Kahlschlag bei OC Oerlikon

Der Hightech-Industriekonzern hat heute einen weitren Abbau von 2500 Stelen bekannt gegeben. Im ersten Halbjahr 2009 wurden bereits 1500 Arbeitsplätze gestrichen. Eine Reaktion der Gewerkschaft fehlt noch.

Der Verlust im ersten Halbjahr 2009 beläuft sich auf 99 Mio. Franken. Zwar war dieser in der Vorjahresperiode mit 313 Mio. Fr. noch grösser, doch die Umsätze brachen erneut ein. Sie liegen mit 1,428 Mrd. Fr. um 40 Prozent tiefer als jene des ersten Halbjahres 2008. Der Bestellungseingang ging um 39 Prozent auf 1,585 Mrd. Franken zurück,

Für das Unternehmen sind diese Zahlen «unbefriedigend», wie in der Medienmitteilung zu lesen ist. Dies, nachdem bereits Massnahmen zur Kostensenkung eingeleitet wurden: Unter anderem hat OC Oerlikon in der ersten Jahreshälfte 2009 fast 1500 Stellen abgebaut. Zu wenig für den Konzern: Weitere 2500 Arbeitsplätze werden gestrichen, was ein Total von 4000 Stellen macht! Da weiterhin gespart werden muss, wie aus der Mitteilung klar hervorgeht, ist wohl mit einem weiteren Stellenabbau zu rechnen.

Weiter muss der Konzernchef von OC Oerlikon, Uwe Krüger, muss gehen. Neuer Chef wird vorläufig Hans Ziegler, der seit 2008 im Verwaltungsrat von OC Oerlikon sitzt. Das Unternehmen begründet den Wechsel mit den tieferen Umsätzen und den roten Zahlen. 2500 Stellen werden gestrichen. «Der beschlossene Managementwechsel gewährleiste die einheitliche Ausrichtung an die Interessen aller Anspruchsgruppen», schreiben die Bosse. Wohl kaum jenen der Entlassenen. Gespannt darf auf die Antwort und Reaktion der Gewerkschaften gewartet werden.

Deutschland: Privatisierung kostete 600’000 Jobs

Mit der Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen sind in Deutschland seit Anfang der 90er-Jahre mindestens 600.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Das ergibt sich aus einer Studie der WSI-Forscher Torsten Brandt und Thorsten Schulten. Zwar existiert den Wissenschaftlern zufolge bislang keine vollständige Erhebung über die Beschäftigungsentwicklung in allen betroffenen Wirtschaftsbereichen. Dennoch ist es ihnen gelungen, mithilfe verschiedener Statistiken eine erste Bilanz zu ziehen.

Zwischen 1991 und 2006 fielen im öffentlichen Dienst mehr als 2,1 Millionen Beschäftigungsverhältnisse weg. Das war fast ein Drittel aller Stellen im Staatsdienst. Im Gegenzug entstanden zwar auch neue Jobs in privaten Firmen, zum Beispiel bei den Konkurrenten der ehemals staatlichen Telekom oder bei privaten Briefdienstleistern. Der Gesamteffekt sei jedoch negativ, so die Wissenschaftler. Ähnliches sei auch in anderen europäischen Ländern festzustellen. Die von der EU geäußerte Erwartung, die Liberalisierung der Wirtschaftszweige Telekommunikation, Post, Transport und Energie werde in Europa eine Million zusätzliche Stellen schaffen, habe sich nicht erfüllt. Brandt und Schulten haben die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland für wichtige Teile der staatlichen oder vormals staatlichen Wirtschaft nachgezeichnet.

Energie- und Wasserwirtschaft: Von Anfang der 90er-Jahre bis 2005 gingen hier 127.000 Stellen verloren, der größte Teil in der Stromwirtschaft. Dies sei auf Marktkonzentrations- und Rationalisierungsprozesse im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes sowie auf Privatisierungen kommunaler Versorgungsunternehmen zurückzuführen, schreiben die Wissenschaftler

Telekommunikation: Von 1994 bis 2007 baute die Telekom im Inland 77.000 Jobs ab – fast die Hälfte aller Stellen. Seit der Marktöffnung für Wettbewerber 1998 konnten neue Anbieter keinen Ausgleich schaffen: Sie richteten bis 2007 nur knapp 14.000 neue Arbeitsplätze ein. Und der Höhepunkt ist anscheinend schon überschritten: In den letzten Jahren war die Beschäftigungsentwicklung bei der Telekom-Konkurrenz wieder rückläufig.

Post: Die Beschäftigten der Deutschen Post erlebten vor und nach der Privatisierung 1995 einen dramatischen Beschäftigungsabbau im Inland. Allein von 1989 bis 1998 gingen rund 139.000 Stellen verloren. Bei den Wettbewerbern entstanden von 1999 bis 2006 nur etwa 30.000 neue Jobs. Allerdings seien diese nicht mit den gestrichenen Post-Arbeitsplätzen zu vergleichen, schränken die Wissenschaftler ein. Die Hälfte seien niedrig bezahlte Minijobs.

Verkehr: Seit 1994 hat die Deutsche Bahn rund 170.000 Jobs im Inland gestrichen. Der Personalabbau begann jedoch schon früher. Bereits in den 80er-Jahren waren bei der Bundesbahn 69.000 Arbeitsplätze weggefallen, zu Beginn der 90er-Jahre setzte sich der Abbau fort. Von 1990 bis 1993 entfielen zudem 88.000 Jobs bei der Reichsbahn.

Krankenhäuser: Deutsche Spitäler haben seit Anfang der Neunziger Jahre Personal abgebaut und Vollzeit- durch Teilzeitjobs ersetzt. Der Rückgang des Beschäftigungsvolumens entsprach 84.000 Vollzeitstellen. Komplett gestrichen wurden 48.000 Arbeitsplätze. Weitere von Stellenabbau betroffene Sektoren waren den WSI-Forschern zufolge die Entsorgungswirtschaft sowie kommunale Sport-, Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Privatisierung und Liberalisierung haben das Tarifsystem destabilisiert. Durch Privatisierungen wurden viele Beschäftigte vom Tarifvertragssystem des öffentlichen Dienstes abgekoppelt, stellen die Autoren fest. Wo sich neue, heterogene Tarifstrukturen etablieren, gehe die „klassische Funktion des Flächentarifvertrags, durch einheitliche Mindeststandards Lohn- und Arbeitskostenkonkurrenz zu begrenzen“ verloren. In der Folge komme es oft zu einem „offenen sozialen Unterbietungswettbewerb“. Gerade in arbeitsintensiven Branchen wie Post, Nahverkehr oder Gesundheitswesen werde der Wettbewerb über die Arbeitskosten ausgetragen.

Nach der Analyse der Wissenschaftler ist in einigen der betrachteten Wirtschaftszweige inzwischen eine „Zwei-Klassen-Tarifstruktur“ entstanden: Auf der einen Seite stehen die Stammbelegschaften ehemaliger Monopolisten, die von tariflichen Besitzstandsklauseln profitieren. Auf der anderen Seite stehen die zu schlechteren Bedingungen neu eingestellten Kollegen und die Beschäftigten der neuen Wettbewerber. Brandt und Schulten schlagen verschiedene Instrumente vor, um eine weitere Zersplitterung zu verhindern: europakonforme Tariftreueregeln, Mindestlohn und allgemeinverbindlich erklärte Branchentarifverträge.

Download (pdf)