G7: Substanzlose Erklärung statt Systemwechsel

Mit scharfer Kritik hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac auf die am heutigen Samstag von den G7-Finanzministern vorgelegte Erklärung zur Finanzkrise reagiert. „Angesichts der Dramatik dieser Krise ist die Erklärung in nur einer Hinsicht aussergewöhnlich: aussergewöhnlich substanzlos.“, sagte Stephan Schilling, Finanzmarktexperte im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. Zentrale Probleme wie die globalen Ungleichgewichte bei Handelsbilanzen und Währungen würden nicht einmal erwähnt. Zudem lasse der Plan über unverbindliche Absichtserklärungen hinaus keinerlei Willen erkennen, die Kosten der Krise jene tragen zu lassen, die sie verursacht haben.

„Die Regierungen der Industrieländer sind gefangen in der neoliberalen Ideologie der nationalen Standortkonkurrenz. Es fehlt immer noch am Willen zu einer kooperativen Lösung.“ Zudem räche sich jetzt auf bittere Weise, dass die führenden Industrieländer in den angeblich guten Zeiten der Globalisierung alle Versuche blockierten, Strukturen für eine globale Regulierung und Aufsicht der Weltwirtschaft aufzubauen.

Einen ersten Vorgeschmack darauf, was passiere, wenn das Krisenmanagement den Nationalstaaten überlassen bleibe, gebe der aktuelle Konflikt zwischen Island und Grossbritannien, die sich gegenseitig die Konten sperren.

„Es ist skandalös, die Krisenhilfe nicht an einen Systemwechsel zu koppeln“, sagte Detlev von Larcher, ebenfalls Finanzmarktexperte im Attac-Koordinierungskreis. „Mit dem Umbau des Finanzsystems muss nun endlich auf allen Ebenen begonnen werden, um das Diktat der Kapitalmärkte über die Realökonomie zu brechen und den damit verbundenen Druck auf das Sozial- und Steuersystem zu stoppen.“

Welttag für menschenwürdige Arbeit

Gewerkschaften in über 100 Ländern, von Fidschi bis nach Alaska, beteiligen sich heute an Aktionen, um zu einem Zeitpunkt, zu dem die Finanzkrise die Existenzgrundlage von Millionen Menschen weltweit bedroht, eine Neuausrichtung der Weltwirtschaft zu fordern.

„Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben genug von einer Politik, die einer kleinen Minderheit durch eine laxe oder nicht existente Regulierung der Finanzmärkte zu enormem Wohlstand verholfen hat, während die Löhne derjenigen, die die Waren oder Dienstleistungen in der realen Wirtschaft tatsächlich produzieren, stagnierten oder zurückgegangen sind. Der Gründungskongress des IGB im Jahr 2006 hat zu diesem weltweiten Aktionstag aufgerufen, um eine grundlegende Umgestaltung der Globalisierung zu fordern und die neoliberale Politik des freien Marktes zu beenden, die uns an den Rand einer katastrophalen weltweiten Rezession getrieben hat. Die Zeit für diese Neuausrichtung ist jetzt gekommen“, erklärte IGB-Generalsekretär Guy Ryder.

Der Tag wird mit einem Treffen jugendlicher Gewerkschafter/innen in Fidschi beginnen, gefolgt von Versammlungen, Demonstrationen, Bildungs-, Kultur- und Medienveranstaltungen in mehr als 500 Städten und Dörfern überall auf der Welt, bevor schließlich ganz im Osten Alaskas die letzte Aktivität zu Ende geht.

Auf der speziell für den Welttag eingerichteten Internetseite (www.wddw.org.) wird live über die verschiedenen Aktivitäten in aller Welt berichtet, mit Videos, Fotos und Berichten. Gewerkschaftsorganisationen aus 115 Ländern haben ihre Aktivitäten anlässlich des 7. Oktober bereits auf dieser Internetseite angegeben, und diese Informationen werden den ganzen Tag über kontinuierlich aktualisiert. Geplant sind u.a. groß angelegte Mobilisierungen in verschiedenen Ländern, einschließlich öffentlicher Kundgebungen und betrieblicher Veranstaltungen, Demonstrationen vor Parlamentsgebäuden, Konzerte, persönliche, telephonische oder E-Mail-Kontakte unter Gewerkschaftsmitgliedern, Seminare unter Beteiligung von Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und Politikern sowie groß angelegte Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen und anderswo.

In einer Reihe von Ländern sind von der Gewerkschaftsjugend organisierte Veranstaltungen geplant, und auf allen Kontinenten werden die Gewerkschafterinnen ihre Kampagne „Menschenwürdige Arbeit und ein menschenwürdiges Leben für Frauen“ intensivieren, bei der es um die Hauptanliegen sowohl von Frauen als auch von Männern bei der Arbeit geht, darunter Lohngleichheit und Mutterschaftsrechte. Diese und andere Aktionen auf nationaler Ebene werden mit den drei Hauptthemen des Welttages verknüpft: Rechte bei der Arbeit, Solidarität sowie Armut und Ungleichheit beenden. Bei zahlreichen nationalen Aktionen wird es schwerpunktmäßig um internationale Solidarität mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern gehen, die in Ländern wie Birma, Kolumbien, Swasiland und Simbabwe unter schweren Repressionen zu leiden haben.

„Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in aller Welt werden bei der ersten Mobilisierung dieser Art gemeinsam ihre Stimme erheben, um gegen die Ergebnisse der mehr als zwei Jahrzehnte währenden Deregulierung zu protestieren: wachsende Unsicherheit, enorme Ungleichheiten und eine Abwärtsspirale im globalen Wettbewerb, bei dem die Profite mehr zählen als die Grundrechte der Menschen. Wir wollen mit diesem Aktionstag wirkliche Veränderungen bewirken“, so Ryder.

Live mitverfolgt werden können die Aktionen zum Welttag für menschenwürdige Arbeit hier: www.wddw.org

Die Videos zum 7. Oktober finden sich hier: http://www.youtube.com/ITUCCSI

„Das Casino schliessen!“

Mit einer symbolischen Blockade der Frankfurter Börse unter dem Motto „Das Casino schliessen!“ haben Aktivistinnen und Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac und seiner Jugendorganisation Noya für eine echte Regulierung der Finanzmärkte demonstriert und einen entsprechenden Forderungskatalog von Attac vorgestellt.

„Wenn Merkel und Steinbrück uns jetzt glauben machen wollen, diese Jahrhundertkrise sei eine rein amerikanische Krise, dann ist das lächerlich. Die Krise hat ihren Ursprung in der neoliberalen Deregulierung der Finanzmärkte. Und die wurde in Deutschland genauso betrieben wie in den USA“, sagte Stephan Schilling, Finanzmarktexperte im Attac-Koordinierungskreis. In den USA müssten nun die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hunderte Milliarden Dollar aufbringen, um den Zockern an der Wall Street aus der Misere zu helfen. Doch damit nicht genug: Die Finanzmarktkrise drohe die Weltwirtschaft mit sich nach unten zu reißen, der zu erwartende massive Einbruch der Realwirtschaft könne hunderttausende Arbeitsplätze kosten. „Die Banken haben mit ihrer Zockerei den Zusammenbruch des gesamten ökonomischen Systems riskiert – aktiv befördert von einer Politik der systematischen Deregulierung. Damit muss Schluss sein. Es ist Zeit, das Casino zu schließen“, stellte Stephan Schilling klar.

Attac forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf, sich endlich wirksam für verschärfte Finanzmarktgesetze einzusetzen. Zwar rede auch Merkel auf einmal von Regulierung, dahinter verberge sich aber der altbekannte wachsweiche Appell nach mehr Transparenz und Selbstdisziplin der Finanzakteure. So betonte die Kanzlerin am Montag beim Unternehmertag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, es müsse „nicht immer gleich ein neues Gesetz geben“, sofern die Wirtschaft bereit sei, „bestimmte Regeln für sich selbst zu akzeptieren“. Dazu Attac-Finanzmarktexperte Detlev von Larcher: „Das ist ein schlechter Witz. Wer jetzt noch auf freiwillige Selbstverpflichtungen derjenigen setzt, die uns das Desaster eingebrockt haben, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Was wir jetzt brauchen, ist neues Finanzsystem. Die Vorschläge dafür liegen längst auf dem Tisch.“

In dem vorgelegten Massnahmenkatalog fordert Attac

  • die Einführung eines effektiven Finanzmarkt-TÜVs, der neue Produkte standardisiert und prüft, bevor diese gehandelt werden dürfen,
  • einen speziellen Krisenfonds, dessen Kosten die Finanzmarktakteure selbst tragen,
  • wirtschaftliche Sanktionen gegen Steueroasen sowie
  • eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene, um die Spekulation zu reduzieren und die Kurzfristorientierung der Finanzmärkte zu schwächen.

Zeitgleich zu der Blockade der Frankfurter Börse demonstrierten Mitglieder des europäischen Attac Youth Network auch vor den Börsen in Paris, Helsinki, London und Oslo.

Bürgerinnen und Bürger, die den Attac-Forderungskatalog unterstützen möchten, können sich an einer E-Mail-Aktion beteiligen http://www.casino-schliessen.de/aktuell/casino-schliessen/deine-stimme/