trägt. Frühere Angriffe mit chemischen Waffen konnten der Assad-Regierung nie nachgewiesen werden. Die syrische Regierung hat ihre Chemiewaffenbestände unter internationaler Kontrolle zerstört. Es bestehen also Zweifel daran, dass die Assad-Regierung für den Anschlag in Khan Shaykhun verantwortlich ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die bewaffnete Opposition in letzter Zeit an Boden verloren hat und von einer Militärintervention in Syrien stark profitieren würde.

Massenvernichtung proben

Die letztjährige Präsidenschaftskandidatin und Kriegstreiberin Hillary Clinton bejubelte den Angriff. In einem Interview stellte sie klar, dass sie bereits in ihrer Zeit als US-Aussenministerin aggressiver in Syrien eingreifen wollte. Auch bei den restlichen Democrats fand Trump Unterstützung. Der Wall-Street-nahe Senator Chuck Schumer nannte den Angriff eine «richtige Handlung». Die linkeren Democrats wie Keith Ellison und Bernie Sanders sind kritischer, aber teilweise bloss auf formaler Ebene. Sanders mahnte Trump in erster Linie dafür, dass er vom US-Kongress keine Ermächtigung für den Angriff eingeholt habe.

Der Angriff gegen die syrische Regierung ist ein weiterer Schritt in der Eskalation des Syrienkriegs, nachdem der US-Imperialismus vor Kurzem mit Bodentruppen im Land einmarschiert ist. Jede Illusion über eine friedliche Präsidentschaft des Bonzen Trump hat sich in Luft aufgelöst. Eine Woche später hat Trump seine Bereitschaft zum Krieg nochmals bewiesen mit dem Abwurf der «Mutter aller Bomben» in Afghanistan: Die US-Streitkräfte setzten am 13. April zum ersten Mal eine Superbombe des Typs «GBU-43» über dem Achin-Distrikt an der Grenze zu Pakistan ab. Diese ist die gefährlichste verfügbare nicht-atomare Massenvernichtungswaffe.

Beim Einsatz der 16 Millionen Dollar teuren Superbombe wurden «nur» 36 KämpferInnen des Daesh getötet. Es handelte sich bei dem Bombenabwurf hauptsächlich um die Erprobung einer Massenvernichtungswaffe, die 2003 erstmals unterirdisch getestet worden war. Der Bombenabwurf muss aber auch als Drohung gegen den Iran und Nordkorea verstanden werden.

Keine Hemmungen

Der Imperialismus hatte nie Hemmungen, seine Interessen mit Krieg und Gewalt durchzusetzen. Die neue Entwicklung, das heisst neu seit dem Ende des sowjetischen Sozialismus, besteht darin, dass der Imperialismus die Maske der humanitären Interventionen und Kriege, als eine Ultima Ratio, nicht mehr zu brauchen scheint. Krieg ist zum Normalzustand der Welt geworden und ist ein probates Mittel der imperialistischen Mächte, ihren Willen durchzusetzen, besonders im und gegen den globalen Süden. Je länger, desto weniger scheint der Westen auch eine zwischenimperialistische Auseinandersetzung zu fürchten.

An Abrüstung ist gar nicht mehr zu denken. Das imperialistische Wettrüsten, an dem sich zum Teil auch die Schweiz und in letzter Zeit verstärkt Deutschland beteiligt, wird sich wohl bis zum nächsten kriegerischen Aufeinandertreffen weiter fortsetzen, und dem kann nichts, keine richtungslosen «sozialen Bewegungen», keine spintisierenden W.W.J.D.-Frömmler, schon gar keine mahnwachenden ethnopluralistischen Nazis, nichts, ausser einer geeinten sozialistischen, antimilitaristischen ArbeiterInnenbewegung, die sich auf Wissenschaft gründet, etwas entgegensetzen. Im Kapitalismus kann es keinen währenden Frieden geben. Auch nicht im sozialdemokratisch verwalteten, wie die nordischen Länder mit ihren Kriegsbeteiligungen glänzend beweisen. Die soziale Revolution und der Sozialismus gehören deshalb definitiv auf die Agenda.

Aus dem vorwärts vom 28. April 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Lugansk und Donezk am Gartentor

Infotafeln vor der Botschaft in Bern

dab. Am 10. April, Gedenktag für die Befreiung der ukrainischen Stadt Odessa von der faschistischen Besatzung 1943, fand in Bern und in 18 weiteren Städten in Europa und Nordamerika die Odessa Solidarity Campaign statt. Auch an das faschistische Massaker vom 2. Mai 2014 in Odessa wurde erinnert.

Am 21. Februar 2014 putschte die extreme Rechte in der Ukraine, stürzte die gewählte «prorussische» Regierung Janukowitsch und brachte eine «prowestliche» rechtsliberal-rechtsextreme Regierung an die Macht. Bewaffnete rechtsextreme Milizen durften ungestraft Russisch sprechende UkrainerInnen, die zweitgrösste Volksgruppe in der Ukraine, misshandeln und umbringen, zum Teil wurden sie offiziell anerkannt und in die Streitkräfte integriert.

Sie müssen Sich um den weiteren Inhalt lesen zu können. Sie können Sich hier registrieren.

Ausschaffung verhindern!

Die Schweiz verschliesst die Augen vor der spanischen Folter und so soll Nekane Txapartegi ihren Peinigern übergeben werden. Das zuständige Bundesamt für Justiz verlangt Beweise, die gar nicht erbracht werden können und lehnt gleichzeitig ein unabhängiges Gutachten mit fadenscheinigen Begründungen ab. Ein Skandal!

«Es kann nicht sein, was nicht sein darf», sagt ein Freund der Baskin Nekane Txapartegi dem vorwärts und fügt hinzu: «Mit dem grossen EU-Mitgliedsstaat Spanien will sich die Schweiz nicht anlegen. Aus Staatsräson ist entschieden worden, die 44-Jährige an Spanien auszuliefern.» Seinen Namen (der Redaktion bekannt) will der frühere Journalistenkollege von Nekane aus Sicherheitsgründen nicht genannt wissen. Zur Erinnerung: Die baskische Aktivistin lebte seit 2009 mit falscher Identität in Zürich, wo sie am 6. April 2016 verhaftet wurde. Ende März 2017 hat das Bundesamt für Justiz (BJ) der Auslieferung nach Spanien zugestimmt. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, obwohl sie 1999 in Spanien nach ihrer Verhaftung bestialisch gefoltert wurde.

Ein gemeinsames Ziel

Dass Nekane wieder in die Hände ihrer Folterer gelangt, wollen ihre Familie, FreundInnen und GenossInnen verhindern. Ihr Anwalt Olivier Peter wird beim Bundesstrafgericht in Bellinzona Beschwerde einlegen. Diese hat eine aufschiebende Wirkung. Daher steht keine unmittelbare Auslieferung bevor. Am Mittag des 6. Aprils fand vor dem Schweizer Konsulat in Bilbao eine Protestaktion statt. «Wir demonstrierten dagegen, dass die Schweiz die Folter unterstützt», heisst es in einem Aufruf. Am Abend fand dann in ihrem Heimatort Asteasu erneut eine Demonstration statt. Auch bei der «Korrika» ist die Solidarität mit Nekane stets präsent. Die «Korrika» findet alle zwei Jahre statt. Für die baskische Sprache wird an zehn Tagen 24 Stunden lang ohne Unterlass durch alle sieben Provinzen des unter Spanien und Frankreich aufgeteilten Baskenlands ein Rennen geführt. 2500 Kilometer werden zurückgelegt, Tausende von Menschen nehmen daran teil. Auch in der Schweiz fanden am 6. April verschiedene Solidaritätsaktionen statt. Gemeinsames Ziel der Solidaritätsaktionen: Die Ausschaffung von Nekane verhindern.

Prügel und Elektroschocks

«Die immanente Logik des Entscheids der Schweizerischen Justiz ist, dass in einem EU-Land per se nicht gefoltert wird», erklärt der bereits zitierte Freund der Baskin. Wie man sich in Bern windet, zeige die Begründung des BJ. 70 Seiten hat es gebraucht, um die mehr als nur fragwürdige Entscheidung zu rechtfertigen. Angeblich habe man die Foltervorwürfe «sehr gut abgeklärt», welche die 44-jährige Baskin nach den dramatischen Vorfällen 1999 detailliert erhoben hat. Sprecher Folco Galli berief sich auf die spanischen Behörden, die den Fall umfassend dokumentiert hätten. Das BJ schreibt, Txapartegi habe weder «glaubwürdig darlegen können, dass sie gefoltert wurde», noch dass «in Spanien die Vorwürfe nicht ernsthaft untersucht wurden».

Das BJ fordert von Nekane Beweise, dass sie schon auf dem rund 400 Kilometer langen Weg aus dem baskischen Hochland nach Madrid geschlagen, mit einer Tüte nahe an den Erstickungstod gebracht und Opfer einer Scheinhinrichtung wurde. Sie soll belegen, tagelang bestialisch misshandelt und vergewaltigt geworden zu sein. Letzteres ist sogar in Spanien eine Ausnahmeerscheinung und gehört nicht zum Standardprogramm wie zum Beispiel Prügel, Elektroschocks und Erstickungsmethoden. Ein solcher Nachweis kann aber kaum erbracht werden. Das perfide System macht das praktisch unmöglich. Selbst Grundrechte werden denen verweigert, die der Unterstützung der baskischen Untergrundorganisation Eta beschuldigt werden. Bis zu zehn Tage kann die berüchtigte «Incomunicado»-Haft dauern, in der man nicht einmal Kontakt zu seinem Anwalt hat. Deshalb fordern Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die den Entscheid des BJ hart kritisieren, ihre Abschaffung.

Spanien mehrmals verurteilt

Im Fall Txapartegi wurden sogar vom Gefängnisarzt bei der Einlieferung die Spuren von Gewalt am ganzen Körper dokumentiert. Spuren, die laut BJ eher auf die Verhaftung zurückgehen sollen, gegen die sich Txapartegi gewehrt habe. Doch das ist falsch. Bern hätte dazu die Anwesenden bei der Verhaftung befragen können und so Aussagen von AugenzeugInnen bekommen. Die Gutachten von Folterexperten wie Önder Özkalipci und Thomas Wenzel weist das BJ zurück. Dies mit der Begründung, es seien «Berichte und Aussagen von Drittpersonen, die keine Zeugen waren». Der türkische Rechtsmediziner Özkalipci und der Wiener Psychiater Wenzel haben ihre Expertisen aber auf Basis des auch von der Uno anerkannten «Istanbul-Protokolls» zur Folteruntersuchung durchgeführt. Das Ergebnis war, dass die Baskin während der Kontaktsperre gefoltert wurde.

Bern hätte auch bemerken können, dass Spanien bereits Folterer verurteilt hat, auch wenn sie meist schnell begnadigt werden, wie Enrique Rodríguez Galindo. Der ehemalige General der Guardia Civil wurde zu einer Haftstrafe von 75 Jahren verurteilt, weil er daran beteiligt war, zwei baskische Jugendliche zu Tode zu foltern. Und Bundesbern verschliesst auch die Augen davor, dass Spanien in den letzten Jahren in acht Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg verurteilt wurde, weil die Folter nicht untersucht wurde. Der Kampf für die Freilassung geht weiter!

Aktuelle Infos auf: www.freenekane.ch

Aus dem vorwärts vom 7. April 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Ohne Waffen keinen Krieg

Die Schweiz exportiere im Jahr 2016 Kriegsmaterial für rund 422 Millionen Franken. Die Waffen werden an Regimes, die Kriege führen und die ihre Bevölkerung unterdrücken, geliefert, solange sie nicht «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind». Jahrelange Kriege wie in Afghanistan, Syrien, dem Irak, im Jemen, im Sudan, in Somalia und anderswo wären nicht möglich, wenn nicht alle Seiten auf direkten oder verschlungenen Wegen von den Industriestaaten mit Rüstungsgütern versorgt würden, auch von der «neutralen» Schweiz.

Laut der offiziellen Statistik des Bundes exportierte die Schweiz von 1975 bis 2016 für 17,5 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem grossen Teil an kriegführende Staaten, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt. In den 17,5 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren auch in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Antipersonenminen und Clusterbomben beteiligt sind.

Strafrechtliche Verantwortung

Für Kriegsmateriallieferungen ist das Strafrecht nicht einfach ausser Kraft gesetzt. Es gibt keinen strafrechtlichen Freipass für FabrikantInnen und PolitikerInnen, die Rüstungsgüter liefern an Regimes, die Kriege führen und die ihre Bevölkerung unterdrücken. Unter Artikel 25 des Schweizerischen Strafgesetzbuches fallen nämlich Delikte wie Beihilfe zum Mord, zu vorsätzlicher Tötung, zu schwerer Köperverletzung und zu schwerer Sachbeschädigung. Gehilfe bei solchen Straftaten ist derjenige, welcher «zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzliche Hilfe leistet», wer also auch «vorsätzlich in untergeordneter Stellung die Vorsatztat eines andern fördert».

70 ExpertInnen in Völkerrecht und Strafrecht kritisierten schon vor acht Jahren die Nichteinhaltung der Kriegsmaterialverordnung, im Oktober 2009 in einem offenen Brief an den Bundesrat. Ihre Aussage: Das Exportverbot für Kriegsmaterial gilt für Länder, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind». Simon Plüss vom Seco erklärte daraufhin, der Bundesrat habe das Exportverbot immer dahingehend ausgelegt, dass es sich auf einen internen Konflikt im eigenen Land bezieht. Im Falle eines Bürgerkriegs in Saudi-Arabien oder in den USA gäbe es keine Rüstungsausfuhren in diese Länder mehr.

Deutschland beteiligt sich am Krieg

2016 wurde für rund 422 Millionen Franken Kriegsmaterial exportiert. Deutschland war dabei der grösste Abnehmer von Kriegsmaterial. Für 93,2 Millionen Franken bezog Deutschland aus der Schweiz, Bestandteile zu gepanzerten Radfahrzeugen, Munition (der Ruag), Komponenten zur Fliegerabwehr (von Rheinmetall) und Klein- und Leichtwaffen.

Nach den Terroranschlägen am 13. November 2015 in Paris, kündigte die deutsche Bundesregierung an, sich mit einem Bundeswehreinsatz in Syrien zu beteiligen. Am 4. Dezember 2015 beschloss auch der Deutsche Bundestag die Beteiligung Deutschlands am Kampf gegen den Daesh. Wie es hiess, ist zunächst vorgesehen die Bundeswehr mit bis zu 1200 SoldatInnen ausserhalb Syriens zur Unterstützung einzusetzen.

Die deutsche Tochter der bundeseigenen Ruag der Schweiz lieferte 2014 vier Millionen Schuss Munition den kurdischen Peschmerga-KämpferInnen im Irak, die noch heute in den Krieg verwickelt sind. Was meinte Bern zu diesem Geschäft? «Die Ausfuhr von in Deutschland produzierter Munition der Ruag in den Irak unterliege der Exportkontrolle der deutschen Behörden. Eine Zuständigkeit der Schweiz sei nicht gegeben», erklärt eine Sprecherin des zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern.

Initiative der Gsoa

Die Ruag gilt als grösste Munitionsherstellerin in Europa. 2013 erzielte die Munitionssparte Ruag Ammotec einen Umsatz von 354 Millionen Franken. Mit Gewehrkugeln, mit Munition für Kleinwaffen, kommen in Konflikten weltweit mehr Menschen um als bei Bombardierungen und Kämpfen mit schweren Waffen.

Eva Krattiger, Sekretärin der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), erinnerte an der Pressekonferenz in Bern an die Rolle des Finanzplatzes Schweiz: «Über die Schweiz fliessen jährlich mindestens 15 Milliarden Franken in die Rüstungsindustrie.» Die Gsoa wird deshalb zusammen mit anderen Organisationen im Frühling eine Volksinitiative lancieren, welche die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verbieten will.

Aus dem vorwärts vom 7. April 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Der Kampf um die Zukunft ist auch ein Kampf um die Geschichte

Die Geschichte des 8. März ist politisch. Vor 100 Jahren lösten die Arbeiterinnen Petrograds die Februarrevolution aus und erkämpften sich kurz danach das Stimmrecht. Der 8. März wird in diesem Jahr 100 Jahre alt, wie die zwei Revolutionen in Russland. Die Februarrevolution – sie müsste nach unserem Kalender Märzrevolution heissen – wurde am 8. März durch die demonstrierenden Arbeiterinnen Petrograds, der damaligen Hauptstadt Russlands, ausgelöst. Die Zweite Internationale Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau erhob deshalb 1921 diesen Tag zum internationalen Frauenkampftag, was bis heute so geblieben ist.

Das Vorhaben, ein gemeinsames Datum für einen internationalen Frauentag festzulegen, bestand seit 1910, als dies die beiden Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker auf der Zweiten Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen forderten, ohne dabei einem konkreten Datum den Vorzug zu geben. Zentral war Zetkin und Duncker die Stärkung der Frauenbewegung durch einen weltweiten und gleichzeitigen Kampftag. Die internationalen Verbindungen der Frauenorganisationen und der über die Grenzen hinausgehende gemeinsame Kampf könne so den Herrschenden am deutlichsten vor Augen geführt werden. Es zeigte sich in den folgenden Jahren, dass ein internationaler Kampftag ohne fixes Datum die Bewegung vor Probleme stellte. Dies nicht nur, weil es organisatorisch anspruchsvoller war, sondern auch, weil der historische Rückbezug auf vorausgegangene Kämpfe einem Bedürfnis entsprach. Die geschichtlichen Bezüge der Entscheidung, den internationalen Frauenkampftag auf den 8. März zu legen, sind nicht einheitlich. So führen viele das Datum auf die Streiks in den USA von 1908 zurück, als eingesperrte Textilarbeiterinnen in einer Fabrik verbrannten, andere auf Streiks im 19. Jahrhundert. In Frankreich ist auch der Bezug zur Pariser Commune beliebt und wieder andere beziehen sich auf den Gedenktag für die Gefallenen während der Deutschen Revolution von 1848. Die Aufzählung zeigt, wie wichtig die Begründung des Datums ist: Der Frauentag soll mit der politisch passenden Gründungsgeschichte behaftet werden. Der März eignet sich auch dafür, denn es fallen viele wichtige Frauenkämpfe auf diesen Monat. Damit wird versucht, politische Kontinuität herzustellen, insbesondere auch durch solche Kräfte, die von sich behaupten, keine «ritualisierten Kampftage» zu brauchen. Wir gehören nicht zu denen, die denken, dass es keine «ritualisierten Kampftage» braucht! Der 8. März ist für uns ein positiv besetzter Rückbezug auf die von Arbeiterinnen ausgelöste russische Revolution, die im Oktober zur ersten dauerhaften sozialistischen Machtübernahme führte.

8. März 1917 in Petrograd

Die Situation 1917 in Petrograd, mitten in den Wirren des ersten Weltkrieges, war katastrophal: Die jüngeren Männer waren gezwungen Dienst zu leisten – zurück blieben vor allem Frauen. Sie mussten nicht nur die eigene Existenz und jene ihrer Familien sichern, sondern ebenso die Produktion aufrechterhalten. Es ist nicht überraschend, dass sie es waren, die 1917 in den Streik traten und damit die Februarrevolution auslösten. Nur wird dieser Tatsache wenig Aufmerksamkeit und Wert beigemessen. Die Februarrevolution führte zwar zur Absetzung des Zaren, ansonsten änderte sich aber wenig, denn die frisch eingesetzte Provisorische Regierung hatte wenig Spielraum. Solange der Krieg tobte, war den erdrückenden wirtschaftlichen Missständen schwer beizukommen und der Zustand des riesigen Reichs war desolat. Was die Provisorische Regierung aber ohne Probleme hätte tun können, wäre die Einführung des Frauenstimmrechts gewesen – was sie aber unterliess. Im Vorschlag für die Prinzipien der zukünftigen Regierung wurde zwar die Beseitigung aller Ausschlüsse aufgrund von Klasse, Religion und Nationalität festgehalten, vergessen aber wurde die Beseitigung jeglicher Restriktionen in Bezug auf Frauen. Die russischen Frauen reagierten schnell darauf und legten nur eine Woche nach der Februarrevolution entschlossen der provisorischen Regierung eine Erklärung vor, in der eine sofortige Änderung des Programms gefordert wurde: «In den feierlichen Tagen der grossen Befreiung des Volkes (…) hat die russische Liga für die Gleichberechtigung der Frauen mit grossem Erstaunen im Programm der Provisorischen Regierung keine Erwähnung der Beseitigung des grossen Unrechts des alten Systems finden können, nämlich jenes der Unterdrückung einer ganzen Hälfte der russischen Bevölkerung – der russischen Frauen.» Diese Erklärung war von Anfang an auch ein Akt der Agitation und ging nicht nur an die Regierung, sondern wurde auf den Strassen, in Fabriken und übers Land verteilt. Die Aktivistinnen waren nicht bereit, zu Hause auf eine formelle Antwort zu warten, sondern organisierten sich.

Erkämpftes Stimmrecht

Nur zwei Wochen nach der Bitte um Richtigstellung des «Versehens» folgte die Demonstration am 19. März 1917, an der ca. 40 000 russische Frauen nicht mehr um das Stimmrecht baten, sondern dieses bedingungslos einforderten und auch erzwangen. Die Demonstration dauerte bis weit in die Nacht hinein. Als Rednerin und Repräsentantin war Vera Figner auserkoren worden. Sie war im bewaffneten Kampf des 19. Jahrhunderts berühmt geworden. Die Vorsitzende der Liga für die Gleichberechtigung der Frauen, Poliksena Shishkina-Iavein, verwies voller Stolz auf ihre Begleiterin: «Wir kamen hierher, um euch alle daran zu erinnern, dass Frauen loyale Genossinnen waren im gigantischen Kampf für die Freiheit des russischen Volkes, tapfer die Gefängnisse füllten, ins Exil gingen und die besten unter uns schauten furchtlos dem Tod in die Augen. Neben mir steht V.N. Figner, die ihr ganzes Leben lang für das gekämpft hat, was wir nun erreicht haben.» Figner und Shishkina-Iavein suchten sowohl den Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten als auch das Parlament auf, um eine sofortige Antwort zu verlangen. Schliesslich sicherten die Abgeordneten ihre Unterstützung zu. Allerdings sei es an der Provisorischen Regierung, dies zu verfügen, weshalb ein weiterer Gang zu Fürst Lwow, dem Ministerpräsidenten notwendig sei. Der erklärte dann lapidar «(…) dass die Provisorische Regierung den Begriff universell in dem Sinne verstehe, dass er die Ausdehnung des Stimmrechts auf Frauen beinhalte.» Damit hatten die russischen Frauen die grundsätzliche Forderung nach der Teilhabe am politischen Leben erkämpft. Diese Forderung löste die Selbstverständlichkeit männlicher Bestimmung über die Frau nicht auf, aber stellte diese in Frage. Und dies war ein erster notwendiger Teil der Befreiung der Frauen.

Die Zitate sind einem Erlebnisbericht von Olga Zakuta entnommen und in Aspasia, Vol. 6, 2012, S. 117-124 veröffentlicht.

 

Aus dem vorwärts vom 3. März 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

Resist Trump! – Im Land der Daten und Apps

San Francisco, die Stadt der Querdenkerinnen, LGBTQs (LesbianGayBiTransQueers) und Immigrantinnen aus aller Welt, hasst Trump aus vollem Herzen und auf der ganzen Linie. Doch es gibt auch lokale Akteure, die in der gegenwärtigen politischen Lage eine ambivalente Rolle spielen – und das in vieler Hinsicht.

Am «Women’s March» am Tag nach Trumps Amtsantritt beginnt die Demo bereits im Wohnquartier – so gross ist der Andrang bei den U-Bahn-Stationen und die Begeisterung über den vereinten Widerstand. Auch der Flughafen wird nach Inkrafttreten von Trumps Einreisesperre für Flüchtlinge und Menschen aus sieben überwiegend muslimischen Ländern mit grosser Ausdauer und von bunten Massen blockiert, und am «Day without an Immigrant» bleiben ganze Strassenzüge geschlossen, ein Geschäft ums andere vergittert, alle Restaurants zu. Die Botschaft ist klar: Ohne Immigrant*innen (und Frauen!) läuft hier gar nichts, und San Francisco ist entschlossen, dem Trumpschen Angriff an allen Fronten die Stirn zu bieten. Auch wenn die Stadt, die sich bereits in den 1980er Jahren zu einer «Sanctuary City» erklärte, also zu einem Zufluchtsort für Flüchtlinge und Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung, damit riskiert, dass ihr von der Regierung Trump der Geldhahn zugedreht wird – denn wer nicht kuscht, der wird gefeuert oder finanziell abgestraft (denn der Präsident hat immer zu 100 Prozent recht).

Neoliberales Laboratorium

Städte wie San Francisco, mit ihrer kosmopolitischen Atmosphäre, ihrem klaren Bekenntnis zu LGBTQ- und reproduktiven Rechten, ihren städtischen Identitätskarten, die auch papierlosen Immigrant*innen offenstehen, und ihren relativ gut ausgebauten Sozialleistungen, sind in Zeiten wie diesen wichtiger denn je. Dennoch erscheint es mir angebracht, die Rolle der San Francisco Bay Area auch kritisch zu beleuchten, den Rissen und Brüchen nachzuspüren, und einen Blick hinter die progressive Fassade zu werfen. Schliesslich befinden wir uns hier in einem regelrechten Laboratorium für neoliberale Rezepte aus der Küche von Uber, Airbnb, Twitter, Facebook und zahlreichen weiteren lokal ansässigen Technologieunternehmen, die den Alltag von Millionen von Nutzerinnen (und Nichtnutzern) auf der ganzen Welt prägen, mit oft verheerenden sozialen Auswirkungen, wie zahlreiche Kämpfe rund um prekäre Arbeitsbedingungen, Privatisierungen und Gentrifizierung belegen. Es sind nicht zuletzt gerade auch solche Kräfte – und die von ihnen und ihren politischen Verbündeten, notabene im Lager der Demokrat*innen, losgetretene Neoliberalisierungswelle – die Rechtspopulist*innen wie Trump in vielen Teilen des Landes Auftrieb verschafft haben. Die Proteste müssen sich daher nicht nur gegen den von aussen kommenden Angriff richten, sondern auch die Rolle von lokalen Akteur*innen in der Konstruktion dieser Kräfte genauestens unter die Lupe nehmen.

Neutrale Technologie?

Dass gerade Technologieunternehmen bei Diskursen rund um den Aufbau einer Muslim-Datenbank oder Rufen nach einem Ausbau des Polizeistaates eine wichtige Rolle zukommt, versteht sich eigentlich von selbst. So trugen zum Beispiel die von IBM angefertigten Lochkarten massgeblich zur reibungslosen Organisation des Holocaust bei. Mit dem Argument, sie habe doch nur «neutrale» Technologien bereitgestellt, deren Endzweck nicht in ihrer Verantwortung liege, lehnt die Firma eine Aufarbeitung der Geschichte bis heute ab. Stattdessen hat sie Trump in einem persönlichen Brief umgehend zur Wahl gratuliert und ihm die Dienste der Firma ans Herzen gelegt. Und IBM ist keine Ausnahme. Als der frischgewählte Präsident in seinen Trump Tower lud, musste er Spitzenmanager*innen von Facebook, Google, Apple & Co. nicht lange bitten. Denn trotz der linksliberalen Rhetorik und Rufen nach einem «Calexit», einer Abspaltung Kaliforniens vom Trumpschen Restland, verhalten sich die meisten Tech-Firmen wie ein Blatt im Wind. Schliesslich ist das Generieren und Auswerten von Daten nicht nur ihre Spezialität, sondern ihr eigentliches Business. Daher sind auch die halbherzigen Beteuerungen vieler Firmen, sich nun doch nicht an solchen Projekten beteiligen zu wollen, und ihre Kritik an Trumps Einreisesperre, die auch hochspezialisierte Mitarbeitende von Tech-Firmen betrifft, mit Vorsicht zu geniessen. Denn in vielen Fällen sind die nötigen Daten bereits vorhanden – unter anderem weil wir sie alle als User*innen generieren helfen. Die Frage ist daher mehr, wer in welcher Form und zu welchem Zweck Zugriff hat, oder sich Zugriff verschaffen kann.

Normalisierung rassistischer Praktiken

Das Sammeln von Daten über Muslim*innen ist in den USA zum Beispiel seit dem 11. September 2001 schon so weit normalisiert worden, dass der Schritt zu einem offiziellen Register gar nicht mehr so gross erscheint. Der Aufschrei ob solcher Pläne, so dringend nötig er auch ist, kommt damit in vieler Hinsicht vielleicht bereits zu spät, nämlich erst nachdem die ausgeklüngelten Systeme zur Überwachung und Ausschaffung breiter Bevölkerungsgruppen bereits fest verankert sind. «Man sagt so einfach ‹nie wieder› – und verkennt dabei gerne, was sich gerade anbahnt, oder wie weit die Normalisierung von rassistischen Praktiken fortgeschritten ist, gerade auch wenn sie bereits unter Obama etabliert wurden – und wir uns eben nicht früh genug dagegen zur Wehr setzen», meint Karyn, eine Aktivistin des Anti-Eviction Mapping Projects, deren beide Grossmütter von rassistisch motivierten Regierungsmassnahmen betroffen waren. Während ihre Grossmutter auf mütterlicher Seite als Immigrantin aus China während Monaten auf Angel Island interniert war – zusammen mit ihren amerikanischen Kindern –, wurde die Mutter ihres Vaters als Amerikanerin mit japanischen Wurzeln während des Zweiten Weltkriegs für mehrere Jahre in ein Internierungslager in Arkansas verfrachtet. Sie war gerade einmal dreizehn Jahre alt. «Natürlich wird es nie genau gleich aussehen, aber wir müssen solche Mechanismen erkennen lernen und uns kritisch damit auseinandersetzen – anstatt uns in eine Erinnerungspolitik zu flüchten, welche die Erfahrung anderer Gruppen und die Gefahr gegenwärtiger rassistischer Strömungen negiert», betont Karyn.

Es rumort in der Tech-Branche

Dass viele Tech-Firmen nun zu einer verhaltenen Kritik an der Politik des Weissen Hauses übergegangen sind, ist wohl vor allem opportunistischem Eigennutzen und Argumenten der «Wirtschaftlichkeit», wie wir sie auch aus der Schweiz gut kennen, geschuldet. Aber auch Proteste und Mobilisierungen haben dazu beigetragen, so zum Beispiel die Blockade des lokalen Uber-Headquarters am «Bleak Friday» oder die Kampagne «DeleteUber», die zum Rückzug von Uber-CEO Travis Kalanick aus Trumps Beratergremium führte. Und auch bei der eigenen Belegschaft rumort es. Ende Januar haben mehr als 2000 Google-Mitarbeitende ihre Arbeit für eine Protestkundgebung niedergelegt und auch anderorts bildet sich Widerstand gegen die Haltung der eigenen Firma. Inwieweit eine solche Kritik jedoch auch die Situation von weniger privilegierten Immigrant*innen und subtiler operierende Mechanismen berücksichtigt, bleibt dahingestellt. Eine kürzlich stattfindende Kundgebung von Tech-Angestellten liess aber zumindest aufhorchen. Die Protestveranstaltung in Downtown San Francisco vereinigte nämlich nicht nur Software-Ingenieur*innen und Programmierer*innen verschiedener Unternehmen, sondern auch die Gewerkschaften des Reinigungs- und Sicherheitspersonals sowie der Beschäftigten der firmeneigenen Cafeterien. In Anlehnung an die Praktiken von Universitäten und Gemeinden wurden «Sancturary Campuses» für Tech-Firmen gefordert, um papierlose Angestellte besser zu schützen, die entgegen der öffentlichen Wahrnehmung auch in der Tech-Branche eine tragende Rolle spielen. Es sind am Ende eben nicht die «Innovators», die Silicon Valley am Laufen halten, sondern Immigrant*innen aus Lateinamerika, die zu Hungerlöhnen und oft unter gesundheitsschädigenden Umständen arbeiten – und gerne unsichtbar gemacht werden.

Und wer putzt das Büro?

Ofelias Mutter, die seit mehr als 20 Jahren in Nachtarbeit die Grossraumbüros von Silicon Valley Firmen putzt und im Gegensatz zu ihrer in den USA geborenen Tochter nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, ist eine von ihnen. Die Familie lebt in East Palo Alto, das von einer Autobahn von Palo Alto mit seiner prestigeträchtigen Stanford University und anderen reichen und mehrheitlich von Weissen bewohnten Gebieten des Silicon Valley abgeschnitten ist. Im Gegensatz zu San Francisco, das mehrere Millionen dringend benötigter Bundesgelder zu verlieren droht, weiss man in East Palo Alto, das man von der Bundesebene nichts zu erwarten hat. Aufgrund der hohen Mordrate galt der Ort lange Zeit als gefährlichste Stadt der USA. Ofelia und ihre Familie sehen das aber anders. In East Palo Alto, einer Immigrant*innen-Gemeinschaft sondergleichen, wo es nicht auffällt und niemanden kratzt, ob man nun über die richtigen Papiere verfügt oder nicht, fühlen sie sich sicher. Dass besserbezahlte Angestellte von Facebook & Co. neuerdings auch nach East Palo Alto ziehen und sich die durch den Tech-Boom ausgelöste Hypergentrifizierung nun auch noch die letzten bezahlbaren Regionen der Bay Area einverleiben, stellt für papierlose Immigrant*innen wie Ofelias Mutter auf mehreren Ebenen eine Bedrohung dar. Denn wer seine Wohnung verliert, muss zukünftig nicht nur unmenschlich lange Arbeitswege auf sich nehmen, sondern riskiert auch, lebenswichtige Netzwerke und den relativen Schutz von Sanctuary Cities wie San Francisco, Berkeley oder East Palo Alto zu verlieren. Wenn es Firmen wie Google und Apple um mehr als reine Lippenbekenntnisse ginge, müssten sie endlich auch für ihre Rolle in der katastrophalen Wohnungsnot und der Verdrängung und Marginalisierung ganzer Gemeinschaften Verantwortung übernehmen. Dies anstatt ständig weitere Steuerdeals auszuhandeln und mit ihren firmeneigenen Shuttle-Bussen und den von ihnen hergestellten Apps die Privatisierung des Service public ihrer Gaststädte und anderer gewerkschaftlich organisierten Sektoren wie dem Taxi- oder Hotelbereich voranzutreiben. Aber das ist schliesslich – genauso wie die Datengenerierung – ihr eigentliches Kerngeschäft.

Aus dem vorwärts vom 3. März 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

1 42 43 44 45 46 67