Baumeister drohen, Arbeiter streiken


Der Kampf der Bauarbeiter um einen besseren Landesmantelvertrag (LMV) spitzt sich zu. Nach dem Protesttag der Arbeiter am 25. November, organisiert von Unia und Syna, schloss der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) gestern, am 1. Dezember die Unia von allen weiteren Verhandlungen aus. Die Antwort erhielten die Baumeister heute im Tessin: 2 000 Arbeiter streikten und gingen auf die Strasse.

Sie handeln nach einem altbekannten Motto: Teile und herrsche. Gestern, am 1. Dezember verkündete der SBV, man werde in Zukunft nicht mehr mit der Unia verhandeln. Der SBV begründet diesen Schritt mit den «rechtswidrigen Handlungen von Unia-Leuten» und der Verletzung der Friedenspflicht durch die Protestaktionen am 25. November. Es ist die alte Litanei der Baumeister im Besonderen und Arbeitgeber im Allgemeinen: Agiert die Gewerkschaft militant und organisiert sie einen Streik, so überhäuft man sie mit Klagen und ruft die Friedenspflicht – die immer nur der einen Seite nutzt –in Erinnerung. In diesem speziellen Fall verfolgt der SBV allerdings ein konkretes Ziel: Die Gewerkschaften Unia und Syna gegeneinander auszuspielen.

Bislang organisierten Unia und Syna den Kampf der Arbeiterschaft gegen den SBV und für einen besseren LMV gemeinsam. In dem Ausschluss der Unia von den Verhandlungen sehen die Baumeister nun die Möglichkeit, die Bewegung zu spalten und zu schwächen. Man bietet der Syna die verführerische Chance, die Arbeiterschaft allein zu vertreten – im Wissen darum, dass sie die schwächere (sowohl zahlenmässig wie auch vom Gesichtspunkt ihres Kampfeswillen her) der beiden Gewerkschaften ist. Offenbar erhoffen sich die Baumeister so, einen für sie günstigeren Ausgang in den Verhandlungen um den LMV zu erreichen.

Der Kampf um den LMV im Detail

Und die Baumeister haben viel zu verlieren, nämlich Teile ihrer Profite. Der LMV, der nun neu ausgehandelt werden muss, betrifft bekanntlich das gesamte Bauhauptgewerbe – er regelt die Arbeitsbedingungen von etwa 100 000 Arbeitern. Entsprechend ist das Interesse der Baumeister gross, die festgelegten Bedingungen im LMV möglichst zu drücken. So wollen die Baumeister unter anderem die Möglichkeit, die vereinbarten Mindestlöhne unterschreiten zu können und den Kündigungsschutz zu lockern. Und nach zwei Jahren ohne Lohnerhöhung bieten die Baumeister nur magere 1,5 Prozent mehr Lohn für 2012 an. Zu wenig für die Gewerkschaften, die mindestens 1,8 Prozent mehr Lohn gefordert hatten.

Auch die anderen Forderungen von Unia und Syna, die nach einer Umfrage unter den Arbeitern aufgestellt  wurden, missachteten die Baumeister einfach. So wollen die Gewerkschaften vor allem mehr Schutz für die Arbeiter bei Schlechtwetterbedingungen. Der SBV will das nicht – und sagt damit deutlicher als mit Tausend Worten, wie viel ihm die Gesundheit «seiner» Arbeiterschaft wert ist. Auch die andere grosse Forderung, die Solidarhaft, wird abgelehnt. Die Solidarhaft würde die Baumeister für alles verantwortlich machen, was auf ihrer Baustelle geschieht – also auch für die Unterscheitungen der Mindestlöhne durch Subfirmen, an die man den Bauauftrag ausgelagert hat. Verständlich, dass die Baumeister hier dicht machen: Die Solidarhaft würde dem Lohndumping auf dem Bau einen Riegel vorschieben.

Und so ist es von einer bezeichnenden Offenherzigkeit, wenn der SBV nun im gleichen Atemzug, in dem er die Unia von allen Verhandlungen ausschliesst, die Fortführung des alten LMV «ohne Vorbedingungen» bis zum Abschluss eines neuen Vertrags fordert. Das wäre allerdings ganz im Sinne der Baumeister. Im Angesicht der Tatsachen (volle Auftragsbücher, im letzten Jahr mehr als 3 Prozent erhöhter Umsatz und stetiges Branchenwachstum) ist es für den SBV schwierig, seine Kürzungsforderungen durchzubringen. Da wäre er mit dem Beibehalten des alten Vertrages – es stünde zu befürchten, dass die Verhandlungen um einen neuen Vertrag fast beliebig gestreckt würden – gut bedient. Es gibt also viel Taktik und wenig «Solidarpartnerschaft» auf Seiten der Baumeister.

Streik im Tessin 

Aufforderungen zu neuen Verhandlungen haben die Baumeister bereits zurückgewiesen. Zwei Gesprächsangebote von Unia und Syna wurden abgelehnt. Da der LMV im Januar abläuft und die Bedingungen des SBV erpresserisch sind, droht also der vertragslose Zustand – und damit der offene Arbeitskampf der Bauarbeiter. Im Tessin konnte man von der Arbeiterschaft, die den Kampf ausfechten müsste, bereits einen Eindruck erhalten. Am heutigen Tag, entsprechend dem Protesttag am Freitag vor einer Woche, legten mehr als 2 000 Bauarbeiter im Tessin ihre Arbeit nieder und demonstrierten lautstark und kämpferisch für ihre Rechte. Und gegen die Baumeister. Der vorwärts war anwesend und begleitete solidarisch das Heer der Arbeiter.

In Bellinzona sammelte sich so die Wut der Arbeiter. Für etwa zwei Stunden gehörten die Strassen denen, die sie tatsächlich auch bauen. Ein rot-orangenes Fahnenmeer aus Unia- und Syna-Flaggen (im Tessin: «Organizzazione Cristiano-Sociale Ticinese») tauchten Bellinzona auch bei grau-trübem Wetter in Farbe. Die Stimmen von Tausenden Arbeitern waren weithin unüberhörbar.

Allerdings wurden die bedeutendsten Worte des heutigen Tages nicht direkt von Arbeitern, sondern von einem Syna-Funktionär gesprochen. Dieser wies den Angriff der Baumeister zurück und betonte die Einheit der beiden Gewerkschaften im Kampf um den LMV. Man werde nur gemeinsam verhandeln und werde gemeinsam kämpfen. Das ist eine Absage an den Spaltungsversuch des SBV und als solche sehr zu begrüssen. In diesem Fall ist die Haltung der Syna im Arbeitskampf also eine solidarische – noch kann man sagen: Sie hat der Verführung widerstanden.

Was darüber hinaus überraschte, war eine Aussage, die man von der Syna so nicht gewohnt ist. Würden die Baumeister nicht endlich die Forderungen der Arbeiter erfüllen und liessen sie es auf den vertragslosen Zustand ankommen, so werde man zum Generalstreik aufrufen. Das sind sehr neue Töne, die man ausserhalb des Tessins kaum gewohnt ist. Sie deuten darauf hin, dass sich der Arbeitskampf zuspitzt und dass die Gewerkschaften, eben auch die Syna, gewillt sind, ihn endlich kämpferisch zu führen. Es bleibt abzuwarten, ob die Syna Wort hält. Daran ist ihr Wert als Gewerkschaft zu messen.

 

Bananenrepublik CH?

Berechtigte Befürchtungen auf einen Wahlbetrug sind somit vorhanden. Diese lassen mehr als nur vermuten, dass in Lugano, die Hochburg der ‹Lega die Ticinesi›, die Resultate retuschiert wurden, damit der Präsident der FDP/Liberalen, Fulvio Pelli, wieder gewählt wird.» Ein happiger Vorwurf, der vom «Partito Comunista Ticinese» (PCT), der Tessiner Sektion der PdAS, erhoben wird. Die Gründe sind laut den GenossInnen die «Modalitäten, mit denen die Stadt Lugano zu den definitiven Resultaten kam». Diese wurden erst spät in der Nacht bekannt gegeben und wurden dabei «erst noch auf eine waghalsige Art und Weise abgeändert», schreibt der PCT und fügt hinzu: «Als der zweite FDP-Sitz dann doch noch wegen einer Hand voll Stimmen an Fulvio Pelli ging, begann der Verdacht aufzukommen, warum die Bekanntgabe der Resultate sich so ungewöhnlich lang hingezogen hat.»

Nachzählen bitte

Aber warum musste Pelli unbedingt wieder für den Kanton Tessin in den Nationalrat? Um der FDP und ihm persönlich, er ist immerhin der nationale Präsident seiner Partei, eine Schlappe zu ersparen? Weniger – viel mehr hat Giuliano Bignasca, selbsternannter Präsident der «Lega dei Ticinesi» auf Lebzeiten, ein Interesse daran. In der Medienmitteilung des PCT ist zu lesen: «Bignasca persönlich bestätigte, dass er Kredite in Millionenhöhe von der Tessiner Kantonalbank erhalten hat. Präsident der Kantonalbank ist Fulvio Pelli. Eine Nichtwahl von Pelli hätte wohl noch mehr Schatten auf die eh schon undurchsichtige Führung der Kantonalbank geworfen.» Alles nur Polemik?

In einem Interview mit der Onlinezeitung «ticinolibero.ch» wehrt sich der junge PCT-Genosse Mattia Tagliaferri gegen den Vorwurf der Polemik und stellt die Position der Partei klar: «Wir haben nicht behauptet, dass es zu einem Wahlbetrug kam. Wir haben jedoch berechtigte Zweifel, dass alles mit rechten Dingen zu und her gegangen ist und daher nicht einfach so ins Leere geschossen.» Er unterstreicht die «komische und unübliche Art», wie es zu den definitiven Resultaten kam. Tagliaferri: «Da unsere Zweifel nicht unbegründet sind und von einer politischen Relevanz, haben wir verlangt, dass die Stimmen nochmals gezählt werden.»

Nicht nur in Lugano kam es zu fraglichen Vorfälle: Im Vorfeld der Wahl hatten die grossen Parteien rund 10 000 Wahlzetteln gekauft. «Originale und nicht etwa ähnliche Mustervorlagen (Faksimile), wie es bei den Kantonsratswahlen üblich ist», unterstreicht Tagliaferri. Die Wahlzettel wurden als Werbemittel im Wahlkampf verwendet. Nicht ganz zu Unrecht weist die Partei darauf hin, dass so ein Kauf von Wahlunterlagen nicht zwingend zu einem Wahlbetrug führen muss, doch «ihn erleichtern kann». Kommt hinzu, dass in verschiedenen Gemeinden der offizielle Stempel der Behörde fehlte. Ein Lapsus, der nicht gerade das Vertrauen in einen korrekten Ablauf der Wahlen fördert.

Die Wahl durch Los

Äusserst unüblich war auch die Zuteilung des Sitzes der CVP. Hier gab es laut den offiziellen Resultaten ein Gleichstand der Stimmen bei zwei Kandidaten, so dass das Los(!) entscheiden musste, wer nach Bern in den Nationalrat durfte. Die Staatskanzlei verkündete am Wahlsonntag, dass die Wahl per Los öffentlich im Verlauf der Woche stattfinden würde. Dies obwohl die Wahl per Los bereits durchgeführt worden war. Auch Ticinolibero.ch hält klar fest: «Die Bevölkerung wurde schlicht angelogen! Dies der Vorwurf, der von mehreren Seiten gemacht wird.» Die Gründe, die zu dieser Fehlinformation, sprich Lüge, führten, sind weiterhin unklar und die Staatskanzlei schweigt beharrlich dazu. Klare Worte zu diesem Vorfall hat auch Tagliaferri: «Das ist sehr schlimmer. Ich bin der Meinung, dass sich der Verantwortliche Gianpiero Gianella einen neuen Job suchen muss!»

Und schliesslich kam es in Biasca zu einem ganz komischen und schwer erklärbaren Vorfall: Am Samstagabend lagen 53 Wahlumschläge in der Wahlurne, obwohl nur 50 Wahlberichtige ihre Stimme abgegeben hatten. Tagliaferri bringt die ganzen Vorfällen mit einer Frage auf den Punkt: «Die Summe dieser Vorfälle lassen doch berechtigte Zweifel aufkommen, oder etwa nicht?» und er fügt hinzu: «Das wirklich Tragische ist, dass wir uns als Bananenrepublik dargestellt haben, welche die Überwachung von UNO-WahlbeobachterInnen benötigt!» Alles nur Polemik im Musterland der Demokratie?