Und die Linke??
Am 31. Januar läuft die Vernehmlassungsfrist zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) ab. Bereits heute kann jedoch Folgendes festgehalten werden: Sämtliche bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände begrüssen die Stossrichtung der USR III. Sie lehnen jedoch die Einführung der Kapitalgewinnsteuer kategorisch ab und weisen darauf hin, dass diese im Jahr 2001 vom Volk mit über 65 Prozent Nein-Stimmen bereits abgelehnt wurde. Und die SP? Laut NZZ vom 16. Juli 2014 erklärte die Nationalrätin Margret Kiener Nellen die Kapitalgewinnsteuer zur «conditio sine qua non», damit die SP der USR III zustimmt. Wie die SozialdemokratInnen ein allfälliges Ja zur USR III alleine wegen der Kapitalgewinnsteuer erklären werden, ist wahrlich ihr Problem. Die PdA lehnt die Reform ohne Wenn und Aber ab und wird ein allfälliges Referendum tatkräftig unterstützen. Ein Referendum, zu dem es wohl kommen wird, denn die Vorlage wird im Parlament mit oder ohne SP-Stimmen eine Mehrheit finden. Dafür werden der Druck und die Drohungen der Wirtschafslobby schon sorgen und man muss kein Wahrsager mit magischer Kristallkugel sein, um vorauszusehen, dass die Kapitalgewinnsteuer aus der Vorlage gekippt werden wird.
Die USR III als Chance für die radikale Linke??
Die Argumente der Bürgerlichen und der Wirtschaft sind heute schon bekannt: Ohne USR III sind vier Milliarden Franken Steuereinnahmen in Gefahr, denn die betroffenen Unternehmen würden ins Ausland ziehen. Dies vernichtet 150’000 Arbeitsplätze. Dazu noch der Schaden für die KMUs, die als Zulieferbetriebe von den Grossunternehmen abhängig sind. Nochmals Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr und so weiter und so fort. Die parlamentarische Linke wird wie üblich die «Moralkeule» schwingen und Argumente wie die «Ungerechtigkeit», die «verantwortungslosen AbzockerInnen» und die «raffgierigen ManagerInnen» ins Spiel bringen. Alles gut und recht, aber es wird nicht reichen. Die USR III muss in einen gesellschaftspolitischen Kontext gestellt werden. Es muss aufgezeigt werden, dass mit der USR III der neoliberale Umbau der Gesellschaft vorangetrieben wird und diese Reform daher nicht losgelöst von anderen Prozessen, wie etwa dem Engagement der Eidgenossenschaft beim Freihandelsabkommen TiSA, betrachtet werden kann. Ein gesellschaftspolitischer Umbau findet statt, der für immer mehr Menschen massive Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen bedeutet. Die Streiks des Personals des öffentlichen Verkehrs in Genf, der Steinmetze im Tessin oder des Pflegepersonals in Neuenburg zeugen davon und beweisen gleichzeitig, dass Widerstand möglich ist. Diese Zusammenhänge aufzuzeigen und den Widerstand von unten zu fördern ist für die radikale Linke Pflicht im Kampf gegen diese neue «Steuergeschenke-Reform»! Weiter muss ganz konkret die Frage der Demokratie gestellt werden. Denn die URS III ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir in einer Diktatur der Wirtschaft leben, deren Entscheide formell im Parlament abgesegnet werden. Auf den Punkt gebracht: Die USR III kann für die radikale Linke eine Chance sein, wenn sie in der Diskussion aufzeigt, dass die USR III eine Normalität innerhalb des kapitalistischen Rahmens ist. Die Alternative zu dieser Normalität heisst Sozialismus. Die Diskussion über diese Alternative, sprich über die Überwindung des Kapitalismus, muss Bestandteil des Kampfs gegen die URS III sein.
Das Volk wurde bewusst angelogen
Ein wesentliches und entscheidendes Argument gegen die USR III hat pikanterweise der Bundesrat selber bereits geliefert und zwar mit der letzten Reform der Unternehmenssteuer, der USR II. Ein kurzer Blick zurück ist daher zwingend. Am 24. Februar 2008 scheiterte das Referendum gegen die USR II mit 49,5 Prozent Nein-Stimmen denkbar knapp. 20’000 Stimmen gaben den Ausschlag. Im Abstimmungsbüchlein des Bundesrates zu dieser Volksabstimmung wurden Steuerausfälle von höchstens 933 Millionen beziffert. Drei Jahre später, am 14. März 2011, musste der Bundesrat auf Druck des Parlaments jedoch zugeben, dass Bund, Kantone und Gemeinden wegen der USR II mit Steuerausfällen von über 7 Milliarden Franken in den nächsten 10 Jahren rechnen müssen. Steuerausfälle, die «tendenziell ansteigen und nicht zurückgehen» werden, wie Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Juni 2011 dem Ständerat erklärte (Amtliches Bulletin vom 9. Juni 2011). Der Bundesrat hatte das Volk vor der Abstimmung schlicht verarscht! Das sieht auch das Bundesgericht so. Es musste sich damit befassen, da SP-Nationalrat Daniel Jositsch eine Beschwerde einreichte. Er forderte eine Wiederholung der Volksabstimmung, blitzte damit jedoch ab. Dies obwohl die höchsten RichterInnen im Lande dem Bundesrat vorwarfen, die «Stimmbürger hinters Licht geführt» zu haben. Ganz im Sinne der bürgerlichen Klassenjustiz wertete das Bundesgericht die Interessen der Unternehmen höher als die der StimmbürgerInnen. Dazu Jositsch, der nicht gerade als Staatsfeind bekannt ist, in einem Interview im «Beobachter» vom 21. Dezember 2011: «Das ist ein Hohn gegenüber dem Rechtsstaat. Das Bundesgericht hat es verpasst, den BürgerInnen zu zeigen, dass sie ihren Institutionen vertrauen können.» Nun, wer garantiert den BürgerInnen, dass sich der Bundesrat bei der USR III nicht wieder bewusst «verschätzt»?
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