SVP weggefegt!
Die SVP ist mit ihrem Versuch, AusländerInnen wegen Bagatelldelikten des Landes zu verweisen, gescheitert. Am 28. Februar haben die Stimmbeteiligten die sogenannte «Durchsetzungsinitiative» bachab geschickt. Ein Erfolg, wenngleich ein halber: Denn nun tritt die Umsetzung der «Ausschaffungsinitiative» in Kraft.
Noch bis zum Abstimmungssontag am 28. Februar hatte es danach ausgesehen, als könnte die SVP ihren nächsten ausländerfeindlichen Coup landen. Mit der sogenannten «Durchsetzungsinitiative» hatte sie angestrebt, dass kriminelle «AusländerInnen» künftig automatisch, selbst bei Bagatelldelikten und unabhängig der Höhe des Strafmasses, ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz verlieren. Doch dann kam alles anders: Mit 58,9 Prozent sagten die Stimmbeteiligten dezidiert «Nein» und verhinderten damit, dass tausende Menschen, die in der Schweiz leben aber nicht über den roten Pass verfügen, der permanenten Gefahr eines dauerhaften Landesverweises ausgesetzt sind. Es war das erste Mal, nach der Annahme der «Anti-Minarettinitiative» (2007), der «Ausschaffungsinitiative» (2010) und der «Masseneinwanderungsinitiative» (2014), dass eine ausländerfeindliche Vorlage der «Volkspartei» an der Urne zu Grabe getragen wurde.
Widerstand von links bis rechts
Darauf mussten die RechtspopulistInnen, die sich am Abstimmungssonntag im urschweizerischen Einsiedeln versammelt hatten, erst einmal einen Kräuterschnaps trinken. Warum man gescheitert war, dafür hatte Nathalie Rickli am Nachmittag dann auch schon eine schlüssige Erklärung parat: Man sei verunglimpft worden, meinte die Nationalrätin und scheute sich nicht, ihren GegnerInnen «Emotionalität und Hetze» vorzuwerfen. Über die eigene Hetze, die man einmal mehr mittels einer 4,1 Millionen-Auflage des «SVP Extrablatt» ungefragt an die Haushalte in der ganzen Schweiz verteilt hatte, wurde derweil kein Wort verloren.
Aber tatsächlich blies der SVP kaum je ein solch heftiger Wind entgegen, wie in den vergangenen Wochen. Überall im Land hatten sich linke sowie «zivilgesellschaftliche» und bürgerliche Komitees gebildet, um gegen die «Durchsetzungsinitiative» mobil zu machen. Einig war man sich vor allem in einem Punkt: Dass das Vorhaben der «Volkspartei» mit Rechtsstaatlichkeit herzlich wenig am Hut hatte. So hätte die Vorlage etwa die Gewaltenteilung aufgehoben; das Parlament wäre aufgrund des restriktiven Initiativtextes der «Durchsetzungsinitiative» bei deren Umsetzung faktisch ausgeschaltet worden. Weiter wäre die Justiz aufgrund des verfassungsmässig verankerten «Ausschaffungsautomatismus» nicht mehr befugt gewesen, aufgrund der persönlichen Situation des Verurteilten, von einer Abschiebung abzusehen, was eine Einschränkung der Verhältnismässigkeit und die Verletzung der Menschenrechtskonvention bedeutet hätte.
So war das Votum gegen die «Durchsetzungsinitiative» wohl leider grösstenteils weniger eines gegen die Fremdenfeindlichkeit, sondern eines für den «Rechtsstaat». Darauf hatten insbesondere die bürgerlichen Mitteparteien gespielt, die zwar mit Ausschaffungen von AusländerInnen mitunter kein Problem haben, aber nicht dazu bereit sind, die rechtsstaatlichen Grundsätze dafür so radikal zu opfern, wie es die SVP im Sinne hatte.
Die «neuen Liberalen»
Im Mittelpunkt des vergangenen Abstimmungskampfes stand allerdings nicht die bürgerliche Mitte, sondern mit «Operation Libero», eine neue liberale Gruppierung, die sich aus jungen AkademikerInnen – der Elite von morgen – rekrutiert und unter dem Motto «Wir verknüpfen gesellschaftsliberale und wirtschaftsliberale Werte» zum gefeierten Shootingstar wurde. Diese Organisation der «Zivilgesellschaft» stand an der Spitze des «NGO-Komitees gegen die Durchsetzungsinitiative», dem 56 Nichtregierungsorganisationen, darunter Amnesty International und Humanrights, angehörten. Der Tages-Anzeiger schrieb die Newcomer kurzerhand zum «Albtraum der SVP» hoch.
Vielleicht nicht ganz zu unrecht. Es dürfte durchaus stimmen, dass die neuen Liberalen sowie die traditionellen bürgerlichen Parteien bei der Abstimmung über die «Durchsetzungsinitiative» das Zünglein an der Waage waren. Den Sieg hätten die Linken allein nicht erringen können.
Jetzt kommt es «pfefferscharf»
Und es ist auch nur ein halber Sieg geworden. Denn trotz des Votums gegen das SVP-Vorhaben tritt nun, aufgrund der «Ausschaffungsinitiative» von 2010, eine härtere Gesetzgebung gegen Straffällige ohne Schweizer Pass in Kraft. Obschon die SVP stets monierte, dass das Parlament sich weigern würde, den «Volkswillen» zu befolgen, haben National- und Ständerat nun teilweise gar eine härtere Umsetzung beschlossen, als dass sie es hätten tun müssen. So wurde beispielsweise der Deliktkatalog, der künftig für Landesverweise gelten soll, ausgeweitet. Darin enthalten sind nun beispielsweise auch Hausfriedensbruch und «Störung des öffentlichen Verkehrs». Weiter steht es dem Gericht frei, einen Landesverweis auch bei leichteren Straftaten anzuordnen. Gleichzeitig können die RichterInnen jedoch im Härtefall auch von einer Ausschaffung absehen. Zu large soll diese Klausel aber nicht angewendet werden, wie es etwa FDP-Präsident Philipp Müller am Abstimmungssonntag nicht müde wurde, zu betonen. Man habe ein «pfefferscharfes Gesetz».
So kommt sie nun also doch, die «Zweiklassenjustiz», von der die GegnerInnen der «Durchsetzungsinitiative», mitunter auch die Bürgerlichen, in den vergangenen Wochen immer wieder gewarnt hatten. Nur eben menschenrechtskompatibel. Bis zu 4 000 Menschen pro Jahr – und damit viermal mehr als bisher – könnten nun künftig die Schweiz verlassen müssen. Die neuen Gesetzesregelungen treten am 1. Oktober 2016 in Kraft.
Aus dem vorwärts vom 11. März 2016 Unterstütze uns mit einem Abo!